Benutzer:Solfiz/Voltage-Clamp
Unter Voltage-Clamp versteht man ein Verfahren, mit dem man Strom-Spannungs-Zeit-Beziehungen einer Biomembran mithilfe einer Rückkopplungsschaltung erfassen kann. Dabei wird der Verlauf des elektrischen Stroms gemessen, der zur Einhaltung eines vorgegebenen Spannungsprotokolls nötig ist (s. Potentiostat).
Das Problem
besteht im elektrischen Zugang zur Innenseite einer Zelle, der typischerweise durch Glasmikropipetten hergestellt wird, welche die Membran möglichst wenig verletzen sollen und dadurch einen elektrischen Widerstand Rel haben, der viel größer ist als der Membranwiderstand Rm (s. Hodgkin-Huxley-Modell, Elektrische Erregung). Wollte man also an die Membran über die Mikropipetten eine gewünschte Testspannung Ut mit einer äußeren Spannungsquelle anlanlegen, käme an der Membran nur der Bruchteil Um' = Ut·Rm/(Rm + Rel) << Ut an.
Die Lösung
des Problems erzielt man durch die Voltage-Clamp-Schaltung, die im Bild 1 für große, langgestreckte Zellen, Z, (z.B. Riesenaxon des Tintenfischs) skizziert ist. Gibt man als Testspannung Ut ein Clamp-Protokoll mit zeitlich variierter Spannung ein, lässt sich aus dem Verlauf des Clampstroms, I, bei bekannter Geometrie die (membranflächenbezogene) Strom-Spannungs-Zeit-Beziehung der Membran erfassen.
Zur Terminologie
Wenn man wie in Bild 1 bei homogener Stromdichte über einen definierten Zellabschnitt misst, spricht man von Space-Clamp, wenn das nicht gelingt, von Point-Clamp (die Spannung wird nur am Ort der Spannungselektrode auf dem Sollwert gehalten). Bei Patch-Clamp werden mit einer ganz anderen Technik nur die elektrischen Eigenschaften eines winzigen Areals vom Öffnungsdurchmesser der Glasmikropipette ( ≈ 1 µm) untersucht. Buchstäbliche Übersetzungen von Voltage-Clamp als Spannungsklemme sind irreführend, weil nirgends sonst Regelung durch Rückkopplung als Klemme bezeichnet wird. Potentiostasie wäre korrekt, hat sich aber (im Gegensatz zur Elektrochemie, (s. Potentiostat) in der Elektrophysiologie nicht eingebürgert.
Versuchsaufbau
Bild 1. Schematischer Versuchsaufbau zur Messung von Strom-Spannungs-Zeit-Beziehungen einer Biomembran durch Voltage-Clamp. Das ist ein Rückkopplungs-Schaltkreis zur Einhaltung einer - auch zeitlich veränderlichen - wählbaren (Trans-)Membranspannung (Membranpotential) Um. Dazu wird die mit dem Operationsverstärker OPU in Spannungsfolger-Schaltung gemessene Membranspannung Um (Istwert) mit einer frei einstellbaren Testspannung, Ut (Sollwert, Führungsgröße) verglichen. Die Differenz, Um - Ut, wird dann mithilfe des Stromverstärkers, Operationsverstärker OPI, hoch verstärkt, so dass seine Ausgangsspannung so viel Strom über die koaxiale Stromelektrode (schwarz) in die Zelle Z einspeißt, dass Um = Ut. Durch geeignete Elektrodengeometrie (im Bild unten) wird erreicht, dass über einen längeren Zellabschnitt überall dieselbe Dichte (parallele und äquidistante Pfeilchen) des Membranstroms herrscht. Misst man den durch die Membran zur Erde fließenden Strom, I, über einen Zylinderabschnitt definierter Länge, erhält man die gewünschte Membranstromdichte (Im-2) bei der durch Ut eingestellten Membranspannung Um. Beschriftungssymbole: Ut = Testspannung, Führungsgröße, kann frei (auch zeitvariabel) vom Experimentator eingestellt werden; Um = (Trans-)Membranspannung , abgeleitet vom Zellinneren durch elektrolyt-(KCl-)gefüllte Glasmikropipette (µPip) an (nicht-invertierenden) Eingang des Spannungsverstärkers OPU (Spannungsfolger: eigentlich wird nicht die Spannung verstärkt - die ist bei dieser Schaltung nämlich am Ausgang, UA gleich wie am Eingang Um - sondern die Leistung, dadurch dass der Ausgangswiderstand RA(z.B. 100 Ω) von OPU viel geringer ist als sein Eingangswiderstand RE,(z.B. 1012 Ω), welcher wiederum viel größer sein muss als der Elektrodenwiderstand Rel (z.B. 106 Ω); eingezeichnete Widerstände: R1 = R2 (z.B. 103 Ω) sorgen für gleiche Wichtung (Mitte des Spannungsteilers) von Ut und UA (= Um) für die Spannung im Summationspunkt Σ am (invertierenden) Eingang des Stromverstärkers OPI. Mit dem Rückkopplungswiderstand RV am Stromverstärker, OPI, kann man die Verstärkereigenschaften der Realität gegenüber optimieren. Im Idealfall fällt er weg (RV = ∞, Verstärkungsfaktor = ∞).
