Hugh Dowding, 1. Baron Dowding
Sir Hugh Caswell Tremenheere Dowding, 1. Baron Dowding GCB, GCVO, CMG (* 24. April 1882; † 15. Februar 1970) war britischer Offizier in der Royal Air Force (RAF). Er war Kommandant des RAF Fighter Command (Jagdwaffe) während der Luftschlacht um England.
Leben
bis 1918
Dowding wurde in der Ortschaft Moffat in Schottland im April 1882 geboren und besuchte die St.Ninian's Volksschule, die von seinem Vater Arthur Dowding und einem Studienkollegen, einem gewissen Mr. Churchill 1879 gegründet wurde. Später wurde er am Winchester College und an der Royal Military Academy in Woolwich ausgebildet. Er diente in Ceylon, Gibraltar, Honk Kong und anschließend sechs Jahre lang in Indien. Nach England zurückgekehrt, erwarb er die Fluglizenz 1913. Daraufhin trat er dem neu gegründten Royal Flying Corps bei und kämpfte im ersten Weltkrieg als Kommandeur des 16. Geschwaders.
Zwischenkriegszeit
Nach dem Krieg trat Dowding in die neu ins Leben gerufene Royal Air Force ein, in der er ab 1929 den Rang eines Air Vice Marshalls bekleidete. Darauf folgte 1933 die Beförderung zum Air Marshall und 1934 die Erhebung in den Ritterstand.
Dowding war ausgezeichneter Schiläufer, Slalomchampion und President des englischen Schiklubs von 1924 bis 1925.
Sir Hugh und seine Gattin Lady Muriel Dowding waren beide Vegetarier und Anti-Vivisektionisten. Ihr einziges Kind Derek Dowding trat ebenfalls in den Dienst der Royal Air Force.
In den 30er Jahren war er Mittglied der Abteilung für Forschung und Entwicklung innerhalb der RAF und strebte eine Modernisierung des Flugzeugbestandes auf die Muster Hawker Hurricane und Supermarine Spitfire und die Förderung der Entwicklung der Funkortung an. Obwohl er erwartet hätte, statt Cyril Newall in den Stab der Royal Air Force berufen zu werden, wurde er 1936 "nur" zum Oberkommandeur der neu aufgestellten Jägerverbände, des Fighter Command.
Auch sein Sohn Derek diente während der Luftschlacht um England als Pilot, und zwar bei der 74th Squadron. Das väterliche Verhältnis zu seinen "fighter boys", wie er die Piloten gelegentlich nannte, hatte also durchaus familiären Hintergrund.
Zweiter Weltkrieg
Als während des Westfeldzuges der Ruf nach mehr Unterstützung der französischen Truppen durch die RAF von Winston Churchill geäußert wurde, protestierte Dowding dagegen mit der Begründung, dass die Verteidigung Englands noch bevorstand und keine Reserven vergeudet werden dürften. Das erste massive Engagement des Fighter Command der RAF war die Deckung des Rückzuges britischer Truppen vom Strand von Dünkirchen, die Operation wurde als Erfolg gewertet. Doch die Sternstunde Dowdings sollte die Luftschlacht um England werden, obwohl er bereits 1939 für die altersbedingte Pensionierung vorgesehen war. Der als Nachfolger vorgesehene Christopher Courtney verunglückte jedoch bei eine Flugunfall zusammen mit anderen hohen Offizieren der RAF und verletzte sich schwer, so dass Dowding einer Verlängerung seiner Dienstzeit bis März 1940, und dann weiter bis Oktober 1940 zustimmte.
Die Hauptsorge galt der Pilotenausbildung, so wurden während der Schlacht ausländische Verbände mit mäßigen Englischkenntnissen von der RAF in den Kampf geführt. Der Erfolg war durchschlagend, am 31. Oktober 1940 galt die unmittelbare Bedrohung als abgewendet. Der Triumph Dowdings wurde von persönlichen Kontroversen zwischen Dowding, seines Nachfolgers Sholto-Douglas und zwei seiner rivalisierenden Kommandeure überschattet.
Im November 1940 trat Dowding auf Wunsch Churchills eine diplomatische Mission in die USA an, bei der er gegenüber Präsident Franklin D. Roosevelt von der Bedeutung einer modernen Jagdwaffe überzeugen und beim Aufbau einer solchen Unterstützung leisten sollte.
Anschließend wirkte er innerhalb der Royal Air Force an administrativen Aufgaben mit, bevor er im Juli 1942 den Ruhestand antrat. Im Jahr 1943 wurde er von König George VI. zum Baron ernannt.
