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Entwicklungsland

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Die ärmsten Staaten der Welt: Low-Income-Countries (LIC) (Einkommen/Einwohner unter 745 US$), Quelle: Weltbank 2001

Ein Entwicklungsland ist nach allgemeinem Verständnis ein Land, welches hinsichtlich seiner wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung einen relativ niedrigen Stand aufweist. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für Länder die nach allgemeinem Sprachgebrauch als "arm" gelten. Welches Land als Entwicklungsland gilt oder nicht, ist vom Maßstab an dem man die Entwicklung eines Lands misst abhängig (siehe Abschnitt Gemeinsame Merkmale der Entwicklungsländer). Der Begriff entstammt der Fach- und Alltagssprache der Entwicklungspolitik und genießt allgemein eine hohe Akzeptanz. Diese hohe Akzeptanz entsteht auf der einen Seite durch eine relativ wertfreie Wortwahl und auf der anderen Seite durch eine begriffliche Unschärfe.

Dem Ausdruck Entwicklungsland liegt - trotz verschiedenster Versuche - kein theoretisches Konzept zugrunde. Ein Versuch der näheren Bestimmung dieses Begriffs führt zwangsläufig zu der Frage, was Entwicklung überhaupt bedeutet.

Allgemeiner Sprachgebrauch

Grundlegende Anmerkungen

Für den Begriff Entwicklungsland gibt es eine Vielzahl von Synonymen. Einige Beispiele dafür sind: Dritte Welt, Vierte Welt oder Fünfte Welt. Alle diese Begriffe sind - ebenso wie "Entwicklungsland" selbst - teilweise umstritten und werden von einigen Fachleuten abgelehnt. Kritiker des Begriffs Entwicklungsland wenden beispielsweise ein, dass er etwas suggeriert, was manchmal gar nicht stattfindet: nämlich Entwicklung. Einer der prominentesten Kritiker dieses Begriffs ist der schwedische Ökonom Gunnar Myrdal.

Gar nicht mehr gebräuchlich sind: "unterentwickelte Länder" (underdeveloped countries), "rückständige Länder" (backward countries) oder "nicht-entwickelte Länder" (undeveloped countries). Diese Begriffe erschien zum ersten Mal im UNO-Programm von 1949, sind jedoch stark wertbehaftet und können von den Bewohnern der betroffenen Länder als verletzend empfunden werden. Sie werden deshalb von UNO und Weltbank nicht mehr verwendet und sollten auch im öffentlichen Sprachgebrauch abgelehnt werden.

Internationale und nationale Sprachregelungen

International gibt es keine eindeutige Sprachregelung. So wurde zum Beispiel in Folge einer UN-Vollversammlung im Jahr 1971 die "Least Developed Countries" (LLDC) von den "Less Developed Countries" (LDC) unterschieden. Nicht alle UN-Organisationen unterscheiden jedoch zwischen den beiden Gruppen.

Für den deutschen Sprachgebrauch besteht das Problem der Übersetzbarkeit der Begriffe. Der umständliche Ausdruck "weniger entwickelte Länder" hat sich daher nie durchgesetzt. So verwendet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) entweder den englischsprachigen Begriff LDC oder den deutschen unbestimmten Begriff Entwicklungsland. Auch macht das BMZ keinen Unterschied zwischen LDC und LLDC und kürzt die "Least Developed Countries" mit LDC ab. Die schweizerische "Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit" (DEZA) vermeidet eher den Begriff Entwicklungsland zugunsten des Begriffs Partnerländer.

Der Ausdruck Nord-Süd

Der Ausdruck "Nord-Süd" wird immer häufiger von den Entwicklungsländern selbst benutzt. Auch den Ausdruck "Nord-Süd-Beziehungen" kann man immer häufiger als Ersatz für den Begriff Entwicklungspolitik finden. Das BMZ verwendet beispielsweise diese Bezeichnung. Dieser Begriff ist weitgehend wertfrei, da er als geographische Bezeichnung dasteht. Ein begrifflicher Irrtum besteht jedoch darin, dass die Entwicklungsländer keineswegs mehrheitlich auf der südlichen Halbkugel liegen. Gleiches gilt im umgekehrten Sinne auch für den Begriff Norden. Der Begriff Westen als Synonym für die reichen Staaten ist geographisch ebenso ungenau; außerdem ist er ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges.

Industriestaaten und Nicht-Industriestaaten

Mit Industriestaaten versucht man die industrialisierten Staaten von den Entwicklungsländern, welche diesen Zustand noch erreichen müssen, abzugrenzen. Hier liegt auch schon der Widerspruch: die Industrialisierung Europas lässt sich nur schlecht mit den Prozessen vergleichen, die heute in den Entwicklungsländern stattfinden. Außerdem stellt sich das Zuordnungsproblem mit den industrialisierten ehemaligen sozialistischen Ländern (Ostblock). Letztlich haben sich die mit dem Ausdruck Industriestaaten gemeinten Länder, wenn man den Anteil der Industrie am Bruttosozialprodukt betrachtet, heute meistens schon zu "Dienstleistungsstaaten" entwickelt.

