Malerei in der Gotik
Die Gotik ist eine Stilepoche der europäischen Kunst des Mittelalters. Sie entstand um 1140 in der Île-de-France (Gegend von Paris) und währte nördlich der Alpen bis etwa 1500. Der zuvor vorherrschende Bau- und Kunststil ist als Romanik, der nachfolgende als Renaissance bekannt. Der gotische Stil ist nur in der Architektur genau abzugrenzen, während dies auf den Gebieten der Plastik und Malerei nicht in gleicher Klarheit möglich ist.Die Gotik war eine Epoche der Verbildlichung der christlichen Ideenwelt und bediente sich dabei in großem Umfang der Symbolik und Allegorie. Herausragende Kunstschöpfung ist die gotische Kathedrale, das Gesamtkunstwerk des Mittelalters, Architektur, Plastik und (Glas-)Malerei vereinend. In der Architektur unterscheidet man weiterhin Früh-, Hoch- und Spätgotik, die in den verschiedenen europäischen Landschaften unterschiedlich schnell übernommen wurden. Die Bezeichnung "Gotik" (v. ital. gotico fremdartig, barbarisch (ursprünglich ein Schimpfwort), abgeleitet von der Bezeichnung des Germanenstammes der Goten) wurde geprägt in der Renaissance vom italienischen Kunsttheoretiker Giorgio Vasari, seine Geringschätzung der mittelalterlichen Kunst gegenüber dem "goldenen Zeitalter" der Antike ausdrückend. Auch wenn die Bewertung Vasaris heute nicht geteilt wird - er hat der Epoche seinen Namen aufgedrückt.
Baukunst
Entstehung des Stils in Frankreich
Der Chorneubau der Klosterkirche von Saint-Denis, der vom königlichen Kanzler und Abt Suger erbaut wurde, gilt als Initialbau der Gotik. Hier wurde erstmals der burgundische Spitzbogen mit dem normannischen [[Gewölbe|Kreuzrippengewölbe] , Gewölbe ab 1120) kombiniert und die Gewölbelasten auf Strebepfeiler abgeleitet. Dadurch konnte auf die bisher vorherrschende massive Wand als statisches Element verzichtet werden. Die dadurch mögliche Reduzierung der Wandfläche zugunsten von Fenstern ermöglichte der Kirche nicht nur ein grazileres Aussehen als die romanischen "Gottesburgen", sie war auch viel lichtdurchfluteter. Wirtschaftliche Grundlage für die Gotik war das Erstarken des französischen Königtums im 12. Jh. auf Kosten des niederen Adels .Der Neubau von Saint-Denis, der königlichen Grablege, ist die architektonische Formulierung eines sehr umfassenden Herrschaftsanspruchs gegenüber den Baronen, aber auch gegenüber seinem ärgsten Widersacher, dem König von England: Die Fassade von Saint-Denis, gleichzeitig Triumphbogen und Burg, ist quasi die Wiedererschaffung des karolingischen Westwerks. Die Fassade entstand unmittelbar vor dem Chor und ist noch nicht ganz als "gotisch" einzuordnen, während sie sich schon von den Formen der Romanik gelöst hat. Vorbedingung für die Entwicklung der die gotische Architektur ermöglichenden Baukunst war die Entwicklung der Produktivkräfte (Technik, Arbeitsfertigkeit und -organisation) im Umfeld der aufblühenden, durch den König geförderten Bürgerstädte. Erfolgsrezept für die weitere Entwicklung des Stils war, dass jeder Großbau das vor ihm Erreichte zusammenfasste und zugleich Grundlage für die Nachfolgebauten wurde. Von dort aus breitete sich der Stil durch international arbeitende Baumeister in ganz Europa aus.
Grundlagen der gotischen Architektur
- die Gotik stand im schärfsten Gegensatz zur Baukunst der Antike (diese schuf Gesetze aus Stütze und Last )
- Grundriss: Die häufigste Form des Grundrisses ist, wie schon in der Romanik, das lateinische Kreuz.
- aufgebrochene, hohe Wände mit großen Fenstern: In der Romanik musste eine massive Wand die Lasten des Gewölbes tragen und hatte daher nur kleine Fenster. In der Gotik wurde die Wand von der tragenden Funktion befreit und konnte fast beliebig aufgelöst werden. Man verwendete eine Vielzahl von großflächigen Fenstern, die fast die gesamte Wandfläche einnehmen. Die erforderliche Stabilität wurde erzielt durch die Erfindung des selbständigen, am Außenbau angebrachten Tragwerks (Strebepfeiler), sowie des Spitzbogens.