Nachkriegszeit
Nach dem Krieg widmete sich Dowding unter anderem dem Spiritualismus und gemeinsam mit Lady Muriel Dowding, die 1959 die Tierschutzorganisation Beauty Without Cruelty (BWC) gründet, dem Tierschutz. In verschiedenen Publikationen Dowdings geht er auf die These der Reinkarnation ein.
In diesem Zusammenhang berichtete er davon, daß ihm während der Luftschlacht von England gefallene Piloten erschienen sind und er sich mit ihnen unterhalten habe.
Er schrieb neben Beiträgen für Journale auch eigene Bücher, und zwar:
- Many Mansions (1943)
- Lynchgate (1945)
- Twelve Legions of Angels (1946)
- God's Magic (1946)
- The Dark Star (1951)
Zur Zeit wird keiner dieser Titel mehr verlegt. Er starb am 15. Februar 1970 in seinem Haus in Tunbridge Wells in der Grafschaft Kent. Seine Asche wurde vor dem Battle of Britain Memorial Fenster der Westminster Abbey beigesetzt, eine Statue bei St. Clement Danes Kirche im Londoner Stadtteil The Strand erinnert heute an seinen Verdienst während der Luftschlacht um England.
in memoriam
Die St. Ninian's School wurde 1980 wegen baufälligkeit als Schule geschlossen, aber bis 1988 mit privaten Mitteln und mit Unterstützung aus RAF in der Höhe von 1,6 Millione Pfund Sterling renoviert und unter dem Namen Dowding House als Wohnheim für bedürftige ehemalige RAF-Bedienstete eröffnet. Es standen am 1. Oktober 1988 12 Doppel - und 14 Einzelwohnungen zur Verfügung.
Im Haus für Behinderte oder Kriegsversehrte RAF-Bedienstete in Sussexdown, Bezirk Storrington in der Grafschaft Sussex, befindet sich ein Lord Dowding Saal.
Eine Statue aus Sandstein und Bronze des Künstlers Scott Sutherland steht im Moffat Station Park (Bahnhofspark).
Vor der Kirche der Royal Air Force, St. Clement Danes im Londoner Stadtteil The Strand, befindet sich ein überlebensgroße Bronzestatue des Bildhauers Faith Winter, fertiggestellt 1990, mit dem Titel "Air Chief Marshall Lord Dowding, Baron of Bentley Prior and Commander-in-Chief of the Fighter Command of the RAF".
Der Hugh Dowding Memorial Hangar im Battle of Brittain Museum of Kent, Hawkinge, zeigt unter anderem die guterhaltenen Überreste von drei im Sommer 1940 abgeschossenen Messerschmitt Bf 109-E4. Hawkinge war ein Einsatzflugplatz der 11th Fighter Group unter dem Kommando Keith Parks.
Das ehemalige Hauptquartier des Fighter Command der Royal Air Force bei Stanmore, ein luxuriöses Herrschaftshaus mit dem Namen Bentley Priory, beherbergt noch heute den Lord Hugh Dowding Office Room mit Originaleinrichtung und authentischen Notizbüchern des damaligen Oberkommandeurs.
Das Dowding-System
Mit dem dowding system, einem Luftverteidigungskonzept basierend auf Radar, zentrale Informationsverarbeitung und Sprechfunkgesteuerter Jägerleitung, hatte Dowding gute Voraussetzungen für die Verteidigung Englands geschaffen. Obwohl das Prinzip der Luftverteidigung Londons bereits durch Major-General E.B. Ashmore im Jahr 1918 entwickelt wurden, wurde die volle Wirksamkeit erst durch die Einbindung von Radar und modernen Jagdflugzeugen erreicht.
Radar

Als Mitglied der Abteilung für Forschung und Entwicklung in der RAF war Dowding Zeuge eines Versuches zur Ortung von Flugzeugen, durchgeführt von dem schottischen Techniker Robert Watson-Watt, am 26. Februar 1935. Das Ergebnis dieser Tests überzeugte Dowding, der für seine Steiffheit und Humorlosigkeit bekannt war und daher hinter vorgehaltener Hand auch "Stuffy" Dowding genannt wurde, derart, daß er Steuergelder für die Weiterentwicklung dieser Technik bereitstellen ließ. Wattson-Watt betrieb ausserdem ein interdisziplinäres Projekt zur Einsatzforschung, dessen Ergebnisse äusserst profitabel für die rasche und effektive Inbetriebnahme des gesamten Luftverteidigungkonzeptes war. Damals noch als RDF (Radio Direction Finding) benannt und als streng geheim betrachtet, wurde diese Technik ab 1943 unter dem von den USA verwendetem Namen Radar bekannt. Zum Aufbau und zum Eínsatz dieser Technologie schien die englische Küste wie geschaffen. Bis 1939 waren 18 Stationen der chain home ( CH ) entlang der Küste errichtet, die aus jeweils aus mehreren Sende-und Empfangsanlagen bestanden. Dazwischen wurden Stationen der chain home low ( CHL ) errichtet, die zur Erfassung von tieffliegenden Objekten dienten.
