Zum Inhalt springen

Anders Behring Breivik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Juli 2011 um 08:18 Uhr durch Luc Luy (Diskussion | Beiträge) (Änderung 91871166 von Fröhlicher Türke wurde rückgängig gemacht. Muslim-POV). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Anders Behring Breivik (Facebook portrait in suit).jpg
Im Internet selbst publiziertes Foto von Anders Behring Breivik

Anders Behring Breivik (IPA: ['andəʂ 'beːriŋ 'bræɪviːk]; * 13. Februar 1979 in London[1] oder Oslo[2]) ist ein norwegischer mutmaßlicher Terrorist. Er wurde am 22. Juli 2011 als Tatverdächtiger im Zusammenhang mit den Anschlägen in Norwegen 2011 am Tatort auf der Insel Utøya festgenommen und gestand am nächsten Tag umfassend.[3][4]

Leben

Breivik wuchs in gut situierten Verhältnissen im Osloer Westen auf. Seine Eltern ließen sich ein Jahr nach seiner Geburt (1980) scheiden. Bis kurz vor der Tat wohnte Breivik bei seiner Mutter, einer ausgebildeten Krankenschwester, während er zu seinem Vater, einem früheren Diplomaten, seit 1995 keinen Kontakt mehr hat.[5][6] Breivik besuchte Schulen in westlichen Stadtteilen der norwegischen Hauptstadt und legte sein Abitur am angesehenen Handelsgymnasium Oslo ab.[7] Nachdem er seinen Wehrdienst abgeleistet hatte, versuchte er erfolglos, verschiedene Firmen zu etablieren, so etwa ein Unternehmen, das sich auf den Verkauf ausländischer Waren in Norwegen spezialisierte, sowie ein Online-Handelsgeschäft.[8] Eigenen Angaben zufolge verdiente er mit dem Vertrieb von Computer-Software circa vier Millionen norwegische Kronen, die er für den Aufbau einer anti-islamischen Organisation verwenden wollte. Bei Börsenspekulationen hätte er jedoch das Geld wieder verloren.[9][10]

Im Mai 2009 ließ er das in der Gemeinde Åmot ansässige Agrarunternehmen Breivik Geofarm im Handelsregister eintragen.[11] Laut Registereintrag wollte sich Breivik dem „Anbau von Gemüse, Melonen, Wurzel- und Knollengewächsen“[11] widmen. Für das Unternehmen, das er alleine betrieb, kaufte er am 4. Mai 2011 sechs Tonnen Kunstdünger, der nach Angaben der Polizei zum Bombenbau verwendet worden sein könnte.[12] Einige Tage nach den Anschlägen fand die Polizei auf dem Gelände von Breiviks Farm Sprengstoff, den sie kontrolliert zur Explosion brachte.[13] Auf seinen Namen sind im staatlichen Register zwei Waffen eingetragen.

Breivik war von 1999 bis 2006 Mitglied der rechtspopulistischen Fremskrittspartiet. Zwischen 1997 und 2007 engagierte er sich in der Jugendorganisation der Partei und war dort in verschiedenen Funktionen tätig. Von Januar bis Oktober 2002 leitete er den Ortsverband Oslo West, anschließend war er bis zum November 2004 im Vorstand des Ortsverbandes tätig.[14] Breivik war bis zum Bekanntwerden seiner Tat Mitglied der Johannisloge St. Olaus til de tre Søiler, einer christlichen norwegischen Freimaurerloge, in der er den dritten Grad erworben haben soll.[8][15][16]

Von 2005 bis 2007 und von Juni 2010 bis zu seinem Ausschluss kurz nach den Attentaten gehörte Breivik dem Oslo Pistolklubb an, einem unpolitischen Sportschützenverein in Oslo, der im norwegischen Schützen- und Sportverband organisiert ist. Er nahm laut Angaben des Vereins ab Juni 2010 an 13 organisierten Trainingseinheiten und einem Wettbewerb teil, ohne im Verein in Bezug auf politische Standpunkte oder auf andere Weise aufgefallen zu sein.[17]

Anschläge in Oslo und auf Utøya

Breivik setzte am 22. Juli 2011, als Polizist gekleidet, auf die Insel Utøya über, auf der das alljährliche Zeltlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation Arbeidernes Ungdomsfylking stattfand. Zuerst erschlich er das Vertrauen der anwesenden Jugendlichen, eröffnete dann ohne Vorwarnung das Feuer auf sie und tötete im Laufe von etwa 60 Minuten insgesamt 68 Menschen.[18] Er gestand auch den Bombenanschlag im 30 km entfernten Oslo. Die Bomben waren etwa zwei Stunden vor den Morden auf der Insel im Regierungsviertel der Hauptstadt detoniert und hatten acht Menschen getötet. Er ließ sich von den eintreffenden Polizeikräften auf Utøya festnehmen und befindet sich in Polizeigewahrsam. Ob Breivik allein gehandelt hat, ist unsicher.[19][20][21][22]

