Neandertaler
Der Neandert(h)aler (Homo neanderthalensis) gehört zur Gattung Homo und wurde nach dem Neandertal bei Mettmann (zwischen Düsseldorf und Wuppertal) benannt, wo Steinbrucharbeiter den Schädel dieses Urmenschen Mitte August 1856 entdeckt und an Johann Carl Fuhlrott zur näheren Untersuchung weitergegeben hatten. Der Neandertaler lebte im Mittelpaläolithikum in der Zeit von ca. 130.000 v. Chr. bis ca. 30.000 v. Chr. Der Erstfund wird heute auf ein Alter von 42.000 Jahren datiert.
Der Name Neandertaler geht auf die Bezeichnung des irischen Wissenschaftlers William King zurück, der den namengebenden Fund aus dem Neandertal bei Düsseldorf als Homo neanderthalensis benannte. Neben der verbreiteteren wissenschaftlichen Bezeichnung Homo neanderthalensis ist auch der Name Homo sapiens neanderthalensis noch gebräuchlich, der eine engere Verwandtschaft mit dem anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens beziehungsweise Homo sapiens sapiens) zum Ausdruck bringen soll. Je nach gewähltem Namen werden die beiden Formen als eigenständige Arten oder lediglich als Unterarten angesehen.
Auftreten, Zeitraum und Aussterben
Die ältesten Funde von Neandertalern stammen aus Kroatien und Italien, sie sind etwa 130.000 bzw. 120.000 Jahre alt.
Homo neanderthalensis stammt aller Wahrscheinlichkeit vom Homo heidelbergensis ab. Hierfür spricht auch, dass nach DNA-Analysen an dem Typus-Exemplar die letzten gemeinsamen Vorfahren von Homo sapiens vor etwa 600.000 Jahren lebten. Untersuchungen an einem anderen Exemplar aus dem Kaukasus (Georgien) sprechen für eine Auftrennung vor ca. 250.000 Jahren. Die Analysen zeigten eine sehr hohe genetische Übereinstimmung zwischen den untersuchten Exemplaren. Die Fossilfunde konzentrieren sich auf Europa und angrenzende Gebiete Asiens (Israel, Türkei, Irak) und Afrikas (Marokko). Dennoch wird der Neandertaler als typisch europäische Art angesehen, die besonders an das Leben in den Kaltzeiten der Würm-Eiszeit angepasst war.
Noch vor dem Kältemaximum der letzten Eiszeit drang der moderne Mensch aus Afrika über den Nahen Osten nach Norden vor und löste in der Folgezeit den Neandertaler ab.
Wie diese Ablösungsprozesse vonstatten gingen, ist bis heute nicht geklärt.
Viele Wissenschaftler vertreten heute die Theorie, dass der Neandertaler keineswegs deshalb ausgestorben ist, weil er primitiver als der moderne Mensch war. In Punkto Intelligenz konnte er wahrscheinlich mit dem modernen Homo sapiens sapiens mithalten. In Punkto Körperkraft war er ihm sogar überlegen. Ein durchschnittlicher Neandertaler-Mann hatte etwa die Kraft eines heutigen Gewichthebers (bei einer Körpergröße von ca. 1,60m - max. 1,70m). Belege für die größere Körperkraft der Neandertaler findet man in einem stärkeren Knochenbau und davon ausgehend in größeren Ansatzstellen der Muskeln, was auf stärkere Muskeln schließen lässt.
Der Grund für sein Aussterben könnte vielmehr die Anpassung des Neandertalers an ein sesshaftes Leben im Wald gewesen sein, während der Homo sapiens sapiens ein Nomade war, der eher an offene Landschaften angepasst war. Während der Neandertaler, dessen Nahrung zu 80 % aus Fleisch bestand, seine Beutetiere in einem festen Territorium jagte, folgte der Homo sapiens sapiens den Beutetieren auf ihrer Wanderschaft. Körperlich besaß der moderne Mensch mehr Ausdauer und Geschick als der Neandertaler und benötigte aufgrund seiner geringeren Muskulatur weniger Nahrung und weniger Fleisch. Der Neandertaler dagegen war sehr muskulös, dadurch aber etwas behäbiger und besaß weniger Kondition. Als das Klima Europas während einer sehr strengen Eiszeit vor 35.000 Jahren dramatisch abgekühlt war, der Wald der offenen Tundra gewichen war und viele Tiere im Winter nur noch in Südeuropa existierten, sind wahrscheinlich viele Neandertaler erfroren oder verhungert, während Homo sapiens sapiens besser in der Lage war, seine Beutetiere auf ihren alljährlichen Wanderungen zu folgen. Der leichtere Körperbau - so diese Theorie - des modernen Menschen sicherte diesem sein Überleben, während der Neandertaler ausstarb.