Der Begriff Dritte Welt

Wer sich mit dem Begriff Entwicklungsländer beschäftigt, der wird früher oder später auf den Begriff Dritte Welt stoßen. Er stammt aus den 50er Jahren und war ursprünglich politisch geprägt. Er definierte die Blockfreien Staaten, eine Gruppe von meist jungen Staaten (die gerade erst ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten), welche sich nicht durch den Kalten Krieg ideologisch vereinnahmen lassen wollten.

Die Forderung, von diesem Begriff Abschied zu nehmen, begann schon zu Anfang der 80er Jahren, lange vor dem Ende des Ost-West-Konflikt. Ulrich Menzel begründete und untermauerte diese Forderung im Jahr 1992 in seinem Buch "Ende der Dritten Welt" mit der einfachen Rechnung, dass wenn die Zweite Welt verschwunden wäre, es auch keine Dritte Welt mehr geben könnte. Viele ehemalige "Dritte-Welt-Gruppen" nannten sich daraufhin um in "Eine-Welt-Gruppen".

Das BMZ verwendet diesen Begriff nicht mehr. Trotzdem ist der Begriff "Dritte Welt" noch nicht verschwunden und existiert weiter fort, was die Tatsachen belegt, dass die Autoren von "Jahrbuch Dritte Welt", "Lexikon der Dritten Welt", "Handbuch der Dritten Welt" oder "Third World Quarterly" ihre Titel aus guten Gründen noch nicht umbenannt haben. Auch in der Alltagssprache wird er noch benutzt, wobei ihm manchmal die Worte "so genannte" vorgestellt werden, die seine Aussagekraft aber auch nicht erhöhen.

Reich und Arm

Sowohl "reich" als auch "arm" definieren den Entwicklungszustand eines Landes nur unzureichend. Die Begriffe finden ihre Verwendung eher in Verbindung mit dem Vermögen von Einzelpersonen. So gibt es Armut auch in Länder mit hohem Durchschnittseinkommen (Beispiel: Deutschland, Schweiz usw.) und Reichtum in Entwicklungsländer (Beispiel: ölexportierende Länder).


Strukturelle Probleme der Entwicklungsländer und ihre Ursachen

Ursachen der strukturellen Probleme

Hauptartikel: Entwicklungstheorie

Zu den Ursachen des relativ geringen Entwicklungsniveaus in den betroffenen Ländern existieren eine Vielzahl von Entwicklungstheorien. Die meisten Theorien betonen dabei entweder stärker die endogenen (vom betreffenden Land selbst verursachten) oder die exogenen (extern verursacht) Faktoren. In der Regel sind für die strukturellen Probleme der Entwicklungsländer eine Vielzahl verschiedenster Faktoren verantwortlich, sowohl exogene wie auch endogene, die sich wechselseitig beeinflussen.

Strukturelle Probleme und ihre Wirkungszusammenhänge

Strukturelle Probleme wirken grundsätzlich über einen längeren Zeitraum und äußern sich in der Vernetzung von bestimmten Phänomenen. Mit Strukturen sind die Basisselemente und Wirkungszusammenhänge, welche die internen Vorgänge und Reaktionsweisen eins Systems prägen, gemeint. Charakteristisch für Entwicklungsländer ist die oft unzureichende Fähigkeit die eigene Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und lebenswichtigen Dienstleistungen zu versorgen; mit anderen Worten: ihr ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang hat beispielsweise die Weltbank nachgewiesen, dass die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten schon durch eine geringe Umverteilung des vorhandenen Reichtums in der Lage wären, die Massenarmut zu überwinden. Hier handelt es sich also nicht um ein Produktionsproblem, sondern um ein politisches Strukturproblem oder schlichtweg um eine Fehlentwicklung (vgl. Nuscheler 2004, S. 186).

Strukturelle Probleme müssen aber nicht zwangsläufig politischer Natur sein, sondern können auch in anderen Bereichen existieren (Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt etc.). So führt die Unterversorgung der Bevölkerung zu Armut, Hunger und dadurch zu einer geringeren Produktivität. Dies hat eine noch schlechtere Versorgungslage zum Ergebnis. Chronische Unterernährung führt darüber hinaus (vor allem bei Kindern) zu einer von vorneherein gehemmten geistigen und körperlichen Entwicklung. Letztendlich ist ihre Fähigkeit durch Kreativität oder Produktivität ihre eigene Situation zu verbessern, also sich zu entwickeln, eingeschränkt und es handelt sich um ein sozio-strukturelles Problem.

