Schöne neue Welt
Schöne Neue Welt (engl. Brave New World) ist ein 1932 entstandener dystopischer Roman von Aldous Huxley. (ISBN 3-596-20026-1)
Es handelt sich um Huxleys bekanntesten Roman. "Schöne, neue Welt" wird von Huxley wie eine (positive) Utopie beschrieben. Huxley bringt seine Kritik an dieser Welt in vielen ironischen Passagen zum Ausdruck. Er beschreibt dabei eine Welt, in der die Menschheit Kunst, Religion und Wissenschaft stark eingeengt hat. Weiterhin bleiben den Menschen in der "Schönen, neuen Welt" tiefe Gefühle und ein freier Willen versagt, um für alle Menschen politische Stabilität, Frieden, Gesundheit, lebenslange Jugend und ständiges Glück ermöglichen zu können.
Mittels physischer Manipulationen des Fötus und anschließend durch psychologische Manipulation in der Erziehung werden alle Menschen so genormt, dass sie mit ihrem späteren, schon fest geplanten Leben glücklich sind. Durch permanente Beschäftigung mit Sex, Konsum und einer nebenwirkungsfreien Droge, Soma, zufrieden gestellt, verlieren die Menschen das Bedürfnis zum kritischen Denken und Hinterfragen der Weltordnung. Dadurch wird die Weltordnung stabilisiert, und eine reibungslose Regierung der Welt wird für eine Handvoll wohlwollender Kontrolleure möglich.
Der Titel
Der heutige Titel stammt aus einem Monolog von Miranda aus Shakespeares Der Sturm (engl.: „the Tempest“)
- O Wunder!
- Was gibt's für herrliche Geschöpfe hier!
- Wie schön der Mensch ist. Schöne, neue Welt,
- Die solche Bürger trägt!
Der Roman wurde schon im Erscheinungsjahr von Herberth E. Herlitschka in die deutsche Sprache übersetzt. Zuerst als „Welt wohin?“ erschienen, wurde der Titel in „Wackere neue Welt“ und in späteren Auflagen in „Schöne Neue Welt“ geändert. In der deutschen Fassung ist die Handlung nach Berlin und Norddeutschland verlegt und auch einige Namen von Figuren der Handlung wurden verändert – im Original sind viele Personen nach bekannten britischen Kapitalisten benannt, in der deutschen Ausgabe entsprechend nach deutschen Kapitalisten. So wird etwa aus Mustafa Mond ein Mustafa Mannesmann. 1978 erschien eine neue deutsche Übersetzung von Eva Walch, die wieder die originalen Orte und Namen verwendete.
Inhalt
Der Roman beginnt mit einer Führung des Direktors der Brut- und Normzentrale Berlin-Dahlem (in der engl. Ausgabe London)für die neuen Mitarbeiter. Der Leser erfährt viel über die Produktion und Manipulation von menschlichen Embryonen, und weshalb diese Techniken zum Wohle der Gemeinschaft eingesetzt werden müssten. Später werden die Studenten durch einen Kindergarten geführt, wo Babys durch Lärm konditioniert werden, Bücher und Blumen zu fürchten. Dort treffen sie auch Mustafa Mannesmann (in der engl. Ausgabe Mustafa Mond), den Worldcontroller für Westeuropa. Dieser erklärt den Studenten die Geschichte des Weltstaates und preist dessen Erfolge, wie das Auslöschen von starken Gefühlen oder die sofortige Befriedigung jedes Wunsches.
Inzwischen schwatzt Lenina mit Fanny Crowne über ihre Beziehungen und gibt zu, sich von dem eigenbrötlerischen Bernard angezogen zu fühlen. Sie stimmt zu, ihn zu einem Besuch im Reservat begleiten zu wollen. Bernard ist zwar sehr erfreut, aber auch sehr verlegen, und flieht deshalb zu seinem Freund Helmholtz Watson. Ein paar Tage später bittet Bernard den Direktor um die Erlaubnis, das Reservat in New Mexico besuchen zu dürfen. Dieser gewährt sie ihm widerwillig, und erzählt Bernard beiläufig, dass er, als er vor zwanzig Jahren einmal das Reservat besucht hat, dort seine damalige Freundin in einem Sturm verloren hatte. Bevor Bernard mit Lenina aufbricht, erfährt er von seinem Freund Helmholtz, dass der Direktor plant, Bernard wegen seines unangepassten Verhaltens ins Exil zu schicken.
