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Jugendfilm

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Unter einem Jugendfilm versteht man im weiteren Sinne einen Spiel-, Dokumentar- oder Kurzfilm, der sich vorrangig an Jugendliche – d. h. Menschen in der Lebensphase zwischen beginnender Pubertät und Erwachsensein – wendet.

Jugendfilme im engeren Sinne haben jugendliche Hauptfiguren, die den gleichaltrigen Zuschauern eine mehr oder weniger umfassende Identifikation erlauben, und befassen sich mit Themen, die im Leben von Jugendlichen eine besondere Rolle spielen, wie z. B. emotionales, sexuelles und körperliches Erwachsenwerden, allmähliche Ablösung von den Eltern, Freundschaft und die erste Liebe.

Jugendfilme im engeren Sinne sind abzugrenzen:

  • von Kinderfilmen. Deren Themenkreis ist ein ganz anderer.
  • von Filmen, die Jugendliche lediglich als Zielgruppe nutzen, ohne inhaltlich auf ihre besondere Lebenssituation einzugehen. Paradebeispiel sind die wieder erfolgreichen Horrorfilme, die oft eine Altersfreigabe der FSK ab 16 Jahren erhalten.
  • von Filmen, in denen Jugendliche und ihre altersspezifischen Anliegen zwar eine tragende Rolle spielen, die jedoch nicht auf eine Identifikation des Publikums mit der jugendlichen Figur ausgerichtet sind (z. B. Stanley Kubricks Lolita).

Verwandte Genres, mit denen Jugendfilme sich häufig überschneiden sind u. a.:

  • Schul- bzw. Schülerfilme. Diese Filme entsprechen in vielen Fällen ganz den Kriterien des Jugendfilms (z. B. Mädchen in Uniform, 1931). In anderen Fällen sind sie jedoch eher auf die Sichtweise einer erwachsenen Hauptfigur zugeschnitten (z. B. Die Feuerzangenbowle, 1944; Der Pauker, 1958).
  • Jugendgeschichtsfilme und Jugendpolitfilme, d. h. Filme, die ihr jugendliches Publikum durch Identifikation mit gleichaltrigen Hauptfiguren mit den Lebensbedingungen in anderen Zeiten bzw. anderen Ländern vertraut machen sollen. In diese Gruppe fallen z. B. die vielen Jugendfilme über den Nationalsozialismus.
  • Qualitätsfilme wie z. B. Bille Augusts Pelle der Eroberer, deren jugendliche Helden von grundlegend menschlichen Fragen bewegt werden. Der erstmalige Kontakt mit solchen Fragen ist etwas für Jugendliche durchaus Alterstypisches, andererseits jedoch sind solche Filme ebenso auch an Erwachsene adressiert.

Problematisch ist die Beschränkung des Begriffs "Jugendfilm" auf Filme, die von Selbstfindung, Pubertätskonflikten usw. handeln, wenn man sie auf Filme aus nicht-westlichen Kulturen (z. B. Nahost oder Lateinamerika) anzuwenden versucht. Diese Themen beschäftigen Jugendliche dort natürlich nicht minder, sie spielen im Film aus kulturgeschichtlichen Gründen jedoch eine weitaus geringere Rolle als in Europa und Nordamerika.

Geschichte

Allgemein lässt sich die Tendenz beobachten, dass Jugendfilme im engeren Sinne, d. h. Filme, die Jugendliche zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Erwachsenwerden und einem differenzierten Nachdenken über sich selbst ermutigen, in liberalen, demokratischen Gesellschaften weitaus günstigere Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen haben als in autoritären Gesellschaften.

Nationalsozialismus

Die Jugend war eine von den Nationalsozialisten besonders umworbene Zielgruppe. Um alle Altersgruppen mit der Filmpropaganda erreichen zu können, wurde mit dem Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 die bis dahin noch bestehende Altersgrenze von 6 Jahren für Kinobesuche aufgehoben.

Bereits am 26. Juni 1933 war mit einem Erlass des Kultusministers Bernhard Rust die Verwendung von Filmen im Schulunterricht eingeführt worden. Dies schloss auch die Vorführung von Propagandafilmen ein.

Ab 1934 veranstaltete auch die Hitlerjugend so genannte "Jugendfilmstunden des Deutschen Reiches". Diese Jugendfilmstunden waren aufwändige Propagandaveranstaltungen, für die die örtlichen Kinobetreiber ein- bis zweimal monatlich ihre Vorführsäle zur Verfügung stellen mussten. Auf dem Land, wo es keine Kinos gab, wurden Jugendfilmstunden in Schulgebäuden, Wirtshäusern und Gemeindesälen durchgeführt. Das Programm der Veranstaltungen umfasste einen geschlossenen Einmarsch, Gesang und schließlich die Vorführung von Dokumentar- und Spielfilmen, die im Gemeinschaftserlebnis emotional viel stärker auf die Jugendlichen wirkten, als wenn sie das Kino gemeinsam mit Familienangehörigen besucht hätten. Fester Bestandteil war die Vorführung der aktuellen Wochenschau. Die Teilnahme an den Jugendfilmstunden erfolgte offiziell außerhalb des eigentlichen HJ-Dienstes. Daher genossen die Veranstaltungen auch keine staatliche Förderung, sondern mussten sich finanziell selbst tragen.

