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Jüdischer Friedhof

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Neues Gräberfeld auf dem Jüdischen Friedhof in Mannheim

Ein jüdischer Friedhof (hebräisch בית-עלמין bzw. בית-עולם, Aussprache [beɪt ʌl'mɪn] bzw. [beɪt o'lʌm], dt. „Haus der Ewigkeit“ nach Kohelet 12,8 EU oder בית קברות [beɪt kvʌ'rot], „Haus der Gräber“) ist ein Friedhof mit Besonderheiten, die sich aus den Gesetzen des Judentums ergeben. So ist die Erdbestattung üblich, die dauerhafte Totenruhe gilt als unantastbar und Besucher legen statt Blumen in der Regel kleine Steine auf das Grab. Mit Bezug zu seinem lebensbejahenden Charakter und der Messias-Erwartung wird der jüdische Friedhof – nach einem jiddischen Ausdruck – manchmal auch „Guter Ort“ genannt.

Geschichte

Der Alte Jüdische Friedhof in Fürth um 1705

Die frühen jüdischen Friedhöfe lagen – wie andere Friedhöfe nach dem Mittelalter auch – außerhalb der Stadt. Diese Lage lässt sich mit der Weisung erklären, dass sich die Lebenden nicht mit den Toten innerhalb der Stadtmauern aufhalten dürfen. Oft befand er sich allerdings an Orten, die von den übrigen Menschen gemieden wurden. Der jüdische Friedhof in Göttingen befindet sich zum Beispiel in der Nähe der Gerichtslinde, an der auch Hinrichtungen stattfanden. Während die Aschkenasim (deutschstämmige und osteuropäische Juden) aufrechte Steine an ihre Gräber stellten, bestatteten die Sephardim (portugiesische und spanische Juden) ihre Toten unter flachliegenden Grabplatten oder Zeltgräbern. In Mittel- und Osteuropa sind überwiegend aschkenasische Bestattungsarten verbreitet. Vereinzelt finden sich dort auch jüdische Friedhöfe, die außer einem aschkenasischen Teil auch einen sephardischen Teil beinhalten wie zum Beispiel der Jüdische Friedhof in Hamburg-Altona. Anfangs wurden die Toten nach Jerusalem ausgerichtet, diese Tradition wird seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr durchgesetzt.

Insbesondere wurden die Grabsteine (Mazevot) ab der Zeit der Haskala nicht nur in hebräischer Sprache beschriftet, sondern auch in der jeweiligen Landessprache. Letzteres geschah in der Regel auf der Rückseite des Grabsteins. Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass auf der hebräisch beschrifteten Seite des Grabsteins nicht nur der Name des Toten selbst genannt wurde, sondern auch der Name seines Vaters. Dies stellt heute für die genealogische Forschung einen unschätzbaren Wert dar. In der Zeit der Haskala wurden in Anlehnung an die christliche Tradition Familiengräber mit aufwändiger gestalteten Grabsteinen und sogar Mausoleen für Familien errichtet.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche jüdische Friedhöfe verwüstet.

Der flächenmäßig größte erhaltene jüdische Friedhof Europas, auf dem zahlreiche bekannte Persönlichkeiten beerdigt sind, ist der 42 Hektar große Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee mit über 115.000 Bestattungen. Von der Zahl der Bestattungen her ist es der Neue Jüdische Friedhof Łódź (Polen) mit 180.000 Bestattungen und einer Fläche von knapp 40 Hektar.[1] Von der Zahl der Bestattungen her war der Jüdische Friedhof in Thessaloniki bis zu seiner Zerstörung 1942 durch SS und Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg mit rund 500.000 Bestattungen der größte weltweit.[2][3][4]

Besonderheiten

Jüdischer Friedhof in Jerusalem
Von Besuchern des Grabes abgelegte kleine Steine
Jüdischer Verbandsfriedhof Waibstadt

Weil im Tode alle Menschen gleich sind, finden sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts gleichförmige Grabsteine. Erst mit der Haskala, der fortschreitenden jüdischen Emanzipation und Assimilation beginnen die Juden, ebenso prunkvolle Grabstätten zu errichten wie es auch von christlichen Friedhöfen dieser Zeit bekannt ist.

„Einer der fundamentalsten israelitischen Glaubensgrundsätze, die Unantastbarkeit der Totenruhe, führte dazu, dass Gräber und Grabmale über Jahrhunderte erhalten bleiben, dass die jüdischen Friedhöfe über Generationen hinweg „wachsen“, während auf anderen Friedhöfen immer wieder – nach Ablauf von Ruhefristen – einzelne Gräber oder ganze Grabfelder geräumt werden […]“

aus dem Vorwort „Der jüdische Friedhof“[5]

Das jüdische Grab wird von den Gemeinden nicht eingeebnet und der Stein bleibt bestehen. Bei Platzmangel legt man eine Schicht Erde über ein Grab und bestattet einen Toten über dem anderen. Sehr eindrücklich ist dies beim alten jüdischen Friedhof in Prag zu sehen. Dies hängt mit dem jüdischen Glauben an die Auferstehung der Toten nach dem Eintreffen des Messias zusammen.