Im Reservat lernen Lenina und Bernard einen hellhäutigen Mann, John, kennen. John wird von dem Dorf seit frühester Kindheit ausgegrenzt, da seine Mutter die verlorenen gegangene Freundin des Direktors ist und diese sich nicht den Werten der Dorfgemeinschaft angepasst hat. Bernard bittet Mustafa Mannesmann, John und Linda die Erlaubnis zu erteilen, das Reservat zu verlassen und in die „Schöne, neue Welt“ zurückzukehren. Dort wartet schon der Direktor der Normzentrale auf Bernard, um ihn vor der gesamten Belegschaft ins Exil zu schicken. Aber Bernard dreht den Spieß um und präsentiert der Belegschaft Linda und den Sohn des Direktors John. Die Schande, ein Vater zu sein, lässt den Direktor verstummen.
John wird wegen des seltsamen Lebens, das er im Reservat geführt hat, augenblicklich zum Star der Berliner Society. Zunächst ist John von den Wundern der modernen Gesellschaft beeindruckt, aber mehr und mehr wird er durch die Gesellschaft, die er beobachtet, verstört. Seine Zuneigung zu Lenina würde sie zwar auf sexueller Basis erfüllen, aber sie ist unfähig, eine echte emotionale Bindung zu ihm aufzubauen, weshalb John sie zurückweist.
Als Entdecker und Beschützer des „Wilden“ wird auch Bernard populär. Er nutzt seinen neuen Status, um mit möglichst vielen Frauen zu schlafen und zahlreiche Dinnerpartys zu geben. Die meisten seiner Gäste verachten Bernard, sind aber bereit, sich mit ihm abzugeben, um einmal mit John in Kontakt zu kommen. Als sich eines Abends John weigert, die Gäste zu begrüßen, verfällt auch Bernards gerade errungener Status.
John erhält einen Anruf vom Krankenhaus, in dem er erfährt, dass seine Mutter im Sterben liegt, da sie seit ihrer Rückkehr auf einem ständigen Somatrip war. Im Krankenhaus muss John beobachten, wie eine Gruppe von Kindern gerade ihre Konditionierung gegen Todesangst erhält. Die Kinder fragen neugierig, warum Johns sterbende Mutter so hässlich wäre. Darüber verliert John die Fassung. Nach Lindas Tod versucht John, eine Gruppe von Deltas zu einer Revolte anzustiften und wirft dazu ihr Soma aus dem Fenster. Bernard und Helmholtz kommen ihm dabei zu Hilfe. Der Aufstand wird schnell und unblutig von der Polizei niedergeschlagen, John, Bernard und Helmholtz werden verhaftet und Mustafa Mannesmann vorgeführt. John und Mannesmann diskutieren über Vorteile (Glück und Stabilität) und die Nachteile (die Sinnlosigkeit einer solchen menschlichen Existenz) der Weltpolitik. Anschließend verkündet Mannesmann sein Urteil. Während Bernard und Helmholtz auf eine entfernte Insel verbannt werden, darf John ihnen nicht folgen. Allerdings gesteht Mannesmann John einen Leuchtturm zu, in dem John durch Selbstgeißelung büßen möchte. Neugierige Bürger der „schönen, neuen Welt“ finden ihn aber und verraten seinen Zufluchtsort an die Presse. Nachdem Horden von Schaulustigen sein Haus belagern und ihn auffordern, sich zu geißeln, trifft schließlich auch Lenina ein, die sich ihm mit offenen Armen nähert. John stürzt sich wie ein Rasender mit der Geißel auf sie. Die Intensität dieser Szene verursacht unter den Schaulustigen eine exzessive Raserei, an der auch John teilnimmt. Als John am nächsten Morgen aufwacht, überkommt ihn Reue und das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der „schönen, neuen Welt”, und er erhängt sich.
