Mehrgleisigkeit
Eisenbahnstrecken können außerhalb der Bahnhöfe aus einem oder mehreren Gleisen bestehen.
Anzahl der Streckengleise
Eingleisige Strecken
Die meisten Strecken sind eingleisig oder einspurig: das heißt, die Züge fahren in beiden Richtungen auf demselben Gleis. Dabei ist die Leistungsfähigkeit der Strecke beschränkt, da Begegnungen von Zügen ("Kreuzung") nur in Bahnhöfen oder Ausweichstellen möglich sind, zwischen denen auf der freien Strecke zwangsläufig nur ein Zug fahren kann. Dies ist außer bei Nebenstrecken und Kleinbahnen teilweise sogar bei wichtigen Hauptstrecken der Fall.
Zweigleisige Strecken und deren Fahrordnung
Hochgeschwindigkeitsstrecken und ein großer Teil der wichtigsten anderen Hauptstrecken sind zwecks höherer Leistungsfähigkeit und Sicherheit zweigleisig oder doppelspurig: dabei wird im Regelfalle für jede Richtung ein festgelegtes Gleis benützt (Fahrordnung oder Betriebsrichtung), und zwar entweder in Fahrtrichtung das linke (Linksverkehr, Linksbetrieb, Linksfahren, Linksfahrordnung) oder das rechte (Rechtsverkehr, Rechtsbetrieb, Rechtsfahren, Rechtsfahrordnung). Dementsprechend befinden sich die Signale bei Linksbetrieb links und bei Rechtsbetrieb rechts vom Gleis.
In wenigen Ländern wird abweichend hiervon gleichzeitig auf einigen zweigleisigen Strecken links, auf anderen jedoch rechts gefahren.
Dabei stimmt die Fahrordnung der Eisenbahn nicht immer mit derjenigen des Straßenverkehrs überein: in einigen Ländern mit Linksbetrieb der Eisenbahn fahren die Autos auf der rechten Straßenseite, während nach Kenntnis des Verfassers in keinem Land mit Linksverkehr auf der Straße die Eisenbahn auf zweigleisigen Strecken rechts fährt.
Geschichte der Fahrordnung
Die Fahrordnung der Eisenbahn wurde meistens von der bestehenden Fahrordnung des Straßenverkehrs übernommen, weshalb die Eisenbahn in der Frühzeit wie die Pferdefuhrwerke meistens auf zweigleisigen Strecken links fuhr. Dagegen hatte die Schifffahrt darauf keinen Einfluss, weil Schiffe immer rechts zu fahren haben, und zwar auch in Ländern, in denen die Eisenbahn und/oder die Autos links fahren. Hinsichtlich der damals vorherrschenden Dampfloktechnik war das jedoch nachteilig, da der Heizer zwangsläufig auf der rechten Seite des Führerstandes arbeiten musste, damit der Lokführer auf dessen linker Seite die links vom Gleis stehenden Signale sehen konnte, was für den gewöhnlich rechtshändigen Heizer eine Arbeitserschwernis zur Folge hatte. Im Laufe der Zeit gingen verschiedene Bahnen daher teilweise oder vollständig vom Linksbetrieb auf den Rechtsbetrieb über, zum Beispiel in Deutschland die ehemaligen Gesellschaften: Rheinische Bahn, Großherzoglich Badische Staatsbahn und Hannoversche Westbahn.
Zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit zweigleisiger Strecken wurde ab Mitte des 20. Jahrhunderts der Gleiswechselbetrieb eingeführt: dabei können beide Streckengleise signalmässig in beiden Richtungen im Regelbetrieb befahren werden und Züge sich auf freier zweigleisiger Strecke überholen. Hierdurch wurde die starre Festlegung der Fahrordnung aufgehoben, obgleich auch auf Strecken mit Gleiswechselbetrieb gewöhnlich das der in dem betreffenden Land hergebrachten Fahrordnung entsprechende Gleis benützt wird und das andere nur bei Bedarf. Eine eindeutig festgelegte Fahrordnung ist beim heutigen Eisenbahnbetrieb mit elektrischen oder Diesellokomotiven sowie Triebwagen mit ihren vornliegenden Führerständen dagegen nicht mehr erforderlich.
Mehrgleisige Strecken
Sehr stark belastete Strecken besonders im Nahbereich von Eisenbahnknotenpunkten und Ballungsräumen sind drei- oder viergleisig oder haben vereinzelt auch mehr als vier Streckengleise.