Ab 1939 wurden Filme, die der Zensurbehörde für die Vorführung vor jugendlichem Publikum besonders geeignet erschienen, mit dem Prädikat "jugendwert" ausgezeichnet. Freilich waren dies überwiegend Propagandafilme, die sich ebenso an erwachsene Zuschauer wandten:

Pour le Mérite (1938); D III 88 (1939); Robert Koch, der Bekämpfer des Todes (1939); Jud Süß (1940); Feinde (1940); Wunschkonzert (1940); Carl Peters (1941); Heimkehr (1941); Kameraden (1941); Kampfgeschwader Lützow (1941); Mein Leben für Irland (1941); Menschen im Sturm (1941); Ohm Krüger (1941); ... reitet für Deutschland (1941); Stukas (1941); Über alles in der Welt (1941); Jakko (1941); Andreas Schlüter (1942); Die Entlassung (1942); Geheimakte WB 1 (1942); Der große König (1942); Hände hoch! (1942); Der unendliche Weg (1943); Die Affäre Roedern (1944); Junge Adler (1944). Nur drei dieser Filme – Jakko, Hände hoch! und Junge Adler – haben jugendliche Hauptfiguren.

Jugendfilme im engeren Sinne, d. h. Filme, die sich mit den altersspezifischen Problemen und Anliegen von Jugendlichen auseinandersetzen, wurden unter den Nationalsozialisten kaum produziert. Filme wie Anna und Elisabeth und Reifende Jugend (beide 1933), die alle Kriterien für einen Jugendfilm erfüllen, waren bereits vor dem nationalsozialistischen Machtantritt konzipiert worden. Die einzige Ausnahme bildet vielleicht Reinhold Schünzels Das Mädchen Irene (1936), aber auch hier sind die tragenden Figuren eigentlich die Erwachsenen. Es scheint, als wäre in einer Zeit, in der die Jugend "flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl" (so Adolf Hitler in einer Rede an die Hitlerjugend auf dem Parteitag 1935) sein sollte, gar kein Raum für die Darstellung von jungen Menschen mit Problemen gewesen.

Auch wurde der Jugend im Nationalsozialismus unmissverständlich vorgegeben, was ihr Anliegen zu sein habe: Der selbstlose Einsatz für Partei und Nation. So überrascht es dann auch nicht, dass das einzige Genre von Jugendfilmen, das die nationalsozialistische Filmindustrie schließlich doch hervorbrachte, die Bewährungsfilme im Milieu nationalsozialistischer Jugendorganisationen waren (neben den oben erwähnten Prädikatsfilmen z. B. Jungens, 1941; Kopf hoch, Johannes, 1941).

Jugendfilmpreise

Wichtige Jugendfilmpreise sind z. B.:

  • der Jugendfilmpreis des Filmbüros Baden-Württemberg e. V.
  • der Kasseler Jugendfilmpreis
  • der Frankfurter Jugendfilmpreis (im Rahmen der Hessischen Jugendfilmtage von der Stadt Frankfurt verliehen)
  • der Bayerische Jugendfilmpreis
  • der Kinder- und Jugendpreis der Nordischen Filminstitute

Filmbeispiele

Jugendfilme im engen Sinne

Nachkriegszeit und 1950er Jahre

  • Der Wilde (The Wild One), USA 1953 (Problemfilm im Milieu einer amerikanischen Kleinstadt)
  • Jenseits von Eden (East of Eden), USA 1955 (die Geschichte eines jungen Amerikaners, der gegen die Unnahbarkeit seines Vaters rebelliert)
  • ...denn sie wissen nicht, was sie tun (Rebel Without a Cause), USA 1955 (einfühlsamer Jugendkriminalfilm im Milieu einer amerikanischen Motorradgang)
  • Die Halbstarken, BRD 1956 (psychologisch differenzierter Jugendkriminalfilm vor dem Hintergrund des deutschen Wirtschaftswunders)

1970er Jahre

  • Die letzte Vorstellung (The Last Picture Show), USA 1971 (über die Frage, ob es sich in einer frustrierten Gesellschaft lohnt, erwachsen zu werden)
  • American Graffiti, USA 1973 (über die Nacht, in der eine Gruppe junger Erwachsener Abschied von der Provinzstadt und der Jugend nehmen)
  • Jeremy, USA 1973 (eine einfühlsam inszenierte Liebesgeschichte)
  • Nordsee ist Mordsee, BRD 1975 (von Hark Bohm; über die Flucht zweier 14jähriger aus einem bedrückenden Zuhause)
  • Moritz, lieber Moritz, BRD 1977 (von Hark Bohm; Identitätsfindung eines 15jährigen)
  • Quadrophenia, Großbritannien 1979 (die Geschichte eines Jungen, der in England Mitte der 1960er Jahre in die Kämpfe zwischen Mods und Rockern gerät)