Figuren
Lenina und Bernard
In der ersten Hälfte des Romans werden durch die Figur von Lenina Crowne und Bernard Marx (oder in der deutschen Übersetzung Sigmund Marx) die entgegengesetzten Standpunkte von Huxleys Gesellschaft personifiziert. Ihre Namen beziehen sich übrigens auf den sowjetischen Revolutionär Lenin, den Gründer des Kommunismus Karl Marx und den Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud.
Lenina ist eine perfekte Bürgerin der "Schönen neuen Welt". Sie ist ständig glücklich und pneumatisch, angepasst im Verhalten und erfüllt ihrer Funktion in dieser Gesellschaft vollständig und scheinbar freiwillig. Sie arbeitet ebenso wie Bernard in der Zentrale für Brut- und Normaufzucht. Sie ist ein Objekt der Begierde für eine Reihe von Neben- und Hauptcharaktere, beispielsweise für Bernard und John. Ihr Verhalten ist manchmal fesselnd unorthodox, was sie auch für den Leser liebenswürdig macht. Sie fühlt sich beispielsweise von Bernards Eigenbrötlerei angezogen und entwickelt eine gewaltige Leidenschaft für John, den „Wilden“. Tragischerweise entsprechen ihre Werte aber genau der Norm, und sie knüpft daher Beziehungen durch Sexualität. Sie ist unfähig, Bernards Unzufriedenheit zu teilen oder zu ertragen, und auch mit Johns abweichenden Wertevorstellungen kann sie nicht umgehen. Selbst ihre Liebe zu John kann sie nicht erkennen, weil romantische Liebe im Widerspruch zu ihrer Konditionierung steht.
Leninas Gegenpol wird in der Figur des Bernard entwickelt. Schon sein erster Auftritt könnte nicht ironischer sein. Gerade als der Weltaufsichtsrat seinen Studenten berichtet hat, wie es gelungen ist, unerfülltes Verlangen und tiefe Gefühle zu eliminieren, erhält der Leser das erste Mal Einsicht in die Gefühlswelt eines Weltbürgers. Bernard ist liebeskrank, eifersüchtig und aufs Schärfste aufgebracht gegen seine sexuellen Rivalen. Bernard ist ein Außenseiter, zwar intelligent und zur Alphaklasse gehörig, aber physisch kleiner als die anderen Alphas. Er stellt sich sozialen Problemen (oder glaubt zumindest, er würde sich ihnen stellen), wie den Zurückweisungen von Frauen und dem Mangel an Respekt von niederen Klassen. Daher entwickelte er sich zu einem Einzelgänger, verlegen, wenn er Frauen anspricht, uninteressiert an Sport, zieht Melancholie dem Somagebrauch vor und gibt oft unkonformistische Bemerkungen von sich. Obwohl Bernard nichts heroisches an sich hat, ist er dem Leser doch sympathisch, da er mit seinen Fehlern und seinem unerfülltem Verlangen nach Dingen, die für die anderen Figuren problemlos erreichbar sind, noch am menschlichsten wirkt. Bernards unangepasstes Verhalten bringt ihm schließlich auch Ärger mit seinem Chef, dem Direktor der Brut- und Normzentrale ein. Nichtsdestotrotz holt er sich die Erlaubnis von ihm ein, das Reservat besuchen zu dürfen, wohin er Lenina zu einem Date mitnimmt. Vor und während des Reservatbesuchs ist Bernard oft einsam und unsicher. Als sich aber plötzlich sein gesellschaftlicher Status erhöht, tut Bernard auf einmal all die Dinge, von denen er einst ausgeschlossen war, und die er stets kritisiert hat. Seine Rebellion begründet sich also nicht aus einer Kritik am Weltstaat, sondern sie rührt einfach aus dem tiefen Wunsch heraus, dazu gehören zu wollen. Seine Freunde John und Helmholtz mögen ihn zwar wegen seines unangepassten Verhaltens, aber zugleich verachten sie seine Motive. Nur Lenina bringt ihm eine gewisse Achtung entgegen. Sie sieht in ihm einen interessanten, geheimnissvollen Freund, mit dem sie sich für eine kurze Zeit von ihrer Beziehung zu Henry Foster und der "Schönen, neuen Welt" mit ihren Anforderungen an sie absetzen kann. Allerdings bringt sie ihm nicht die Gefühle entgegen, die er für sie hegt oder die Leidenschaft, mit der sie John begehrt.
