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Konjunktur

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Definition

Konjunkturen sind mehrjährige Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität im marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften, die die Wirtschaft als Ganzes betreffen und bei allen Besonderheiten eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Sie sind gekennzeichnet durch Aufschwungphasen, die in allen Bereichen zeitgleich zu beobachten sind und denen ebenso zeitgleich Abschwungphasen folgen.

Solche regelmäßigen Schwankungen werden schon seit Langem beobachtet, waren aber oft Folge singulärer Ereignisse wie z.B. Spekulationskrisen. Eine Regelmäßigkeit lässt sich zumindest bis ins 19. Jahrhundert hinein belegen. Diese Regelmäßigkeit war es, die eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen begründete.

Dauer der Zyklen

Unabhängig von einander haben mehrere Konjunkturforscher Schwankungen unterschiedlicher Länge identifiuiert. Joseph Schumpeter fand Zyklen mit einer Länge von 2 bis 4 Jahren, die er als Kitchin-Zyklen bezeichnete, und solche mit einer Dauer von 8 Jahren, die er Juglar-Zyklen nannte. Gefunden wurden außerdem Zyklen mit einer Dauer von etwa 50 Jahren, dia als lange Wellen oder Kondratieff-Zyklen bezeichent werden.

Die Beurteilung der Dauer hängt dabei wesentlich davon ab, ob man das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität betrachtet, oder die Wachstumsraten. Grenzt man Anfang und Ende eines Konjunkturzyklus danach ab, ob die Wirtschaftsleistung absolut rückläufig war (Klassische Konjunkturzyklen), so erhält man längere Zyklen. Eine Einteilung anhand von Zuwachsraten führt zu einer geringeren Zahl von kürzeren Wachstumszyklen.

Phasen des Zyklus

Von verschiedenen Forschern und Institutionen werden Konjunkturzyklen in mehrere Phasen eingeteilt. Verbreitet ist ein Zwei-Phasen-Schema, bei dem man den Konjunkturzyklus in einen Aufschwung und einen Abschwung einteilt. Dabei nehmen die Aufschwungphasen meist den größten Teil des Zyklus ein, während Abschwungphasen im Allgemeinen kurz sind.

In Deutschland weit verbreitet ist eine Einteilung in 4 Phasen

  1. Expansive Phase (Aufschwung, Prosperität)
  2. Hochkonjunktur (Boom, Obere Wendepunktphase)
  3. Kontraktive Phase (Niedergang)
  4. Rezession, bei besonders kräftigen Einbrüchen auch Depression (untere Wendepunktphase)

Konjunkturtheorien

Dem Phänomen "Konjunktur" kann man sich aus zwei unterschiedlichen Perspektiven nähern:

  • Eine phänomenologische Sichtweise setzt sich mit dem Konjunkturzyklus als solchem auseinander. Man versucht, aus deren Dauer, der Länge der verschiedenen Phasen Lehren für den künftigen Ablauf von Zyklen zu ziehen.
  • Eine analytische Sichtweise versucht das Zustandekommen von Konjunkturschwankungen durch Ansätze aus der Wirtschaftstheorie zu erklären. Einen Ansatzpunkt bieten Akzelerator-Multiplikator Ansätze. Andere Ansätze stellen Lagerzyklen in den Mittelpunkt der Erklärung. Als Auslöser von Konjunkturschwankungen werden zudem finanz- oder geldpolitische Maßnahmen analysiert; auch werden politische Zyklen diskutiert.

Die phänomenologische Sichtweise ist insofern wichtig, als sie Konjunkturzyklen überhaupt erst als eigenständiges Forschungsobjekt etabliert.

Die Klassiker kannten zwar schon das Phänomen konjunktureller Schwankungen, sie erklärten diese aber mit singulären Ereignissen wie Missernten oder dem Platzen von Spekulationsblasen.

Der Keynesianismus versteht hingegen Konjunkturen als Ausdruck temporärer Ungleichgewichte auf den Güter- und Faktormärkten, die ihren Ausdruck z.B. in Unterkonsumption oder in Überinvestitionen finden. Insofern sieht er auch die Möglichkeit, dass die Wirtschaftspolitik die Wirkungen konjunktureller Schwankungen abmildern kann, indem sie in der Rezession die fehlende private durch staatliche Nachfrage ersetzt (antizyklische Wirtschaftspolitik).

Der Monetarismus fasst hingegen Konjunkturen eher als die Folge von staatlichen Eingriffen in den Wirtschaftskreislauf auf. Insofern empfehlen sie der Finanz- wie der Geldpolitik konjunkturpolitische Abstinenz. Statt dessen soll die Politik Markteingriffe verringern und so das Wachstum fördern.