Blumenschmuck ist in der jüdischen Tradition nicht üblich, statt dessen werden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber lässt man mit Efeu und Gras überwachsen. Nach dem Besuch des Friedhofs wäscht man sich die Hände, weil die Nähe der Toten kultisch unrein macht. In Deutschland sind die jüdischen Friedhöfe in der Regel am Sabbat geschlossen. Die Halacha gestattet es nicht, am Sabbat Tote zu begraben oder dort Tätigkeiten zu verrichten.

Auch für nichtjüdische Männer ist es Pflicht, auf einem jüdischen Friedhof ebenso wie in einer Synagoge eine Kopfbedeckung zu tragen (Kippa oder Hut).

Verbandsfriedhof

Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof Calvörde

Ein jüdischer Verbandsfriedhof ist ein Friedhof, der sich in der Trägerschaft mehrerer jüdischer Gemeinden befindet.

Der Zusammenschluss zu einem Friedhofsverband machte die gemeinsame Finanzierung eines Friedhofs möglich. Das betraf sowohl die Neuanlage, als auch die anfallenden Kosten für den Unterhalt des Friedhofs. Jüdische Gemeinden oder jüdische Familien, die sich nicht in den Verbandsfriedhof eingekauft hatten, konnten zwar auch ihre Toten dort bestatten, mussten aber höhere Gebühren entrichten.

Jüdischer Friedhof und Feierhalle in Czernowitz, 2010


Siehe auch

Literatur

  • Thomas Blisniewski: Wandlungen der jüdischen Sepulkralkultur im 19. Jahrhundert. In: Claudia Denk, John Ziesemer (Hrsg.): Der bürgerliche Tod. Städtische Bestattungskultur von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert. Internationale Fachtagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Nationalmuseum München, 11.–13. November 2005. Regensburg 2007, S. 14–23 (= ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkommitees 44)
  • Michael Brocke, Christiane E. Müller: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland. Reclam, Leipzig 2001, ISBN 3-379-00777-3
  • Falk Wiesemann: Sepulcra judaica: Bibliographie zu jüdischen Friedhöfen und zu Sterben, Begräbnis und Trauer bei den Juden von der Zeit des Hellinismus bis zur Gegenwart. Klartext Verlagsgesellschaft, Essen, 2004, ISBN 3-89861-422-0
  • Sieghard Bußenius: Inseln des Friedens oder Grundstücke ohne Verkehrswert? Jüdische Friedhöfe und ihre Schändungen. In: Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS) (Hrsg.): Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Nr. 21 vom November 1991, Seiten 5–101
  • Brigitte Heidenhain: Juden in Wriezen. Ihr Leben in der Stadt von 1677 bis 1940 und ihr Friedhof. Universitätsverlag, Potsdam 2007, ISBN 978-3-939469-39-1.
  • Klaus Meier-Ude, Valentin Senger: Die jüdischen Friedhöfe in Frankfurt am Main. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Fachhochschulverlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-936065-15-2
  • Herbert Liedel, Helmut Dolhopf: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe. Stürtz, Würzburg 1985, ISBN 3-8003-0251-9
  • Alfred Udo Theobald (Hrsg.): Der jüdische Friedhof. Zeuge der Geschichte – Zeugnis der Kultur. Badenia, Karlsruhe 1984. ISBN 3-7617-0228-0
  • Stadtarchiv Horb am Neckar (Hrsg.): Gräber im Wald. Lebensspuren auf dem jüdischen Friedhof in Mühringen – Dokumentation des Friedhofs der über 300 Jahre in Mühringen ansässigen jüdischen Gemeinde und des Rabbinats Mühringen. Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1828-5
  • Ulrich Knufinke: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland. Petersberg 2008.
  • Ulrich Knufinke: Die Architektur jüdischer Friedhofsbauwerke in Berlin. In: architectura. Zeitschrift für Geschichte der Baukunst 37 (2007), S. 169–194.
  • Berndt Schaller, Eike Dietert: Im Steilhang. Der jüdische Friedhof zu Adelebsen. Erinnerung an eine zerstörte Gemeinschaft. Göttinger Universitätsverlag, Göttingen 2010. ISBN 978-3-941875-14-2
Commons: Jüdische Friedhöfe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Angaben von der Seite der Stiftung Jüdische Monumente in Lodz
  2. Zeitungsartikel der Neuen Rheinischen Zeitung
  3. Bericht über eine Historiker-Tagung in Thessaloniki zur jüdischen Geschichte der Stadt mit Zahlenangaben
  4. Wolfgang Breyer: Dr. Max Merten - ein Militärbeamter der deutschen Wehrmacht im Spannungsfeld zwischen Legende und Wahrheit. Inauguraldissertation, Universität Mannheim, Mannheim 2003, PDF-Fassung, Seite 50.
  5. Alfred Udo Theobald: Der jüdische Friedhof. Karlsruhe 1984

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