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Webspinnen

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Webspinnen
Vierfleckkreuzspinne (Araneus quadratus)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Superphylum: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Vorlage:Phylum: Gliederfüßer (Arthropoda)
Vorlage:Subphylum: Kieferklauenträger
(Chelicerata)
Vorlage:Classis: Spinnentiere (Arachnida)
Vorlage:Ordo: Webspinnen
Wissenschaftlicher Name
Araneae
Vorlage:Subordoen

Die Webspinnen (Araneae), häufig auch als echte Spinnen bezeichnet, sind die bekannteste Ordnung der Spinnentiere (Arachnida), einer Klasse der Gliederfüßer (Arthropoda). Mit 38.998 bekannten Arten (Platnick, 2005) in 110 Familien sind sie nach den Milben (Acari) die artenreichste Ordnung der Spinnentiere.

Bau der Webspinnen

Äußere Anatomie

Kreuzspinne Araneus spec.

Webspinnen haben acht Beine, im Gegensatz z. B. zu den Insekten (Insecta), die nur sechs Beine haben. Kopf und Brust sind bei ihnen zu einem Stück, dem so genannten Prosoma (Cephalothorax), verschmolzen. Darauf folgt der ungegliederte, gestielte und stark hervortretende Hinterleib (Opisthosoma).

Die vorderen Gliedmaßen des Kopfes, die großen Kieferklauen (Cheliceren), dienen als Kiefer zum Ergreifen der Beutetiere. Sie enden mit einer, wie die Klinge eines Taschenmessers, einschlagbaren Klaue, an deren Spitze der Ausführungsgang einer Giftdrüse mündet. Das Gift fließt in die durch die Klaue geschlagene Wunde und tötet oder betäubt kleinere Beutetiere fast augenblicklich. Auch die beiden anderen Kopfgliedmaßen, die Kiefertaster (Pedipalpen), haben im Allgemeinen einen ähnlichen Bau und eine ähnliche Verwendung. Als Unterkiefer tragen sie einen mehrgliedrigen Taster, beim Weibchen von der Form eines verkürzten Beins, beim Männchen mit aufgetriebenem, als Begattungsorgan dienendem Endglied. Es folgen dann am Prosoma vier Paar Laufbeine. Die Beine bestehen aus je sechs oder sieben Gliedern und sind zugleich mit den Trichobotrien (Becherhaaren), wie bei der Hauswinkelspinne, ein wichtiges Sinnesorgan. Die bei den einzelnen Gattungen unterschiedlich langen und verschieden ausgerüsteten Beinpaare enden bei den Netzbauenden Trionycha mit zwei kammartig gezahnten Klauen (Tarsalklauen) und einer Mittelklaue am Tarsus, durch die der Faden meist mit den hinteren Beinen geführt wird. "Moderne Laufspinnen" (Dionycha) fehlt diese Mittelklaue. An ihrer Stelle treten Scopulahaare in Büscheln, die durch Adhäsionskräfte z.B. Springspinnen selbst auf senkrechten Glasscheiben den Beinen sicheren Halt für einen katapultartigen Absprung gibt.

Der Hinterleib ist durch einen dünnen Stiel (Petiolus, gebildet aus dem ersten Hinterleibssegment) mit dem Prosoma verbunden. Er trägt keine Beine. An seiner Bauchseite liegt die Geschlechtsöffnung, und seitlich von ihr befinden sich die beiden Stigmen (Spaltöffnungen) der so genannten Lungensäckchen, öfters auch noch ein zweites Stigmenpaar. Den After umgeben am Ende des Hinterleibs vier oder sechs Spinnwarzen, aus denen die Absonderung der Spinndrüsen hervortritt. Letztere sind birnenförmige, zylindrische oder gelappte Schläuche. Ihr proteinhaltiges Sekret gelangt durch Hunderte feiner Röhrchen nach außen, erhärtet an der Luft schnell zu einem Spinnfaden und wird unter Mithilfe der Fußklauen und manchmal der Spinnspulen zu dem bekannten Gespinst verwebt.

Innere Anatomie

Eichblatt-Radnetzspinne

Das Nervensystem besteht aus dem Gehirn und einer Brustganglienmasse.

