Guayaquil
Guayaquil (eigentlich Santiago de Guayaquil) ist die Hauptstadt der ecuadorianischen Provinz Guayas und die größte Stadt und wichtigster Hafen in Ecuador.
Sie hat (2003) 2.196.800 Einwohner; im Großraum Guayaquil leben mehr als drei Millionen Menschen. Damit ist Guayaquil knapp doppelt so groß wie die Hauptstadt Quito.
Geografie
Guayaquil liegt am Westufer des Guayas, etwa 50 km oberhalb von dessen Mündung in den Golf von Guayaquil. Der Guayas ist ein in Guayaquil stattfindender Zusammenfluss des Daule und des Babahoyo. Das ursprüngliche Zentrum von Guayaquil liegt auf geringer Höhe zwischen drei Hügeln und dem Estero Salado, einem weit ins Landesinnere ragenden Meeresarm, der inzwischen zum Teil ausgetrocknet und u.a. mit gehobenen Wohnvierteln bebaut worden ist.
Das Klima in Guayaquil ist tropisch, also schwül-heiß. Das Jahr teilt sich in eine Trocken- und eine Regenzeit ("Winter"). Letztere dauert von etwa Januar bis Juni.
Die geographischen Koordinaten Guayaquils sind Vorlage:Koordinate Text Artikel.
Geschichte
Gründungsgeschichte
Die Gründungsgeschichte Guayaquils ist ebenso wie die Herkunft des Namens unsicher. Eine Stadt namens Santiago (de Quito) wurde erstmals als Ausgangspunkt für Vorstöße zur Pazifikküste bereits 1534 von Diego de Almagro und Sebastián de Benalcázar gegründet, allerdings am Colta-See in der Nähe des heutigen Riobamba. Da ihre Lage den Ansprüchen der Conquista nicht genügte, wurde sie schrittweise an die Küste verlegt. Dabei wurde sie mehrfach von einheimischen Kämpfern der Chola-, Chone-, Puna- und Huancavilca-Indianer zerstört.
Bis 1542 erscheint der Posten in Urkunden als Santiago de la Culata, da die Siedlungsgebiete der Huancavilca von der Verwaltung in Quito (seit 1539/40) als Provincia de la Culata bezeichnet wurden. Seit Dezember 1542 taucht der Name Guayaquil auch als Gebietsbezeichnung wiederholt auf und scheint sich mit der zunehmenden "Familiarisierung" der Spanier mit den Einwohnern der Region langsam durchzusetzen.
Der Legende nach verweist der Name Guayaquil auf einen legendären Häuptling der Puruhá-Indianer namens Guayas und seine aus dem Hochland stammende Frau Quill, die dieser der Legende nach getötet haben soll, bevor er sich ertränkte, um nicht den Spaniern in die Hände zu fallen. Vermutlich war Guayal jedoch die Bezeichnung für einen Ort und seinen Häuptling und Quill/Kil eine Quellgöttin bzw. die Bezeichnung wasserreicher Gebiete. Die Legende um Guayas und Quill kann so als eine Allegorie auf den Untergang der Huancavilca-Indianer interpretiert werden. Es existieren aber weitere linguistische Erklärungsansätze, nach denen Guayaquil etwa im Tsafiki, der präinkaischen Sprache der heutigen Colorado-Indianer "Unser großes Haus" bedeutet. [1], [2]
Das um 1542/3 gegründete erste Santiago de Guayaquil wurde nach der Erhebung des Gonzalo Pizarro gegen Vizekönig Blasco Núñez de Vela (seit 1544) von königstreuen Truppen nochmals verlegt. Am 25. Juli 1547 soll die Stadt von den Kapitänen Francisco de Olmos, Rodrigo Vargas de Guzmán und Toribio de Castro ein letztes Mal an ihrem heutigen Standort gegründet worden sein. Der 25. Juli ist in der katholischen Kirche der Gedenktag des Apostels Jakobus (span. Santiago).
Nach anderen, nicht zwingend widersprüchlichen Angaben gilt Francisco de Orellana als Gründer Guayaquils. Diese Angabe bezieht sich wahrscheinlich auf eine für 1537 oder 1538 angegebene Gründung einer der Vorgängerinnen des heutigen Guayaquil.
Kolonialzeit
In der Kolonialzeit wurde Guayaquil bald zu einer bedeutenden Hafenstadt des Vizekönigreichs Peru und später Neugranadas, über die einerseits die Produkte der Küstenregion (Holz, später auch Kakao und Erdnüsse) abtransportiert wurden und andererseits Produkte aus anderen Kolonien und aus Spanien anlandeten. Ihre geografische Lage auf halber Strecke zwischen Lima und Mittelamerika verstärkten seine Bedeutung ebenso wie das weit ins Inland reichende Flusssytem.
