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Augenprothese

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Datei:Glasauge Vorder-und Rückseite.jpg
Glasauge, Vorder- und Rückseite eines Glasauges

Ein künstlich hergestelltes Auge wird Kunstauge oder Augenprothese genannt. Künstliche Augen werden heute aus speziellem Kryolithglas oder Kunststoff hergestellt, weshalb sich auch die Bezeichnung Glasauge durchgesetzt hat.

Synthetische Materialien haben sich gegenüber Glasmaterial als erheblich nachteilig erwiesen, und werden deshalb nur vereinzelt angewendet.

Ursache

Menschen, die eine Augenprothese benötigen, haben meistens ein Auge durch eine Krankheit oder durch einen Unfall verloren. Aufgrund der operativen Entfernung (Enukleation) des Auges wird ein Kunstauge erforderlich, weil sonst die Augenhöhle zu schrumpfen droht oder sich entzünden kann.


Herstellung

Die Spezialisten, die diese Herstellung beherrschen, haben eine lange Lehrzeit von 6 bis 7 Jahren, die großes künstlerisches Talent und manuelle Fertigkeiten voraussetzt, hinter sich gebracht. Sie werden Augenprothetiker oder Ocularisten genannt und nehmen in regelmäßigen Abständen an Fortbildungen teil. In Deutschland werden seit über 150 Jahren Augenprothesen in reiner Handarbeit angefertigt. Das erste Glasauge wurde 1835 in Lauscha hergestellt.

Das Auge wird farblich und im Detail nach dem noch gesunden Auge angefertigt, so dass man im doppelten Sinne von einem Kunst-Auge sprechen kann. Jedes noch so winzige Detail der Iris, die Färbung des Augenkörpers (Glaskörper) sowie die bei jedem Menschen individuelle Art der roten Äderchen, werden mittels erhitzter Glasfadenstäbchen im künstlichen Auge nachempfunden.

Mit dem Glasauge soll die ursprüngliche Gesichtsharmonie wieder hergestellt werden. Die Farbgebung und Anpassung des künstlichen Auges erfolgt meistens im Beisein des Patienten. Dennoch ist die Ursache, die zum Verlust des Auges geführt hat, letztlich dafür ausschlaggebend, wie gut das Erscheinungsbild des Patienten sein wird.

Die Oberfläche eines Kunstauges aus Kryolithglas ist sehr homogen und widerstandsfähig, weshalb es in der Regel nach etwa 1 Jahr erneuert werden muss. Durch Staub, Schmutz, Umweltfaktoren, Veränderungen der Tränenflüssigkeit bzw. organische Störungen kann sich die glatte Oberfläche des Glases aber auch schneller abnutzen. Die Abnutzung der Oberfläche und damit der Alterungsprozess des Kunstauges ist für den Patienten durch Reizung des Lides spürbar. Wird ein Auge mit stumpf gewordener Oberfläche nicht rechtzeitig gewechselt, kann dies zu größeren Schäden in der Augenhöhle führen.

Ein Glasauge wird von den Krankenkassen als medizinisches Hilfsmittel in den Alten Bundesländern zu 100 %, in den neuen Bundesländern zu 90 % anerkannt. Der Augenprothetiker/Ocularist kann ein Glasauge in 2 Stunden herstellen. Die Kosten betragen durchschnittlich in etwa 300 Euro, je nach individueller Färbung oder anatomischer Anpassung (Schwierigkeitsgrad für den Augenprothetiker/Ocularisten).

Behinderung

Die Menschen, die ein Auge verloren haben, sind in Deutschland laut Versorgungsamt zu 30 % behindert. Es wird ihnen eine "dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit" bescheinigt, was aber dem individuellen Empfinden des Menschen nicht wirklich entsprechen muss.