John
John ist der Sohn des Direktors und ist bei seiner Mutter im Reservat aufgewachsen. Er ist der vollendete Außenseiter, wurde schon früh von der Gemeinschaft im Reservat ausgegrenzt und fügt sich auch später nicht in die Gemeinschaft von der „Schönen, neuen Welt“ ein. Seine gesamte Weltsicht bezieht er aus den Dramen von Shakespeare, welche er häufig und inbrünstig zitiert.
Die „Schöne, neue Welt“
In seinem Roman beschreibt Huxley eine Welt, in der es gelungen ist, mit Hilfe von Zuchttechnik und Gedankenkontrolle eine perfekt funktionierende Gesellschaft zu erschaffen. Diese Perfektion hat jedoch einen hohen Preis, denn außer den Alpha-Menschen, der intelligentesten Form der gezüchteten Menschen, haben alle Menschen eine vorbestimmte Aufgabe in der Gesellschaft. Alle Menschen dieser Welt werden in einer Art von Massenproduktion im Labor gezüchtet, exakt abgestimmt auf den Bedarf der Gesellschaft.
Entwickelt hat sich diese Gesellschaft langsam aus den Möglichkeiten und den Schrecken, die die industriellen Revolution mit sich gebracht hat. Die Bürger benutzen daher auch einen Kalender, der als Startpunkt das Jahr 1908, dem Jahr, in dem das Model T von Ford erstmals vom Band lief. Laut dem Roman brach im Jahre 146, oder im Jahr 2038 nach unserer Zeitrechnung, ein furchtbarer Vernichtungskrieg aus. Obwohl der Leser nichts Genaues über diesen Krieg erfährt, wird mehrfach erwähnt, dass chemische und biologische Massenvernichtungswaffen gegen die Bevölkerung eingesetzt wurden.
Damit es nicht wieder zu einem solchen Krieg kommen sollte, versuchten die damaligen Regierungen, eine Konsumideologie in der Bevölkerung durchzusetzen. Damit trafen sie aber in bestimmten Bevölkerungsteilen auf massiven Widerstand, den sie auch mit Massakern nicht brechen konnten. Die Regierungen formten deshalb eine Weltregierung und begannen eine friedliche Reformation. Sie handelten in dem Glauben, dass, um eine fortwährend, glückliche und wohlhabende Gemeinschaft zu schaffen, die Menschen manipuliert, die Meinungsfreiheit und die der Berufswahl abgeschafft und sowohl intellektuelles Streben als auch tiefe Gefühle unterdrückt werden müssen. Diese Kampagne beinhaltete das Schließen sämtlicher Museen, die Zerstörung aller Denkmäler und das Verbot von Büchern, die vor dem Jahr 2058 geschrieben wurden. Der Roman spielt in einer Zeit, in der sich der Weltstaat vollständig etabliert hat und fast alle Menschen auf der Erde unter seiner Kontrolle stehen.
Dieser Gesellschaft wird eine „primitive“ Indianerkultur entgegengesetzt, die in einem kleinen isolierten Reservate von der Weltregierung geduldet wird. Im Reservat leben die Menschen unter extremer Armut und sind auch nicht frei, da sie sich auch hier bestimmten Normen unterwerfen, wie wir am Beispiel von Johns Mutter beobachten können. Die wichtigste Frage in diesem Buch ist, ob es wirklich erstrebenswert wäre, alle „Probleme“ (Krankheiten, Armut, Trauer, Liebeskummer, Konkurrenz,) aus der Welt zu schaffen, wenn dies möglich wäre. Der Autor lässt John in einem Gespräch mit dem Weltaufsichtsrat sagen, dass Schmerz und Leid einen notwendiger Bestandteil des Lebens darstellen, da ohne sie Glück seine Bedeutung verlöre.
