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Geislinger Aufstand

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Der Aufstand der Geislinger 1514

Die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts waren eine Zeit des Aufruhrs und der Empörung. In dem damaligen Herzogtum Württemberg tobte der Aufruhr des „armen Konrad. “ Und auch in Geislingen blieb es nicht ruhig. 1514 empörten sich die Geislinger gegen Ulm. Sie erreichten aber nicht viel.

Die Ursache des Aufstandes war die Unzufriedenheit mit den immer mehr sich steigernden Abgaben und Lasten.

Und insbesondere mit der Unzufriedenheit über die Leibeigenschaft. Über ihr ganzes Gebiet stand der Stadt Ulm landesherrliche Gewalt zu. Diese schloss für gewöhnlich die Gerichts- und Kriegshoheit und das Besteuerungsrecht in sich. „ Grund und Zehntherr“ des den Boden bebauenden Landbewohners konnte ein anderer sein. Viel Grundbesitz besaß im Ulmer Land das Ulmer Spital. Gült und Zehntherr waren an anderen Orten der Rat und die Stadt und die Pfarrkirchenbaupflege. Von der Besteuerung, dem Gült und Zehntrecht wurde ausgiebiger Gebrauch gemacht.

Zu hohe Lasten aller Art drückten die Untertanen. Steuern, Gülten für die Vergebung gewisser Gemeindeämter und Gerechtigkeiten auf bestimmte Häuser, die Laudemien oder Gebühren bei Veränderungsfällen (Kauf, Tausch, Erbschaft oder Übergabe), die Frucht oder Geldgülten, die Zehntabgabe (großer oder kleiner Zehnten, Blutzehnten von Schwein, Kalb, Füllen, Lamm, von Enten, Gänsen und Hühnern, Noval- oder Neugereuth-, Flachs-, Garten-, Heu-, Öhmdzehnten, Bienenzehnten zu Weiler und Schalkstetten). Und am Meisten die Frondienste und die Unfreiheit.

An und für sich betrachtet waren die Steuersätze mäßig. Der Einzug der Steuern erfolgte aber nicht bloß einmal im Jahre, sondern so oft es nötig war. Es gab einen großen und kleinen Zehnten. Den großen Zehnten erhob man vor allem mit dem Pflug. Den kleinen Zehnten von denen mit der Hacke bebauten Ländereien: von Erbsen, Linsen, Kraut, Rüben, Hanf, Flachs, usw. Beim grossen Zehnten nahm man von den Winterfrüchten die zehnte Garbe auf dem Acker. Vom Hafer den zehnten Haufen. Der kleine Zehnten wurde teils mit der Rute , teils nach Haufen gemessen. Den großen Zehnten hatte meistens der eigentliche Zehntherr (Spital, Rat, Pfarrkirche) anzusprechen. Den kleinen in der Regel der Pfarrer.

Die Zehntabgaben waren ihrem Namen längst untreu geworden. Sie betrugen oft mehr als ein Zehntel des Ertrages. Oft ein Drittel des Selben. So mussten zum Beispiel in Bräuningsheim zwei Bauern die Hälfte ihres Obstertrages zehnten. In Türkheim musste die Gemeinde, wenn die Neugereuthacker brach lagen, statt des Zehnten 6 Gulden zahlen.

Die Abgaben wurden teils rücksichtslos eingezogen. Es wird geklagt über die Härte der den Ernteertrag visitierenden Amtmänner. Diese nahmen geringe Rücksicht auf Missernte oder Hagelschlag. Oder über die Brutalität der Unterbeamten. Die Frondienste waren ebenfalls hart. Der Bauer tat Dienste mit seiner Mähre, d.h. Spannen oder Fuhrdienste. Der Söldner a.D., der Kleinbauern des Mittelalters, tat Dienste mit seiner Hand. In Süßen zum Beispiel waren fast alle Bauern dienstpflichtig. Am schwersten wurde die Unfreiheit der Person, Leibeigenschaft genannt, empfunden. Der Bauer, das Lasttier der Gesellschaft sollte in der Knechtschaft verharren. Der Leibeigene hatte alljährlich seinem Leibherrn Abgaben (zum Beispiel Leibzins, Leibhühner, Todfall) zu entrichten. Auserdem musste er sich Erbschaftsbeschränkungen, erhöhter Fronpflicht und Beschränkung der Freizügigkeit gefallen lassen.