Hinter dem Stirnrand stehen acht Punktaugen in einer nach den Gattungen und Arten verschiedenen Anordnung. Die HauptAugen (das Paar der vorderen Mittelaugen, VMA) mit starrem Glaskörper befinden sich auf der Oberseite des Prosoma. Die Netzhaut der vordere Mittelaugen ist durch ein bis sechs Muskeln seitlich verschiebbar, so dass das Gesichtsfeld erweitert wird. Eine Akkomodation findet nicht statt. Die VMA sind relativ gleichförmig gebaut. Sie verfügen über nur wenige (z. B Trichterspinnen) bis viele Sehzellen (Springspinnen und Krabbenspinnen). Den sechsäugigen Spinnen (Dysderidae, Sicariidae, Oonopidae) fehlen die VMA.

Die drei Paar kleineren Nebenaugen (vordere Seitenaugen (VSA), hintere Seitenaugen (HSA) und hintere Mittelaugen (HMA)) sind wie bei den Säugetieren inverse Augen, die über ein Tapetum verfügen und daher das Licht reflektieren. Der Aufbau der Augen variiert bei den Familien. Springspinnen und Luchsspinnen haben kein Tapetum. Die Anatomie der Nebenaugen wurde daher auch von Homann zur systematischen Unterscheidung herangezogen.

Spinnen haben durch die Augenanordnung ein weites Gesichtsfeld. Trotzdem sind nur wenige Familien zum Formensehen befähigt (z.B. Springspinnen). Wahrscheinlich können sie farbig sehen und Ultraviolett-Rezeptoren sind, wie bei anderen Gliederfüßern auch, vorhanden.

Zu den Sinnesorganen gehört das lyriforme Organ.

Der Darmkanal läuft relativ geradlinig vom Mund zum After. Er ist in die Speiseröhre, den Magen mit fünf Paar Blindschläuche und den Darm untergliedert. In den Darm münden die Lebergänge und zwei verästelte Harnkanäle. Der Lebersaft wirkt ähnlich dem der Bauchspeicheldrüse der höheren Wirbeltiere.

Die Atmungsorgane sind meist eigentümliche so genannte Fächertracheen oder Tracheenlungen, auch Lungensäckchen genannt. Aber es finden sich außerdem auch noch gewöhnliche Tracheen, in welche die Luft durch Luftlöcher (Stigmen) eintritt.

Das Herz liegt gewöhnlich als mehrkammeriges Rückengefäß im Hinterleib. Es besitzt seitliche Spaltöffnungen zum Eintritt des Bluts und häufig Arterienstämme am vorderen und hinteren Ende. Das Blut fließt aus einem pulsierenden, im Hinterleib gelegenen Rückengefäß durch Arterien zu den Gliedmaßen und zum Kopf, umspült zurückkehrend die Lungensäckchen und tritt durch drei Paar seitliche Spaltöffnungen in das Rückengefäß zurück

Fortpflanzung und Entwicklung

Die Männchen, oft durch äußere Merkmale erkennbar und kleiner als die Weibchen, haben einen Hinterleib von geringerem Umfang als die Weibchen und besitzen paarige Hodenschläuche, aber in der Regel keine Penisstruktur, so dass mitunter so entfernt gelegene Gliedmaßen wie die Kiefertaster als sekundäre Begattungsorgane die Übertragung der Spermien auf das Weibchen übernehmen. Das verdickte Endglied der Kiefertaster ist dazu löffelförmig ausgehöhlt und enthält einen spiralig gebogenen Faden nebst hervorstreckbaren Anhängen. Bei der Begattung füllt das Männchen dieses Glied mit Spermien und führt es in die weibliche Geschlechtsöffnung ein, wo sich ein besonderes Behältnis zur Aufbewahrung der Spermien (die Samentasche) befindet. Die Weibchen besitzen unpaare oder paarige Eierstöcke, deren Eileiter meist gemeinschaftlich am Anfang des Hinterleibs ausmünden. Zuweilen leben beide Geschlechter friedlich nebeneinander in benachbarten Gespinsten oder selbst eine Zeit lang in demselben Gespinst; in anderen Fällen stellt das stärkere Weibchen dem schwächeren Männchen wie jedem anderen Beutetier nach und selbst bei der Begattung ist das Männchen gefährdet, dem Weibchen als Beutetier zu dienen.