Durch seine exponierte Lage wurde Guayaquil im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach von Piraten und Freibeutern angegriffen und geplündert. Die Encyclopædia Britannica (1911) notiert folgende Angriffe: 1624 durch Jacob Clark, 1686 durch französische Piraten, 1687 durch englische Freibeuter unter Edward David, 1707 durch William Dampier und 1709 durch Clapperton. Die Angriffe des späten 17. Jahrhunderts führten zur Verlegung des Stadtzentrums Richtung Süden. Ferner wurden 1730 und 1763 die Befestigungs- und Verteidigungsanlagen verstärkt.
Auch durch Feuer wurde Guayaquil mehrfach heimgesucht, darunter 1707, 1784, 1865, 1896 und 1899.
Republik
Am 9. Oktober 1820 erklärte sich Guayaquil mit 1.500 Soldaten und Zivilbevölkerung als erster Bestandteil des heutigen Ecuador für unabhängig von der Real Audiencia de Quito.
1822 trafen hier die beiden "Befreier" Simón Bolívar (aus dem Norden kommend) und José de San Martín (aus dem Süden kommend) zusammen und unterzeichneten einen Kompromiß über enge staatliche Beziehungen zwischen den von ihnen begründeten Republiken. Von 1822 bis 1830 gehörte Guayaquil zu Großkolumbien, seitdem zu Ecuador.
Im 19. Jahrhundert war Guayaquil vielfach Schauplatz bzw. Ausgangspunkt von militärischen Aufständen und Staatsstreichen: Der erste fand im November 1830 statt und wandte sich gegen die Abspaltung von Großkolumbien. Er endete nach dem Tod Bolívars. 1833 wird die Erhebung Vicente Rocafuertes nach einem Monat von Truppen des Präsidenten Juan José Flores niedergeschlagen. 1835 wird Rocafuerte dennoch Präsident Ecuadors. 1845 endet die zweite Präsidentschaft von Flores nach einem von Guayaquil ausgehenden Staatsstreich, der unter maßgeblicher Beteiligung von José Joaquín de Olmedo und Diego Noboa Vicente Ramón Roca zum Präsidenten macht. Am 17. Juli 1851 nehmen die Generäle José María Urbina und Francisco Robles den inzwischen als Präsidenten amtierenden Noboa bei einem Besuch in Guayaquil fest, verbringen ihn außer Landes und proklamieren sich als Machthaber. Im September 1876 erhebt sich der neu ernannte Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Ignacio de Veintimilla, gegen Präsident Antonio Borrero und ernennt sich zum Diktator. Er kann sich nicht durchsetzen, wiederholt die Aktion erneut 1878, diesmal mit Erfolg, bis er 1883 nach Ausbruch eines Bürgerkriegs aus dem Land flieht.
1837 entstand aus einem Teil des Bistums Cuenca das katholische Bistum Guayaquil, das seit 1956 ein Erzbistum ist.
Mit dem zweiten Kakaoboom seit Ende des 19. Jahrhunderts gewann die wirtschaftliche Aktivität in Guayaquil an Dynamik. Es entwickelte sich eine neue Klasse von Agrarexporteuren, die sich europäisch ausrichteten und mit ihrem Reichtum das Stadtbild prägten. Gleichzeitig nahm seit etwa den 1830er Jahren die Bevölkerung, vor allem durch Zuwanderung, stark zu. Guayaquil gewann in dieser Zeit seinen Ruf als "Perle des Pazifik".
1896 legte eine Feuersbrunst die seinerzeit größtenteils aus Holz- und Bambusbauten bestehende Stadt beinahe zur Hälfte in Asche. Der Wiederaufbau in Stein machte zwar das koloniale Erbe und die Häuser der Exportbourgoisie weitgehend zunichte, der Wiederaufbau bedeutete aber einen großen Schritt in die Moderne und verlieh der Stadt mit zum Teil eleganten Zementbauten erstmals Großstadtflair.
Der vor allem seit dem 2. Weltkrieg stark expandierende Bananenanbau und eine gleichzeitige Phase des Versuchs importsubstituierender Industrialisierung verstärken die Position Guayaquils als Handels- und Industriemetropole Ecuadors. Durch starke Zuwanderung bilden sich große Armenviertel. Der populistische fünfmalige Präsident Ecuadors José María Velasco Ibarra hat hier, obwohl aus Quito stammend, seinen größten Rückhalt. Viele weitere Präsidenten Ecuadors im 20. Jahrhundert stammen aus Guayaquil, darunter Carlos Julio Arosemena Monroy, Jaime Roldós, León Febres Cordero, Abdalá Bucaram und der amtierende Präsident Alfredo Palacio.
Entwicklung der Bevölkerungszahl: Von ursprünglich 150 stieg sie beständig auf 5.000 (1693), 13.000 (1765), 25.000 (1857), 80.000 (1899), 100.000 (1930), 200.000 (1944). Seit den 1950er Jahren wuchs die Bevölkerung pro Jahrzehnt um mehr als 100.000 Einwohner. Bevölkerung und bewohnte Stadtfläche wuchsen seitdem um mehr als das Zehnfache.