Ein anderes strukturelles Problem ist die Diskriminierung von Frauen, was gerade in den letzten Jahren vermehrt als eine grundlegende Ursache der Problemen der Entwicklungsländer erkannt wurde. Wenn Frauen diskriminiert oder unterdrückt werden, bilden sie in den entsprechenden Gesellschaften ein "blockiertes Entwicklungspotential". Die Gesellschaft ist somit nicht in der Lage eine vorhandene und bedeutende Entwicklungsressource zu nutzen. Abgesehen davon ist dieses Thema natürlich ein Menschenrechtsproblem.

Ebenso gravierend kann sich ein allzu schnelles Bevölkerungswachstum auf die bereits vorhandenen Entwicklungsprobleme auswirken. Wenn das Wirtschaftswachstum mit dem Bevölkerungswachstum nicht mehr Schritt halten kann, kommt es zum Beispiel in den Städten zu Slumbildung und Arbeitslosigkeit, sowie im ländlichen Raum zu Ernährungsproblemen und unangemessener Landnutzung (einhergehend mit irreversiblen ökologischen Schäden).

Auswirkungen der Erdölkrise von 1973 auf die Entwicklungsländer

Die Ölkrise von 1973 führte zu einer Preisexplosion des Erdöls, wovon die erdölexportierenden Länder (OPEC und nicht-OPEC) profitierten. Die ölimportierenden Industrieländer waren sowohl Opfer, als auch Begünstigte (als Lieferanten der zunehmend nachgefragten Investitions- und Konsumgüter). Die ölimportierenden Entwicklungsländer konnten jedoch die entstandenen Verluste nicht durch Gegengeschäfte ausgleichen (nimmt man den Kapitalrückfluss von Arbeitsmigranten einmal aus) und wurden in ihrer Entwicklung gebremst oder zurückgeworfen. In den 80ern kam es dann schließlich aufgrund verschiedener weltwirtschaftlicher Entwicklungen zu einem dramatischen Preissturz, was zur Folge hatte, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen von Ländern wie Libyen oder Nigeria halbierte. Allgemein sind Entwicklungsländer durch Erdölkrisen stärker betroffen und es ist davon auszugehen, dass kommende Energiekrisen weiterhin einen hemmenden Faktor in ihrer Entwicklung darstellen werden.

Gemeinsame Merkmale der Entwicklungsländer

Unter den Merkmalen versteht man die Symptome der strukturellen Probleme. Seit den 50er Jahren gibt es schon die sogenannten "Merkmalslisten", welche die zentralen Entwicklungsproblemen versuchen auzuflisten. Es ist aber umstritten mit welchen gemeinsamen Merkmalen die Entwicklungsländer beschrieben werden können, wenn es solche gemeinsamen Merkmale überhaupt gibt. Die Kritiken an einem Merkmalkatalog für Entwicklungsländer basiert vor allem auf der Tatsache, dass die Gemeinsamkeiten zweier Entwicklungsländer in Bezug auf diesen Merkmalkatalog nicht zwangsläufig grösser sein muss als zwischen einem Entwicklungsland und einem Industrieland. Auch bei einzelnen Industrieländern können die in der Liste aufgeführten Merkmale beobachtet werden. Deshalb wirft die Klassifizierung von Entwicklungsländern anhand von schematisierten Merkmalen immer wieder Fragen auf, da die verschiedenen Merkmale und ihre relative Bedeutung kontrovers diskutiert werden. Darüber hinaus bestehen zwischen den genannten Punkten Wechselwirkungen.

Ökonomische Merkmale

Verteilung der Arbeitnehmer auf die Wirtschaftssektoren - Bangladesch (2000)

Ein großer Teil der ökonomischen Merkmale entstehen als direkte Folge der geringen Wertschöpfung in den Entwicklungsländern. So ist meist ein hoher Anteil der Bevölkerung in den Entwicklungsländern im primären Sektor tätig, wo volkswirtschaftlich keine große Wertsteigerung erzielt wird. Die einseitige Exportpalette (z.B. Landwirtschaftliche Güter oder Bodenschätze) und die außenwirtschaftliche Ausrichtung auf die Industrieländer wurzelt auch in der kolonialen Vergangenheit.

Andere ökonomische Merkmale sind:

Ökologische Merkmale

Marginalsiedlungen in der Nähe einer Mülldeponie in Cipinang, Jakarta Indonesien.

Viele Entwicklungsländer sind in besonderem Ausmaß von ökologischen Problemen betroffen. So kommt das UN-Umweltprogramm UNEP und das World Watch Institute zu dem Schluss, dass in den Entwicklungsländern 90% des weltweiten Artensterbens, der Bodenerosion und der Waldrodung stattfinden. Da die natürlichen Ressourcen der Entwicklungsländer zu ihren wichtigsten Reichtümern und damit zur eigenen Existenzgrundlage zählen, treffen Umweltkrisen die Entwicklungsländer besonders hart. Aufgrund der globalen Auswirkungen von Umweltkrisen muss aber hier auch die Rolle und Verantwortung der Industrieländer betrachtet werden. Die Debatte um das Kyoto-Protokoll ist ein aktuelles Beispiel dafür.

