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Gewitterzelle

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Cumulonimbus

Eine Cumulonimbuswolke wird als (einzelne) Gewitterzelle bezeichnet, wenn sie die folgenden drei Lebenszyklen durchläuft:

  • Wachstumsphase: Die Cb-Wolke bildet sich aus einer Cumuluswolke (Cu con)
  • Reifephase: Die Wolke regnet aus, es können auch Hagel oder schwache Tornados auftreten
  • Zerstreuungs-, Zerfalls- oder Auflösephase: Die Cb-Wolke löst sich auf, zurück bleiben Cirren und Cirrostratus, die Wolken lösen sich jedoch meist auch rasch auf.

Vielzellige Gewitter und Stürme (Multizellen)

Meist gruppieren sich einzelne Gewitterzellen in verschiedenen Entwicklungsstadien zu sogenannten Clustern, die als Ganzes gesehen eine deutlich längere Lebensdauer haben als eine einzelne Zelle. Sie können auch zu starkem mehrstündigem Regen und Hagel und zu starken Böen führen. In den Clustern kann sich jede einzelne Zelle in einem anderen Entwicklungszustand befinden. Während die einen noch am wachsen sind, können andere schon ausregnen.

Bei stärkeren Gewittern findet man häufig sogenannte Böenlinien oder vielzellige Linien (auch Gewitterlinien oder im Englischen squall lines genannt), also Gewitterzellen in einer sehr langen Reihe (bis mehrere 100 km). Dies ist jedoch nicht notwendig für das Entstehen. Bei geeigneter Konvektion kann sich eine solche Linie selber aufbauen, solange die Luft vor der Gewitterfront instabil geschichtet und genug feucht ist. Dabei bleibt die Gewitterfront meist am selben Ort. Da die durch den Regen abgekühlte Luft nach unten sinkt, wird die wärmere und feuchtere Luft nach oben gedrückt und versorgt so die Gewitterzellen mit neuer Energie bzw. bildet neue Zellen. So können sie sehr lang leben, da sie wie von einer Front "ernährt" werden. Bei solchen Gewittern treten auch sehr starke böige Winde, Hagelschläge und Regenfälle auf.

Superzellen

Schematische Darstellung einer Superzelle mit Tornado

Bei Superzellen handelt es sich eigentlich um Einzelzellen, die aber durch ihren hohen Grad an organisierter Struktur ausgezeichnet sind. Sie können auch in einen Zell-Cluster oder eine Böenlinie eingebettet sein. Wesentliches Merkmal ist eine Rotation des Aufwindbereiches, die so genannte Mesozyklone. Dabei überwiegt die zyklonale Rotation, auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel umgekehrt. Ursächlich ist eine vertikale Windscherung, also eine Änderung der Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe. Meist nimmt dabei der Wind unter Rechtsdrehung mit der Höhe zu. Die Corioliskraft hat keinen direkten Einfluß hierauf, da Mesozyklonen zu kleinräumig sind. Indirekt spielt sie aber insofern eine Rolle, als das großräumige Windfeld, in welches die Mesozyklone eingebettet ist, durch die Corioliskraft - neben Druckgradient, Zentrifugalkraft und Bodenreibung - mit bestimmt wird. Die erwähnte Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe ist ein solcher Effekt.

Von einer Superzelle spricht man definitionsgemäß, wenn eine hochreichende persistente Rotation vorliegt. Hochreichend heisst, dass mindestens ein Drittel der Aufwinde rotiert, und persistent, dass die Rotation mindestens so lange andauert wie die Konvektion. Das sind gewöhnlicherweise etwa 10 bis 20 Minuten, die meisten Lehrbücher gehen sogar von 30 Minuten aus.

Weitere Kennzeichen einer Superzelle sind neben dem Vorhandensein einer Mesozyklone eine räumliche Trennung der Auf- und Abwindbereiche. Dabei ist der Aufwind durch die vertikale Geschwindigkeitszunahme geneigt, meist in Richtung des Windes im mittelhohen Niveau (ca. 5 km). Der im Abwindbereich ausfallende Niederschlag stört somit nicht durch seine Verdunstungskühlung die Zufuhr feuchtwarmer Luft in den Aufwindbereich.


Es werden anhand der Niederschlagsintensität drei Typen von Superzellen unterschieden:

  • LP-Superzelle (low precipitation supercell) - hier ist das Niederschlagsfeld meist klein und auf den Zellkern beschränkt. Dort kann aber sehr großer Hagel auftreten. Dieser Typ tritt häufig in den westlichen Great Plains der USA an der Grenze feucht-warmer Luft aus dem Golf von Mexiko zu trocken-heißer Wüstenluft aus dem Südwesten der USA auf. In Mitteleuropa ist er recht selten.
  • Klassische Superzelle (classic supercell) - die häufigste und typische Form von Superzellen. Niederschlagsfeld ist ausgedehnter als im vorigen Fall und der Zellkern mit den höchsten Niederschlägen (Starkregen und Hagel) in der Regel leicht nierenförmig um die Mesozyklone gebogen.
  • HP-Superzelle (high precipitation supercell) - die niederschlagsintenisvste Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist sehr ausgedehnt und es kommt über einem recht großen Gebiet zu Starkregen oder Hagel. Dabei umschließt der Zellkern bogen- bis hakenförmig die Mesozyklone (Hakenecho).

Daneben gibt es noch die Sonderform flacher Superzellen (low-topped supercell, mini supercell) geringerer Höhenerstreckung, aber mit persistenter Mesoyklone. Diese treten in der Regel in Kaltluftmassen auf. Wichtig ist auch, daß eine Superzelle keine elektrische Aktivität zeigen muß, auch wenn die meisten Superzellen nicht nur als Schauer sondern auch als Gewitter auftreten.


Die Unterschiede einer Superzelle gegenüber einer normalen Zelle:

  • Eine Superzelle ist bedeutend langlebiger, sie lebt bis mehrere Stunden). Ihre räumliche Ausdehung kann beträchtlich sein, ist aber nicht notwendig größer als die einer Einzel- oder Multizelle.
  • Die Zugrichtung von Superzellen zeigt meist ein Ausscheren nach rechts (auf der Südhalbkugel nach links) gegenüber dem steuernden Wind im mittleren Niveau der Troposphäre, welcher die Zugrichtung normaler Gewitterzellen bestimmt.
  • Es treten deutlich intensivere Wettererscheinungen und Ausprägungen der Wolke und auch spezielle Wolkenformen auf. Hierzu zählt vor allem die so genannte Wallcloud welche als Absenkung der regenfreien Wolkenbasis unter dem rotierenden Aufwind in Erscheinung tritt.
  • Die intensiven Wettererscheinungen machen Superzellen zur gefährlichsten Art von Gewitterzellen. Sie sind oft begleitet von Wolkenbrüchen, großem Hagel über 4 cm Durchmesser und schweren Fallböen (Downbursts). Bei ca. 10-20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung mesozkylonaler Tornados.

Nahezu alle sehr starken oder verheerenden Tornados (F3 und darüber auf der Fujita-Skala) gehen aus Superzellen bzw. Mesozyklonen hervor. Schwächere Tornados (F0 bis F2) können sowohl mesozyklonalen als auch nicht-mesozyklonalen Ursprungs sein [1]. Je nach Region überwiegt hier aber der letztgenannte Typ.

Superzellen sind in eindeutiger Weise nur anhand der Rotation (TVS, Tornado Vortex Signature) erkennbar, die auch beim Doppler-Velocity-Scan im Wetterradar sichtbar wird.