Außerparlamentarische Opposition
Außerparlamentarische Opposition beschreibt eine Opposition (Gegensatz, Widerstand; lat. Stellung gegenüber), die außerhalb des Parlaments stattfindet, weil sie entweder in den im Parlament vertretenen Parteien (noch) kein Sprachrohr hat, oder auch gar nicht haben will. Eine außerparlamentarische Opposition nutzt vor allem die durch das Grundgesetz (Artikel 5, 8 und 9) geschützte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und das Recht zur Bildung von Vereinigungen, um ihre Forderungen öffentlich zu artikulieren. Neue politische Strömungen beginnen ihre Arbeit meist erst außerhalb der Parlamente und kommen etwa über die Kommunalpolitik und Länderparlamente unter Umständen bis in den Bundestag oder sogar bis in die Bundesregierung. Ein Beispiel für diesen Weg ist die Partei der Grünen, die als Bündnis 90/Die Grünen in einer Koalition mit der SPD seit 1999 die Regierung stellt.
In der Bundesrepublik Deutschland gab es eine nennenswerte außerparlamentarische Opposition (die sich im Kürzel APO nannte) in den Jahren um 1968, ausgehend von der Studentenbewegung, mehr oder weniger getragen durch den SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund). Die APO entwickelte sich aus der Opposition gegen die seit 1966 regierende Große Koalition aus CDU und SPD unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und die von dieser Regietung geplante Notstandsgesetzgebung, die letztlich auch gegen die Proteste der APO durchgesetzt wurde. Des Weiteren forderte die APO eine Demokratisierung der Universitätspolitik (ein Motto der Studentenbewegung: "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren"). Sie kritisierte auch die gesellschaftliche Verdrängung der Verbrechen des Nationalsozialismus durch die Vätergeneration. Außerdem schloss sie sich den weltweiten Protesten gegen den Vietnamkrieg an und solidarisierte sich mit der nordvietnamesischen Guerilla gegen die USA. Sehr bald waren es nicht nur einzelne Politikfelder, in denen die Studentenbewegung in die gesellschaftliche Diskussion eingriff. Sie weitete ihre Kritik aus und forderte grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen in einem revolutionären Sinn. Neue Formen des Zusammenlebens wurden ausprobiert, ebenso wie neue Formen des Protests und der politischen Aktion. Hierbei machte besonders die "Kommune 1" mit Protagonisten wie Fritz Teufel, Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans von sich reden. Ihre politischen Happenings und Aktionen führten mehrfach zu Gerichtsverfahren, die ebenfalls als Plattform für spektakuläre Protest-Auftritte genutzt wurden.
Unterstützung fand die APO teilweise auch durch durch Intellektuelle und Philosophen wie etwa Ernst Bloch, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse u.a. Insgesamt blieb die westdeutsche APO im Wesentlichen beschränkt auf eher junge Menschen (Studenten, Schüler). Sie konnte in der Arbeiterschaft und im bürgerlichen und kleinbürgerlichen Milieu der Bundesrepublik Deutschland kaum Fuß fassen.
Dies war in Frankreich anders. Dort kam es zeitweise zu Solidarisierung der Gewerkschaften mit der Studentenbewegung, was im Mai 1968 zu einer Staatskrise geführt hatte.
Ein Wendepunkt in der Geschichte der westdeutschen APO trat ein, als am 2.Juni 1967 während der Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des iranischen Kaisers Schah Reza Pahlevi der Student Benno Ohnesorg von Polizisten erschossen wurde. Die Studentenbewegung radikalisierte sich zunehmend und wandte sich auch verstärkt gegen die Springer-Presse, namentlich die Bild-Zeitung, die für die aufgeheizte Stimmung gegen die APO in der Bevölkerung verantwortlich gemacht wurde. Ein knappes Jahr nach dem Tod von Benno Ohnesorg wurde einer der Wortführer des SDS, Rudi Dutschke von einem rechtsgerichteten Jugendlichen, der durch die Parolen der Bild-Zeitung aufgehetzt war, durch Pistolenschüsse schwer verletzt. Dutschke überlebte das Attentat, starb aber 1979 an den Spätfolgen der Verletzungen.
Nach 1969 spielte die APO in der bisherigen Form keine nennenswerte Rolle mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Der SDS spaltete sich auf. Es entstanden verschiedene miteinander konkurrierende linke Zirkel und kleine kommunistische Splitterparteien, die in der politischen Landschaft ohne wirklichen Einfluss blieben. Der von Rudi Dutschke propagierte "Marsch durch die Institutionen" wurde in gewisser Weise von jenen umzusetzen versucht, die 11 Jahre später, 1980, die Partei "Die Grünen" als eine Organisationsform der Anti-Atomkraft-, der Friedensbewegung und anderer neuer sozialer Bewegungen der 70er und 80er Jahre bildeten . Deren Gründer waren vielfach schon in der APO aktiv. 1982 wurden die Grünen in den Bundestag gewählt und sind seit 1998 an der Regierung beteiligt.
Ein kleiner Teil von APO-Aktivisten um Andreas Baader, Gudrun Ensslin u.a., zu denen später auch die Journalistin Ulrike Meinhof stieß, ging nach einigen Brandanschlägen auf Kaufhäuser u.a. in den illegalen Untergrund und organisierte als RAF (Rote Armee Fraktion) das, was sie den "bewaffneten Widerstand" nannten. Banküberfälle, Entführungen und schließlich auch Mordanschläge auf Protagonisten der deutschen Wirtschaft und Justiz gingen bis in die 80er Jahre auf das Konto der RAF und anderer ähnlicher Untergrundgruppen wie etwa der "Bewegung 2.Juni"
Im Gegensatz zur außerparlamentarischen Opposition steht die Opposition der Parteien, die zwar im Parlament vertreten, nicht jedoch an der Regierungsbildung beteiligt sind. Im Einzelfall kann es auch dazu kommen, dass kleinere Parteien bei einer Wahl nicht genug Stimmen erhalten, um wieder ins Parlament einzuziehen. Die FDP ist in ihrer Geschichte mehrfach nicht in Länderparlamenten oder im Bundestag vertreten gewesen, ohne dass man sie deshalb zur "außerparlamentarischen Opposition" im allgemeinen Sprachgebrach gerechnet hat.
In Staaten ohne demokratisch gewähltes Parlament und ohne frei organisierte Parteien äußert sich die Opposition häufig im Bereich der Kunst (Schriftsteller, Theater), der Kirche oder zum Beispiel innerhalb von Umweltschutzgruppen. Im Extremfall bleibt nur die Möglichkeit illegaler Untergrundarbeit und des Widerstandes.
Siehe auch: Grundgesetz (Quellentext), Demokratische Grundrechte, 68er-Bewegung