Gravierende ökologische Merkmale sind:

Demographische Merkmale

Bevölkerungspyramide von Niger (2005) - typische Form für ein Entwicklungsland, viele Kinder, niedrige Lebenserwartung

Viele Entwicklungsländer befinden sich noch in einer frühen Phase auf dem Modell des demographischen Übergangs. Das bedeutet, dass ihre Bevölkerungsdynamik sich durch eine hohe Geburtenrate und eine stark rückläufige Sterberate (zum Beispiel bessere medizinische Versorgung) charakterisieren lässt. Dies führt zu einem starken und oft unkontrollierbaren Bevölkerungswachstum, welches mit einer extremen Verjüngerung der Bevölkerungsstruktur einhergeht (als Beispiel siehe Bild "Bevölkerungpyramide von Niger").

Beispiele für demographische Merkmale sind:

Volksgesundheitliche Merkmale

Choleraverbreitung auf der Welt (Stand 2004)

Der gesundheitliche Zustand der Bevölkerung in Entwicklungsländer ist oft problematisch. Dies äußert sich beispielsweiese in einer geringen Lebenserwartung oder einer hohen Säuglingssterberate (siehe demographische Merkmale). Wegen mangelnder Hygiene in Slums (z.B. fehlende Abwasserreinigung) ist die Bevölkerung in diesen Armenvierteln besonders anfällig für Krankheiten und Epidemien (zum Beispiel Cholera; siehe Abb. rechts).

Beispiele für volksgesundheitliche Merkmale:

  • Unzureichende und/ oder ungesunde Ernährung
  • Mangel an sauberem Trinkwasser
  • Fehlende Abwasserreinigung
  • Gesundheitsmängel und unzureichende medizinische Versorgung
  • Mängel in der schulischen Gesundheitserziehung

Sozio-kulturelle Merkmale

Unter sozio-kulturellen Merkmalen versteht man das Zusammenwirken von gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Verhaltensweisen. Ein sozio-kulturelles Merkmal einiger Entwicklungsländer ist beispielsweise die strukturelle Benachteiligung der Frauen, wodurch Entwicklungspotentiale blockiert werden (siehe Strukturelle Probleme und ihre Ursachen). Aber auch das entwicklungshemmende wirtschaftliche Verhalten einer reichen Oberschicht kann ein sozio-kulturelles Merkmal sein.

Weitere sozio-kulturelle Merkmale:

Politische Merkmale

Die politischen Probleme der Entwicklungsländer werden seit Ende der 80er Jahre wieder verstärkt berücksichtigt. Die politischen Merkmale sind dabei nicht nur die Folge des staatspolitischen Unvermörgens politischer Elite in einem Entwicklungsland, sondern auch der mangelnden Effizienz und Stabilität der politischen Institutionen, sowie der defizitären Präsenz des Staates in den Provinzen. Das Funktionieren eines politischen Systems hängt weiterhin auch von der politischen Kultur eines Landes ab. Dazu kommt das Phänomen der Korruption, was beispielsweise dazu führen kann, dass Staatseinnahmen nicht für Entwicklungsprogramme im eigenen Land, sondern für unsachgemäße Zwecke verwendet werden.

Zentrale politische Merkmale sind:

Kapitalmangel und unzureichende Faktorausstattung

Immer wieder tauchen in Merkmallisten die Punkte unzureichende Faktorausstattung oder Kapitalmangel auf. Mit unzureichenden Faktorausstattung bezeichnet man Merkmale, die aus dem Geodeterminismus (siehe auch Entwicklungstheorien) abgeleitet werden können: ungünstige Klimabedingungen, fehlende Bodenfläche (zum Beispiel bei einem Inselstaat), Mangel an Bodenschätzen, Isolierung durch Binnenlage usw. Kritiker bezweifeln, dass eine unzureichende Faktorausstattung oder ein Kapitalmangel eines Landes zwangsläufig auf ein Entwicklungsland hinweisst. Es sind somit keine typischen Merkmale von Entwicklungsländer; das fehlen von Wirtschaftsfaktoren und von Kapital kann durch andere Massnahmen problemlos ausgeglichen werden.

Auch der umgekehrte Schluss ist nicht zulässig: das Vorhandensein bestimmter natürliche Gegebenheiten wie z.B. Klima, Böden oder ganz besonders Rohstoffe führt nicht automatisch zu einer Entwicklung. In einer Reihe von vielen anderen Faktoren kann es dabei z.B. auf die Rohstoffverarbeitung ankommen, die erst zur höheren Wertschöpfung führt (siehe ökonomische Merkmale) oder auf eine geschickte Politik, die es vermag den Rohstoffreichtum in Entwicklung umzusetzen (siehe politische Merkmale).