Wirtschaft und Infrastruktur
Guayaquil ist die wichtigste Hafenstadt Ecuadors, seit dem 19. Jahrhundert ist sie Anlaufziel internationaler Frachter, die die Hauptexportgüter des Landes, Bananen, Kakao und Kaffee, heute auch Shrimps (Garnelen) in alle Welt transportieren. Das ecuadorianische Erdöl wird kaum über Guayaquil exportiert. Früher legten die Schiffe direkt am Hafendamm, dem Malecón, auf Höhe des Stadtzentrums an. Seit 1963 befindet sich ein moderner Hafen etwa zehn Kilometer südlich davon.
Neben dem Im- und Exporthandel ist Guayaquil auch ein bedeutendes Finanzzentrum Ecuadors, das allerdings in den letzten zehn Jahren durch den Zusammenbruch zweier Großbanken gelitten hat. Die Industrie ist in bedeutendem Maße auf Meeresprodukte spezialisiert, darunter die Herstellung von Fischmehl. Daneben existieren größere Anlagen von Lebensmittel- und Getränkeherstellern und weiteren Industrien für den heimischen Bedarf.
Die längste Brücke Ecuadors, die "Brücke der Nationalen Einheit", die offiziell Puente Rafael Mendoza Avilés heißt, spannt sich von Guayaquil über den Guayas bzw. Daule und Babahoyo hin zur auf der anderen Seite gelegenen Stadt Durán. Sie ist insgesamt 2.825 m lang, 1.032 m von Guayaquil bis zur kleinen, den Fluss Daule vom Babahoyo trennenden Insel La Puntilla und 1.793 m von dieser nach Durán. Von Durán führen die bedeutendsten Straßen nach Riobamba und Santo Domingo de los Colorados, die Guayaquil mit der Sierra, den ecuadorianischen Anden, verbinden.
Bis bis vor einigen Jahren fuhren (seit 1908) vom Bahnhof in Durán auch die täglichen Züge nach Quito ab, die aber derzeit nicht mehr oder nur noch zu Tourismuszwecken verkehren. Seit 1963 besitzt Guayaquil einen Flughafen, den Aeropuerto Simón Bolívar, und seit 1984 ein modernes Busterminal, das den alten Bahnhof in seiner Bedeutung verdrängt hat.
Guayaquil ist der Sitz zahlreicher Universitäten, darunter der staatlichen Universidad de Guayaquil, der kirchlichen Universidad Católica und verschiedener Hochschulen in privater Trägerschaft, u.a. der Escuela Superior Politécnica del Litoral (ESPOL) und der Universidad Laica Vicente Rocafuerte.
Sehenswürdigkeiten
Der zumindest einigen zugängliche Reichtum der Stadt hat aber auch zu Ausbau und Remodelierung von Teilen des Zentrums zu einem Ensemble aus restaurierten Kolonial-, und Republikbauten des 19. Jahrhunderts und moderner Architektur bewirkt. Besonders die Uferpromenade "Malecón 2000" und die in Rehabilitierung befindlichen Siedlungen auf der angrenzenden Bergkuppe Santa Ana sollen Touristen aus aller Welt anlocken. Am Fuß des Cerro Santa Ana liegt das mit seinen Holzbauten koloniales Ambiente bewahrende Barrio Las Peñas, in dem die Stadt ihren historischen Ursprung hat.
Einen Einblick in das kulturelle und Naturerbe Guayaquils gibt der 2003 eröffnete Parque Histórico in Samborondón am Guayaquil gegenüber liegenden Ufer des Daule. Er verbindet auf einer Fläche von 8 Hektar einen jungen Mangrovenwald mit ökologischem Zoo (mit einheimischen Tieren wie dem Tapir, dem Ozelot und vielen Vögeln), einen landwirtschaftlichen Betrieb des 19. Jahrhunderts mit Kakaopflanzung und ein Ensemble rekonstruierter Gebäude des Guayaquil um 1900, den "Malecón 1900".
Der 25. Juli und der 9. Oktober sind offizielle Feiertage in Guayaquil die mit Paraden und anderen Festakten begangen werden.
Söhne und Töchter der Stadt
- Alfredo Palacio, Kardiologe und seit dem 20. April 2005 Präsident von Ecuador
- Abdalá Bucaram, Rechtsanwalt, Politiker und Staatspräsident von Ecuador
- Andrés Gómez, ehemaliger Tennisspieler
- Pancho Segura, ehemaliger Tennisspieler
Weblinks
- Offizielles Portal der Stadt(verwaltung) Guayaquil
- El Universo, die größte Tageszeitung in Guayaquil
- Guayaquil – eine Stadt im Wandel - Artikel der Lateinamerikanachrichten zu den Veränderungen in der Stadt von 2000 bis 2004
- Artikel zur Geschichte Guayaquils (span.) von Ing. Alfredo García E.
- Webcam der Puente de Unidad Nacional über den Guayas
- Website der Universidad de Guayaquil
- Website der Universidad Católica de Santiago de Guayaquil
- Website der Escuela Superior Politécnica del Litoral
- http://www.inguayaquil.com/ (auf deutsch)
- Guayaquil: Impressionen im Bild