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Walter Scheel

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Walter Scheel (* 8. Juli 1919 in Solingen) ist ein deutscher Politiker (FDP).

Er war von 1961 bis 1966 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, von 1969 bis 1974 Bundesminister des Auswärtigen und Stellvertreter des Bundeskanzlers sowie von 1974 bis 1979 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Walter Scheel zusammen mit Jimmy Carter

Ausbildung und Beruf

Scheel kommt im Solinger Ortsteil Höhscheid als Sohn eines Stellmachers zur Welt, er ist evangelischen Glaubens. Nach dem Abitur 1938 begann Scheel eine Banklehre, die er jedoch aufgrund seiner Einberufung schon 1939 unterbrechen musste. Er war dann bis 1945 Soldat bei der Luftwaffe. Nach Kriegsende war er dann bis 1953 als Geschäftsführer in der Industrie und in Verbänden tätig. Danach arbeitete er als selbstständiger Wirtschaftsberater in Düsseldorf. 1958 wurde er dann Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts "Intermarket" und der Finanzfirma "Interfinanz".

Familie

Nach 24-jähriger Ehe starb 1966 seine erste Frau Eva Charlotte, geb. Kronenberg. Von 1969 bis zu ihrem Tod im Jahr 1985 war er mit Mildred Scheel, geb. Wirtz, verheiratet. Sie brachte die Tochter Cornelia Scheel mit in die Ehe. Mildred Scheel war Begründerin der Deutschen Krebshilfe e.V. Aus dieser Ehe gingen 1970 Andrea-Gwendoline Scheel sowie zwei weitere Kinder hervor. Der Sohn Simon Martin Scheel wurde 1971 aus Bolivien adoptiert. 1988 heiratete Walter Scheel Barbara Wiese.

Partei

Während der Endzeit der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland war Scheel Mitglied der NSDAP. Seit 1946 ist Scheel Mitglied der FDP.

Seit 1954 war Scheel Mitglied des FDP-Landesvorstandes in Nordrhein-Westfalen und ab 1956 zusätzlich Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. Im selben Jahr gehörte Scheel zu den sog. Jungtürken, (u.a. mit Erich Mende, Willi Weyer, Hans-Wolfgang Rubin und Wolfgang Döring), die den Koalitionswechsel der FDP in Nordrhein-Westfalen von der CDU zur SPD einleiteten und damit die Abspaltung der Euler-Gruppe und die Gründung der kurzlebigen Freiheitlichen Volkspartei provozierten. 1968 wurde er schließlich als Nachfolger von Erich Mende zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Anfang der 1970er Jahre gehörte er mit Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach zu den Autoren der Freiburger Thesen, des neuen Grundsatzprogramms der FDP. Mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1974 legte er dann alle Parteiämter nieder. Nach dem Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident wurde er 1979 zum Ehrenvorsitzenden der FDP ernannt.

Von 1968 war er Vizepräsident der "Liberalen Weltunion" (Vorgänger der Liberale Internationale).

Abgeordneter

Von 1948 bis 1950 war Scheel Stadrat in seiner Heimatstadt Solingen. Von 1950 bis 1954 war er Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen. 1953 schließlich wurde er Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er bis zum 27. Juni 1974 angehörte, er legte sein Mandat wegen der Wahl zum Bundespräsidenten nieder.

Vom 1. Juli 1956 bis 20. November 1961 war er außerdem Mitglied des Europäischen Parlamentes. Hier war er von 1959 bis 1962 Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Assozierung der überseeischen Länder und Gebiete und seit 1958 stv. Vorsitzender der liberalen Fraktion. Von 1967 bis 1969 war er Vizepräsident des Deutschen Bundestages.

Öffentliche Ämter

Nach der Bundestagswahl 1961 wurde Scheel am 14. November 1961 im Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Am 19. November 1962 trat er anlässlich der Spiegel-Affäre zusammen mit den anderen FDP-Bundesministern aus Protest zurück. Dem daraufhin am 13. Dezember 1962 ohne den umstrittenen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gebildeten Kabinett gehörte er dann aber mit gleicher Funktion wieder an. Er behielt dieses Amt auch in der von Bundeskanzler Ludwig Erhard geführten Bundesregierung. Wegen eines Streits über den Bundeshaushalt trat er am 28. Oktober 1966 gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern von seinem Amt zurück.