Bei Webspinnen ist das Verhalten des männlichen Tieres wichtig für eine erfolgreiche Befruchtung des weiblichen: Wenn das Männchen nicht das artspezifische Ritual einhält, kann es vom Weibchen nicht als Geschlechtspartner erkannt werden und wird nicht selten Opfer desselben (Kannibalismus).

geschlüpfte Jungspinnen

Alle Webspinnen legen Eier. Die Entwicklung im Ei ist insofern interessant, als der Embryo eine Zeit lang einen deutlich aus zehn bis zwölf Segmenten bestehenden Hinterleib besitzt, an dem sich auch die Anlagen von Gliedmaßen zeigen, die aber im weiteren Verlauf samt der Gliederung wieder verschwinden. Die Weibchen tragen die Jungen häufig in besonderen Gespinsten bis zu ihrem Ausschlüpfen in einem Eikokon mit sich herum. Die ausschlüpfenden Jungen erfahren keine Metamorphose; haben also meist schon die Form der ausgewachsenen Tiere, bleiben aber bis nach der ersten Häutung im Gespinst der Eihüllen.

Junge Webspinnen verschiedener Arten erzeugen im Herbst lange Fäden (siehe Altweibersommer), mittels welcher sie sich hoch in die Luft erheben, um sich an andere Orte tragen zu lassen.

Die Lebensdauer der Webspinnen ist nicht wie bei den Insekten beschränkt; auch gechlechtsreife Tiere häuten sich in bestimmten Zeiträumen je nach Nahrungsangebot. Die Weibchen einiger Arten sind mehrjährig fortpflanzungsfähig. Manche können monatelang ohne Nahrung existieren. Ihre Regenerationsfähigkeit ist enorm. Verlorene Gliedmaßen können bei früheren Häutungen (nicht mehr bei der Reifehäutung) ersetzt werden.


Lebensweise der Webspinnen

Eine Kreuzspinne spinnt ihre Beute ein

Webspinnen leben räuberisch und ernähren sich meist von erbeuteten anderen Gliedertieren, besonders Insekten, die sie aussaugen. Hierzu werden die Beutetiere zunächst mit einem enzymhaltigen Verdauungssaft aufgelöst, welchen die Spinne in ihr getötetes Opfer einbringt (siehe extraintestinale Verdauung). Viele Spinnenarten bauen Netze, um ihre Beute einzufangen. Die Gespinste weichen bei den verschiedenen Gattungen im Aussehen stark voneinander ab. Oft halten sich die Spinnen in der Nähe der Netze in röhren- oder trichterartigen Verstecken auf. Es gibt aber auch viele Spinnen, die vagabundieren und ihre Beute im Lauf oder Sprung überfallen.

Fast sämtliche Webspinnen sind Landtiere, die sich am Tage oft verborgen halten und nur in der Dämmerung oder nachts aktiv sind. Sie sind über den ganzen Erdkreis verbreitet, doch finden sich in den heißeren Zonen die meisten und größten Arten. Die einzige Spinnenart, welche im Wasser lebt, ist die Wasserspinne (Argyroneta aquatica). Allerdings gibt es eine Reihe von Arten, die auf der Wasseroberfläche jagen.

Feinde

Wegwespe mit erbeuteter Spinne

Als Fressfeinde von Spinnen spielen vor allem andere Spinnen eine Rolle, so z. B. die Mimetidae, die sich ausschließlich von Spinnen ernähren. Manche Insekten wie zum Beispiel einige tropische Libellen, verschiedene Ameisen und die Spinnenwespen (Pompilidae) fressen Spinnen. Verschiedene Wegwespen und Schlupfwespen legen ihre Eier in lebende, häufig vorher betäubte Spinnenkörper, die sich entwickelnden Larven leben dann als Parasitoide in diesen Wirten. Auch die Kugelfliegen entwickeln sich auf diese Weise in Spinnen. Hinzu kommen verschiedene Parasiten wie etwa Fadenwürmer und Milben.

Wirbeltiere fressen gelegentlich Spinnentiere, jedoch spielen sie keine wesentlich Rolle als Fressfeinde. Fische, Amphibien, Reptilien (Geckos, Leguane, Salamander etc.), Fledermäuse und Vögel erbeuten zahlenmäßig nur wenig Spinnen.