Elektrische Charakteristik einer hypothetischen Membran.
Gegeben sei eine Biomembran mit einem elektrisch leitenden Membranprotein, das in einem aktiven (offenen, leitenden) Zustand a mit der mittleren Wahrscheinlichkeit pa (0 < pa < 1) oder in einem inaktiven (geschlossenen, nicht-leitenden) Zustand i mit der mittleren Wahrscheinlichkeit pi = 1 - pa vorliegen kann. Die hier zur besseren Verständlichkeit getroffenen Vereinfachungen gegenüber der Realität bestehen darin dass, a) in einer Biomembran verschiedene leitende Membranproteine vorkommen, b) für ein einziges Protein mehrere Zustände der Aktivität (Offenzustände) und vor allem der Inaktivität (Geschlossenzustände) existieren können, c) die Leitfähigkeit des aktiven Proteins linear ist (Bild 2, gestrichelte Linie), und d) die elektrische Membrankapazität (s. Erregungsleitung), auf die am Ende dieses Artikels noch eingegangen wird.
Bild 2. Schema einer stationären, einwärtsgleichrichtenden Strom-Spannungs-Beziehung Iapa als Resultat einer linearen Strom-Spannungsbeziehung (gestrichelt) eines voll aktiven Transportenzyms und seiner spannungsempfindlichen Aktivitätswahrscheinlichkeit pa(u), die im Negativen hoch ist und im Positiven Null wird
vernachlässigt ist. Die nicht-skalierte Spannungsachse u kann so verstanden werden, dass der Schnittpunkt mit der eingezeichneten Stromachse die aktuelle Umkehrspannung (die Spannung, bei der der Strom sein Vorzeichen wechselt) markiert.
Wie häufig der Zustand a und wie häufig der Zustand i vorliegt, ist durch die Geschwindigkeitskonstanten (Übergangswahrscheinlichkeiten) kia und kai bestimmt: pma = kia/(kia + kai) = 1/(1 + kai/kia) und pii = 1 - pa = 1/(1 + kia/kai) (s. Bild 3).
Bild 3. Reaktionsschema für Spannungsempfindlichkeit der Aktivität, pa(u), eines (hier ladungstransportierenden) Enzyms.
Typischerweise hängt die Aktivität pa solch eines Proteins von der elektrischen Spannung U über die Membran ab (englisch Voltage gating), was mit entsprechenden Spannungsabhängigkeiten von kai und kia beschrieben werden kann (Bild 3). Dazu kann man sich vorstellen, der Schalter zwischen a und i trüge eine elektrische Ladung, sagen wir eine positive. Dann wird durch Anlegen einer positiven Spannung das Gleichgewicht in Richtung i verschoben durch Zunahme von kai und/oder Abnahme von kia. Wie stark, kann durch die beiden Spannungsempfindlichkeitskoeffizienten dia = zgδ und dai = zg(δ − 1) in den Expontentialausdrücken exp(daiu) und exp(diau) * ausgedrückt werden, wobei die Ladungszahl zg (apparente gating charge) die generelle Spannungsempfindlichkeit angibt, und δ (0 < δ < 1) den relativen Anteil, mit dem die Hin- und Rückreaktion von der Spannung betroffen sind. Mit unseren vereinfachenden Annahmen zg = 1 und δ = 1/2 (Symmetrie) erhalten wir die gegebenen Ausdrücke eu/2 und e-u/2 in Bild 3 für die Spannungsempfindlichkeiten. Die resultierende Funktion pa(u) ist in Bild 4 skizziert.
- zur einfacheren Schreibweise benutzen wir die reduzierte, dimensionslose Spannung u = UF/(RT) mit der normalen Spannung U (in Volt) und den üblichen, thermodynamischen Symbolen F (Faradaykonstante), R (universelle Gaskonstante) und T (Absolute Temperatur).
Bild 4. Typische Gating-Funktion pa(u) für ein spannungsempfindliches Enzym (s. Bild 3) mit voller Aktivitätswahrscheinlichkeit pa bei negativen Spannungen, die für zunehmend positive Spannungen gegen Null geht. Sie reicht von voller Aktivität bei sehr negativen Spannungen bis zu völliger Inaktivität im Positiven, wobei der charakteristische Wert pa = 1/2 bei derjenigen Spannung eintritt, wenn kai = kia.
