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Sonnentempler

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Sonnentempler wird fortgesetzt

Namensvarianten

Sonnentempler; O.T.S.; Ordre de Temple Solaire

Geschichte / Phase 1: Gründung, Konsolidierung

Die Angaben zur Gründung des Sonnentempler-Ordens sind unterschiedlich:

  • Mitte der 50er Jahre in Frankreich
  • 1971 von Joseph Di Mambro in Südfrankreich

Anfangs funktioniert der Orden ähnlich wie eine Freimaurerloge, lässt aber auch weibliche Mitglieder zu. Man trifft sich zu kulturellen Anlässen und spirituellen Vorträgen. Der O.T.S. soll in dieser Phase eine Zahl von 800 Migliedern vor allem in Frankreich und der französischen Schweiz erreicht haben.

O.T.S. beruft sich auf einen 1119 gegründeten Orden von Templern. 1312 wurden 54 Templer in Frankreich als Ketzer verbrannt. Die Sonnentempler des 20. Jahrhunderts hängen einem Mysterienglauben mit New-Age-Zügen an. Ideale sind Treue, Gehorsam und strikte Geheimhaltung.

Geschichte Phase 2: Versektung

Zwischen 1979 und 1981 begegnen sich Luc Jouret und Joseph Di Mambro, der sich als Wiedergeburt von Osiris, Moses und einem mittelalterlichen Rittermönch darstellt. Das Duo übernimmt die Macht im O.T.S. Jouret entfaltet eine rege Vortragstätigkeit, meist zu Gesundheitsthemen. Er tritt als Heiler auf, der nach Erfolg Dankbarkeit einfordert. Di Mambro wirkt als der geheimnisvolle Großmeister mit magischen Fähigkeiten, der das Schwert Excalibur führt bzw. durch ein anderes mittelalterliches Ritterschwert kosmische Kräfte leitet. Beide treiben einen umfangreichen Handel mit internationalen Immobilien, die oft teuer gekauft und unter Wert verkauft werden, vermutlich um Geld zu waschen. Jouret ist in illegale Waffengeschäfte verwickelt.

Der Orden weitet seine Tätigkeit aus, vor allem in Frankreich, Schweiz und Kanada, aber auch Belgien, Luxemburg, Australien. 1994 gibt es noch 576 Mitglieder, diese stammen aber in der Regel aus guten Kreisen und sind zumeist äußerst wohlhabend. Der Regelbeitrag beträgt wöchentlich 200 Franken. Es gilt die Devise, je reicher und spendenfreudiger, desto höher der Rang in der Ordenshierarchie, die absolutistisch von Di Mambro und Jouret beherrscht wird. Wer weniger zahlen kann, bringt mehr Arbeitsleistung ein.

Di Mambro regelt das Sozialleben aller Mitglieder. Die Sonnentempler tun sich zu Wohngemeinschaften in meist exklusiven Villen und Landgütern zusammen. Man pflegt vier bis fünf Andachten mit Meditationen pro Tag, oft bis zu acht Stunden pro Treffen. Der Arbeitstag weniger privilegierter Mitglieder beginnt morgens um 4 Uhr, die Arbeitskraft wird hemmungslos ausgebeutet. Vermögende Leute werden zu Geldspenden veranlasst, bis zum Ruin. Di Mambro trennt Ehepaare und Familien nach Gutdünken und arrangiert neue Ehen.

Die Lehren der Sonnentempler werden von Jouret und Di Mambro ausgebaut zu einer Mischung von mittelalterlichem Mysterienglauben, Gralschristentum, Astrologie, New Age, Wiedergeburtsanschauungen und Naturreligion. Jedes Sektenmitglied wird als Reinkarnation einer historischen oder legendären Persönlichkeit definiert, die eine alte Schuld abtragen muss oder eine Funktion für die weitere Heilsgeschichte hat. Die Angst vor Unreinheit wird geschürt, zahlreiche Waschungen sind Pflicht, man muss sich gegen Erdstrahlen und sonstige Strahlungen schützen, Nahrungstabus beachten. Die apokalyptische Orientierung wird verstärkt, je näher das Millennium kommt, hundert Familien reichen aus, um in besonderen Enklaven (Landgütern in Frankreich, Kanada oder Mauritius) den Weltuntergang zu überstehen.

Di Mambro hat mit einer Geliebten eine Tochter namens Emanuelle, die als kosmisches Kind zum Avatar/Messias erzogen wird. Sie wächst völlig isoliert auf, niemand außer dem Kindermädchen darf auch nur in ihre Nähe kommen. Als ihr Antipode wird ein kleiner Junge betrachtet, der als Antichrist gilt.

Geschichte Phase 3: Eskalation

Die Strategie, den Weltuntergang zu überstehen, wird geändert. Di Mambro und Jouret lehren seit langem: Der Tod existiert nicht, er ist nur eine Illusion. 1994 eskaliert die Lehre in der Absicht, nach einem kollektiven Tod im System des Sirius wiedergeboren zu werden und eine neue Menschheit zu begründen.