Denkbar und plausibel ist auch die Überlegung, dass eingeschleppte Krankheitskeime eine Rolle gespielt haben könnten, wie es auch z. B. nach der Entdeckung und Besiedelung Amerikas bei den Ureinwohnern der Fall war.
Andererseits legt die abwechselnde Nutzung der gleichen Siedlungsstätten im südöstlichen Mittelmeerraum (Israel) über einen Zeitraum von ca. 60.000 Jahren durch den Homo sapiens sapiens und den Homo sapiens neanderthalensis eher andere Ursachen nahe. Entscheidend könnte gewesen sein, dass der moderne Mensch länger lebte und mehr Kinder hatte. Statistische Bevölkerungsmodelle zeigen, dass schon Unterschiede von wenigen Prozent ausreichen, um in wenigen tausend Jahren eine Menschengruppe völlig in einer anderen aufgehen zu lassen bzw. zum Aussterben der weniger begünstigten Gruppen führen.
Eine weitere, weniger verbreitete Theorie geht davon aus, dass sich die beiden Unterarten im Laufe der Zeit, während der sie nebeneinander existierten, durchmischt (gekreuzt) haben. Dies würde bedeuten, dass der Neandertaler gar nicht ausgestorben ist, sondern absorbiert wurde. Aufgrund von Vergleichen der mitochondrialen DNS des Neandertalers mit jener von Homo sapiens konnte eine Studie (s. Weblinks) keine Hinweise auf eine Vermischung entdecken. Mit diesem Ergebnis ist die Durchmischungshypothese unter sehr starken Druck geraten.
Bekannt ist nur, dass der moderne Mensch den Großteil der Kultur und Technik der Neandertaler übernommen hat und auf dieser Basis eine eigene aufbaute.
Die letzten Neandertaler lebten vor ca. 27.000 Jahren im Gebiet des heutigen Spanien.
Anatomie
Die typischen Neandertaler-Skelette zeichnen sich durch hohe Robustizität aus, d.h. die Gelenke und Knochen sind im Vergleich zum modernen Menschen breiter und die Muskelansätze am Knochen stärker ausgeprägt. Weiterhin lassen die Knochenfunde auf Körperhöhen von ca. 1,60 bis 1,70 Meter schließen; die Männer brachten etwa 70, die Frauen 55 kg auf die Waage. Insgesamt lässt sich ein gedrungener, sehr muskulöser Körperbau rekonstruieren. Zu beachten ist allerdings, dass der Körperbau der Neandertaler je nach Verbreitungsgebiet variierte. Neandertaler in wärmeren Gegenden (z.B. dem Nahen Osten) waren schlanker und hatten weniger stark ausgeprägte "neandertalerartige" Züge. Die Anatomie des "klassischen Neandertalers" (s.u.) wird heute allgemein als eine Anpassung an das eiszeitliche Europa angesehen.
Die deutlichsten Unterschiede zum modernen Menschen lassen sich am Schädel feststellen.
Die Schädelform ist allgemein lang und erscheint v.a. durch die dominanten Kiefer und die Überaugenwülste archaischer als die des Jetztmenschen. Eine Crista sagittalis, d.h. ein Scheitelkamm, der bei früheren Menschenformen und den Menschenaffen zu beobachten ist, kommt jedoch nicht mehr vor. Beim Gesichtsschädel fallen außerdem die hervortretende Nasen- und Gebißpartie ins Auge.