Der Kapitalmangel ist ebenfalls überbetont. Das Vorhandensein von Kapital macht noch keine Entwicklung eines Landes aus (Beispiel: ölexportierende Staaten). Folgende Punkte verhindern auch bei vorhandenem Kapital eine positive Entwicklung (vgl. Nuscheler 2004, S. 195f.):

  • Luxuskonsum: dazu zählen Schatzbildungen der Oberklassen, Korruption, extrem geringe Besteuerung der Spitzeneinkommen
  • Kapitalflucht: vorhandenes Kapital verlässt (meist aus politischen Gründen) das Land
  • Gewinntransfer: der Gewinn ausländischer Unternehmen führt zu einem Kapitalabfluß eines Teils des im Inland erwirtschafteten Kapitals.
  • Rüstung: viele Entwicklungsländer haben enorm hohe Rüstungsausgaben
  • Mangel an Good Governance: defizitäre Besteuerung (insbesondere der Oberschicht), ineffiziente und damit kostenaufwendige Verwaltungsstruktur, mangelnde Rechtssicherheit

Die Einteilungen der UNO

"Less Developed Countries" (LDC) und "Least Developed Countries" (LLDC)

Der HDI-Wert der Nationen der Welt

Die Einteilung der Entwicklungsländer in LDC-Staaten und LLDC-Staaten ist sehr gebräuchlich im internationalen Bereich. Die Aussonderung der LLDC-Staaten erfolgte auf einer UN-Vollversammlung im Jahre 1971. Eine deutsche Entsprechung für diese Begriffe gibt es nicht. Nach einer Reform aus dem Jahre 1991 geschieht dies anhand von vier Kriterien:

Das letzte Kriterium ist höchst fragwürdig, da durch ihn Länder mit mehr als 75 Mio. Einwohnern von vorneherein aus der Gruppe der LLDC-Staaten ausgeschlossen werden.

Die Aufnahme in die LLDC-Länder muss keineswegs ein "Armutszeugnis" für die entsprechenden Staaten, sondern kann durchaus begehrt sein. Teil der LLDC-Gruppe zu sein, ist insofern interessant, da in den Geberländern die Qualität der Entwicklungspolitik oft an ihrer Ausrichtung auf die LLDC-Staaten gemessen wird. Daher erhalten diese bevorzugt nichtrückzahlbare Zuschüsse (grants) oder Kredite zu günstigeren Bedingungen (IDA).

Positiv sind an dieser Einteilung die differenzierten zugrundeliegenden Indikatoren und ihre weltweit recht hohe Akzeptanz. Kritikwürdig ist hingegen der Bevölkerungsindikator, aufgrund dessen diese Einteilung recht wenig über die tatsächliche Verteilung von Armut in der Welt aussagt. Ebenfalls fragwürdig ist die mögliche politische Instrumentalisierung dieser Klassifizierung. Außerdem ist sie relativ kompliziert.

UNO-Ländergruppierungen in Folge der Ölkrise

Hinter den Abkürzungen MSAC, LLC und SIS verbergen sich weitere Klassifikationen der UNO. Die Bezeichnung MSAC (Most Seriously Affected Countries) entstand in Folge der Ölkrise 1973 und bezeichnet ein UNO-Sonderprogramm für die am schwersten betroffenen Länder. Diese Unterteilung verschwand gegen Ende der 80er Jahre aber aus dem UN-Vokabular. Geblieben sind von Ihnen die Bezeichnungen LLC und SIS.

Mit LLC (Landlocked Countries) werden Länder bezeichnet, deren Außenhandel unter ihrer geographische und küstenferne Lage erheblich leidet. Dazu zählen vor allem Ruanda, Burundi, Nepal oder in Südamerika beispielsweise Bolivien. Durch ihre ungünstige Lage können sich sowohl Importe, als auch Exporte erheblich verteuern.

Die SIS (Small Island States) formierten sich später zur AOSIS (Association of Small Island States). Ihre Mitglieder vertreten gemeinsame Interessen beispielsweise in Umweltfragen (Anstieg des Meeresspiegels).

Der Human Development Index (HDI)

Hauptartikel: Human Development Index

Im Jahre 1990 wurde vom UNDP (United Nations Development Program) der Versuch unternommen einen Gegenentwurf zum eindimensionalen Konzept der Weltbank zu entwerfen. Dabei sollten zunehmend auch soziale Faktoren berücksichtigt werden. Der HDI wird im jährlich vom United Nations Development Programme (UNDP), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, herausgegebenen Human Development Report (HDR) veröffentlicht. Selbstverständlich kann kein Index eine allgemein akzeptierte oder gar verbindliche Reihenfolge festlegen, welches Land weiter entwickelt ist. Kritik am HDI kam zu großen Teilen aus politischen Motivationen. Frauengruppen beklagten sich über die hohe Position Japans, ostasiatischen Länder gegen die Bewertung ihrer Menschenrechtslage und andere Länder wegen ihrer Eingruppierung vor oder hinter einem bestimmten anderen Land. Auf Antrag Indiens wird der HDI seit der Mitte der 90er Jahre in offiziellen UN-Dokumenten nicht mehr erwähnt. (Nuscheler 2004, S. 191)