1980er Jahre

  • La Boum, Frankreich 1980 (über die ersten Liebeserlebnisse eines jungen Mädchens; Sequel: La Boum 2, 1982)
  • Die Outsider (The Outsiders), USA 1983 (Drama im Milieu amerikanischer Jugendgangs)
  • Birdy, USA 1984 (über Jugendfreundschaft, die sich auch unter schwierigsten Bedingungen noch bewährt)
  • American Diner (Diner), USA 1982 (über das Erwachsenwerden einer Gruppe von College-Studenten in den 1950er Jahren)
  • Der weite Weg der Natty Gann (The Journey of Natty Gann), USA 1985 (eine 14-jährige auf der Suche nach ihrem Vater im Amerika der 1930er-Jahre)
  • Das Messer am Ufer (River's Edge), USA 1986 (in einer Gruppe von 17-Jährigen bringt ein Junge seine Freundin um, was eine Katastrophe in Gang setzt)
  • Hairspray, USA 1988 (Teenager-Komödie im Milieu der 1960er Jahre, über Toleranz und innere Werte)
  • Yasemin, BRD 1988 (von Hark Bohm; Film über eine junge Türkin, die sich in einen Deutschen verliebt)

1990er Jahre

  • Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa (What's Eating Gilbert Grape), USA 1993 (über einen jungen Amerikaner, der neben der Fürsorge für Mutter und Bruder Raum für ein eigenes Leben sucht)
  • Kids, USA 1995 (Film des Fotografen Larry Clark über ein Mädchen, das von einem Jungen mit Aids infiziert wird)
  • The Mighty, USA 1998 (Film über die magische Reise zweier ungleicher Freunde)
  • Raus aus Åmål (Fucking Åmål), Dänemark/Schweden 1998 (über die ersten Liebeserlebnisse eines jungen Mädchens)

Gegenwart

  • 8 Mile, USA 2002 (Problemfilm über einen jungen Rap-Musiker; mit Eminem)
  • Lilja 4-ever, Schweden/Dänemark 2002 (minderjähriges estnisches Mädchen kommt nach Schweden und wird dort zur Prostitution gezwungen)
  • Das Geheimnis von Green Lake (Holes), USA 2003 (die Geschichte eines zu Unrecht in einem Erziehungslager festgehaltenen Jungen)
  • Sommersturm, Deutschland 2004 (sensibler Film über erste Liebe zwischen Homo- und Heterosexualität)

Schülerfilme

  • Mädchen in Uniform, Deutschland 1931 (über ein junges Mädchen, das in einem strengen preußischen Internat Halt an einer Lehrerin sucht)
  • Der Frühstücksclub (The Breakfast Club), USA 1985 (Film im Highschool-Milieu über Identität und Solidarität)
  • Der Club der toten Dichter (Dead Poets Society), USA 1989 (über einen Highschool-Lehrer, dem es gelingt, seinen Schülern die Welt der Literatur zu erschließen)
  • Rushmore, USA 1998 (intelligente Komödie im Highschool-Milieu)
  • Crazy, Deutschland 2000 (Internatsgeschichte über einen spastisch gelähmten Jungen)
  • Lost Heaven (The Dangerous Lives of Altar Boys), USA 2002 (Komödie im Milieu einer katholischen Schule)

Jugendgeschichts- und Jugendpolitfilme

  • Sie nannten ihn Amigo, DDR 1958 (über einen Jungen, der 1939 einen politischen Häftling versteckt und darum selbst ins KZ gerät)
  • Die Brücke, BRD 1959 (Antikriegsfilm im Volkssturm-Milieu)
  • Hope and Glory, Großbritannien 1987, von John Boorman (Geschichte eines Jungen, der während des Zweiten Weltkriegs in London heranwächst)
  • Zwei Welten (A World Apart), Großbritannien/Zimbabwe 1988 (die authentische Geschichte einer 13-jährigen Weißen im Südafrika der Apartheid.
  • Jana und Jan, Deutschland 1992 (Liebesgeschichte im Milieu eines DDR-Jugendgefängnisses kurz vor der Wende)
  • Long Walk Home (Rabbit-Proof Fence), Australien 2002 (die authentische Geschichte der Flucht von drei Aborigine-Mädchen aus einem englischen Um-Erziehungslager)

Filme aus nicht-westlichen Ländern

  • Zeit der trunkenen Pferde (Zamani barayé masti asbha), Iran 2000 (ein Film über junge Kurden, die ihren todkranken Bruder zu retten versuchen)
  • City of God (Cidade de Deus), Brasilien/Frankreich/USA 2002 (filmisch höchst anspruchsvolles Drama im Milieu brasilianischer Kinder- und Jugendbanden)
  • Osama, Afghanistan/Niederlande/Japan/Irland/Iran 2002 (preisgekrönter Film über ein Mädchen, das sich im Afghanistan der Taliban als Junge verkleidet)
  • Whale Rider, Neuseeland/Deutschland 2002 (die Suche eines jungen Maori-Mädchens nach ihrer kulturellen Identität)

Siehe auch

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