Nach der Bundestagswahl 1969 wirkte er maßgeblich auf die Bildung einer sozialliberalen Bundesregierung hin und wurde im Kabinett von Willy Brandt am 22. Oktober 1969 zum Vizekanzler und zum Bundesminister des Auswärtigen ernannt. 1970 besuchte Scheel als erster deutscher Außenminister Israel, das 1965 diplomatisch anerkannt wurde. Scheel gilt gemeinsam mit Willy Brandt als "Vater der Entspannungspolitik" und der neuen Deutschlandpolitik, die zunächst von den Unionsparteien scharf bekämpft wird und auch zu Fraktionsaustritten bei den Regierungsparteien SPD und FDP führt, so daß diese die Mehrheit im Deutschen Bundestag verlieren. Die Neuwahlen 1972 stärken sowohl die SPD, als auch Scheels FDP und beweisen die allgemeine Akzeptanz der sozialliberalen Politik.

Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Brandt am 7. Mai 1974 nahm Scheel auf Bitte des Bundespräsidenten die Amtsgeschäfte des Bundeskanzlers wahr, bis Helmut Schmidt am 16. Mai 1974 zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Am selben Tag schied Scheel aus dem Bundeskabinett aus.

Bei der Bundespräsidentenwahl 1974 am 14. Mai 1974 wurde er mit 530 Stimmen von SPD und FDP in der Bundesversammlung gegen Richard von Weizsäcker (CDU, 498 Stimmen) zum vierten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt und trat am 1. Juli 1974 sein neues Amt an.

Für die Bundespräsidentenwahl 1979 stellte er sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nicht erneut zur Verfügung und schied damit am 30. Juni 1979 aus dem Amt.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundespräsidenten geriet der damals erst 59-jährige Scheel in die Schlagzeilen, weil die ihm gesetztlich zustehende Aufwandsentschädigung für ehemalige Bundespräsidenten ("Ehrensold") nicht reichte. Schließlich wurde aber Einigung erzielt.

Seit 1979 ist Scheel Pensionär.

Ehrenämter

Von 1967 bis 1974 war Scheel stv. Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, 1979 wurde er Vorsitzender von deren Kuratorium. Von 1980 bis 1985 war er Vorsitzender der Bilderberg-Konferenz und 1980 bis 1989 Präsident der Europa-Union.

Scheel ist Ehrenvorsitzender des Kuratoriums von Plan International und Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft.

Ehrungen

1971 wird Scheel der Theodor-Heuss-Preis verliehen, 1974 folgte der Orden wider den tierischen Ernst. 1977 wurde er mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Walter Scheel ist seit 1976 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Solingen, seit 1978 von Berlin und Bonn und seit 1979 von Düsseldorf. Er ist Träger des Großkreuzes des Bundesverdienstkreuzes.

Scheel ist Ehrendoktor der Universitäten in Georgetown, Maryland (beide USA), Auckland (Neuseeland), Bristol (Großbritannien) und Heidelberg.

Sonstiges

Sehr bekannt wurde auch Walter Scheels musikalischer Auftritt mit dem Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“, welches er zusammen mit dem Düsseldorfer Männergesangverein aufnahm. Im Januar 1974 stieg das Lied auf Platz 1 der deutschen Hitparade.

Veröffentlichungen

  • Opposition als Auftrag, in: Liberal, 1967, Heft 8, Seiten 575 bis 580.
  • Opposition: Kritik und Kontrolle, in: Liberal, 1967, Heft 11, Seiten 806 bis 809.
  • Formeln deutscher Politik, 1968.
  • Warum Mitbestimmung - und wie?, 1970.
  • Vom Recht des Anderen - Gedanken zur Freiheit, 1977.
  • Die Zukunft der Freiheit - Vom Denken und Handeln in unserer Demokratie, Econ Verlag, 1979.
  • Wen schmerzt noch Deutschlands Teilung?, 1986.
  • (mit Otto Graf Lambsdorff), Freiheit in Verantwortung, Deutscher Liberalismus seit 1945, Bleicher 1988, ISBN 3-883-50047-X
  • (mit Jürgen Engert), Erinnerungen und Einsichten. Hohenheim-Verlag, Stuttgart 2004. ISBN 3-89850-115-9
  • 'Hoch auf dem gelben Wagen' - Schallplatte, 1974

Literatur

Siehe auch


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