Staatsterror
Der Ausdruck Staatsterrorismus bezeichnet Gewaltakte, die laut internationaler Definition als terroristisch eingestuft, aber durch das Militär eines offiziellen Staates vollzogen oder durch eine souveräne Regierung gefördert werden. Staatsterrorismus bezeichnet insofern feindselige Aktionen außerhalb eines erklärten Krieges gegen zivile Ziele beziehungsweise unter bewusster Inkaufnahme ziviler Opfer beim angegriffenen Ziel; seien es Menschenleben oder lebenswichtige Einrichtungen. Die gegenwärtige Hervorhebung der Bezeichnung Staatsterrorismus ist ein Versuch der internationalen Gemeinschaft, jeglichen praktizierten Terrorismus dem Völkerrecht zu unterstellen, und auch nicht staatliche Akteure einzubinden.
Definitionen
Die Definition eines politischen Begriffes hängt von der jeweiligen Herkunft des Beurteilenden ab - die Bezeichnung "Terrorismus" ist selbst eine umstrittene Definition. Man verwendet sie, um feindliche Aktivitäten einer gegnerischen Partei als rücksichtslos und zerstörerisch zu kennzeichnen. Vielfach begann man staatsterroristische Unternehmungen in der Absicht, Feindseligkeiten zu schüren und letztlich ganze Kriege anzuzetteln.
Die Begriffe "geheimer Krieg", "Kriege niedriger Heftigkeit", "Guerillakrieg" und "asymmetrische Kriegführung" werden heute oft als dem "Terrorismus" verwandt und in einigen Situationen zutreffende Beschreibung angesehen. "Kriegführung" jedoch bezieht sich in den meisten Fällen auf Militäraktionen innerhalb eines Kriegszusammenhanges; während Terrorismus sich auf nichtstaatlich Handelnde begrenzt, die nicht selbst einen Krieg erklären können.
Unter staatlich gefördertem Terrorismus versteht man die offizielle oder inoffizielle Unterstützung bewaffneter Oppositionsgruppen eines Drittlandes durch einen Staat. Das Ziel des unterstützenden Staates ist es, die Regierung des Drittlandes zu destabilisieren und durch eine für den Staat wünschenswerte Regierung zu ersetzen.
Die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA wurden als Kriegshandlung bezeichnet, obwohl diese Angriffe von keinem Staat ausgingen und es daher keinen Gegner im Sinne eines Krieges gab.
Auch die mit den stalinistische Säuberungen einhergegangenen politischen Massenmorde innerhalb der UdSSR gelten als Staatsterrorismus. Sie fallen unter die Begriffe Demozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Attentate auf Dissidenten im Exil (wie die Ermordung Leo Trotzkis 1940 in Mexiko durch sowjetische Agenten) gelten ebenfalls als ein Beispiel von Staatsterrorismus.
Beispiele
Französische Revolution
Der Ausdruck Staatsterrorismus gibt die Intention des ursprünglichen Begriffes "Terrorismus" im Zuge der französischen Revolution recht deutlich wieder. Terrorismus war die vor allem unter Maximilien de Robespierre angewandte Methode des Staates gegen seine wirklichen und vermeintlichen Gegner vorzugehen.
Chile
Unter der Diktatur Augusto Pinochets betrieb Chile eine ausgedehnte Politik der Unterdrückung sowohl gegen seine Bürger als auch ausländische Kritiker. Zu den chilenischen Aktivitäten die als staatsterroristisch bezeichnet werden können zählten das Attentat auf den ehemaligen Botschafters Orlando Letelier in Washington, die Ermordung General Carlos Prats in Argentinien und der Mordversuch auf Bernardo Leighton in Italien.
China
Die Regierung der Volksrepublik China ist wiederholt Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Dabei werden zahlreiche Aktionen von verschiedenen Seiten als Staatsterrorismus bezeichnet, wie die Niederschlagung des Aufstandes auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Des weiteren ist China mit ca. 10.000 Hinrichtungen im Jahr "Spitzenreiter" bei der Vollstreckung der Todesstrafe. Auch existieren Arbeits- und Umerziehungslager. Auch im Zusammenhang mit der Unterdrückung der tibetischen Unabhängigkeitsbestrebungen wird oft von Staatsterrorismus gesprochen.
Die gesetzlich Legitimierung staatlich organisierter Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus gilt als eklantantes Beispiel für die Methodik des Staatsterrorismus. Dies gilt vor allem für die Verfolgung und die massenhafte Ermordung von politischen Gegnern sowie ethnischen und religiösen Minderheiten, vor allem der Völkermord an den europäischen Juden (vgl. Shoa/Holocaust), der allein etwa 6 Millionen Menschen mosaischen Glaubens, damals ungefähr ein Drittel der jüdischstämmigen Weltbevölkerung, das Leben kostete.
In der DDR wurden die Streiks am 17. Juni 1953 unter Einsatz militärischer Gewalt niedergeschlagen. Wie in den meisten Staaten des Ostblocks war den meisten Bewohnern die Ausreise verboten. An der innerdeutschen Grenze kamen mehrere hundert Menschen ums Leben.
Am 17. Oktober 1961 wurden in Paris unter dem Befehl von Maurice Papon eine bis heute unbekannte Anzahl algerischer Demonstranten ermordet.