Die "Schöne, neue Welt" zeichnet sich aus durch:
- Strikte Zuchtwahl
- Konditionierung als Erziehungsmaxime
- Kastensystem
- Totalitäres, jedoch nicht gewalttätiges politisches System
- „Nebenwirkungslose“ Glücksdrogen („Soma“, ein Name, den Huxley nach Lektüre entsprechender Passagen in der englischen Ausgabe des Buchs Phantastica von Louis Lewin von dem Rauschtrank Soma aus der hinduistischen Mythologie entlehnte)
- Bildungsferne (siehe unten)
- Gruppenzwang
- Amüsiersucht
- Hedonismus als Religion
- Sexuelle Promiskuität
- Glück durch Verzicht auf Freiheit
- Konsumzwang
- Massenproduktion (orientiert am Fordismus, Henry Ford ist Grundlage der Zeitrechnung und „Quasi-Gottheit“ im Roman)
Der Mensch in der „Schönen neuen Welt“
Die Menschen in der "Schönen, neuen Welt werden nicht mehr geboren, sondern in Fabriken je nach Bedarf in fünf Klassen (Alpha bis Epsilon) produziert. Damit keine Menschen mehr auf natürliche Weise geboren werden und der Staat nicht die Kontrolle über Anzahl und genetischer Ausstattung seiner Bürger verliert, werden alle Menschen konditioniert, natürliche Empfängnis oder Vater/Mutterschaft als etwas Unanständiges aus barbarischen Zeiten zu betrachten. Zusätzlich werden bis auf wenige Ausnahmen alle Frauen sterilisiert. Bei der Produktion von Kinder, also neuen Bürgern, wird die Entwicklung der Embryonen je nach Kaste, der das Kind einmal beitreten wird, gesteuert. Die Embryonen für niedere Kasten werden durch die Einwirkung von radioaktiver Strahlung, chemischen Substanzen und Sauerstoffentzug so beeinflusst, dass sie später als Erwachsene eine schlechtere physische und vor allem geistige Verfassung haben. Zu den Methoden ist anzumerken, dass bei Erscheinen des Romans die Genetik noch nicht auf dem heutigen Stand war und das Gebiet der Molekulargenetik noch nicht erschlossen, sonst wären vermutlich Mittel der Genmanipulation beschrieben worden.
Jeder wird seiner „Produktionsklasse“ entsprechend konditioniert, diese Konditionierung beinhaltet als grundlegende Lektionen:
- Man ist zufrieden, dass man eben dieser Klasse angehört, und keiner anderen.
- Alle Klassen sind unverzichtbar für die Gemeinschaft.
- Man kann nur in der Gemeinschaft glücklich sein, Einsamkeit ist etwas Schlechtes.
Die Konditionierung findet über zwei Methoden statt. Einerseits die Belohnung bzw. Bestrafung von Handlungen (nach dem von Iwan Pawlov beschriebenen Phänomen im Buch engl. „Pavlovian conditioning“ genannt), andererseits über das Abspielen von Tonbändern mit einfachen, eingängigen Botschaften während des Schlafes der Kinder und Jugendlichen, die Schlafschule (im Buch engl. „hypnopaedia“ genannt). Sie stabilisiert die Gesellschaft, indem sie garantiert, dass alle Menschen mit dem System zufrieden sind. Das so vermittelte gemeinsame, einheitliche Weltbild lässt das Individuum nahtlos in die Gesellschaft übergehen, nur dort fühlt es sich geborgen.
