Zum Inhalt springen

Depotfund

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. September 2005 um 02:32 Uhr durch DieKraft (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Depotfunde (auch Deponierungen, Hort- oder Verwahrfunde) bezeichnet man in der Archäologie Gegenstände, die in der Erde, in Gewässern, in Mooren, oder Höhlen, niedergelegt wurden.


Definition

Generell spricht der Archäologe von einem Depot, wenn mehrere Gegenstände offensichtlich intentionell niedergelegt worden sind. Einzelne Gegenstände werden dagegen selten als Depotfund erkannt (z.B. der Kessel von Gundestrup) und zumeist (ggf. zu Unrecht) als Verlustfund, d.h. zufällig verlorene Sache, angesprochen. V.a. in der älteren Literatur wird der Begriff "Hort" verwendet, der aber bereits in eine interpretatorische Richtung deutet und deswegen heute selten benutzt wird.

Ursachen der Niederlegung / Befundansprache

Die Interpretation dieser Fundgattung ist relativ schwierig, kann jedoch eingeengt werden, wenn die Zusammensetzung des Depots bekannt ist, d.h. Vollständigkeit garantiert und seine unmittelbare Umgebung ergraben ist. Der Vergleich mit Depots und Grabbeigaben aus derselben Epoche ist ebenfalls sehr wichtig. Diese Indizien ermöglichen die von Fall zu Fall verschieden sichere Einordnung auf einem Bogen, der sich vom rituellen Opfer bis zum "Schatz" spannt.

"Schatz"

Eigentlich stellt jedes größere Metalldepot einen "Schatz" im Sinne des Materialwertes dar. Gemeint sind hier aber insbesondere die Dinge, die im privaten Bereich vergraben wurden, um sie vor fremdem Zugriff zu schützen. Der Zweck dieser "Tresore" in der Erde war eigentlich nur vorübergehend, späteres Ausgraben durch den Besitzer o.ä. sollte den "Schatz" wieder in Umlauf bringen. Durch Zufall jedoch, etwa den Tod des Versteckenden, gerieten einige Depots in Vergessenheit und verblieben in der Erde. Am ehesten lassen sich die mittelalterlichen und neuzeitlichen Münzhorte als "Schätze" ansprechen. Für vorgeschichtliche Depots wird diese Interpretation seltener angeführt.

Rohstoff-Depot

Funde innerhalb von Siedlungen, die zudem hauptsächlich aus sog. Brucherz, d.h. zerbrochenem Altmetall (meist Bronze, im Mittelalter Silber) bestehen, werden meist als eine Art "Recycling"-Lager von Handwerkern o.ä. interpretiert. Die Gegenstände wurden wegen ihres bloßen Materialwertes und der Wiederverwertbarkeit aufgehoben, um bei Bedarf eingeschmolzen zu werden. Zur besseren Handhabung, d.h. zur Gewichtskontrolle und Anpassung an den Schmelztiegel wurden größere Gegenstände zerkleinert. Die unterirdische Lagerung wurde evtl. aus Gründen des Korrosionsschutzes gewählt.
Problematisch ist hierbei, daß Gegenstände auch aus rituellen Gründen unbrauchbar, d.h. zerbrochen werden konnten.

Rituell/Kultisch

Im weitesten Sinne religiös intendierte Niederlegungen lassen sich am glaubhaftesten durch die Wiederholung des Motivs untermauern. Kann durch den Vergleich mehrerer gleichzeitiger Depots eine Regelhaftigkeit nachgewiesen werden, ist ein ritueller Hintergrund wahrscheinlich. Typische Beispiele sind die "Garnitur"-Depots der Lausitzer Kultur, die regelmäßig aus einem Satz Frauenschmuck bestehen und sich durch ihre strenge Kanonisierung regional, d.h. in Trachtgruppen, untergliedern lassen. Ursache dieser "Opferungen" könnten Übergangsriten, etwa in Verbindung mit der Heirat o.ä. gewesen sein, die einen Trachtwechsel forderten. Andererseits können auch gerade die Besonderheiten, z.B. der Materialwertes oder die symbolbehaftete Anordnung der Gegenstände auf eine kultische Niederlegung schließen lassen (bekanntestes Beispiel: Himmelsscheibe von Nebra). Weiterhin liegt die kultische Interpretation bei Depots an markanten Geländepunkten nahe, allerdings ist hier die Gefahr des Zirkelschlusses groß.


Vorkommen

Depots können sich innerhalb von Siedlungs-Fundplätzen befinden (z.B. in der Jungbronzezeit Mitteleuropas), meistens liegen sie jedoch abseits. Manchmal lassen sich auffällige Geländemarkierungen wie Felsen oder Quellen, Seen oder Teiche in der Nachbarschaft finden; Bevorzugung von exponierten Höhenlagen (z.B. Bullenheimer Berg) wurden ebenfalls beobachtet. Aufgrund dieser oft vereinzelten Lage werden Depotfunde nur selten bei geplanten archäologischen Grabungen geborgen; häufiger ergeben sie sich aus land- und forstwirtschaftlichen oder baulichen Maßnahmen, die dann bestenfalls zu Grabungen führen.

Depotfunde sind für verschiedene Kulturen bzw. Zeiten unterschiedlich häufig belegt. Die Sitte Depots anzulegen erreicht in Mitteleuropa ihren ersten Höhepunkt während der Trichterbecherkultur (TBK) während die in Anzahl und Inhalt umfangreichsten Niederlegungen aus der Jungbronzezeit stammen.


Wissenschaftliche Bedeutung

Depotfunde sind von besonderem archäologischem Wert, da es sich in den meisten Fällen um geschlossene Funde handelt, die die Grundlage für die Entwicklung relativer Chronologien bilden. Weiterhin können sie Aufschluß über Bräuche, Trachten, Techniken und Sozialgefüge geben. Überdies sind weitreichendere historische Interpretationen möglich. So kann die Zunahme von Depotfunden aus bestimmten Epochen als Indiz für die Zunahme politischer Unsicherheit interpretiert werden - wie z.B. in der beginnenden Mittelbronzezeit in Mittel- und Südosteuropa, wo außerdem die gleichzeitige Häufung von Befestigungsanlagen auf eine Krisen- oder Umbruchszeit hindeuten.


Literatur

  • K. Randsborg: Wetland Hoards 2002
  • D. B Bamforth, P. C. Woodman: Tool hoards and Neolithic use of the landscape in north-eastern Ireland. 2002
  • M. Rech: Studien zu Depotfunden der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur des Nordens 1979
  • V. Hubensack: Zufälle als Schatzquelle - Aspekte und Anekdoten zur Auffindung von Depots. In: B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter (Berlin 1997)
  • C. Sommerfeld: Gerätegeld Sichel. Studien zur monetären Struktur bronzezeitlicher Horte im nördlichen Mitteleuropa. Vorgeschichtliche Forschungen 19 (Berlin 1994)