Die Stirn ist flach und fliehend. Die Region über den Augen zeigt noch einen deutlichen Torus supraorbitalis. Diese Knochenverdickung wird als stabilisierende Anpassung gedeutet, denn der Schädel war - durch den kräftigen Kauapparat - starken statischen Belastungen ausgesetzt. Das Merkmal tritt bereits bei den frühen Vertretern der Hominiden auf und ist heute noch bei den Menschenaffen zu beobachten.
Die Nasenöffnung in Neandertalerschädeln ist breit und hoch, die Nasenwurzel sehr kräftig und breit, dadurch wirkt der Augenabstand vergrößert. Der Nasenboden mündet, im Gegensatz zum modernen Menschen in Europa, abgerundet in die Gesichtsebene. Alle diese Merkmale deuten auf eine große, fleischige Nase hin und lassen sich als Anpassung an die eiszeitliche Kälte erklären, denn eine große, lange Nase wärmt die Atemluft vor, bevor diese die Lungen erreicht und unterstützt dadurch die Aufrechterhaltung der Körper-Kerntemperatur. Die Riechschleimhaut war weiter vorne angeordnet als beim Jetzt-Menschen. Die hierdurch verbesserte Geruchsaufnahme könnte ein Vorteil bei der Nahrungssuche insbesondere bei der Jagd auf Tiere gewesen sein.
Das Gebiss ist wesentlich kräftiger als das des modernen Menschen. Bedingt durch die verhältnismäßig hohen und langen Kiefer wirken Neandertalerschädel prognath, d.h. die untere Gesichtshälfte springt hervor. Die Unterkieferäste sind breiter, der Winkel zwischen Unterkieferästen und -körper steiler. Als gutes Unterscheidungsmerkmal zum modernen Menschen kann das fliehende Kinn gelten. Die Anzahl und Form der Zähne sowie die Kronenformen stimmen mit den unsrigen überein, jedoch sind die Schneidezähne vergrößert und die Backenzähne durch das Merkmal der Taurodontie gekennzeichnet, d.h. die Wurzeln trennen sich erst kurz vor den Spitzen in Äste auf. Weiterhin ist die sogenannte "Neandertaler-Lücke" typisch, die regelmäßig zwischen dem letzen Molaren und dem Unterkieferast auftritt. Eine Hypothese geht davon aus, dass die Form des Schädels durch die starke Beanspruchung der Schneidezähne zu Stande kam. Sie wurden nämlich - bewiesenermaßen - nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern auch als eine Art Werkzeug, gleich einer "dritten Hand", benutzt. Die so genannte "Teeth - as - tool"-Hypothese von Smith besagt, dass die Zähne als Schraubstock und Zange eingesetzt wurden.
Am Hinterhaupt fällt in der Profilansicht die hintere Partie auf, die, hervorgerufen furch eine markante Eindellung, einem Haarknoten ähnelt. Dieses Merkmal kommt auch noch - allerdings seltener - in Populationen des modernen Menschen vor und ist evtl. durch die längliche Schädelform bedingt. Typischer für den Neandertaler ist dagegen der starke
Auch das Gleichgewichtsorgan im Innenohr des Neandertalers zeigt Unterschiede zum modernen Menschen: Der hintere Bogengang des Labyrinthorgans liegt beim Neandertaler tiefer als beim Homo sapiens.
Hirnkapazität. Im Durchschnitt besaßen Neandertaler einen größeren Schädel als der Jetzt-Mensch. Das Gehirnvolumen des Neandertalers betrug etwa 1300 – 1700 cm³, das des heutigen Menschen etwa (1200 – 1400 cm³). Aussagekräftig ist jedoch immer nur die Relation des Hirnvolumens zur Körpermasse eines Menschen. Die Größe des Neandertalergehirns könnte Ausdruck einer gesteigerten stoffwechselbedingten Effizienz sein und somit einer Anpassung an das Eiszeitklima entsprechen. Ein ähnliches Phänomen ist bei den Inuit zu beobachten, deren Gehirngröße tendenziell ebenfalls größer als bei anderen Menschen ist.
