Ethik
Ethik ist eines der großen Teilgebiete der Philosophie. Die Ethik bezeichnet man auch als "praktische Philosophie", da sie sich mit dem menschlichen Handeln befasst (im Gegensatz zur "theoretischen Philosophie", zu der die Logik, die Erkenntnistheorie und die Metaphysik als klassische Disziplinen gezählt werden).
Die Ethik beschäftigt sich damit, was gutes oder schlechtes Handeln ausmacht. Eine Ethik sagt also, wie der Mensch handeln soll und wie nicht, bzw. wie er sich beim täglichen Handeln zu entscheiden hat. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit dem Ausmaß individueller menschlicher Freiheit sowie eine Bestimmung von Gut und Böse.
Sie befasst sich hierzu mit den Grundlagen menschlicher Werte und Normen, des Sittlichen und der allgemeinen Moral.
Zentrale Probleme der Ethik betreffen die Motive, die Methoden und die Folgen menschlichen Handelns. Es ergeben sich sehr unterschiedliche Ethiken, je nachdem, wie die Gewichte zwischen diesen drei Themen gelegt werden, und was die Quelle der ethischen Normen ist.
Verschiedene Ethiksysteme
Durch die Art der Definition lassen sich verschiedene ethische Systeme ableiten:
Teleologische Ansätze
Prinzip: "Bewertung der Ziele, Ergebnisse und Folgen", siehe Teleologie.
- Hedonismus - »Gut ist, was Genuss bereitet.«
- Eudämonismus - »Gut ist, was glücklich macht.«
- Utilitarismus - »Gut ist, was das allgemeine Glück befördert.«
Deontologische Ansätze
Prinzip: "einer Pflicht folgen", siehe Deontologie.
- Prinzipienethik - »Gut ist, weil definiert ist, dass ...«, wobei hier zwei Arten von Prinzipienethiken unterschieden werden müssen, nämlich heteronome (= fremdbestimmte) Prinzipienethiken, bei denen die ethischen Normen von außen festgelegt werden, z. B. in einer heiligen Schrift, und autonome Prinzipienethiken (Vernunftethik, wie Immanuel Kant), bei denen die ethischen Normen Resultate eigener Überlegungen sind.
- Diskursethik : Jürgen Habermas' Universalisierungsprinzip und K.-O. Apels Ergänzungsprinzip
- Tugendethik = Werte-Ethik: Aristoteles' ethische und dianoethische Tugenden
Die Tugendethik wird jedoch auch oft zur Klasse der teleologischen Ethikkonzepte gezählt, da die angestrebte Glückseligkeit durch tugendhaftes Leben (v.A. Aristoteles) auch als Ziel (griechisch "telos") angesehen werden kann.
- Verfassungsethik = Kontraktualismus: Adam Smith, Karl Homann, John Rawls, James M. Buchanan, David Gauthier, Peter Stemmer
Existenzielle Ethik
Die "Seinsbejahung im Seinsmangel" ist das Wesen einer existenziellen Ethik. Es geht dabei um die "fortschreitende Wiederaneignung unserer Anstrengung zu sein": so Paul Ricoeur im Anschluss an Martin Heidegger. Die Pflicht bzw. das Verbot sowie der sittliche Wert können in dieser Ethik kein Prinzip sein, sondern "bestenfalls ein objektives Kriterium zur Beurteilung unserer Absichten".
Geschichte
Formale Betrachtungen zur Ethik nahmen ihren Ursprung im alten Orient, im antiken Kaiserreich China, Indien und Griechenland und wurden in Römischen Reich aufgegriffen und weiterentwickelt. Philosophische Schulen dieser Perioden entwickelten verschiedene ethische Systeme, von denen Sokrates, Platon und Aristoteles die bis heute einflussreichsten begründeten. Der Epikureismus und die Stoa haben in hellenistischer Zeit ethische Schulen ausgebildet, die ihrerseits orientierenden Einfluss auf die Gegenwart ausüben.