Konjunkturpolitik

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Industrieländern kräftig und ohne größere Einbrüche aufwärtsgerichtet, weil vielfach ein erheblicher Nachholbedarf bestand. Als es in den sechziger Jahren zu einer konjunkturellen Schwäche kam, hatte sich das keynesianische Gedankengut so weit durchgesetzt, dass die wirtschaftspolitik davon ausging, konjunkturelle Schwankungen mit Hilfe einer antizyklischen Fiskalpolitik ausgleichen zu kennen.

In Deutschland fand dies den Niederschlag in der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das eine stetige Wirtschaftsentwicklung zum Ziel der Politik erhob und Instrumente einführte, dieses Ziel auch prinzipiell zu erreichen, z.B. einen Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer oder eine Konjunktuzausgleichsrücklage.

Allerdings scheiterte die antizyklische Finanzpolitik in Deutschland wie in anderen Ländern in den siebziger Jahren. Zum einen waren die Schwierigkeiten unterschätzt worden, Ausgabenprogramme zeitgerecht zu verabschieden. Es kam zu Verzögerungen bei Verabschiedung, Umsetzung und Wirkung der Programme, so dass sie oft erst im folgenden Aufschwung spürbar wurden, die Politik also prozyklisch wirkte. Zum anderen waren Politiker nicht bereit, in der Rezession erlassene Steuersenkungen oder Ausgabenprogramme wieder abzuschaffen, wie dies nach dem Konzept der antizyklischen Politik erforderlich gewesen wäre.

Mit dem Schwenk zur Angebotspolitik in den achtziger Jahren verzichtete die Politik auf eine antizyklische Konjunkturpolitik. Sie lässt aber automatische Stabilisatoren zu; d.h. wenn aus konjunkturellen Gründen höhere Ausgaben (z.B. für die Arbeistlosenversicherung) fällig werden oder geringere Steuereinnahmen anfallen, so nimmt die Politik dies hin.

Konjunkturforschung und -prognose

Forschungseinrichtungen

In den USA wurde die Konjunkturforschung von Burns und Mitchell begründet. Der von ihnen in den zwanziger Jahren emtwickelte Harvard-Indikator geriet in Misskredit, als er die Weltwirtschaftskrise 1929 nicht anzeigte. Allerdings lebte die Tradition der Konjunkturforschung in den dreißiger Jahren wieder auf.

In Deutschland begann die Konjunkturforschung mit Gründung des Instituts für Konjunkturforschung in Berlin (heute: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW). Nach dem zweiten Weltkrieg etablierten sich in Deutschland fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, die regelmäßig Konjunkturprognosen veröffentlichen, neben dem DIW das Institut für Weltwisrtschaft in Kiel, das HWWA in Hamburg, das RWI in Essen und das ifo-Institut in München. Diese erstellen seit 1950 zweimal im Jahr eine Gemeinschaftsdiagnose im Aufrag der Bundesregierung. Nach der Wiedervereinigung wurde mit dem IWH in Halle ein sechstes Forschungsinstitut gegründet.

Der 1963 gegründete Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erstellt ebenfalls einmal pro Jahr eine Konjunkturprognose.

Regelmäßig Prognosen veröffentlichen auch die internationalen Organisationen OECD, EU und IWF.

Methoden der Konjunkturprognose

Konjunkturprognosen werden ausgehend von Erfahrungen aus der Vergangenheit über den Ablauf früherer Konjunkturzyklen, empirisch überprüften wirtschaftlichen Zusammenhängen (z.B. die Wirkung von Zinsen auf Investitionen oder von Steuern auf die Konsumnachfrage) und schließlich Konjunkturindikatoren abgeleitet. Dabei liefert die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung den definitorischen Rahmen, um die Konsistenz der Prognosen herzustellen. Dabei bedient man sich zum Teil intuitiver Verfahren, zum Teil ökonometrischer Methoden. Rein auf formale Verfahren stützen sich ökonometrische Konjunkturmodelle.

Konjunkturzyklen in Deutschland

Im Gegensatz zu den USA, wo das NBER eine "offizielle" Datierung der Konjunkturzyklen vornimmt, liegt eine offizielle Klassifikation der Zyklen für Deutschland nicht vor. Betrachtet man nur Konjunkturen im engeren Sinne, die durch absolute Rückgänge in der Wirtschaftsleistung begrenzt werden, so endete der Nachfriegs-Aufschwung 1966, als das Bruttoinlandsprodukt erstmals seit 1949 sank. Der zweite Zyklus endete 1974 mit der ersten Ölkrise. Ein dritter Zyklus endete 1981/82 mit der zweiten Ölkrise. Ein vierter Zyklus dauerte bis 1993, als die deutsche Wirtschaft nach dem Wiedervereinigungsboom in eine Rezession fiel. Ein fünfter Zyklus endete nach dieser Zählung 2001.

Literatur

  • G. Tichy, Konjunktur. Stilisierte Fakten, Theorie, Prognose. 2. Auflage ISBN 3-540-57437-9

Links

Die deutschen Konjunkturforschunsginstitute