Einteilungen der Weltbank

Die klassische Einteilung der Weltbank nach dem Pro-Kopf-Einkommen

Im Unterschied zu den UNO-Einteilungen in LDC und LLDC misst die Weltbank die Förderungswürdigkeit eines Landes seit jeher ausschließlich mit dem Pro-Kopf-Einkommen oder genauer gesagt nach dem Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf. Sie unterscheidet dabei zwischen "Ländern mit niedrigem Einkommen" (LIC; Low Income Countries) und "Ländern mit mittlerem Einkommen (MIC; Middle Income Countries). Die MIC werden dabei noch in eine untere und in eine obere Einkommensgruppe eingeteilt. Nach der Klassifizierung von 2004 gibt es momentan 61 LIC und 93 MIC, darunter auch einige aus Osteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien. Nach dem Stand vom 30. Juni 2004 betrug die Obergrenze für LIC 765 US$, für die unteren MIC 766 - 3035 US$ und für die oberen MIC 3036 - 9385 US$. Die Obergrenzen können sich aber geringfügig von Jahr zu Jahr ändern und sind im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Manchmal benutzt die Weltbank auch die Ländergruppe der LIFDC (Low Income Food Deficit Countries), um innerhalb der LIC noch einmal Länder mit schwerwiegenden Ernährungsproblemen auszugliedern. In der Klassifizierung von 2004 taucht dieser Begriff aber nicht auf.

Die Weltbank benutzt diese Klassifizierung als analytische Datenbasis für ihre Kreditvergabepraxis. Im Sprachgebrauch der Bretton-Woods-Institutionen ist ansonsten der Begriff "Developing Countries" gebräuchlich. Im weiteren macht die Weltbank klar, dass die Einteilung in diese Gruppen nach Pro-Kopf-Einkommen nicht notwendigerweise den Entwicklungsstand eines Landes widerspiegelt.

Der große Vorteil dieser Klassifizierung ist seine einfache Struktur. Aufgrund der oft erhobenen und berechtigten methodischen Einwände bei der Beschränkung auf das Pro-Kopf-Einkommen hat die Einteilung der Weltbank nur einen begrenzten Aussagewert über die Entwicklung einzelner Länder. Hierzu muss aber abschließend beachtet werden, dass die Weltbank eben eine Bank ist und sich daher naturgemäß und im Gegensatz zur UNO auf ökonomische Faktoren beschränkt.

Die Betonung der Schuldenlast

Aufgrund der großen entwicklungspolitischen Bedeutung der Schuldenlast der Entwicklungsländer, hat die Weltbank die zusätzlichen Gruppen SILIC (Severely Indebted Low-Income Countries) und SIMIC (Severely Indepted Middle-Income Countries) kreiert. Bei letzteren gibt es noch die Abstufung in "mäßig verschuldet" (MIMIC) und "wenig verschuldet" (LIMIC). Severely Indepted meint dabei dass drei von vier Kennziffern eine kritische Marke überschreiten. Diese sind (Schnitt von 2000 - 2002): Verhältnis zwischen Schuldenstand und BNE (50%), Schuldenquote (275%), Schuldendienstquote (30%) und Zinslast am Schuldendienst (20%). Moderately indepted countries sind solche, die bei 3 von 4 Kriteria 60% der kritischen Marke überschreiten, diese aber nicht erreichen. Alle anderen LIC und MIC werden als less indepted countries bezeichnet. Derzeit gelten 43 Länder als moderately indepted und 45 Länder als severely indepted. Zu letzteren zählen auch einige obere MIC wie die Türkei oder Argentinien und sogar der neue EU-Staat Lettland.

Einigkeit herrscht bei dieser Klassifizierung, dass die die 4 Schlüsselindikatoren auf zentrale Probleme der verschuldeten Entwicklungsländer hinweisen. Allerdings sind die Oberwerte ebenso von entscheidender Bedeutung und deshalb heftig umstritten. Während der 90er Jahre musste die Weltbank schließlich zur Kenntnis nehmen, dass ein Teil der SILIC ihre Schuldenlast nicht mehr alleine tragen konnte. Diese Gruppe identifizierte man und es entstand die HIPC-Initiative. Die HIPC (Highly Indepted Poor Countries) sind Teil einer groß angelegten Entschuldungsinitiative und umfasst derzeit 42 Länder, von denen aber nur 22 SILIC sind.

Spezialfälle

Die ölexportierenden Länder

Die Vorstellung von "reichen" ölexportierenden Ländern (meist eine Projektion der reichen und kleinen Golfstaaten) ist falsch. In einer Rangfolge, die neben dem Pro-Kopf-Einkommen auch soziale Indikatoren berücksichtigt, schneiden beispielsweise die arabischen Staaten sehr schlecht ab. Durch ihre Erdölreserven und durch die Politik der OPEC konnten diese zwar gewaltige Einkommenssprünge machen, waren jedoch nicht in der Lage ihre Produktivkräfte mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen (vgl. Nuscheler 2004). Ölmilliarden wurden für unproduktive Zwecke verwendet wie z.B. Luxus oder den siebenjährigen Krieg zwischen dem Irak und dem Iran. Als weiteren negativen Effekt konnten durch den Ölboom marode und menschenrechtsfeindliche Regime aufrecht erhalten werden, da sie sich Loyalität und Schutz erkaufen konnten. Besonders negative Beispiele dazu sind Nigeria oder Venezuela. Nuscheler bezeichnet die ölexportierenden Länder daher auch als: "Fata Morgana der Entwicklung".