Dabei wird auf dreigleisigen Strecken in der Regel entweder das mittlere oder eines der beiden äußeren Gleise in beiden Fahrtrichtungen benützt, die beiden anderen jedoch entsprechend der in dem betreffenden Land geltenden Fahrordnung jeweils in nur einer Richtung.
Viergleisige Strecken bestehen aus zwei Gleispaaren für verschiedene Zugsarten, und zwar jeweils entweder für:
- Personen- und Güterzüge,
- Fern- und Vorortszüge (Ferngleise mit Mischbetrieb für Personen- und Güterzüge), oder
- schnelle und langsame Züge.
Sie werden entweder im Richtungsbetrieb oder im Linienbetrieb befahren:
- Linienbetrieb: die beiden Gleispaare werden wie zwei nebeneinander liegende zweigleisige Strecken befahren, zum Beispiel: Minden – Löhne (Westf.) – Bielefeld – Hamm, oder in Frankreich: Thionville – Woippy (–Metz);
- Richtungsbetrieb: das eine Gleispaar befindet sich in der Mitte der Strecke, während sich das andere beidseits davon befindet, so dass die beiden Gleise für eine Fahrtrichtung nebeneinander zusammen liegen und daneben zusammen die beiden anderen für die andere Richtung, zum Beispiel: (Essen –) Mülheim an der Ruhr – Duisburg Hbf – Duisburg-Schlenk (weiter Richtung Düsseldorf im Linienbetrieb) oder in Frankreich: (Paris –) Montereau – Saint-Florentin – (Dijon).
Es bestehen wesentlich mehr viergleisige Strecken mit Linienbetrieb als mit Richtungsbetrieb. Dies trifft auch auf das Gebiet mit dem weltweit dichtesten Netz viergleisiger Strecken zu, nämlich London mit seiner weiteren Umgebung, sowie auf verschiedene andere längere viergleisige Streckenabschnitte in Großbritannien.
Dementsprechend sind die einzelnen Gleise von Strecken mit mehr als vier Gleisen ebenfalls nach Zugsarten und Fahrtrichtungen aufgeteilt.
Anteil der zwei- und mehrgleisigen Strecken
Weltweite Verteilung
Entsprechend dem Entwicklungsstand der Länder und ihrer Eisenbahnnetze haben die meisten europäischen Länder sowie die ehemalige Sowjetunion in ihren Eisenbahnnetzen im weltweiten Vergleich den weitaus höchsten Anteil zwei- und mehrgleisiger Strecken, meistens mehr als 20 %. Außerhalb Europas beträgt ihr Anteil in Ägypten, Südafrika, Japan, Korea, China und Indien mindestens 20 %. Dagegen liegt deren Anteil am Gesamtnetz nicht nur in fast allen Ländern der so genannten Dritten Welt darunter, sondern sogar in den USA: dort sind beispielsweise im größten Bundesstaat Texas bis auf kurze Abschnitte im Bereich seiner drei größten Städte Houston, Dallas und San Antonio ebenso alle Strecken eingleisig wie fast alle Strecken in der Westhälfte des Landes mit Ausnahme verschiedener längerer zweigleisiger Abschnitte der beiden Transkontinentalbahnen von San Francisco und Los Angeles nach Chicago. Die Transsibirische Eisenbahn als russische Transkontinentalbahn und längste Eisenbahnstrecke der Welt ist wiederum durchgehend zweigleisig.
Rückbau und Ausbau heute
Besonders in Nordwest- und Mitteleuropa sowie in den USA wurden bereits viele früher zweigleisige Strecken auf nur mehr ein Gleis zurückgebaut, was auch heute weiterhin geschieht. Dagegen werden in vielen anderen Ländern einschließlich verschiedener Entwicklungsländer wie Marokko, Iran oder Indien auch heute noch eingleisige Strecken zweigleisig ausgebaut; dasselbe betrifft im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern Nordwest- und Mitteleuropas auch die Niederlande (dort auch in größerem Umfang mit Bau dritter und vierter Gleise an bereits zweigleisigen Strecken) und die Schweiz. Nur in diesen beiden Ländern sowie in Belgien, Luxemburg und Großbritannien sind mehr als 50 % der Eisenbahnstrecken zwei- und mehrgleisig.
Fahrordnung in den einzelnen Ländern
In den kursiv geschriebenen Ländern sind mindestens 20 % der Strecken zwei- und mehrgleisig. Auffällig ist, dass sich Länder mit Rechtsbetrieb der Eisenbahn fast nur auf der Nordhalbkugel der Erde befinden.
