Kavallerie
Als Kavallerie bezeichnet man berittene militärische Einheiten. Das Wort Kavallerie wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts dem gleichbedeutenden französischen Wort cavalerie entlehnt, welches wiederum aus dem italienischen cavaliere für Reiter hervorging.
In der militärischen Taktik waren berittene Einheiten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Faktor. Sie erweiterten die taktischen Möglichkeiten einer Armee ungemein. Das Besondere an der Kavallerie war ihre Mobilität, Schnelligkeit und Durchschlagskraft.
Die Kavallerie war eine der wichtigsten und zugleich stärksten Einheiten der Antike, des Mittelalters und der Renaissance. So spielte sie auch in den Kreuzzügen eine wichtige Rolle. Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein wurden Schlachten hoch zu Ross ausgetragen.
Der effektivste Gegner der Kavallerie im Mittelalter waren die Pikeniere, die mit großen Lanzen versuchten, den Reiter von seinem hohen Ross zu holen oder das Pferd zu töten. Deshalb schützte man Schlachtrösser in West- und Mitteleuropa seit dem 14. Jahrhundert mit einem so genannten Rossharnisch aus Platten. In Persien, Osteuropa und Byzanz wurden die Schlachtrösser schon ab der Spätantike mit einem Überwurf aus Schuppen- oder Kettengeflecht geschützt. Wahrscheinlich entstanden die ersten Pferderüstungen im antiken Zentralasien.
Man bezeichnet üblicherweise nur Truppen zu Pferd als "Kavallerie"; nicht aber Krieger, die auf anderen Tieren (z.B. Elefanten) reiten.
Kavallerie nach Typen
Leichte Kavallerie mit Bogen
Die Kombination aus Mensch, Bogen, Pfeil und Pferd ist ein sehr wirkungsvolles Waffensystem, wie schon viele Völker zu ihrem Nachteil erfahren mussten. Zu den ältesten uns bekannten Reitervölkern gehören die Hyksos und die Skythen; am bekanntesten sind wohl die Hunnen, Mongolen, die nordamerikanischen Indianer und die Reitertruppen des osmanischen Reiches.
Ausrüstung
Die leichte Reiterei benutzte kleine schnelle und wendige Pferde, ihre Reiter trugen keine Rüstung oder nur leichte Rüstung. Die klassischen Reitervölker benutzten kurze, starke Bögen von großer Kraft und Reichweite. Diese Reiter- oder Kurzbögen besaßen dennoch nicht die Reichweite und Durchschlagskraft wie später der Langbogen oder die Armbrust. Die von einem Kurzbogen abgefeuerten Pfeile waren daher zumeist nicht in der Lage, schwere Rüstung zu durchdringen.
Taktik
Reiterarmeen konnten feindliche Truppen auf Distanz mit Pfeilen überschütten und mussten sich nie auf Nahkämpfe einlassen. Langsamere Gegner ohne wirkungsvolle Fernwaffen waren oft chancenlos. So vernichteten die Reitertruppen des Partherreiches in der Schlacht bei Carrhae (53 v. Chr.) die Legionen des Crassus.
Die großen Schwächen von berittenen Bogenschützen waren ihr Platzbedarf und ihre leichte Ausrüstung. Wenn sie auf engem Raum zum Nahkampf gezwungen waren, mussten sie unterliegen. Außerdem waren sie für Belagerungen nicht zu gebrauchen. Gute Reitertruppen benötigten viel Ausbildung und sehr gute Pferde.
Die Schlacht von Doryläum 1097 im Ersten Kreuzzug illustriert Glanz und Elend der berittenen Bogenschützen: Es gelang den Reiterpulks des seldschukischen Sultans Kilij Arslan, ein Heer der Kreuzfahrer einzukreisen und auf Distanz zu beschießen. Die Ritter konnten dem Pfeilhagel wenig entgegensetzen. Plötzlich erschien Verstärkung unter Gottfried von Bouillon, und die Seldschuken sahen sich eingekreist. Sie konnten nicht mehr fliehen und wurden zusammengeschlagen. Die Seldschuken verloren bei Doryläum so schwer, dass die Kreuzfahrer praktisch unbehelligt Anatolien durchqueren konnten.
Schwere Kavallerie mit Lanzen
Die ersten schweren Reiter waren die Cataphracti und Clibanarii der Sarmaten, Parther, Sassaniden und Byzantiner.
Ausrüstung
Die schwer gerüsteten Ritter des Mittelalters kämpften mit einer langen Lanze, trugen schwere Ketten- und Plattenpanzerung und ritten auf Schlachtrössern, die speziell für den Kampf und das Tragen von hohem Gewicht trainiert wurden.
Die Geschichtswissenschaft ist sich über die Bedeutung des Steigbügels für die Wirkung schwerer Reiterei uneinig.
Taktik
Die Ritter griffen im schnellen Ritt und zum Teil in mehreren Angriffswellen mit der Lanze als Primärwaffe an und durchbohrten den Gegner. Die schweren Lanzen wurden nach dem Lanzenangriff fallen gelassen und der Kampf wurde mit den Sekundärwaffen (Schwert, Axt, Streitkolben oder ähnliches) weitergeführt. Mit ihren schweren Schlachtrössern wurde gegnerisches Fussvolk niedergeritten. Diese Methode des Angriffs war wirksam, aber hing von vielen Faktoren ab. Folgende Taktiken waren meist effektiv gegen schwere Reiterei:
- Gute Fernwaffen: Sowohl der Langbogen als auch die Armbrust konnten den Rittern gefährlich werden. Mit der Erfindung der Feuerwaffen kam dann auch das allmähliche Ende des Ritters als Krieger. Mittelalterliche Ritter griffen aufgrund ihrer Kriegerideale Bogenschützen häufig frontal an. Die Folgen waren immer verheerend: Bei Crécy (1346) und Poitiers (1356) erlitten die französischen Ritter schwere Verluste gegen englischen Langbogenschützen; bei Agincourt (1415) starben über 5.000 Ritter im Pfeilhagel.