Die gesellschaftlichen Normen fordern von den Bürgern zahlreiche sexuelle Kontakte mit kontinuierlich wechselnden Partnern, die ausschließlich dem Vergnügen dienen – die meisten Frauen sind „empfängnisfrei“ (sterilisiert), die übrigen nehmen nach einem festen Ritual Verhütungsmittel ein. Liebe und Leidenschaft wurden abgeschafft, da sie nach der Meinung der Weltregierung die Stabilität gefährden. Kunst und Literatur wurden durch das „Fühlkino“ (im Buch engl. „Feelies“) ersetzt, eine Art 3D-Rundum-Kino, in dem auch körperliches Empfinden an den Zuschauer übertragen wird. Der Handlungsverlauf der gezeigten Stücke ist allerdings ohne tiefere Bedeutung, da ohne Leiden und sonstige negative Dinge jegliche Grundlage für einen anspruchsvollen Inhalt fehlt, er scheint häufig mehr oder weniger pornographischer Art zu sein oder auch Propagandazwecken zu dienen. Falls trotz dieser an hedonistischen Richtlinien orientierten Lebensweise doch einmal Probleme auftreten sollten, so werden diese durch die Einnahme von Soma, einer so gut wie unschädlichen Droge, aus der Welt geschafft, mit der man für viele Stunden in einer Art Schlafrausch auf einen glückseligen Urlaub von der Wirklichkeit gehen kann.
Das Altern geschieht ohne jegliche negative Nebenwirkungen: die Menschen spüren das Alter nicht und sehen bei ihrem Tode noch wie 35 aus. Allerdings ist die Lebenszeit eines Menschen dadurch auch deutlich verringert, die Menschen bleiben sehr vital, bis sie irgendwann in einem Alter zwischen 60 und 70 Jahren sehr schnell sterben. Auch die Angst vor dem Tod wurde durch die Konditionierung beseitigt.
Bildungsferne
In „Brave New World“ bedeutet Bildungsferne eine Gesellschaft, deren Bildung sich auf eine höchst pragmatische, für die Gemeinschaft nützliche Bildung beschränkt. Humanistische Bildung ist dabei völlig zu vernachlässigen, da sie den Menschen zum Nachdenken anregt und ihm eine kritischere Sicht auf die Welt ermöglicht. Da es nicht im Interesse der Brave-New-World-Gesellschaft ist, den Menschen für die Defekte dieser Gesellschaft zu sensibilisieren, wird jede Bildung, die man sich durch Überlieferung (z.B. Bücher, Geschichte, Kultur) aneignet, unterdrückt. „Geschichte ist Mumpitz“ lautet daher einer der Leitsätze der Weltregierung. Ein vages Gefühl, wie schlimm die Welt früher doch war, ist für die allermeisten Bürger die einzige Geschichtskenntnis.
Kulthandlungen
An die Stelle der Religion tritt ein Verehrungskult auf den Automobilbauer Henry Ford, der mit hohlen, aber feierlichen Gesängen beginnt und zum Schluss stets in eine Sexorgie mündet. Wichtige Persönlichkeiten werden als „seine Fordschaft“ angesprochen. Symbol des Kultes ist der Buchstabe T in Erinnerung an das Modell T des Ford-Konzerns und auch in Anlehnung an das christliche Kreuz, welches so gesehen zu einem T verstümmelt wurde.
Reaktionen
Der Roman war von Huxley eindeutig als Dystopie gedacht - da sich jedoch die Menschen in der „Schönen Neuen Welt“ im Gegensatz zu ähnlichen Werken wie „1984“ selbst als glücklich empfinden, regten sich besonders unter Jugendlichen oft Stimmen, die einige Aspekte der von Huxley gezeichneten Zukunft gar nicht so negativ fanden. So fanden viele zum Beispiel die lockere Sexualmoral (im Vergleich zur damaligen extremen Prüderie) oder die Idee einer legalen, nebenwirkungsfreien Droge (Soma) durchaus verlockend.
Huxley selbst äußerte sich jedoch entsetzt über solche Gedanken und bestand darauf, dass an seiner Zukunftsvision absolut nichts Positives sei.