Ölexportierende Länder spielen in der Gruppe der Entwicklungsländer eine besondere Rolle: sie haben ein Gut, das die Industrieländer unbedingt brauchen. Die OPEC-Staaten halten ca. 3/4 der weltweiten Ölreserven und im Nahen Osten befinden sich 2/3 der Weltreserven. Dadurch entsteht eine gestärkte weltpolitische Verhandlungsposition, die ihnen einiges an politischer Macht zukommen lässt. Man kann die ölexportierenden Länder daher aus guten Gründen von den LDC und LLDC unterscheiden. Sie haben durch ihre Öleinahmen ein Potential für Entwicklung, welches andere Entwicklungsländer nicht haben. Diese Länder werden auch in der Zukunft weltpolitisch relevant bleiben, ganz im Gegensatz zu einigen Entwicklungsländern, die nach dem Ende des Kalten Krieges in eine Irrelevanzfalle geraten sind. Die Industrieländer benötigen nach wie vor das begehrte Öl und so wird es seine strategische und geopolitische Bedeutung beibehalten.

Schwellenländer

Hauptartikel: Schwellenland

Schwellenländer (Newly Industrializing Economies) sind eine Gruppe von Staaten, die traditionell noch zu den Entwicklungsländern gezählt werden, aber nicht mehr deren typische Merkmale aufweisen. Deshalb werden sie begrifflich von den Entwicklungsländern getrennt. Die deutsche Bezeichnung suggeriert, dass sie an der Schwelle zum Industriestaat stehen. Der englischsprachige Begriff entstand in den 70ern und bezog sich ursprünglich auf die asiatischen Tigerstaaten.

Von verschiedenen Seiten (z.B.Weltbank, OECD, IWF, EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellenländern erstellt. Eine verbindliche Liste der Schwellenländer gibt es jedoch nicht, ihre Zahl schwankt je nach Liste zwischen 10 und 30. Die Weltbank und der Internationale Währungsfond (IWF) kategorisieren jeweils 10 Länder als Schwellenländer. Die OECD weist hingegen wesentlich mehr Länder als Schwellenländer aus. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Europäische Union unternahmen gemeinsam den Versuch auch soziale und politische Indikatoren zur Bestimmung von Schwellenländern durchzusetzen, wurden jedoch auf internationaler Ebene abgewiesen. Daraufhin zog das BMZ seine 30 Schwellenländer umfassende Liste, die u. a. auch Ecuador und Nicaragua enthielt, wieder zurück. Vereinfacht kann man folgende Länder zu den Schwellenländer zählen: Volksrepublik China, einige südamerikanische Staaten, Brasilien, Indonesien, Mexiko, Malaysia, Singapur, Südkorea und Thailand.

Problematisch beim deutschen Begriff "Schwellenland" ist die Tatsache, dass niemand mit Gewissheit sagen kann, wo sich diese "Schwelle" befinden soll.

Transformationsländer

Eine besondere Beachtung sollte im Rahmen einer Einteilung der Entwicklungsländer die ehemaligen sozialistischen Staaten der ehemaligen Sowjetunion erfahren.

Folgende Gründe sprechen für eine eigene Ländergruppe:

  • Ihre Entwicklungsdefizite haben andere historisch-kulturelle Ursachen, als diejenigen typischer Entwicklungsländern
  • Sie besitzen ein hoch entwickeltes Humankapital. Allerdings bestehen hier Unterschiede zwischen den kaukasischen, den zentralasiatischen und den europäischen Staaten.
  • Sie besitzen eine ausdifferenzierte Industriestruktur und ein technologisches Entwicklungspotential. Hier unterscheiden sie sich deutlich von den Entwicklungsländern. Sie durchlaufen insgesamt für sie typische Probleme beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft.
  • Zumindest die europäischen Staaten profitieren von ihrer Nähe zur EU, wodurch sie auf westliche Investoren und Zugang zum EU-Markt hoffen können.
  • Russland ist noch immer militärische und politische Großmacht, Energiemacht, ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und ständiger Gast der G-7 (ab 2006 sogar Vollmitglied). Russland hat allerdings große Probleme durch den zunehmenden Brain Drain seiner wissenschaftlichen Intelligenz.