Es gab eine Lokal- und eine Personalleibeigenschaft. Letztere, welche in alten ulmischen Rechnungen teils als „helfensteinisch“ teils als „werdenbergisch“ bezeichnet wird, bestand in allen Amtsorten mit Ausnahme von Kuchen. Hier herrschte, wie in der Amtsstadt Geislingen, die Lokalleibeigenschaft.Wer in einem der beiden Orte seinen Sitz hatte, war durch den Ort Leibeigen. Er war aber von Lasten frei. Darum leichte Leibeigenschaft. Verzog man an einen anderen Ort der Ulmer Herrschaft, so kam man in die schwere Leibeigenschaft. Dann hatte man den „Leibzins und Todfall“ zu entrichten. Verheiratete sich ein Mann mit „Frauen oder Töchter“ aus den genannten Orten, so musste er sich auch den Herren von Ulm mit Leibeigenschaft ergeben und durfte Leib und Gut nicht verändern.

Im Jahre 1503 trat der Kaiser mit verschiedenen Fürsten des Bundes für einen Geislinger Bürger namens Klaus Stöcklin ein. Der hatte „an den Rat die Bitte gerichtet, seine Kinder als Ulmer Bürger anzunehmen“. Die Bitte wurde jedoch abgelehnt.

Die großen Abgaben, die mannigfachen Dienste und Lasten brachten die Bauern zum Aufstand.

Schon im Jahr 1480 erhoben die Geislinger Untertanen verschiedene Klagen. Und als im Jahre 1511 auf den Branntwein „Umgeld“ gelegt wurde, erneuerte sich die Unzufriedenheit. Im Februar 1512 schickten sie drei Abgeordnete nach Ulm. Diese brachten abermals Klagen vor. Dadurch erregten sie das größte Missfallen des Rates. Dieser stellte ihnen im Wiederholungsfalle die strengsten Maßnahmen in Aussicht.

Das schreckte die Geislinger nicht. Im Jahre 1513 wurde sie wieder in Ulm vorstellig. Am 23. Juni wandten sie sich an den damaligen Vogt von Geislingen, Walter von Hirnheim, und an den Pfleger Burkhard Senft. Die Rädelsführer der Bewegung, die aus Geislingen, Nellingen, Weiler ob Helfenstein und Ettlenschiess kamen, hießen Klaus Jüngling von Ettlenschieß, Jörg Schüblin von Nellingen, Hans Hetzel von Weiler und Lienhard Schöttlin von Geislingen.

Zuerst ließen sie sich vom Vogt und Pfleger beruhigen. Das dauerte aber nicht lange.

Während der Vogt beim Bundestag in Nördlingen war, wandten sie sich unter der Führung von Schöttlin wieder an den Pfleger. Sie erzwangen die Vermittlung des Geislinger Bürgermeisters Lorenz Moerdlin. Auf dessen Veranlassung berief der Pfleger das Gericht. Dieses setzte nach längeren Verhandlungen einen Ausschuss von zwölf Männern ein. Nach der Heimkehr des Vogts formulierten drei vom Gericht und drei von den Zwölfen die Klagen der Untertanen in 26 Artikeln. Eine acht gliedrige Kommission, fünf von den Zwölfen und drei vom Gericht, überreichte dem Rat der Stadt die Klage. In der Klageschrift beschwerten sie sich wegen der Kaufrechte auf die Gnadengüter, über die Härte der Leibeigenschaft und über entzogene Wasser- und Eigentumsrechte. Sie verlangten den Flösgraben in Geislingen bis zum oberen Weiher, den Linsenbach, beide Schüttinnen vor dem oberen und unteren Tor, die man Bollwerke nannte. Alle Zwinger um die Stadt, den Ratzenbühl, den Wald um den Berg zu Helfenstein, dass Burgwieslein unter dem Schloss für die Gemeinde. Ebenso die Briefe, in welchen ihnen von den Grafen von Helfenstein verbürgten Freiheiten standen. Spitalpfleger, Stadtknechte, Büttel, Untertäufer und Eicher, welche von der Gemeinde besoldet würden, sollten nur Geislinger sein, Der Wein für die Wöchnerinnen sollte vom „Umgelde“ befreit sein. Endlich klagten sie noch über die außerordentlich hohen Lasten, „die man in wenig Jahren von ihnen genommen während man andere verschont habe“.