Bedeutung für die Gegenwart
Der im Jahre 1932 von Huxley geschriebene Roman "Schöne, neue Welt" ist heute aus einer ganzen Reihe von Gründen vielleicht aktueller als je zuvor. Dazu zählen:
- sicherlich an erster Stelle die Erkenntnisse der Gentechnik, die die von Huxley beschriebenen Verfahren immer greifbarer werden lassen. Es wird vermutlich schon bald technisch möglich sein, Menschen künstlich zu reproduzieren und sie physisch und psychisch ihren zukünftigen Funktionen in der Gemeinschaft anzupassen. Schon heute wird mit verschiedenen Verfahren der pränatalen Diagnostik (z.B. Feinultraschall, Chorionzottenbiopsie, Amniozentese) eine Anzahl von Krankheiten und Behinderungen erkannt, und häufig wird ein Schwangerschaftsabbruch aus sogenannter medizinischer Indikation vorgenommen, da gemeinhin der Wunsch nach einem potentiell später leistungsfähigen, gesellschaftlich gut gestellten Regelkind die Gefühle der meisten werdenden Eltern zu ihrem Kind bestimmt.
Auch wenn die Technik des Klonens nur sehr bedingt dem Huxleyschen Bokanowsky-Verfahren entspricht, ermöglicht sie die Produktion von genetisch identischen Individuen. Neben der Frage, was für den Einzelnen ethisch vertretbar ist, stellt Huxley die Frage, wie die Gesellschaft als Ganzes und der Staat mit den sich ergebenen Möglichkeiten umgeht.
- Aber auch die Erkenntnisse der Psychologie, Hirnforschung und Medizin (beispielsweise bei der Aufmerksamkeitsdefizitstörung) werfen Fragen auf, die Huxley schon thematisierte, wie zum Beispiel: Was ist freies Denken? Welches Verhalten ist unproduktiv? Wieviel Andersartigkeit ist gesund und wird von einer Gesellschaft geduldet? Wie könnten die Erkenntnisse der Psychologie, Hirnforschung und Gentechnik zur Kontrolle der Gesellschaft eingesetzt oder missbraucht werden?
- Häufig wird die westliche Kultur für ihre Verdrängung des Todes aus dem Bewusstsein und ihren Jugendkult kritisiert.
- Oder ihr wird eine zu freizügige oder promiskuitive Sexualmoral vorgeworfen. Es ist allerdings strittig, ob dies zu einer sozialen Stabilisierung führt, wie Huxley es vermutet hat.
- Vieles scheint darauf hin zu deuten, dass Huxleys Konsumgesellschaft eine extreme, aber logische Entwicklung unserer ökonomischen Werte darstellt, in denen persönliches Glück durch die Fähigkeit beschrieben wird, Konsumgüter anzuhäufen, und Erfolg durch Wachstum und Wohlstand definiert wird. Ultrareligiöse Kritiker glauben zudem, dass sich der Konsum als eine Art Religionsersatz etabliert hat.
Aber es gibt auch Entwicklungen, die sich entgegen Huxleys Utopie entwickelt haben.
- Huxley selbst bedauerte 1949 in seinem Roman, nicht auf die Möglichkeiten der Kernspaltung eingegangen zu sein.
- Auch ist unsere Welt heute weitaus demokratischer als noch im Jahre 1932. Huxleys Vorhersage, welche er 1949 nochmals bekräftigte, dass sich unsere Regierungen zu hochzentralisierten und totalitären Regimen entwickeln müssten, scheint sich nicht bewahrheitet zu haben.
Wie ähnlich unsere Welt der "Schönen, neuen Welt" ist oder einmal sein wird, wurde mit großer Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit im September/Oktober 1999 in der Zeit diskutiert. Die Diskussion basierte auf einem Vortrag des Philosophen Peter Sloterdijk (Regeln für den Menschenpark). An der folgenden Debatte beteiligten sich Philosophen, Rechtswissenschaftler und Bioethiker wie Thomas Assenheuer, Jürgen Habermas, Manfred Frank und Ernst Tugendhat.
Weblinks
- Englische Zusammenfassung
- Rezension von Corinna Hein (Kulturwissenschaftlerin) bei Buchwurm.info