Französische Behörden versenkten das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior im Pazifik. Die Attentäter, französische Geheimagenten, wurden von einem Gericht verurteilt.
Zum Staatsterrorismus werden oft die Tonton Macoutes der früheren haitianischen Diktatoren der Familie Jean-Claude Duvalier gezählt.
Irak
Dem Irak unter Saddam Hussein wirft man zahlreiche Chemiewaffenangriffe auf die eigene Zivilbevölkerung gegen revolutionäre und bestimmte ethnische Gruppen vor. Ein bekanntes Ereignis ist des Giftgasangriff auf Halabdscha.
Nach israelischem Recht ist es möglich, für Anschläge maßgeblich verantwortliche Terroristenführer durch gezielte Militäraktionen hinzurichten (Politik des "Enthauptungsschlages", "gezielte Tötungen"). Israel wird vorgeworfen, dabei auch zivile Opfer in Kauf zu nehmen.
Der Palästinsischen Führung wird vorgeworfen, nicht genug gegen die Selbstmordattentate radikaler Gruppen zu tun, an denen auch Mitglieder der herrschenden Fatah-Bewegung beteiligt sind und die viele Israelische Zivilisten das Leben gekostet haben.
Myanmar
Die herrschende Junta von Myanmar hat wiederholt aktiv demokratische Bewegungen im Land unterdrückt. Viele der Gegner der Junta, wie Aung San Suu Kyi, sehen als deren Ziel, die Bevölkerung zu terrorisieren und zur Unterwerfung zu zwingen. Siehe Beispiel 8. August 1998 Birmaprotest.
Sowjetunion
Unter der Herrschaft Lenins und Stalins wurden politische Gegner der Bolschewiki, sowie "Volksfeinde" inhaftiert, deportiert und umgebracht (siehe auch "Roter Terror"). Stalin vermochte seinen Machteinfluss zu festigen, indem er seine politischen Gegner einschüchterte und umbringen ließ.
Spanien
Während der 1970er und 1980er Jahre griffen einige Gruppen vermutete Mitglieder der baskischen Terrororganisation ETA mit illegalen Methoden an:
- Guerrilleros de Cristo Rey
- Batallón Vasco Español
- Antiterrorismo ETA (ASS)
- Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL)
Untersuchungen des spanischen Richters Baltasar Garzóns führten zur Entdeckung, dass ein spanischer PSOE-Minister und einige Untergebene zumindest die die GAL organisiert hatten. Es wird vermutet das auch in den anderen Fällen die Spanische Polizei hinter den Angriffen stand.
USA
Zahlreiche Kritiker haben Aktivitäten der USA als Terrorismus gebrandmarkt. So haben die USA Parteien in verschiedenen Bürgerkriegen und Konflikten, vornehmlich Israel gegen andere Staaten des Nahen Ostens, sowie Länder und Organisationen mit fragwürdiger Menschenrechtspraxis unterstützt und mit ihnen kooperiert. Besonders die CIA wird der Unterstützung von Terrororganisationen in anderen Ländern beschuldigt. Solche Unterstützung wurde ebenfalls Staatsterrorismus genannt.
Seit 1959 unterhält oder unterstützt die CIA terroristische Organisationen von Exilkubanern (u.a. Brigade 2506, Alpha66, Luís Posada Carriles, Orlando Bosch) in der Absicht, die kubanische Regierung zu stürzen. Die inzwischen z.T. von der US-Regierung zugegebenen terroristischen Aktivitäten reichen von über 50 Attentatsversuchen gegen Fidel Castro bis hin zu Bombenanschlägen auf Zivilflugzeuge. Fünf Kubaner, die versuchten, diese terroristischen Aktivitäten zu überwachen, wurden in einem aufsehenerregende Prozess 2001 teilweise zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt (Miami Five), während international gesuchte Terroristen wie Orlando Bosch und Luís Posada Carriles sich unbehelligt in Miami aufhalten.
Auch andere US-Aktivitäten wurden als vorsätzlich terroristisch kritisiert. Die Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki während des 2. Weltkrieges gelten als weiteres Beispiel der Massentötung von Zivilisten, die über das Kriegsrecht hinaus gingen. Auch die UNO-Sanktionen gegen den Irak wurden mehr als Schaden für die Bevölkerung, statt für die Regierung angesehen.
Die militärischen Aktivitäten der USA gegen Nicaragua 1984-1985 (Contra-Krieg) wurde von einigen Kritikern als terroristisch bezeichnet, und vom internationalen Gerichtshof wurden die USA "der ungesetzlichen Gewaltanwendung" für schuldig befunden.
Auch der Bombenabwurf am 8. August 1978 auf ein von Afroamerikaner bewohntes Haus gilt als Paradebeispiel für inländischen Staatsterrorismus. Damals hatte die MOVE-Bewegung (vgl. Move 9) um ihren spirituellen Mentor John Africa ein Haus im Ghetto der US-Amerikanischen Stadt Philadelphia besetzt. Von dort kam es zu politischen Aktionen, die von den Behörden missbilligt wurden. Am Rande des Konflikts wurde u.a. der afro-amerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal festgenommen, der bis heute um seine Freiheit kämpft. Mumia Abu Jamal, der wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt wurde, schrieb aus der Todeszelle mehrere politische Bücher. Seine Schuld wird bis heute von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen angezweifelt.