Kon-Tiki
Kon-Tiki ist der Name des Balsafloßes, mit welchem Thor Heyerdahl 1947 über den Pazifik segelte, um zu beweisen, dass die Indianer Südamerikas durchaus die Möglichkeit besaßen, Polynesien zu erreichen.
Die Theorie
Heyerdahl wollte die gängige Theorie widerlegen, dass Polynesien von Asien aus über Mikronesien und Melanesien entgegen dem Humboldtstrom ostwärts besiedelt wurde. Seine Theorie geht von zwei Hauptbesiedelungswellen aus. Von Südamerika aus, mit der starken Strömung des Humboldtstrom und dem Passatwind westwärts nach Polynesien. Von Südostasien aus, dem Japanstrom folgend, über Britisch-Kolumbien nach Hawaii und von dort aus nach Polynesien. (Er hat nie behauptet, dass eine Besiedelung Polynesiens von Asien aus unmöglich ist. Ihn störte nur, dass dies gegen die Fließrichtung des Humboldtstromes und gegen den Passatwind erfolgt sein sollte.)
Der Archäologe Dr.S.K. Lothrop hatte eine Abhandlung über südamerikanische Seefahrt geschrieben. Er machte genaue Beschreibungen des Balsafloßes, der Segel, der Masten, der Takelage und der interessanten Steuerung. Doch er kam zu dem Schluss, dass so ein Floß nicht lange schwimmt, da die Stämme sich mit Wasser vollsaugen und dann sinken. Alle Polynesienforscher stützten sich auf diese Arbeit Lothrops, dass kein südamerikanisches Seefahrzeug je die Inseln im Pazifik erreicht haben konnte.
Der Name Kon-Tiki stammt von einer sagenhaften Gestalt der Inkas. Vor langer Zeit kamen demnach hellhäutige, bärtige Männer auf Flößen von Osten in das Land der Inkas. Ihr Anführer war der Sonnengott Con-Tiki-Viracocha (Kun Tiqsi Wiraqucha in Quechua), er war von großer Statur und hatte langes weißes bis rötliches Haar sowie Bart und helle Haut. Diese Männer gelten als die Begründer der Zivilisation der Inkas und die Bauwerke, deren Ruinen heute in Tiahuanaco zu finden sind, sollen auf sie zurückgehen.
Kriegerische Angriffe sollen sie jedoch in Richtung Westküste vertrieben haben, von wo sie dann wieder auf Flößen gen Westen davonsegelten.
Die Geschichte der hellhäutigen, bärtigen Männer aus dem Osten findet man dann auch in Polynesien. Die Eingeborenen der Osterinsel berichten, dass in der Vergangenheit ein Mann aus dem Osten kam, der nach einem verlorenen Krieg mit seinen Gefolgsleuten ein riesiges, dürres Land verlassen hatte. Die ersten Europäer, welche die Osterinsel erreichten, berichteten, dass es dort eine Mischbevölkerung gab, die zum Teil aus dunkelhäutigen und zum Teil aus auffallend hellen Einwohnern bestand, wobei die mit heller Haut auch bärtig waren.
Die Expedition
In den USA betreibt Heyerdahl ein umfangreiches Fund-Raising. Selbst im Pentagon wird er vorstellig. Endlich ist es soweit: Er begibt sich nach Ecuador und kann in einer Holzplantage einige riesige Balsastämme fällen, die dann zum Pazifik geflößt werden. Nach alten Beschreibungen bauen sie im peruanischen Marinehafen Callao ein Floß, das den Namen Kon-Tiki trägt. Allen Ratschlägen, die dem Floß nur eine kurze Lebendauer prophezeien zum Trotz verwenden sie nur frische Balsastämme und zum Zusammenbinden nur Naturmaterial. Später werden sie feststellen, daß der Saft die Stämme imprägniert und das Eindringen von Meerwasser verhindert. 1947 ist das Floß fertig und Heyerdahl sticht am 28. April mit seinen fünf Begleitern und einem Papgei in See. Mit dem Humboldt-Strom und der Hilfe des Passat-Windes wolllen sie die 4300 Seemeilen lange Reise nach Polynesien bewältigen. An Bord stapeln sich Trinkwasser, Proviant, wissenschaftliche Instrumente, ein kleines Funkgerät und sogar eine Filmkamera. Mit der Zeit lernt die Besatzung die alte Segeltechnik der Indianer und die Benutzung der Steckkiele zeigt, daß mit dem Floß sogar gekreuzt werden kann. Jeden Morgen werden Fische vom Deck gesammelt und ergänzen die Nahrung. Nach einiger Zeit gelangen sie in den Passat und können Regenwasser auffangen. Unter dem Rufzeichen LI2B gelingt Raaby und Haugland der regelmäßige Kontakt mit amerikanischen Funkamateuren und so können sie sogar dem norwegischen König ein Telegramm zum Geburtstag schicken. Nach ungefähr drei Monaten kommen die ersten Inseln von Tuamotu in Sicht und nach 101 Tagen stranden sie auf einem Korallenriff des Raroia-Atolls. Nach einigen Tagen Robinsonade gelingt es den beiden Funkern, ihre völlig durchnässten Geräte in Gang zu bringen und eine Rettungsaktion gerade noch zu stoppen. Ein französisches Schiff schleppt das Floß nach Tahiti, wo zufällig ein norwegisches Schiff liegt, das die Kon Tiki direkt nach Oslo bringt. Heyerdahl verfasste ein sehr erfolgreiches Buch über diese Expedition und der Dokumentarfilm über die Reise wurde 1951 mit einem Oscar ausgezeichnet.
Besatzung:
- Thor Heyerdahl, der Leiter der Expedition.
- Erik Hesselberg Steuermann und Künstler. Er hat auch das Gesicht auf dem Segel des Floßes gemalt.
- Bengt Danielsson, der einzige Schwede unter den Norwegern war der Koch. Als Soziologe war er wissenschaftlich an Heyerdahls Theorie interessiert. Außerdem konnte er als einziges Expeditionsmitglied spanisch sprechen.
- Knut Haugland war der Funker. Er hatte im zweiten Weltkrieg als Agent an der Sabotage der Fabrik für Schweres Wasser der im norwegischen Rjukan mitgewirkt.
- Torstein Raaby, ebenfalls Funker war als Agent in Norwegen an der Versenkung der Tirpitz beteiligt.
- Herman Watzinger, Ingenieur. Er fertigte die hydrographischen und meteorologischen Aufzeichnungen an.
Danach
Im August 1952 wurde in Cambridge der XXX. Internationale Amerikanistenkongress eröffnet. Heyerdahl wurde eingeladen, da man den jungen Aufrührer mit Argumenten duchlöchern wollte. Nur wenige zweifelten daran, dass dies seine erste und letzte Begegnung mit der internationalen Fachwelt sein würde. Die meisten Gelehrten waren erstaunt, dass ein primitiver Floßfahrer sich wie ein Akademiker ausdrücken konnte. Und er beendete unter Beifall seinen ersten Vortrag. Nach dem dritten Vortrag erklärte der kanadische Anthropologe Professor Ruggles-Gates, dass die letzten Ergebnisse der Blutforschung für die Richtigkeit der Auffassung Heyerdahls sprachen. Der Diskussionsleiter der Vorträge, der dänische Wissenschaftler Professor Kaj Birket-Smith, eigentlich kein Freund von Heyerdahls Theorien, dankte ihm und hob die ungewöhnliche Bedeutung seiner Forschung hervor.