Die stationäre, einwärtsgleichrichtende Strom-Spannungs-Beziehung I(u) = Ia(u)pa(u) in Bild 2 (durchgezogene Kurve) ist also das Produkt aus der (hier linearen) Strom-Spannungs-Beziehung, Ia(u), der Transport-Funktion des voll aktiven Enzyms dieser Membran (gestrichelte Gerade in Bild 2) und der (hier sigmoiden) Aktivitäts-Spannungs-Beziehung (Bild 4), pa(u), der Gating-Funktion.
Das zeitliche Verhalten dieser Konfiguration ist ebenfalls durch kai und kiagegeben. Befindet sich das System in Bild 3 bei einer bestimmten Spannung u nicht im Gleichgewicht pakaii = pikia, wird es sich diesem Gleichgewicht exponentiell (e-t/τ) mit der Zeitkonstanten τ = 1/(kaiia + kia) nähern, beziehiehungsweise mit e-λt und der Geschwindigkeitskonstanten λ = 1/τ. Die entsprechenden Spannungsabhängigkeiten von kaiai und kia (s. Bild 3) sowie von λ sind in Bild 5 illustriert,
Bild 5. Schema zur Bestimmung der Systemparameter für die zeitliche Charakteristik eines Reaktionssystems wie in Bild 3.
das übersichtlich wird durch die logarithmische Ordinate mit inearen ln(k)- u - Beziehungen als Asymptoten für λ(u). Die Achsenabschnitte der beiden Asymtoten bei u = 0 liefern die fundamentalen Geschwindigkeitskonstanten kai0 und kai0. Bemerkenswert ist, dass das Minimum der Funktion λ(u) bei derselben Spannung liegt wie pa() = 1/2 (Bild 4), nämlich wenn kai = kia.
Clamp-Protokoll zur Bestimmung von Ia(u), kai0, dai, kia0 und dia
Bild 6 zeigt schematisch den Stromverlauf auf Sprünge zwischen zwei Spannungsniveaus u1 und u2 für ein System mit der Strom-Spannungs-Beziehung des aktiven Enzyms Ia(u) und einer Gating-Funktion pa(u).
Bild 6. Schematischer Verlauf eines typischen Voltag-Clamp-Experiments zur Identifizierung der Systemparameter für die Strom-Spannungs-Zeit-Beziehung eines ladungstransportierenden Enzyms mit spannungsabhängiger Aktivität.
Aus strategischen Gründen wird u1 nach Möglichkeit so gewählt dass pa ≈ 1. Werden jetzt Spannungssprünge nach u2 ausgeführt, liefert der anfängliche Strom (nach Einhaltung einiger Vorsichtsmaßnamen bezüglich der Apparatur und der hier vernachlässigten Membrankapazität) Ia(u), nämlich bevor pa < 1 wird. Aus dem exponentiellen Abfall des Stroms ermitteln wir für jedes u2 ein λ und tragen es in eine Diagramm wie Fig. 5 ein. Bei pa = 0.5 sollte λ ein Minimum aufweisen, bei u = 0 kann man durch Extrapolation der Asymptoten die Werte von kai0 und kia0 ablesen, und deren Spannungsempfindlichkeitskoeffizienten dai und dia ergeben sich aus den Steigungen der Asymptoten in diesem Diagramm. Damit sind alle Parameter ermittelt, welche die Strom-Spannungs-Zeit-Beziehung des zu untersuchenden Systems bestimmen. Die Stromantwort auf die Zurückstufung von den verschiedenen u2-Niveaus auf immer dasselbe u1 ist weniger interessant, kann aber als nützliche Stabilitätskontrolle für das System dienen.
Membrankapazität
Alternativ zu Voltage-Clamp (Messung des Stroms bei vorgegebener Spannung) kann man auch den Verlauf der Spannungsänderung auf Stromstufen mit geringerem apparativem Aufwand verfolgen. Das wird Current-Clamp genannt, auch wenn der eingespeiste Strom nicht durch eine Rückkopplungsschaltung geregelt wird, sondern nur durch einen Funktionsgenerator über einen großen Vorwiderstand >> Rel und eine weitere Mikropipette in die Zelle geleitet wird. Die zeitliche Auflösung der Current-Clamp-Anordnung wird durch die Zeitkonstante der Biomembran τm = RmCm limitiert ( ≈ 1 ms bei Rm ≈ 0.1 Ωm2 und einer Membrankapazität Cm im Bereich von 10 mF m-2). Bei der Voltage-Clamp-Anordnung dagegen kann der Experimentator die zeitliche Auflösung τ = RelCm durch niederohmige Elektroden zur Stromeinspeisung (Rel des dicken koaxialen Drahts in Bild 1) beeinflussen und eine zeitliche Auflösung deutlich unter 1 ms erzielen, die nötig war, um die Aktionspotentiale von tierischen Neuronen zu untersuchen (Erregungsleitung), die im Bereich einzelner ms ablaufen.