Der Rat der Stadt Ulm beeilte sich nicht mit der Antwort. Das führte zu neuen Unruhen in den Gemeinden. Dies meldete der neue Vogt von Geislingen, Hans Walter von Laubenberg, nach Pfingsten 1514 nach Ulm. Jetzt griff Ulm mit Gewalt ein. In der Zeit vom 22. bis 26. Juli wurde das Schloss Helfenstein „ mit Geschütz, Leuten und Proviant versehen.“ Unter dem Hauptmann Heinrich Wick lagen daselbst 460 Knechte. Die Rädelsführer der Bewegung wurden gefangen genommen und nach Ulm gebracht. Alles legte Fürbitte ein. Der Rat von Ulm ließ sich nicht erweichen. Die Geislinger wurden jährlich um 100 bis zur Gesamtsumme von 1400 Gulden bestraft. Sie mussten aufs Neue huldigen und den“ Leipheimer Eid“ schwören. Am 11. August wurde über die Haupträdelsführer das Urteil gesprochen. Die meisten (darunter neun Geislinger) wurden aus dem Ulmer Gebiet verbannt:

„ Jürg Bassler, Claus Jungling aus Ettlenschiess, Jörg Scheblin aus Nellingen und Hans Hetzel aus Weiler haben Urfehde geschworen und dürfen gegen Bezahlung der Atzung und einer Ehrenstrafe zurück. Dem Tucher Christa Koch wird verboten jemals im Leben Gyseling wieder zu verlassen und er darf nur ein abgebrochen Prett oder Beimesser tragen und zu keiner Zech gehen.

Der Weißgerber Roggenburger wird über den Rhein verbannt. Schnitzer, Stöcklin und Wäch werden über den Lech verbannt, mit der Auflag, dass sie ein Leben lang, ohn Fürbitt und Gnad nicht mehr herüberkommen.“

Bei Lienhard Schöttlin kam der hohe Rat der Stadt Ulm zu dem Beschluss,“ dass der zu Geislingen geborene Lienhard Schöttlin auf Grund seines schweren Vergehens gegen die Stadt Ulm mit dem Schwert zu Ende gerichtet wird, bis er kommt vom Leben zum Tode.“

Dies war für Ulmer Recht ein schweres Urteil.

Wesentliche Vorteile brachte der Aufstand nicht. Einige unbedeutende Forderungen wurden erfüllt. Sonst blieb alles beim Alten.

Der Chronist schrieb hierüber:

„Im Jahre 1514 haben sich die Geislinger wieder ihrer Herren von Ulm aufgelehnt, indem die Geislinger, um etliche Gerechtigkeit einhielten, aber ihnen mehr nicht, als ein Wasser, das sie vorher nicht gehabt, und das Gras für die Gemeint auf dem Graben gebilligt wurde; da sagte sie, weil man ihnen nichts weitergebe, wollten Sie auch dasjenige nicht annehmen, denn sie hätten einen freien Zug gehabt, so dass sie in Ulm Bürger und zünftig werden könnten. Daher die von Ulm einen Bürgermeister und zwey Herrschaftspfleger und etliche des Rats abgeschickt, und als sie zu Geislingen angekommen, haben die Geislinger denen selben und dem Vogt schwören sollen, dass sie den Herren von Ulm, als ihrer Obrigkeit Gehorsam sein wollen, da dann etliche Geschworenen und etliche nicht. Hierauf haben die Herren von Ulm das Schloss Helfenstein mit Geschütz versehen und besetzt, auch ein Fähnlein Knecht angenommen und hinunter geschickt, welche das Städlein eingenommen, auch zehn Mann gefangen genommen und nach Ulm führen lassen, worunter der Anführer dieser Auflehnung ein Beck gewesen, dem man hiernach zu Ulm das Haupt abgeschlagen und denen anderen das Land verwiesen hat“.


Quellen: Geschichtliche Mitteilungen von Geislingen und seiner Umgebung 2.Heft

Schöttlin der Geislinger Aufstand 1514 von Claus Bisle und Roland Funk