Religionen entwickeln ihr ethisches System selten systematisch aus Grundprinzipien, sondern als Konsequenz ihres Glaubenssystems. In den jüdisch-christlichen Schriften (Tanach, Talmud, Bibel, Kirchenväter) haben ethische Fragestellungen einen hohen Stellenwert.
Der nächste bedeutende Zeitraum ethischer Betrachtungen begann im Mittelalter mit Maimonides und Thomas von Aquin. Die auf von gottgegebenen Gesetzen basierende Ethik dieser jüdisch-christlichen Philosophen wurde einem natürlichen Gesetz, das dem Menschen und der Welt innewohne, entgegengestellt.
Die moderne philosophische Ethik hatte ihren Ursprung in den Arbeiten von Thomas Hobbes, David Hume, Spinoza und Immanuel Kant. Der Utilitarismus wurde von Jeremy Bentham und John Stuart Mill entwickelt. Arthur Schopenhauer entwickelte in Abgrenzung zu Kant eine Mitleidsethik. Friedrich Nietzsche gilt als der radikalste Kritiker sämtlicher Arten von Ethik. Insbesondere verwies er darauf, dass moralische Bewertung von der jeweiligen Perspektive abhängen und dass Moralsysteme sehr oft der Festigung der Position der Herrschenden dienen. Der analytischen Ethik (G. E. Moore, W. D. Ross) folgten Emotivismus (C. L. Stevenson, A. J. Ayer) und Existenzialismus (Jean Paul Sartre). Emmanuel Lévinas suchte die Ethik von der Beziehung zu dem Anderen her neu zu denken. In der Feministischen Ethik wird darauf aufmerksam gemacht, dass bestimmte Werte (z.B. Fürsorge) und Lebenssituationen aus Sicht der Frau in der herkömmlichen Diskussion stark vernachlässigt wurden.
Spezielle Ethikthemen
- Die "Analytische Ethik" mit der Frage, warum einfache "moralische Forderungen" allgemein anerkanntes Gedankengut sind.
- Hans Küng und sein Projekt Weltethos
- Hans Jonas - "Das Prinzip Verantwortung"
- Albert Schweitzer mit seiner Ehrfurcht vor dem Leben und seiner Urwaldklinik
- Peter Singer mit umstrittenen Thesen zur praktischen Ethik
- Immanuel Kant und sein kategorischer Imperativ
- Friedrich Nietzsche mit Herrenmoral und Sklavenmoral
- Max Weber mit Gesinnungsethik und Verantwortungsethik
- Jürgen Habermas und die Theorie des kommunikativen Handelns
- Metaethik
- das Euthyphron-Dilemma
- Helmut F. Kaplan http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Kaplan Tierrechte und Ethik http://www.tierrechte-kaplan.org/
Angewandte Ethik
- Informationsethik
- Medizinethik
- Politische Ethik
- Rechtsethik
- Sozialethik
- Umweltethik
- Verwaltungsethik
- Wirtschaftsethik
- Wissenschaftsethik
- Technikethik
- Berufsethik (in einigen akademischen Berufen - zum Beispiel in der Soziologie - durch einen "Ethikkodex" reglementiert)
- Arbeitsmoral (siehe: Arbeitsethik)
- Zukunftsethik
Andere Wissenschaften und Fachgebiete, die sich mit Ethik befassen
- die Rechtswissenschaften (Sanktionierung der Verletzung juristischer Normen, die sich auch auf die Ethik beziehen)
- die Rechtsphilosophie
- die Sozialphilosophie
- die Betriebswirtschaft im Zusammenhang mit Verkauf und Wirtschaftskrieg
- die Theologie (Theologische Ethik im Verhältnis zu Gott und den Menschen), besonders die Moraltheologie
- die Verhaltensforschung ("moralanaloges Verhalten")
- die Soziologie (soziale Bestimmung der Moral)
- die Psychologie
- die Politik
In vielen anderen Fachgebieten wird über angewandte ethische Fragen diskutiert, so z. B.:
- Ethik der Tierhaltung und der Tierversuche
- Ethik in der Medizin (Medizinische Ethik), insb. in der Psychotherapie