Beobachter
Bereits 1916 wurde zur Verteidigung Londons gegen Luftangriffe das Metropolitan Observation Service (deutsch: Städtischer Beobachtungsdienst) durch Major-General E.B. Ashmore gebildet. Zunächst mit regulären Truppen der Britischen Armee besetzt, wurde dieser Dienst in Folge von besser ausgebildten Polizisten versehen. 1925 dehnte Ashmore die Posten über Essex und Hampshire aus und formte daraus das Observer Corps, welches unter Kontrolle der Armee stand. 1929 wurde es sinnvoller Weise dem Luftfahrtministerium überantwortet. Es bestand zum größten Teil aus Freiwilligen. Die Zusammenarbeit mit dem General Post Office, welches für die Telefonverbindung verantwortlich war, wurde weiter ausgebaut und die Anzahl der Posten verstärkt.
Da 1939 die Möglichkeiten der Radarerfassung noch begrenzt und fehleranfällig war, und speziell über dem Festland versagte, war die Einbindung dieser Beobachtungs-und Lauschposten ein fester Bestandteil der Luftverteidigung.
Am 9. April 1941 wurde die Bezeichnung "Royal Observer Corps" von König Georg VI. verliehen, als Anerkennung für die professionelle Arbeit der Einrichtung.
Darstellung
Die gesammelten Informationen gingen zunächst in den so genannten Filterraum im Hauptquartier des Fighter Command in der Bentley Priory bei Stanford. Dort wurden auf einem Kartentisch die Bewegungen der eigenen und feindlichen Flugzeuge mit verschiedenfarbigen Symbolen, die auch einen farbigen Richtungspfeil aufwiesen, dargestellt. Aufgrund der Einschätzung bekannter Schwächen des Systems, wie doppelte Meldung oder falsche Freund-Feind Erkennung, wurden die als fehlerhaft angesehenen Bewegungen entfernt.
Die gefilterten Informationen wurden an die Hauptquartiere der vier für die Luftverteidigung zuständigen Gruppen (10.-13. Fighter Group) und an die Einsatzräume der Sektor-Hauptquartiere, der Sector Stations, weitergegeben und dort auf ähnlichen Kartentischen plastisch dargestellt.
Die so erfassten Flugbewegungen wurden alle fünf Minuten aktualisiert.
Jägerleitung
Dowding forcierte in den 30er Jahren den Umstieg von Doppeldeckern aus dem Hauptmaterial Holz auf Ganzmetall-Eindecker mit Einziehfahrwerk, wie Hawker Hurricane, Supermarine Spitfire und Boulton-Paul Defiant. Letzteres war ein unkonventionelles Konzept, das vom Prinzip der starr nach vorne gerichteten Bewaffnung abwich und stattdessen einen drehbaren Geschützturm mit hoher Feuerkraft aufwies. Nach wenigen Einsätzen wurden die Defiants wegen hoher Verluste von den Kämpfen bei Tage abgezogen und mit einigem Erfolg als Nachtjäger eingesetzt. Die 1940 bereits veraltete Hawker Hurricane sollte das englische Flugzeug sein, mit dem bis Ende des zweiten Weltkrieges die meisten deutschen Flugzeuge abgeschossen wurden. Die Spitfires waren hingegen bei den Gegnern gefürchteter und technisch auf dem neuesten Stand.
Um die zur Verfügung stehenden Staffeln schnell und wirkungsvoll einsetzen zu können, wurden die Verbände in vier Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen teilten sich wiederum in Sektoren, wobei jeder Sektor ein Sektor-Hauptquartier und teilweise mehrere "Sateliten"-Flugplätze hatte.
Von dort aus wurden mittels Hochfrequenz-Sprechfunk die Hurricane- und Spitfirestaffeln an die feindlichen Verbände herangeführt. Lämpchen an Holzpanelen in den Hauptquartieren zeigten den Status der Einsatzbereitschaft der einzelnen Staffeln an. Ab September 1940 wurden die Jagdflugzeuge mit dem leistungsfähigeren VHF-Sprechfunkgeräten ausgerüstet.