- Spitzbogen: Die große Neuerung der Spitzbogentechnik bestand darin, dass bei einem gedachten Quadrat als Grundriss nicht 4 Rundbögen über die 4 Seiten des Quadrates gestellt wurden, sondern 2 Rundbögen mit gemeinsamem Mittelstein über die beiden Diagonalen. Dadurch war die Stabilität des Gewölbes gesichert, und die statisch nun weniger wichtigen Bögen über den 4 Seiten wurden spitz nach oben gebaut, um die gleiche Höhe wie die beiden längeren und höheren Rundbögen über den Diagonalen zu erhalten. Diese Gewölbetechnik nennt man Kreuzrippengewölbe, die es auch ermöglicht, ein Gewölbejoch über einen rechteckigen Grundriss zu erstellen. Damit wird die Gestaltung freier als in der Romanik.Kennzeichnend für den Stil blieb die Verwendung von Gewölberippen.
- die Betonung der Vertikalen: Typisch für den Kirchenbau der Gotik ist die Betonung der Vertikale. Die Gewölbe erreichten Scheitelhöhen bis 48m (Beauvais eingestürzt und unvollendet geblieben, Chor im Kölner Dom 45m. Im Vergleich der romanische Dom zu Speyer: 33 m).
- schlanke strukturierte Säulen, meist mit polygonalem Grundriß, die meist mit Diensten umstanden sind
- Die Ornamentik bestand aus geometrischen Formen, wie z.B. Kreisen und Bögen, die in Werkstein ausgeführt sind und in die Fenster eingesetzt werden. Dies nennt man Maßwerk. Die Vorlagen zu diesen vielen gotischen Ornamenten nahm man aus der Pflanzenwelt. Eine besondere Rolle spielte dabei das Eichenlaub. Aber auch Motive und Formen aus der Menschen- und Tierwelt waren beliebt. An den Spitzen von Giebeln und Türmen verwendete man oft eine Kreuzblume als Ornament (vergleiche auch Wimperg). In der Spätgotik schließlich werden auch verschlungenere und kompliziertere Formen in vielfältigen Fischblasen- und Flammenmustern (Flamboyant) ausgebildet.
Baumeister
In der Gotik übernahmen erstmals weltliche Planer und Handwerker das Baugeschehen und wurden die Träger der neuen Kunst, während sie zu Zeiten der Romanik noch fest in der Hand der Klöster war, die ihre Baukunst anonym betrieben. Damit traten die Berufe der Baumeister, Bildhauer und des freien Steinmetzes auf. Beide bewegten sich frei zwischen den verschiedenen Bauhütten, also den Baubetrieben. Es bildeten sich regelrecht Baumeister-Familien heraus, wie beispielsweise die Parler, die unter anderem in Schwäbisch Gmünd, am Ulmer Münster, am Prager Veitsdom und am Rathhaus in Krakau bauten. Steinmetze sind zwar namentlich nicht bekannt, aber ihre individuellen Steinmetz-Zeichen sind an verschiedenen Baustellen quer durch Mitteleuropa zu finden. Baumeister und Bildhauer verewigten sich häufig auch schon gerne in den Gesichtszügen von Figuren ihrer Werke, zum Beispiel bei Nebenfiguren in Szenen aus der Bibel. Eine weitere bekannte Baumeisterfamilie aus dem süddeutschen Raum sind die Eselers: Nikolaus Eseler d. Ältere und Nikolaus Eseler d. Jüngere, die das spätgotische Münster St. Georg als Hallenkirche in Dinkelsbühl schufen.