Der Fund eines fossilen Neandertaler-Zungenbeins aus Kebara in Israel ist ein deutliches Indiz für die zumindest anatomische Sprechfähigkeit des Neandertalers. Auch lassen Innenausgüsse von Hirnschädeln auf ein entwickeltes Hirn mit Broca- und Wernicke-Zentrum, den motorischen und sensorischen Sprachzentren schließen.
Untere Extremitäten
Auch die Längenrelation der unteren Extremitäten beim Neandertaler wird als Anpassungsprozess an das kalte Klima gedeutet. Entscheidend ist hierbei das Längenverhältnis von Unter- zu Oberschenkel. Dieses Längenverhältnis betrug beim Neandertaler etwa 71 Prozent. Er hatte damit kürzere Beine als heutige Menschen aus Lappland (Längenverhältnis 79 Prozent), die wiederum kürzere Beine als Afrikaner (Längenverhältnis 86 %) haben.
Kultur
Waffen (Speere, Messer etc.) und Feuer waren den Neandertalern bekannt. Funde aus dem Harz zeigen, dass sie bereits Pech als Klebstoff aus Birken herstellen konnten. Der Neandertaler fertigte in den Eiszeiten als erste Menschenart Kleidung an. Aus Untersuchungen der Isotopenverhältnisse von Knochenproteinen lässt sich schließen, dass sich die Neandertaler fast ausschließlich von Fleisch ernährt haben.
In der Gudenushöhle (Kleines Kremstal, Niederösterreich) lässt die untere Kulturschicht (70.000 Jahre) Jagd auf Mammut, Nashorn, Ren, Wildpferd und Höhlenbär vermuten. Die obere Schicht (ab 20.000 Jahre) zeigte Ritzkunst und eine Flöte.
Hinweise auf die Religiosität der Neandertaler sind mangels eindeutig interpretierbarer Funde ungewiß. In der Schweizer Drachenloch-Höhle wurden Höhlenbärenknochen gefunden, die zwischen Steinplatten angeordnet waren - deshalb spekulierte die ältere Forschung (und in jüngerer Zeit die Schriftstellerin Jean M. Auel) über einen "Höhlenbär-Kult" beim Neandertaler. Die Felsen können freilich auch von selbst von der Höhlendecke herabgeschlagen, ihre Anordnung zufällig sein. - In Shanidar im Irak fand man einen Neandertaler unter einer großen Felsplatte begraben, rings um ihn auffallend viele Pollen von Blütenpflanzen. Ob es sich hier aber tatsächlich um ein rituelles Blumenbegräbnis gehandelt hat, wird heute bezweifelt. Eine Analyse umgebender Sedimente ergab, dass die Blütenpollen nachträglich von Wühlmäusen eingebracht worden waren. Zwei Leichen von Neandertalern in eindeutig von Menschenhand ausgehobenen "Gräbern" finden sich dagegen bei La Chapelle-aux-Saints in Frankreich und in Kebara (Israel). Aber auch in diesen beiden Fällen bleiben die Vorstellungen über ein religiöses Empfinden der Neandertaler spekulativ; aus den Funden lässt sich nicht beweisen, dass sie an ein Leben nach dem Tod glaubten. Es könnte sich bei den beiden "Gräbern" auch um Müllgruben handeln, in denen man sich der Toten entledigen wollte.
Für ein gewisses Sozialverhalten sprechen allerdings Funde aus Shanidar im Irak: An einem dort gefundenen Skelett wurden lange vor dem Tod dieses Individuums verheilte, schwere Verletzungen entdeckt. Diese Wunden müssen dem Betroffenen einen Beitrag zum Überleben der Gruppe eigentlich unmöglich gemacht haben. Trotzdem wurde er offensichtlich gesund gepflegt und auch weiterhin ernährt.