Ideologischer Hintergrund

Die erste Einschätzung des Fahndungschefs Øystein Mæland wies Breivik „wohl eine rechtsextreme, christlich-fundamentalistische Haltung“ zu.[23] Der norwegische Sozialwissenschaftler Lars Gule charakterisiert Breivik als nationalkonservativ, er habe eine konservative, christliche Ideologie, vermutlich aber ohne fundamentalistischen oder neonazistischen Hintergrund.[24] Einschätzungen, die in Breivik einen christlich-religiösen Attentäter ausmachten, wurden insofern als haltlos zurückgewiesen, als das Christentum für Breivik keine religiöse Bedeutung hat, sondern als Vehikel für die Behauptung einer europäischen Identität dient.[25] [26] Oda Lambrecht und Christian Baars veröffentlichten eine Einschätzung, nach der Breivik zwar in seiner Islamfeindlichkeit, der Intoleranz und der militaristischen Sprache Parallelen zum christlichen Fundamentalismus zeige, seine Ablehnung eines persönlichen Verhältnisses zum Glauben aber dagegen spreche und Breivik „kompromisslos bestimmte konservative Werte“ vertrete.[27]

Angaben der schwedischen Expo-Stiftung zufolge war Breivik seit 2009 im rechtsextremen Forum nordisk.nu aktiv.[28] Im norwegischen islamkritischen Forum Document.no hat Breivik 75 Beiträge hinterlassen. Unter anderem erklärte er hier, warum er die als zu gemäßigt und etabliert erachtete Fremskrittspartiet wieder verlassen habe. Er bezeichnete es als Fehler der Partei, dass sie „multikulturellen Forderungen und den suizidalen Idealen des Humanismus“ nachgegeben habe.[29] In den letzten Jahren vor dem Anschlag beteiligte er sich am Aufbau eines norwegischen Ablegers der English Defence League, der Norwegian Defence League[30] und nutzte dort das Pseudonym Sigurd Jorsalfar.[31]

Unter dem Pseudonym Andrew Berwick hat Breivik ein über 1500-seitiges Pamphlet mit dem Titel 2083: A European Declaration of Independence zusammengestellt und kurz vor den Anschlägen an 1003 E-Mail-Empfänger versandt.[32] In der auf Englisch verfassten Schrift, dessen Deckblatt das Kreuz des Templerordens zeigt, ist von einer Bedrohung Europas durch „Multikulturalisten, “Kulturmarxisten” [...] und kapitalistische Globalisten“ zu lesen.[4][33][34][35] Die Schrift besteht in großen Teilen aus einer Zusammenstellung fremder Texte von rechtspopulistischen und islamfeindlichen Webseiten.[30] So übernahm er in großem Umfang Texte des norwegischen Bloggers Fjordman, den er als seinen „Lieblingsschriftsteller“ bezeichnete.[36]

Wenige Stunden vor den Anschlägen stellte er ein etwa zwölf Minuten langes Video mit dem Titel Knights Templar 2083 ins Internet.[37][38] Breivik bezeichnet sich im Video und in seiner schriftlichen Erklärung als hochstehendes Mitglied (Commander) der Nachfolgeorganisation der Tempelritter, die angeblich 2002 in London gegründet worden ist. Er bezieht sich auf den Sieg über die Türken vor Wien 1683[39] und auf historische Gestalten aus der Reconquista und den Kreuzzügen, die er als Vorkämpfer gegen den Islam begreift: „Wir schauen darauf, was unsere Vorväter […] taten und stellen fest, dass wir Europa nur retten können, wenn wir die Prinzipien unserer Vorfahren annehmen. […] Vorwärts, christliche Kämpfer!“ Als wichtige Grundsätze nennt er explizit „Stärke, Ehre, Aufopferung und Märtyrertum“.[40]

Breiviks Erklärung enthält auch ein in Tagebuchform geführtes Protokoll über die Vorbereitung der Anschläge.[41] In seinem „Manifest“ zitierte Breivik mehrfach aus dem sogenannten Unabomber-Manifest (1995) des US-amerikanischen Bombenlegers Ted Kaczynski.[42]