Systematik und Evolution der Webspinnen

Die weltweit ca. 39.000 Arten der Webspinnen werden aktuell in 110 Familien aufgeteilt. In Mitteleuropa sind 43 Familien der echten Webspinnen und eine Familie der Vogelspinnenartigen, nämlich 2 Arten der Tapezierspinnen (Atypidae), heimisch.

Anzahl Familien Anzahl Arten
Belgien 38 701
Niederlande 40 621
Deutschland 38 1.004
Schweiz 41 945
Österreich 40 984
Tschechien 38 841
Schweden 38 906
Polen 37 792
Mitteleuropa gesamt 43 1.313
weltweit 110 38.998

Die Einteilung erfolgt u.a. aufgrund der Form und Größe der Spinndrüsen, der Anordnung der Augen, dem Bau der Cheliceren und der Pedipalpen sowie dem Vorhandensein eines Cribellum; in neuere Zeit aber immer häufiger aufgrund genetischer Analysen. Auf diese Weise ergeben sich drei als Unterordnungen eingestufte Gruppen:

Webspinnen (Araneae)
| 
|  |--Gliederspinnen (Mesothelae)
|--|                
   |--Opisthothelae--|
                     |--Vogelspinnenartige (Mygalomorphae) ca. 2500 Arten
                     |
                     |--Echte Webspinnen (Araneomorphae) ca. 36.000 Arten

Die Gliederspinnen weisen als älteste Webspinnen noch eine deutliche Segmentierung auf, die auf die Körpergliederung ihrer (marinen) Vorfahren, den Seeskorpionen (Eurypteriden), zurückgeht. Im Laufe der Entwicklung verschmolzen die sechs Extremitäten tragenden Segmente bereits im Devon zum Prosoma (Vorderkörper); das siebte wurde zum Petiolus, um die Beweglichkeit zu steigern. Die Spinnentiere waren unter den ersten Gliederfüßern an Land.

Das sackförmige Opisthosoma (Hinterleib) der Webspinnen bildete sich aus den übrigen Segmenten, wie an Hand ihrer Embryonalentwicklung zu sehen ist. Das 2. Segment trägt die Epigastralfurche (Geschlechtsöffnung). Zwischen dem 2. und 3. Sternit befindet sich die Atemöffnungen zur Buchlunge. Die hypothetische Urform besaß 4 Paar aktive Spinnwarzen, die sich aus den Segmenten 10 und 11 (je Segment zwei Paar) auf der Ventralseite (Bauchseite) aus Extremitäten bildeten. Die Gliederspinne Liphistius besitzt noch vier Paare, das innere Paar am 10 Segment ist aber bereits funktionslos. Die drei Paar Spinnwarzen liegen daher bei der Gliederspinne noch weit vorne. Die folgenden Sternite sind noch nicht klar abgegrenzt, das 17 Körpersegment wurde zur Afteröffnung (Kloake).

Die Rindenspringspinne Marpissa muscosa ist ein Vertreter moderner Spinnen

Die äußerliche Segmentierung spiegelt sich bei den Gliederspinnen noch in der inneren Organisation wider. Die Abdominalmuskulatur verbindet die Segmente jeweils zwischen den Sterniten und Tergiten und die dorso-ventrale Muskulatur verläuft von Tergit zu Sternit. Das Herz ist ebenfalls segmental gegliedert. Die Segmentierung geht bei der weiteren Entwicklung bis zum Karbon fast vollständig verloren und lässt sich bei den Vogelspinnenartigen und bei den Echten Webspinnen nur noch ansatzweise erkennen, zum Beispiel an Sterniten, Reliefierung und Musterung der Hinterleibe. Die Cuticula gleicht weitgehend der der Insekten. Fossile Arten finden sich zum Beispiel in Bernstein eingeschlossen vor. Ein bekannter ausgestorbener Vertreter der Spinnen ist die Megarachne.

Durch eine starke Streckung des 3. Sternits und eine Verkürzung der Tergite 13 bis 17 wanderten die Spinnwarzen nach hinten, wo sie bis heute bei den Mygalomorphen und Araneomorphen direkt unter der Kloake liegen. Zwischen dem 3. und 4. Sternit liegt direkt vor den Spinnwarzen, zusätzlich zur der nach außen gewanderten Atemöffnung der Buchlunge zwischen dem 2. und 3. Hinterleibsternit, eine weitere Atemöffnung zum Röhren-Tracheensystem. Die Geschlechtsöffnung wandert ebenso an eine günstigere Stelle auf der Bauchseite nach hinten. Beide Unterordnungen verfügen über ein Endoskelett, an dem die Saugmagenmuskulatur ansetzt.