Verwandtschaft zum modernen Menschen
Die Verwandtschaftsbeziehungen zum heutigen modernen Menschen sind nicht geklärt. Die eine Theorie geht davon aus, dass der Neandertaler einer ausgestorbenen Seitenlinie der menschlichen Entwicklung angehört, die andere, dass er sich zumindest partiell mit den gleichzeitig mit ihm lebenden engeren Vorläufern des heutigen Menschen vermischte und so auch einen gehörigen Teil seines Erbgutes an uns weitergab (siehe auch Hominisation). Im Lapedo-Tal in Zentralportugal wurde ein Kinderskelett gefunden, das Merkmale beider Menschengruppen aufweist. Dieses etwa vier Jahre alte Kind war zeremoniell bestattet worden und wurde auf ein Alter von 25.000 Jahren datiert; es ist somit einige tausend Jahre jünger als die jüngsten eindeutig dem Neandertaler zugeordneten Funde, die in die Zeit vor ca. 30.000 Jahren einzuorden sind. Seine Einordnung als echter Mischling ist allerdings umstritten.
Untersuchungen der DNA des ersten Neandertaler-Fundes und der neuen Funde sowie des Kaukasus-Exemplars legen die Annahme nahe, dass der Neandertaler und der moderne Homo sapiens zu Zeiten der Koexistenz vor bis zu 30.000 Jahren keine der untersuchten Gene ausgetauscht haben. Da jedoch nur 370 bis 600 Basenpaare verglichen werden konnten, kann ein Genaustausch dennoch nicht ausgeschlossen werden.
Forschungsgeschichte
Die Stätte der ersten Neandertaler-Funde ist nicht mehr erhalten; die so genannte Kleine Feldhofer Grotte wurde im Rahmen des Kalkabbaus (der letztlich auch zur Entdeckung führte) zerstört. Zwei Arbeiter waren dort im August 1856 etwa 60 cm tief im Lehm auf fossile Knochen gestoßen, die zunächst unbeachtet mit Gesteinsschutt zu Tal geworfen wurden. Dort fielen sie dem Besitzer des Steinbruchs auf, der sie für Überreste eines Höhlenbären hielt und die größeren Knochenfragmente aus dem Schutt aufsammeln ließ. Anschließend wurden sie dem Elberfelder Lehrer Johann Carl Fuhlrott übergeben. Er erst erkannte auf Anhieb, dass die Überreste (einige Rippen, mehrere Bein- und Armknochen, ein Schädeldach, Becken-Fragmente) einem Menschen zuzuordnen waren, der sich allerdings vom heute lebenden Menschen unterschied. Seine letztlich korrekte Deutung wurde jedoch von den Gelehrten seiner Zeit (u. a. auch von dem deutschen Pathologen Rudolf Virchow, der die Knochen für rachitisch verformt hielt) nicht ernst genommen. Mehr Anerkennung fand Fuhlrotts Deutung in England, wo das um diese Zeit erschienene Werk Charles Darwins den Weg zu einer neuen Denkrichtung bereitet hatte.
Heute befindet sich an der Stelle des Fundorts, 14 m unter dem Niveau von 1856 gelegen, ein kleiner Park, der auf die Entdeckung hinweist. Er gehört zum etwa 500 m entfernt liegenden Neandertal-Museum, das einen Einblick in die Geschichte der Menschheitsentwicklung gibt.
Nachgrabungen im Neandertal unter der Leitung des Tübinger Urgeschichtlers Ralf W. Schmitz und seines Kollegen Jürgen Thissen haben in jüngster Zeit neue, spektakuläre Funde am Standort der ursprünglichen Höhle zutage gefördert, nämlich die Überreste von zwei weiteren Neandertaler-Individuen. Unter den mehr als 60 Knochen und Knochensplittern konnten die Forscher die Armknochen eines erwachsenen Neandertalers sowie den Milchzahn eines Kindes nachweisen. Die aufgefundenen Knochen und Steinwerkzeuge sind rund 40.000 Jahre alt, was mit dem ersten Fund übereinstimmt.
Im Jahr 2004 wurde aufgedeckt, dass der Leiter des Instituts für Anthropologie der Universität Frankfurt, Reiner Protsch von Zieten, wiederholt Datierungen von vermuteten Neandertalerschädeln bewusst gefälscht bzw. wissentlich Alterbestimmmungen mit grob fehlerhafter Kalibrierung der Geräte durchgeführt haben soll. Der Fall "Protsch von Zieten" erweckte weltweites Aufsehen, weil dadurch zahllose Fundstücke auf Unstimmigkeiten überprüft werden müssen.