Deutschland
Die gotische Formensprache breitete sich in Deutschland erst mit einiger Verzögerung aus. Die ersten rein gotischen Kirchenbauten auf heutigem deutschen Staatsgebiet waren ab ca. 1230 die Liebfrauenkirche in Trier und die Elisabethkirche in Marburg. Das konkurrierende Halberstädter Domkapitel begann seinerseits mit dem Bau einer hochgotischen Kathedrale (Dom zu Halberstadt) nach Reimser Vorbild, von der allerdings nur drei Langhausjoche realisiert werden konnten, der übrige Bau zog sich bis gegen 1500 hin. Die große Domkirche ist einer der wenigen im Mittelalter vollendeten Großbauten Europas, sie gilt vielen Kunsthistorikern als die beste "deutsche" Umsetzung des französischen Kathedralschemas. Die hochgotischen Teile der Kathedrale in Köln (erst im 19. Jahrhundert nach den Originalplänen vollendet) versuchen gar, die westlichen Vorbilder zu übertreffen. Die Großbauten von Köln und Beauvais erreichten die Grenze des statisch und bautechnisch Möglichen, was beim französischen Beispiel sogar zum Einsturz großer Bauteile führte. Bayerns einzige "französische" Kathedrale ist der Regensburger Dom, das Vorbild St. Urbain in Troyes ist hier offensichtlich.Im nahen Freiburg im Breisgau entstand mit dem Münster ein weiteres Hauptwerk deutscher Gotik, der Hauptturm mit seinem durchbrochenen Helm gilt manchen gar als der "schönste Turm der Christenheit". Neben den großen Bischofskirchen entstanden rasch zahlreiche Pfarrkirchen in den Städten, die manchmal die Ausmaße der Dombauten erreichten oder sogar übertrafen (Ulm, Freiburg im Breisgau). Die deutsche Gotik löste sich immer mehr vom westlichen Vorbild, es entstand die sogenannte "Deutsche Sondergotik", auch "Reduktionsgotik" genannt. Kennzeichen dieser Sonderentwicklung ist neben der meist wesentlich "schlichteren" äußeren Erscheinung deutscher Sakralbauten (Verzicht auf aufwendige offene Strebesysteme) auch die Vereinfachung der Grundrisse und die Bevorzugung der Hallenbauweise.
Hallenkirchen
Eine besondere Form des gotischen Kirchenbaus stellen die Hallenkirchen dar. Besonders in Deutschland war dieser Bautypus beliebt, er kommt aber auch in anderen Ländern vor. Im Zuge der Sonderentwicklung der deutschen Gotik wurde die Halle gar das bevorzugte Bauschema, besonders Stadtpfarrkirchen wurden oft als Hallen oder Staffelhallen realisiert. Im Gegensatz zur Basilika besitzen hier alle Seitenschiffe die gleiche Höhe, sodass das Kirchenschiff einer riesigen Halle ähnelt.Eine Zwischenform ist die erwähnte Staffelhalle (Pseudobasilika), die besonders in der Spätgotik verbreitet war. Hier ist das Mittelschiff etwas höher als die Seitenschiffe, auf eine eigene Belichtung durch Fenster wurde aber verzichtet. Ähnlich wie bei der echten Halle werden die Gewölbe meist vom einem riesigen, einteiligen Dach überspannt.
Profanbauten
Anders als in der Romanik, sind aus der Gotik zahlreiche Profanbauten erhalten. Während der Sakralbau die gotische Architekturentwicklung anführte, konnte sich auch der Profanbau den neuen Entwicklungen nicht entziehen. Anders als beim Kirchenbau stand die Zweckmässigkeit vor der künstlerischen Gestaltung (zum Beispiel flächige Wandform). Merkmale sind beispielsweise die Profilierung der Fenster und Türen, Treppengiebel, so genannte Katzentreppen und gegebenenfalls Gewölbetechnik. Folgende Entwicklungen sind festzuhalten:
- Wandlung der Burg zum Schloß: Der Wehrzweck der Fürstenburg trat im Verlauf der Gotik zunehmend hinter den Wohnzweck zurück. Der Wandel in der Kriegführung (Feuerwaffen, Söldnerheere) reduzierte die Bedeutung der Befestigung, während der Repräsentationswille neu hinzutritt. Der gotische Burgenbau übernahm zahlreiche Elemente der sakralen Architektur, gelegentlich entstanden sogar kreuzgangähnliche Innenhöfe. Zahlreiche Säle und Kammern wurden nun eingewölbt, maßwerkgeschmückte Fensterreihen durchbrachen die Außenwände, reich geschmückte gotische Kapellen entstanden. Besonders in der Spätgotik entstanden hier profane Meisterwerke wie etwa die Albrechtsburg in Meißen, der Wladislawsaal der Prager Burg oder die reich verzierten Burgschlösser in Amboise und Josselin. Als größter Profanbau der Gotik gilt die Marienburg des Deutschen Ordens in Polen.
- Die Stadtbefestigung wird die wichtigste Bauaufgabe der Stadtbürger. In Deutschland erhalten viele Städte in früh- oder hochgotischer Zeit ihre Stadt- und Befestigungsrechte. Es entstehen feste Mauern ab der zweiten Hälfte des 12. Jh. Neben der eigentlichen Mauer entstehen Wehrtürme und Torbauten. Mit der Verbreitung der Feuerwaffen wandeln sich Wehrtürme von hohen Bauformen hin zu niedrigen, massiven Geschütztürmen, und die Torbauten entwickelten sich hin zu komplexen Torburgen.