Die "Big Wing" Kontroverse
Während der Luftschlacht um England kam es zwischen zwei rivalisierenden Kommandeuren zu einer Meinungsverschiedenheit, was die Verbandsstärke der zum Einsatz gebrachten Abfangjäger betraf. Ausgelöst durch einen Einsatzbericht des Staffelkommandanten Douglas Bader vertrat der Kommandeur der 12. Gruppe, Trafford Leigh-Mallory, die Meinung, dass der gemeinsame Einsatz von drei bis fünf Jägerstaffeln, auch als big wing bezeichnet, die Lösung gegen die masisven Angriffe der deutschen Luftwaffe sei. Dem gegenüber beharrte der Kommandeur der 11. Gruppe, Keith Park, auf der Taktik, einzelne Staffeln ohne zeitraubende Formationsbildung gegen die Angriffswellen zu werfen, was zwangsläufig zahlenmäßige Unterlegenheit in der Luft bedeutete.
Dowding überließ es weitgehend seinen Kommandeuren, die gestellte Aufgabe nach ihrer Einschätzung zu meistern, und geriet dadurch unter Kritik seitens des Luftfahrtministeriums und auch seitens eines Teiles der ungeduldig auf den Einsatz wartenden Piloten der 12. Gruppe.
Ausserdem verfügte Dowding über Informaionen aus Geheimdienstquellen, die aus entschlüsselten Funksprüchen gewonnen wurden, den ultra intercepts. Darin wurde deutlich, dass die Luftwaffe hoffte, die RAF zu einem Großeinsatz herausfordern zu können, bei dem auch die Reserven in den Kampf geworfen und dezimiert werden würden. Dowding hatte nicht vor, dem nachzukommen, und teilte somit Parks Strategie.
Die Art und Weise, wie diese Meinungsverschiedenheit in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde, hatte zum Resultat, daß das Luftfahrtministerium einen Vertrauenverlust Dowdings befürchtete und ihn im Oktober 1940 nach einem Vier-Augengespräch mit dem Minister für Luftfahrt, Lord Sinclair, von seinem Kommando abberief.
Bereits 1941 wurde durch umfassende Analysen ("Sandkastenspiele") der Standpunkt Dowdings als sachlich korrekt nachgewiesen. Die taktischen Möglichkeiten eines großen, langsam aufzubauenden und in der Luft schwer zu führenden Verbandes in einer defensiven Rolle wären zu optimistisch dargestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren Keith Park und Hugh Dowding bereits abgelöst.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges äußert sich Dowding mit zunehmender Bitterkeit über die Entwicklung seiner Karriere bei der Royal Air Force. Gegenüber seines Biografen Wright beschuldigt er Bader der Insubordination, Leigh-Mallory und Sholto-Douglas der Verschwörung.
Alan "Al" Deere, bekannter Staffelkommandant und hochdekorierter Pilot in der Luftschlacht um England, bemerkt dazu: "Dowding und Park haben die (Luft)Schlacht um England gewonnen, die darauffolgende Schlacht der Worte aber verloren."
Weitere Quellen
Filme
- Luftschlacht um England (Film), England 1969
- [Reach for the Sky], England 1956
Literatur
- Robert Wright: Dowding and the Battle of Britain, ISBN: 0356029220 - Vom Protagonisten genehmigte Biografie
- Laddie Lucas: Flying Colours, ISBN: 1840222484 - Biografie Douglas Baders von seinem Schwager, Hintergrundinformation und Deitails über "Big Wing"
- Len Deighton: Adlertag: Luftschlacht um England. o.O. o.J., ISBN 3893500219 - Umfassende Aufstellung der Luftschlacht
- Robert Buderi: The Invention That Changed the World: How a Small Group of Radar Pioneers Won the Second World War and Launched a Technological Revolution, ISBN: 0684835290 - Details um die Entwicklung des Radars
- John Colville: Downing Street Tagebücher 1939-1945. o.O. o.J.,ISBN 3886802418 - Ein Privatsekretär schrieb ungeniert Tagebuch über das Umfeld Winston Churchills
- Robert Jackson: Spitfire: The Combat History, ISBN: 076030193X - Ausleuchtung die Umstände der Entwicklung und des Einsatzes des legendären Jagdflugzeuges
- Peter Checkland: Information, Systems and Information Systems, ISBN: 0471958204 - Eine Analyse des Dowding Systems als frühes, aber complexes Informationssystem
Siehe auch
Weblinks
- Dowding (engl.) - Kurzportait, private Seite
- Die Schlacht um England (engl.) - Offizielle Webseite der Battle of Britain Historical Society
- Kommandeure der Royal Air Force 1940 (engl.) - Offizielle Webseite der Royal Air Force
- Persönlichkeiten der RAF - Erzählung um die Luftschlacht um England und Ihrer Kommandeure, private Seite
- Moffat Webpage - Dowding aus der Sicht seiner Heimatstadt