- Sozialethik
- Ökologische Ethik
- Ethik in den Medien (Informationsethik)
- Biologie ("Bioethik")
- Soziologie - vgl. den berufsbezogenen Ethikkodex der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie"
- Unternehmensführung (Management- und Führungslehre)
Literatur
- Adrogans, A.E.: Marc Aurel als Kompassnadel – Lebenskunst in der Weltgesellschaft. Norderstedt 2004. ISBN 383341703X
- Svend Andersen: Einführung in die Ethik ISBN 3110150735
- Aristoteles: Nikomachische Ethik
- Düwell, Marcus / Hübenthal, Christoph / Werner, Micha H. (Hg.): Ethik: Begriff – Geschichte – Theorie – Applikation. In: Handbuch Ethik. Stuttgart: J. B. Metzler, S. 1–23. ISBN 3476017494
- Dietmar Gebauer, Dietmar Kres & Joachim Moisel: Philosophische Ethik. ISBN 3894493941
- Johannes Gründel: Normen im Wandel. München : Don Bosco Verlag, 1980
- Vittorio Hösle: Moral und Politik. Grundlagen einer Politischen Ethik für das 21. Jahrhundert. München 1997. ISBN 3406427979
- Vladimir Jankélevitch: Das Verzeihen. Essays zur Moral und Kulturphilosophie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003
- Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. (Suhrkamp Taschenbuch Nr.1085)
- Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Helmut Kaplan: "Tierrechte". Göttingen: Echo, 2000. ISBN 3926914351
- Niklas Luhmann (1989): Ethik als Reflexionstheorie der Moral. In Ders.: Gesellschaftsstruktur und Semantik 3 ISBN 3518286935 (Suhrkamp, stw-Ausgabe)
- Annemarie Pieper: Einführung in die Ethik. UTB 1637
- Friedo Ricken (1998): Allgemeine Ethik ISBN 3170150987 (Urban-Taschenbuch; Grundkurs Philosophie)
- Herlinde Pauer-Studer: Einführung in die Ethik, Wien 2003
- Johannes Messner: Kulturethik: mit Grundlegung durch Prinzipienethik und Persönlichkeitsethik. Innsbruck 1954
- Max Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. 4. Auflage, Bern 1954
- Wittmann, Michael: Ethik. (Band VII der Philosophischen Handbibliothek), München 1923
- Ernst Tugendhat: Vorlesungen über Ethik, Suhrkamp Frankfurt 1993
- Ludwig Wittgenstein: Vortrag über Ethik. Suhrkamp TB Wissenschaft ISBN 3518283707
Siehe auch
- Ethik (Aristoteles)
- Armut,
- Liste von Artikeln zum Thema Ethik,
- Nationaler Ethikrat,
- Portal Philosophie,
- Triebethik
Weblinks
- Buddhismus und Ethik - Gibt es Gebote im Buddhismus
- Ethik im ZUM-Wiki - Informationen für Ethik-LehrerInnen
- http://www.izew.uni-tuebingen.de/ - Ethik in den Wissenschaften
- http://www.heim2.tu-clausthal.de/~kermit/wte.html - Wissenschaft, Technik und Ethik - Vortragsreihe an der TU Clausthal
- http://www.philtalk.de/boards/ethik.htm - Ethikforum
- http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/ - Bioethik
- http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Medethik-list.htm - Mailingliste Bioethik
- http://www.capurro.de/ethikskript/inhalt.htm - Rafael Capurro Ethik. Informationsethik. Eine Einführung
- http://www.gym-knittelfeld.at/~ethik/index.html - Ethikunterricht an Schulen
- http://www.ethikline.de/
- http://www.treffpunkt-ethik.de/ - Diskussionen zu vielen ethischen Themen
- http://www.weltethos.org/ - Stiftung für eine Weltethik
- http://buecherei.philo.at/ethik.htm - Philosophische Bücherei - Ethik (gute Linksammlung)
- http://www.bds-soz.de/Ethik.pdf - Ethikkodex der Soziologenverbände BDS und DGS
- http://www.tierrechte-kaplan.org/ Tierrechte und Ethik