- Der gotische Wohnbau war in West-, Mittel- und Nordeuropa nach weitgehend vom Fachwerk geprägt, allerdings entstanden - besonders in Süddeutschland, Österreich und Ostmitteleuropa - zahlreiche Städte und Märkte mit Häusern aus Werk- oder Backsteinen. Ein bis heute erhaltenes Merkmal solcher gotischen Städte sind die teilweise eingewölbten Laubengänge, die früher meist als überdachte "Verkaufsstände" genutzt wurden. In Bayern und Österreich sind hier vor allem Landshut, Burghausen, Neuötting, Braunau und Innsbruck zu nennen.
- Mit dem Bedeutungszuwachs der mittelalterlichen Stadt entsteht Bedarf nach städtischen Funktionsbauten:
- Das Rathaus ist ein Mehrzweckgebäude für Ratsstube, Festsaal, Ausschank, Handel . Der zunehmende Repräsentationsbedarf wohlhabender Städte schlägt sich in Größe und Aufwand der Bauten nieder , diese Höhepunkte städtischer Profanarchitektur werden deshalb mitunter als "Kathedralen des Bürgertums" bezeichnet.
- Vor allem in Flandern und Italien symbolisiert ein Belfried - oft in der Höhe mit Kirchtürmen konkurrierend - die Macht der Stadt.
Backsteingotik
In Nord- und Nordostdeutschland, Skandinavien und Polen entwickelte sich die Sonderform der Backsteingotik. Große Sakralbauten aus diesem Baumaterial besitzen in Deutschland etwa Lübeck (Marienkirche), Stralsund, Wismar, Greifswald und Bad Doberan. Besonders die Lübecker Marienkirche diente als Vorbild für zahlreiche weitere Kirchen in ganz Nord-und Nordosteuropa. Sie orientiert sich - in materialbedingt vereinfachter - Form an der klassischen Kathedralgotik, auch das offene Strebesystem westlicher Kathedralen wurde hier in Backstein übertragen. Auch in Bayern finden sich in den steinarmen Landschaften Ober- und Niederbayerns zahlreiche Backsteinbauten. Die Sakralbauten sind meist als Hallen ausgeführt, manchmal wurden reiche Hausteinverzierungen eingearbeitet. Ein bekanntes Beispiel ist die Frauenkirche in München. Den höchsten Backsteinturm der Welt besitzt Landshut, seine Hauptkirche St. Martin steht mitten in einer der am besten erhaltenen gotischen Altstädte Europas.
Bildende Kunst
Die Gotik breitete sich in der bildenden Kunst Anfang des 13. Jahrhunderts über Europa aus. Kennzeichnend für die Epoche sind die zum Teil übergroß und majestätisch dargestellten Figuren in wenig realistischen Umgebungen. Die Perspektive ist oft verzerrt und rückt die zentralen (meist biblischen Figuren) in den Mittelpunkt. Zunehmendes Interesse am Menschen hat eine realistischere Darstellungsweise zur Folge. Als wichtigster Vertreter dieses Naturalismus gilt Giotto di Bondone, der die Grundlage für die italienische Malerei der Neuzeit ist. Die meisten bildlichen Darstellungen der Gotik zeigen religiöse Motive. Darstellungen von Szenen aus der Bibel machen den Hauptteil der Gemälde und Altarflügeln aus. Kennzeichnend für gotische Kunst ist der sogenannte Weiche Stil. Madonnen erscheine puppenhaft und mütterlich. Vorherrschende Farben sind rot und gold, zumeist als Demonstration von besonderer Heiligkeit oder Wichtigkeit der gezeigten Personen. Bedeutendster Vertreter des "Weichen" Stils ist Stephan Lochner. In der plastischen Kunst war Veit Stoß einer der bedeutendsten Künstler der Gotik; er wirkte insbesondere in Krakau und Nürnberg.
Musik
In der Musikgeschichte ist die Kategorisierung "gotisch" nicht gebräuchlich. Im 14. Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt auf die weltliche Musik, während bis dahin die geistliche Musik führend war. In der weltlichen Musik kommt es im 13. Jh zu einer Blüte des Minnesangs (Walther von der Vogelweide, Tannhäuser, Wolfram von Eschenbach).