Linksbetrieb
- Amerika: Brasilien, Uruguay, Argentinien, Chile;
- Europa: Irland, Großbritannien einschließlich Nordirland, Schweden, Belgien, Schweiz, Italien, Slowenien, Portugal;
- Afrika: Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Elfenbeinküste, Kenia, Zimbabwe, Mozambique, Südafrika;
- Asien: Japan, Korea (beide Teile), China einschließlich Taiwan, Pakistan, Indien, Bangladesh, Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Malaysia, Indonesien;
- Ozeanien: Australien, Neuseeland;
Linksbetrieb mit Ausnahmen
- Europa: Frankreich (im Elsass und in Lothringen aufgrund deren früherer Zugehörigkeit zu Deutschland noch heute Rechtsbetrieb);
Linksbetrieb und Rechtsbetrieb als Regelfahrordnungen
- Europa:
- Österreich: Es herrschte während der Donaumonarchie bezüglich der Fahrordnung ein ziemliches Durcheinander als Folge des Baues durch verschiedene Gesellschaften, die jeweils ihre eigene Fahrordnung hatten. Heute wird noch auf der "Südbahn" einschliesslich der Semmeringbahn (Wien – Graz – Puntigam), der "[[ %D6sterreichische_Nordbahn|Nordbahn]]" (Wien – Hohenau – Breclav/Tschechien), der Strecke Absdorf-Hippersdorf – Tulln – Wien sowie verschiedenen Strecken im wiener Stadtgebiet links gefahren; ansonsten dagegen rechts, einschließlich der früher links befahrenen "Westbahn" (Wien – Linz – Salzburg) und "Brennerbahn" (Wörgl – Innsbruck – Brenner –Italien);
- Spanien: Auf der ehemaligen Nordbahn (NORTE) von Irun nach Madrid nebst weiteren Strecken in deren Einzugsbereich besteht Linksbetrieb, während auf den Strecken der ehemaligen Eisenbahngesellschaft M. Z. A. (Madrid – Zaragoza – Alicante) östlich und südlich von Madrid sowie den Hochgeschwindigkeitsstrecken rechts gefahren wird. Der Übergang zwischen den Fahrordnungen erfolgt in einem kompliziertem planfrei angelegtem Gleisdreieck im Nordwesten von Madrid.
Rechtsbetrieb mit Ausnahmen
- Europa: Luxemburg (nur Kleinbettingen – Luxemburg-Stadt links), Tschechien: auch hier aus der Donaumonarchie früher gemischte Fahrordnungen (ehemalige [[%D6sterreichische_Nordbahn|Nordbahn]] Bohumín – Ostrava – Prerau – Breclav – Österreich sowie zweigleisige Teile der Strecken Zatec – Prag: links, die früher durchgehend links befahrene Strecke Kadan – Komotau – Karlsbad – Eger wurde auf Gleiswechselbetrieb mit Regelfahrordnung rechts umgebaut);
- Amerika: USA: Strecken der ehemaligen "Chicago and Northwestern Railroad" (CNW, zum Beispiel Omaha – Chicago) sowie kleinere Abschnitte bei San Bernardino (Kalifornien) und bei Bangor (Maine) links, früher auch Chicago – Toledo –Cleveland – Buffalo – Albany der ehemaligen "New York Central Railroad" (NYC);
Rechtsbetrieb
- Amerika: Kanada, Mexiko;
- Europa: Norwegen, Dänemark, Finnland, ehemalige Sowjetunion einschließlich asiatischem Teil, Polen, Deutschland, Niederlande, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Türkei einschließlich asiatischem Teil;
- Afrika: Senegal, Kamerun;
- Asien: siehe oben unter Europa;
dem Verfasser unbekannt, bitte um Mithilfe!!!
Kuba, Kolumbien, Peru, Madagaskar, Namibia, Syrien, IRAN!, Philippinen.
Literatur
Näheres zum Bau und Betrieb zwei- und mehrgleisiger Strecken kann den zahlreichen älteren und neueren Lehrbüchern über Eisenbahnbau und Eisenbahnbetrieb entnommen werden. Genauere Hinweise folgen, bitte um etwas Geduld.
Die früher in Papierform herausgegebenen Statistiken des Internationalen Eisenbahnverbandes (Union Internationale des chemins de fer, UIC; Weblink: http://www.uic.asso.fr/home/home_de.html ) enthalten unter anderem Angaben über Länge und Prozentsatz zwei- und mehrgleisiger Strecken sowie die Fahrordnung bei den meisten Mitgliedsbahnen, letzteres allerdings teilweise fehlerhaft.