Bei den Transformationsländern muss man zwischen verschiedenen Gruppen differenzieren: da ist zum einen die Gruppe, die durch ihre kollektive Einbindung in die EU, Teil der Ersten Welt geworden ist (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Litauen, Lettland, Estland) und zum anderen sind die Newly Declining Countries (NDC), die auch weiterhin zwischen weiterem Abstieg und Stabilisierungsbemühungen stehen werden. Damit sind vor allem die Länder im Kaukasus und Zentralasien gemeint.

Die Gruppe der "failed states"

Hier handelt es sich um eine neue Gruppe von der man in Folge der vielen gewaltsamen und blutigen Konflikte in den 90er Jahren sprechen kann. Als Ländergruppe tauchen die failed states erstmals in einem Artikel von Le Monde diplomatique 1999 auf. Sie sind charakterisiert durch den vollständigen Kollaps des Staatsapparats, wobei der Staat (bzw. Reste davon) nicht mehr fähig ist sein Territorium zu kontrollieren, keine staatlichen Dienstleistungen mehr anbietet und eine politische Ordnung nicht mehr erkennbar ist. Diese Länder fallen dadurch sowohl aus dem Erklärungsbereich der Entwicklungstheorien als auch aus dem Zielgebiet der Entwicklungspolitik. Zu ihnen zählen mehrheitlich afrikanische Staaten wie z.B. DR Kongo, Liberia, Somalia oder Sierra Leone. Darüber hinaus schafft das hier entstehende Ordnungsvakuum besondere Anforderungen an die Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik, da die Krisen solcher Länder die Entwicklung und Sicherheit ganzer Regionen und schließlich der ganzen Welt bedrohen (z.B. internationaler Terrorismus). Wie mit solchen Staaten umgegangen werden soll ist globalpolitisch noch sehr unklar.

Abschließende Bemerkung

Wie aus dem Artikel hervorgeht, hat es in den letzten 50 Jahren eine Vielzahl verschiedener Einteilungen der Entwicklungsländer gegeben. Manche waren eher simpel gestrickt und hoben auf ökonomischen Indikatoren ab (Weltbank). Andere erfordern schon einen Fortgeschrittenenkurs in multivariater Statistik und versuchen auch soziale Faktoren zu berücksichtigen (LDC-Einteilung der UNO). Auch ergaben sich eine Vielzahl von Gruppierungen von Entwicklungsländern aus politischen, wirtschaftlichen oder strategischen Gründen (SIS oder OPEC-Staaten). Zu diesen Gruppierungen zählen noch viele andere wie die G-77 oder die Bewegung der blockfreien Staaten, die aber im Rahmen dieses Artikels nicht abgehandelt werden konnten. Eine Sonderrolle spielt der heftig umstrittene HDI-Index, der vorgibt "menschliche Entwicklung" messen zu können.

Die Heterogenität verschiedener Klassifizierungsansätze und der damit verbundene Begriffsdschungel von Ausdrücken, die man sagen darf und solchen, die man meiden sollte, findet seine direkte Entsprechung in der Tatsache, dass genauso wie die Industrieländer auch die Entwicklungsländer höchst unterschiedlich sind. Die Länder dieser Welt befinden sich eben in einem Kontinuum zwischen den klärungsbedürftigen Begriffen "reich" und "arm". Je nachdem ob der Blickwinkel eher auf ökonomische, soziale, politische oder ökologische Faktoren abzielt, ändert sich die Reihenfolge der Länder. Dadurch werden die erwähnten Einteilungen aber nicht wertlos, denn sie geben Orientierungen vor welche Länder im Vergleich zu anderen "reich" oder "arm" sind. Dies ist nicht nur zu Studienzwecken hilfreich, sondern auch in der entwicklungspolitischen Praxis, da die Geberländer und die multilateralen Organisationen stets bemüht sind ihre Entwicklungspolitik auf die ärmsten Länder auszurichten. Ihr Nutzen ist also ein praktischer und hört dort auf, wo solche Klassifizierungen dazu herangezogen werden, Länder gegenseitig zu bewerten. Diese Einordnungen basieren allesamt auf Makrodaten, und können deshalb nur einen Makro-Rahmen abbilden. Sie sagen allesamt nichts zu den sozialen und ökonomischen Unterschieden innerhalb eines Landes aus. Gerade in Entwicklungsländern sind die inneren Disparitäten oft größer als die Unterschiede zwischen den Entwicklungsländern. Entwicklung ist schließlich ein hoch-komplexer Begriff und umso mehr man versucht ihn zu verallgemeinern, umso weniger kann mit ihm erklärt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Bundeszentrale für politische Bildung (BpB): Entwicklungsländer, Informationen zur politischen Bildung. Nr. 252, Bonn 1996.
  • Hein, Wolfgang: Unterentwicklung - Krise der Peripherie. Opladen 1998, ISBN 3810016632
  • Hemmer, Hans-Rimbert: Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer. München 2002, ISBN 3-8006-2836-8
  • Nohlen, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. Reinbek bei Hamburg 2002, ISBN 3-499-61468-5
  • Nuscheler, Franz: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. Bonn 2004, ISBN 3-8012-0350-6