Aktuelle Forschung sowie Austellungen
- Bis Mitte Dezember 2005 zeigt das Harburger Helms-Museum für Archäologie eine neue Ausstellung "Die Neandertaler in Europa". Diese wurde übernommen vom "Gallorömischen Museum" in Tongern in der belgischen Provinz Limburg. Sie zog dort zuvor 145.000 Besucher an. Besondere Attraktion sind neben Kopien des 30.000 Jahre alten, aus Mammutelfenbein geschnitzten Löwenmenschen (Leihgabe aus Ulm) und der 400.000 Jahre alten Speere aus der Fundstelle im niedersächsischen Schöningen 25 vom Künstler Dirk Claesen gestalteten Figuren. ("Die Neandertaler in Europa" Harburger Rathausplatz 5; bis 11. Dez. 2005)
- Das Neanderthal Museum am gleichnamigen Fundort wird vom 4. Mai bis zum 24. September 2006 sowohl das Klischee vom wilden Mann als auch die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, unter anderem über den Alltag der Neandertaler, zeigen ("Hautnah. Neanderthaler").
- Im Westfälischen Museum für Archäologie in Herne will eine Ausstellung über das Klima, über die Anpassungsfähigkeit der Menschen, Tiere und Pflanzen über die Jahrtausende sowie über Wetter-Extreme erlebbar machen ("Leben in Extremen", Juni 2006 bis April 2007).
- Das Rheinische Landesmuseum Bonn lädt vom 7. Juli bis 19. Dezember 2006 zu einem "Familientreffen" von Vor- und Frühmenschen aus Afrika, Asien und Europa ein, die zum ersten Mal gemeinsam in einer Ausstellung zu sehen sein werden ("Roots//Wurzeln der Menschheit").
- Vom 21. bis 26. Juli 2006 werden sich Wissenschaftler aus der ganzen Welt in der Universität Bonn zu einem internationalen Kongress treffen ("150 Years of Neanderthal Discovery").
Literatur
- Bärbel Auffermann, Jörg Orschiedt: Die Neandertaler - Eine Spurensuche, Stuttgart 2002. 112 S. ISBN 3-8062-1512-6
- Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit, München 1991. ISBN 3570026698
- Ernst Probst: Rekorde der Urzeit, München 1992. ISBN 3570013820
- Schmitz, R.W., Thissen, J.: Neandertal - Die Geschichte geht weiter. Berlin 2000. ISBN 3827413451
- Schrenk F., Müller S.: Die Neandertaler, München 2005. ISBN 3-406-50873-1
- Serre D., Langaney A., Chech M., Teschler-Nicola M., Paunovic M., et al.: No evidence of Neandertal mtDNA contribution to early modern humans. In: PloS Biology, vol. 2, Issue 3, DOI: 10.1371/journal.pbio.0020057, März 2004.
Weblinks
- Aktueller und allgemeinverständlicher Newsletter zur Neandertaler-Forschung
- Das Neanderthal-Museum
- Studie zum Vergleich der mitochondrialen DNS von Neandertaler und Homo sapiens
- Archäologie Online: Mythos Neandertaler
- Telepolis: Rothaarig durch Neandertaler-Gen?
- Telepolis: Zur Koexistenz von Homo sapiens sapiens und Neandertaler
- Telepolis: Zur Durchmischung von Neandertaler und Homo sapiens
- Sigrid Hartwig-Scherer: Ein möglicher Neandertal-Hybrid und seine Folgen
- Netzeitung: Neue Funde im Neandertal
- ORF: Neandertaler - keine Rasse: Neues aus der Anthropologie in Wien
- Vorlage:Aeiou Jagd und Kunst, Gudenushöhle (Niederösterreich)
- James Q. Jacobs: Neanderthal DNA Sequencing (Genetische Analysen an Neandertalern, Englisch)
- Netzeitung: Hightech in der Altsteinzeit (Benutzen von Pech durch Neandertaler)
- Factum Magazin: Neandertaler wird ganz Mensch
- Landschaftsmuseum Obermain Kulmbach: Wie lebten die Neandertaler?
- Internetplattform mit Zugang zu Daten der bisher gefundenen Neandertaler und deren Fundorte