Im Laufe dieser Entwicklung entwickelten sich aus der hypothetischen Urform die Mygalomorphae mit meist drei Paar Spinnwarzen. Bei Angehörigen der Tapezierspinnen (Atypidae) sind drei Paar Spinnwarzen nur im Juvenilstadium aktiv, bei adulten Tieren bleibt das dritte Paar passiv; bei anderen Vogelspinnenartigen sind nur noch die zwei Paare des 11. Segmentes vorhanden. Das vierte Paar bildet sich bei den Echten Webspinnen teilweise zu weiteren Organen um. Bei den Cribellaten Spinnen bildete sich diese Paar zum Cribellum, auf denen die Spinnspulen im Ruhezustand eingeklappt sitzen. Das homologe Organ bei einigen Ecribellaten ist der Colulus (ein Hügel mit unklarer Funktion, vermutlich funktionslos); bei anderen Ecribellaten ist dieses vierte Paar schlicht fehlend.

Ferner unterscheiden sich die Vogelspinnenartigen durch die Stellung der Kieferklauen; wegen dieser auffälligen Unterscheidung war dies früher Namensgebend für die Unterordnungen. Bei den Echten Webspinnen arbeiten sie gegeneinander und sind auch als multifunktionales Werkzeug einsetzbar. Im Gegensatz dazu klappen die kräftigeren Cheliceren der Vogelspinnenartigen wie ein taschenmesser auf das Kiefergrundglied.

Spinnen und Menschen

Das Gift nur weniger Webspinnen ist auch für Menschen gefährlich. Einige Vertreter der Gattung Latrodectus wie beispielsweise die in Nord- und Südamerika beheimatete Schwarze Witwe (L. mactans) oder die australische Red Back Spider (L. hasselti) besitzen starke Gifte, so dass deren Biss für kranke Menschen, zum Beispiel für Allergiker, lebensgefährlich werden kann. Vom eigentlichen Biss einer Schwarzen Witwe ist zunächst nichts zu spüren. Daher bleibt der Biss oft unbemerkt, und später werden völlig harmlose Tiere zu Unrecht beschuldigt.

Unterschieden werden muss zwischen neural wirkenden (Neurotoxinen) und nekrotisch, also zellzersetzend wirkenden Giften. Das Gift der recht giftigen, in Amerika und Afrika beheimateten Loxosceles-Arten wirkt zusätzlich hämolytisch. Dabei sind die meisten Gifte der Spinnen nicht zum Töten gedacht, sondern zum Betäuben, um die Beute lebend zu konservieren. Erst der Vorgang der extraintestinalen Verdauung tötet meist die Beute.

Als wahrscheinlich giftigste Spinne gilt die in Australien in der Region um Sydney beheimatete Funnel Web Spider (Atrax robustus). Allerdings werden seit 1927 nur 13 Todesopfer gezählt und viele Bisse dieser Spinne verlaufen glimpflich. Da diese Art ein ausgesprochener Kulturfolger ist, kommt es aber häufig zu unangenehmen Begegnungen mit ihr.

Früher kam es bei der Einfuhr von Südfrüchten auch gelegentlich zu Bissunfällen durch Bananenspinnen (Phoneutria spec.). Da die Früchte heute vor dem Export meist mit Insektiziden begast werden, ist das selten geworden. Phoneutria fera und Phoneutria nigriventer aus der Familie der südamerikanischen Kammspinnen besitzen das Neurotoxin mit der höchsten Letalität. Der lebensgefährliche Biss dieser auch ungewöhnlich aggressiven Spinnen muss stets mit einem Antiserum behandelt werden.