- Stangenwaffen: Sowohl die Hellebarden der Schweizer als auch die langen Speere der Schotten waren eine gute Wahl. Die Kämpfer standen in enger Formation wie die antike Phalanx. Im Kampf gegen die Schotten erwiesen sich die englischen Ritter als ebenso borniert und hochmütig wie ihre französischen Kollegen. In den Schlachten an der Brücke von Stirling (1297) und Bannockburn (1314) unterlagen sie gegen die Schotten. Die mit Piken bewaffneten Pikeniere waren bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges wichtige Truppen. Als Gegentaktik im Kampf gegen Pikenträger entwickelte die schwere Reiterei in der frühen Neuzeit Manöver wie zum Beispiel die Caracolla.
- Das Nutzen von Geländevorteilen: Lanzenreiter benötigten festen, ebenen Boden und genug Platz für ihren Angriff. Ein kluger Gegner vermied die Schlacht auf offenem Feld und stellte sich lieber in sumpfigem, bergigen oder bewaldetem Terrain zum Kampf. Dies taten die Schotten bei Bannockburn und Stirling. Die Schweizer Eidgenossen besiegten die österreichischen Ritter in der Schlacht bei Morgarten (1315), indem sie das Ritterheer an einer engen Stelle zwischen einem Abhang und einem Sumpf angriffen. Die Bauern von Dithmarschen stellten sich im Jahr 1500 bei Hemmingstedt der Armee des dänischen Königs entgegen. Sie öffneten Deiche und überfluteten das Land. War das Gelände für einen Reiterangriff schlecht geeignet, kämpften englische Ritter oftmals zu Fuss und verwendeten ihre Lanzen dabei wie Piken. Zu Fuss kämpfende Ritter nannte man in England Men-at-Arms.
Man geht heute davon aus, das ein Großteil der Ritter in vielen mittelalterlichen Schlachten zu Fuß kämpfte. Nur bei idealen Geländebedingungen und Unterstützung durch Fernkämpfer führte man den Angriff auf einem Schlachtross durch.
Europäische Kavallerietruppen der Neuzeit
Lanzierer
Die Lanzierer bildeten die älteste Kavalleriegattung der Neuzeit. Sie waren meist durch einen vollständigen Plattenpanzer oder zumindest durch einen Trabharnisch, der bis zu den Knien reichte, geschützt. Ihre Hauptwaffe war die Lanze, doch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gingen sie dazu über, auch Radschlosspistolen mit sich zu führen. Lanzierer ritten auf schweren Schlachtrössern, die oftmals durch einen Rossharnisch geschützt wurden. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts gingen die Lanzierer in die Truppengattung der Kürassiere auf.
Kürassiere
Die Truppengattung der Kürassiere entstand in den 1540er Jahren. Als schwere Reiterei bildeten sie Angriffspitzen. Bis in das 17. Jahrhundert hinein trugen die meisten Kürassiere einen vollständigen Küriss oder häufiger einen Trabharnisch. Bewaffnet waren sie mit diversen Pistolen und einem Säbel.
Arkebusierreiter
Die Arkebusierreiter waren mit einem Radschloßgewehr bewaffnet, der so genannten Arkebuse. Dieses Gewehr war kürzer und leichter als die Muskete. Arkebusiere trugen meist nur einen Helm und einen Brustpanzer und waren zusätzlich mit einer Blankwaffe ausgerüstet.
Dragoner
Die Dragoner bildeten seit dem Dreißigjährigen Krieg die zweite Gattung der Kavallerie, zuerst als auf das Pferd gesetzte Infanterie, später als eigenständige Kavallerie-Truppengattung neben den Kürassieren. Dragoner zeichneten sich durch ihre für berittene Truppen relativ schwere Bewaffnung mit Feuerwaffen aus. Meist verwendeten sie großkalibrige Karabiner. Die meisten Dragoner trugen keine Rüstung.
Kosaken
Die Kosaken, ursprünglich Wehrbauern in den südrussischen und ukrainischen Steppen, stellten ab dem späten 16. Jahrhundert die größte europäische Kavallerie-Streitmacht dar und galten im 19. Jahrhundert als die effektivste leichte Reiterei.
Husaren
Die Husaren waren zuerst ungarische Freischärler, wurden aber seit dem späten 17. Jahrhundert auch als reguläre Truppen aufgestellt, ohne ihren Charakter als leichte Reiterei für Aufklärungs- und Sicherungsaufgaben zu verlieren. Die Husarengattung wurde schnell von allen europäischen Großmächten übernommen.
Ulanen
Die Ulanen waren in polnischer Tradition stehende Lanzenreiter und gehörten seit dem frühen 19. Jahrhundert wie die Husaren zu leichten Reiterei. Andere Länder wie Preussen und Russland folgten dem polnischen Beispiel und stellten große Ulanen-Kontingente auf.