5. Oktober 1994: In Cheiry bei Fribourg /Schweiz werden 22 Tote in einem abgebrannten Bauernhof gefunden, in Granges-sur-Salvan im Wallis 25 weitere. Im kanadischen Morin Heights werden fünf Leichen gefunden: Joel Eggers, 35, ein Schweizer Ex-Junkie, der für O.T.S. auf einem Landgut arbeitete und Dominique Bellutua, 36, Besitzerin eines Reisebüros gelten als Mörder von Antoine Dutois (35) seiner Frau Nicky (30) und des Sohnes Christoph Emanuelle (drei Monate).

15./16. Dezember 1995: Im Vercors-Massiv zwischen Grenoble und dem Fluss Drome findet man am 23. Dezember 1995 14 verkohlte Leichen, die sternförmig oder wie Speichen eines Rades um ein Feuer angeordnet sind, zwei weitere Leichen liegen etwas entfernt. Als Todesdatum wird die Nacht vom 15. auf den 16. Dezember angegeben.

März 1997: In St. Casimir (Quebec/Kanada) werden fünf Tote gefunden. Drei Jugendliche, die man unter Drogen gesetzt hatte, überleben

Personen, die im Zusammenhang mit den Sonnentemplern genannt wurden

  • Joseph Di Mambro (* 19. August 1924 in Südfrankreich; † 5. Oktober 1994 in Cheiry), Sekten-Oberhaupt
  • Luc Jouret (* 18. Oktober 1947 in Belgisch-Kongo/Zaire; † 5. Oktober 1994), Sekten-Oberhaupt
  • Rose-Marie Opplinger, verklagte OTS 1989 wegen 600000 Franken, die aus dem Verkauf eines Grundstücks durch ihren Mann stammten, erhielt 1993 150000 Dollar Schadensersatz zugesprochen
  • Albert Giacobino (&daggger; 5. Oktober 1994), Bauer, der Land verkaufte und an die Sonnentempler große Summen zahlte, aber dann aussteigen wollte, Besitzer des Hauses in Cheiry
  • Camille Pilet, Verkaufsleiter einer Uhrenfabrik, starb 1994
  • Robert Ostigny, Bürgermeister von Richelieu, starb 1994 mit seiner Frau Francois
  • Patrick Vuarnet († 16. Dezember 1995), Geschäftsmann und Profigolfer, Sohn des Fabrikanten Jean Vuarnet (Olympiasieger im Skilauf 1960), starb 1995
  • Edith Vuarnet († 16.Dezember 1995), Gattin von Jean Vuarnet, Mutter von Patrick Vuarnet
  • Michel Tabachnik, international bekannter Dirigent, der Gastspiele bei den Berliner Philharmonikern hatte; trat 1981 dem O.T.S. bei und soll Präsident der OTS-Tochter "Golden Way Foundation sein; vor Mitgliedern des O.T.S. dirigierte er ein Jugendorchester und hielt Vorträge zu Themen aus Kultur und Musik. 1994 kam seine Ehefrau bei den "Selbstmorden" ums Leben, Tabachnik geriet in Verdacht, er sei der neue Großmeister des Ordens, was er nachdrücklich dementierte. 2001 wird Tabachnik in Greboble vor Gericht angeklagt, das Sektenmassaker mitverschuldet zu haben.

Nachspiel in den Medien

Die britischen Journalisten David Carr-Brown und David Cohen stellen Verbindungen her zwischen der Sekte und folgenden Personen:

  • Jean-Louis Marsan († August 1982), Schulfreund und Finanzberater von [[|Rainier III. (Monaco)|Fürst Rainier von Monaco]]
  • Fürstin Gracia Patricia von Monaco (Grace Kelly, † 14.9.1982)
  • Colette de Real, französische Sängerin, Freundin von Gracia

Marson soll Mitte 1982 Fürstin Gracia zu Luc Jouret zur Behandlung gebracht haben, die aus Akupunktur und etlichen mehr dubiosen Praktiken bestanden haben soll. Jouret soll 20 Millionen Franc verlangt, aber nicht erhalten haben. Die Fürstin sei dann bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen. Ein Film von Carr-Brown und Cohen wird 1997 auf Channel 4 in Großbritannien ausgestrahlt und ruft Empörung bei der internationalen Regenbogenpresse hervor, die ihre Lieblingsikone Grace Kelly beschmutzt sieht. Verschwörungstheorien treiben ihre Blüten. In Deutschland greifen die seriösen Medien die Nachricht nicht auf.

Literatur

Thierry Huguenin: Der 54. Lübbe-Verlag, 1995 (Huguenin beschreibt, wie er und seine Familie zu der Sekte kamen und wie sich das Leben dort gestaltete.)