Europäische Webspinnen wie die in vielen Häusern und Kellern beheimatete, oft mit dem Weberknecht verwechselte Zitterspinne, die italienische Tarantel (Lycosa tarantula) und die Große Winkelspinne ("Hausspinne") Tegenaria atrica dagegen sind stets harmlos. Nur wenige in Deutschland beheimatete Spinnen sind aufgrund ihrer Größe überhaupt in der Lage, die menschliche Haut zu durchdringen. Große Exemplare der Kreuzspinne (Araneus diadematus) bringen es immerhin bis zu einem leichten, folgenlosen Zwicken, das nur in größter Not angewendet wird und sehr selten ist. Ähnlich wirkt das Gift der Wasserspinne (Argyroneta aquatica), die allerdings aufgrund ihrer Lebensweise mit dem Menschen kaum in Berührung kommen wird. Die gefürchtete und eingeschleppte Feldwinkelspinne (Tegenaria agrestis) bringt es immerhin auf leichte lokale Symptome wie Taubheitsgefühl, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden und nur Allergikern Unannehmlichkeiten bereiten. Die aus den USA berichteten ernsten Unfälle durch diese dort verbreitete Art sind wahrscheinlich Verwechslungen.

Die einzige heimische Spinne, deren Biss eine gewisse medizinische Relevanz hat, ist der in warmen Gegenden Süddeutschlands wie etwa dem Kaiserstuhl vorkommende seltene Dornfinger (Cheiracanthium punctorium). Der Biss ist recht schmerzhaft. Es wurde schon von Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen berichtet, seltener auch von Fieber und Schüttelfrost. Die Symptome klingen nach etwa drei Tagen ab. Die Bissstelle kann aber noch längere Zeit geschwollen oder gerötet sein.

Ein europäischer Vertreter der Schwarzen Witwen ist die in den Mittelmeerländern vorkommende Malmignatte (Latrodectus mactans tredecimguttatus), deren Giftbiss dem Kreuzotternbiss vergleichbar ist. Die Malmignatte baute ihr Netz früher auch unter Toilettendeckeln einfacher Latrinen aufgrund des hohen Insektenaufkommens, das sich dort einstellte; bei der Latrinenbenutzung ist es gelegentlich zu Giftbissen gekommen.

Größtenteils ungefährlich sind die gemeinhin gefürchteten Vogelspinnen. Nur wenige Arten (z.b. Poecilotheria spec., Haplopelma lividum) können für den Menschen gefährlich werden. Allergiker müssen allerdings auch vor harmlosen Vogelspinnen Angst haben, deren Biss oft mit einem Bienenstich verglichen wird. Viele neuweltliche Arten, manche afrikanische und asiatische Arten besitzen Brennhaare, die sie auf Feinde schleudern. Diese sog. Bombardierspinnen besitzen kleine Haare, die mit Widerhaken versehen sind und sich in Augen und Schleimhäuten festsetzen können. Sie führen zu starken Reizungen und allergischen Reaktionen.

Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit, von einer Spinne gebissen zu werden, verschwindend gering. Die Angst vor Spinnen nennt man Arachnophobie.

Siehe auch: Arachnologie, Spinne des Jahres, Portal Lebewesen

Literatur

  • Ax P (1999): "Das System der Metazoa II. Ein Lehrbuch der phylogenetischen Systematik"; Gustav Fischer Verlag.
  • Brusca RC, Brusca GJ (2003): Invertebrates, 2nd Ed.; Sinauer Ass., Kap. 19, S. 661, ISBN 0878930973
  • Foelix RF (1992): "Biologie der Spinnen"; Thieme Stuttgart, ISBN 3135758028
  • Heimer S, Nentwig W (1990): "Spinnen Mitteleuropas"; Verlag Paul Parey Berlin, Hamburg, ISBN 3489535340
  • Jones D (1996): "Der Kosmos-Spinnenführer"; Franch-Kosmos Verlags-GmbH & Co, Stuttgart, ISBN 3440061418
  • Kullmann E, Stern H (1981, 1996): "Leben am seidenen Faden"; Franch-Kosmos Verlags-GmbH & Co, Stuttgart, ISBN 3570005976
  • Roberts EJ (1995): Field Guide:Spiders of Britain and Northern Europe; Harper Collins, ISBN 0002199815
  • Ruppert EE, Fox RS, Barnes RP (2004): Invertebrate Zoology - A functional evolutionary approach, 7th Ed.; Brooks/Cole, Kap. 18, S. 571, ISBN 0030259827
  • Weygoldt P (1996): "Chelicerata - Spinnentiere"; in Westheide W, Rieger R: "Spezielle Zoologie - Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere" Gustav Fischer Stuttgart, Jena

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