Einzelnachweise

  1. BBC News - Profile: Anders Behring Breivik. In: bbc.co.uk. Abgerufen am 29. Juli 2011.; Norway killings: the quiet and modest man who became peacetime Europe's worst mass killer - Telegraph. In: telegraph.co.uk. Abgerufen am 29. Juli 2011.
  2. Aftenposten vom 15. Februar 1979, Seite 10
  3. Verdächtiger legt Geständnis ab. Tagesschau.de, abgerufen am 24. Juli 2011
  4. a b Massenmord in Norwegen: Attentäter begründet Bluttat mit krudem Menschenhass - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Panorama. In: spiegel.de. Abgerufen am 29. Juli 2011.
  5. Terrorsiktedes far ble varslet gjennom nettaviser. Verdens Gang, 24. Juli 2011
  6. Der unauffällige Massenmörder. Spiegel Online, 26. Juli 2011
  7. Pågrepet 32-åring kalte seg selv nasjonalistisk, VG Nett vom 23. Juli 2011 (norwegisch). Abgerufen am 23. Juli 2011.
  8. a b Anders (32) tatt etter massakrene. Dagbladet, 23. Juli 2011.
  9. Terroraksjonen var «plan B». NRK, 26. Juli 2011
  10. Hadde muslimsk bestevenn og en god barndom. Drammens Tidende, 24. Juli 2011
  11. a b Eintrag im Handelsregister von Brønnøysund brreg.no (Abgerufen am 25. Juli 2011)
  12. Von Oslo nach Utoya: So machte der Attentäter Jagd auf seine Opfer. Welt Online
  13. Polizei zündet Sprengstoff auf Breivik-Farm. tagesschau.sf.tv, 27. Juli 2011
  14. Frp: Breivik har vært medlem og har hatt verv i ungdomspartiet. Aftenposten, 23. Juli 2011.
  15. Anschläge von Norwegen. Süddeutsche.de, 23. Juli 2011, abgerufen am 23. Juli 2011.
  16. Den Norske Frimurerorden. Offizielle Website des Norwegischen Freimaurerordens mit englischsprachiger Erklärung zum Ausschluss Breiviks, abgerufen am 24. Juli 2011
  17. Website des Oslo Pistolklubbs, abgerufen am 27. Juli 2011:
    Oslo Pistolklubb kan bekrefte at Anders Behring Breivik har vært medlem av Oslo Pistolklubb fra 2005 til 2007 og nå siden juni 2010.
    Breivik er ekskludert som medlem fra Oslo Pistolklubb med umiddelbar virkning. […]
    Breivik har som medlem deltatt på tretten organiserte fellestreninger og én konkurranse siden juni 2010 uten at han har gjort seg bemerket i forhold til politiske standpunkt eller på annen måte som kan ha gitt et forvarsel til de dypt tragiske hendelsene.
  18. Nedjusterer antallet døde på Utøya til 68. Dagbladet, 25. Juli 2011, abgerufen am 25. Juli 2011.
  19. Anders (32) i Oslo ble pågrepet etter bombe og massedrap | TV 2 Nyhetene. Tv2.no, abgerufen am 22. Juli 2011.
  20. Daily Mail Reporter Named: The Blond Norwegian, 32, Arrested over 'Holiday Island Massacre' and Linked to Oslo Bomb Blasts, Which Killed 7 People and Injured Many More. In: Daily Mail, 22. Juli 2011. Abgerufen am 22. Juli 2011  Fehler beim Aufruf der Vorlage:Cite news: Der Parameter Vorname wurde angegeben, aber Nachname fehlt.
  21. Pågrepet 32-åring kalte seg selv nasjonalistisk – VG Nett. Vg.no, abgerufen am 22. Juli 2011.
  22. http://edition.cnn.com/2011/WORLD/europe/07/25/norway.terror.attacks/index.html
  23. 91 Menschen sterben bei Anschlägen. Zeit Online, 23. Juli 2011.
  24. Mein kleines Land gibt es nicht mehr. FAZ, 25. Juli 2011.
  25. Anders Behring Breivik: Christian terrorist? Right-wing extremist? Madman?
  26. Reinhard Bingener: Fanatische Fantasy, faz.net
  27. Oslo-Attentäter: Christlicher Fundamentalist? von Oda Lambrecht und Christian Baars auf mission-gottesreich.de, abgerufen 30. Juli 2011
  28. Terrormisstänkt medlem på nazistforum. expo.se, abgerufen am 23. Juli 2011.
  29. Dette mener Anders Behring Breivik. Aftenposten, 23. Juli 2011
  30. a b Der Attentäter und die Hassblogger. Spiegel Online, 24. Juli 2011.
  31. deutsch: Sigurd, der Kreuzfahrer, Beiname von Sigurd I. (Norwegen)Police probe Breivik’s links abroad von Nina Berglund in Views and News from Norway, 26. Juli 2011
  32. Text veröffentlicht von der BBC
  33. Breiviks Manifest offenbart Hinweise auf Mitwisser. Welt-Online, 25. Juli 2011
  34. Aufruf eines „Tempelritters“. Der Westen, 25. Juli 2011
  35. Krude Thesen und konkrete Anweisungen. Berliner Zeitung, 25. Juli 2011
  36. Weltbild der Verschwörung. Spiegel Online, 26. Juli 2011, abgerufen am 29. Juli 2011
  37. Polizei sucht weiter nach Opfern. tagesschau.de, abgerufen am 24. Juli 2011
  38. Norway dealing with worst massacre since World War II. Washington Times, 24. Juli 2011.
  39. Christian Brommarius: Breivik und Broder. FR vom 28. Juli 2011.
  40. Grausamer YouTube-Kreuzritter. Spiegel Online, 25. Juli 2011
  41. „Kreuzzug gegen den Kulturmarxismus“. FAZ.net, 25. Juli 2011, abgerufen am 25. Juli 2011
  42. Behring Breivik kopierte fra Unabomberen. Aftenposten, 24. Juli 2011