Das Gesichtsfeld verengt sich mit dem Verlust des einen Auges anfangs beträchtlich. Erstaunlicherweise kann aber das gesunde Auge diesen Mangel nach einiger Zeit insofern kompensieren, als das Gesichtsfeld sich durch die Gewohnheit des einäugigen Sehens nach und nach ungewöhnlich weitet.

Dem mit einem Auge Sehenden wird häufig unterstellt, er könne nicht dreidimensional sehen. Das ist nur bedingt richtig, denn auch hier kompensieren das gesunde Auge und das Gehirn offensichtlich gemeinsam nach einem gewissen Zeitraum das räumliche Sehvermögen. Die Wahrnehmung von 3D-Filmen und -bildern und einigen optischen Täuschungen kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Insofern können Berufe, in denen eine volle Sehfähigkeit bzw. das dreidimensionale Sehen erforderlich sind, nicht oder nur bedingt ausgeübt werden.

Um das verbliebene Auge zu schützen, sollte sich der Kunstaugenträger Sportarten widmen, die für das Auge keine unmittelbare Gefahr darstellen.

Irrtümer

  • Entgegen der vorherrschenden Meinung, und wie fälschlicherweise häufig in Filmen zu sehen ist, ist ein Glasauge nicht rund wie eine Murmel, sondern besitzt eine Schalenform mit kleinen runden Ausbuchtungen, um sich der Augenhöhle anzupassen.
  • Mit einem Glasauge ist es auch (noch!) nicht möglich, zu sehen. Es bleibt abzuwarten, was die medizinische Entwicklung in dieser Hinsicht zukünftig bringen wird.

Geschichte

Hauptartikel: Glasauge aus Lauscha

Bereits Ägypter, Chinesen, Römer und Griechen stellten aus Edelsteinen und Halbedelsteinen, Elfenbein, weißem Feldspat, Glas, Porzellan und durch Metallegierungen künstliche Augen für Statuen, Statuetten, Mumien, Masken, Puppen und Spielzeugtiere her. So waren bereits vor 2000 Jahren Fabri ocularii statuarumin Rom hoch angesehen. Auch Aristoteles (384-322 v.Chr.) erwähnt Marionetten mit beweglichen Augen.

Im Mittelalter gab es dann bereits "Vorlegeaugen", bemalte Augen aus Leder, die über den Augenlidern getragen und mit einem Federdraht am Kopf befestigt wurden. Ebenfalls gab es bereits "Einlegeaugen" aus Gold oder Silber, mit einer in Emailfarben bemalten Iris.

Die ersten gläsernen Augen wurden vermutlich in Venedig hergestellt, bevor im 17. Jahrhundert Paris zum Mittelpunkt für künstliche Glasaugen wurde. Der Deutsche Ludwig Müller-Uri (1811-1888) aus Lauscha begründete gemeinsam mit dem Würzburger Ophthalmologen Prof. Heinrich Adelmann auf dessen Anstoss die deutsche Prothetik. Diese ermöglichte es, dass seit 1835 Augenprothesen aus Glas hergestellt werden, die für die Augenhöhle eines Patienten individuell angepasst werden konnten.

Heutige Kunstaugen sind hochentwickelte und komfortable Prothesen, welche das Aussehen des gesunden Auges so weit wie möglich nachahmen. Die deutsche Augenprothetik gilt hierbei als weltweit führend.

Persönlichkeiten mit einem Kunstauge

Spielzeug

Glasaugen werden natürlich auch für Spielzeugpuppen und -tiere hergestellt. Hierbei handelt es sich meist um Serienanfertigung, die mit der hier genannten individuellen Versorgung der Patienten wenig gemeinsam hat.

Allerdings wurde der Würzburger Augenarzt Prof. Heinrich Adelmann (1807–1884) im Jahre 1832 auf besonders gut gelungene Lauschaer Puppen- und Tieraugen aufmerksam. Sein Impuls, auch in Deutschland gläserne Augen für den Menschen entwickeln zu lassen, ist bei Ludwig Müller-Uri auf fruchtbaren Boden gefallen.