Manfred Korfmann
Manfred Osman Korfmann (* 26. April 1942 in Köln, † 11. August 2005 in Ofterdingen bei Tübingen) war ein deutscher Archäologe. Er war Professor am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte lagen auf der Kupfer- und Bronzezeit in Anatolien sowie den Fernwaffen Bogen und Schleuder. Große Bekanntheit erlangte er als Grabungsleiter an dem Ort, der seit Frank Calvert und Heinrich Schliemann als Troia bezeichnet wird und auch als Geburtsstätte der deutschen wissenschaftlichen Archäologie gilt.
Leben und Werk
Beruflicher Werdegang
Korfmann begann nach dem Abitur 1961 zuerst eine Lehrerausbildung für Englisch und Geschichte. Als Schulassistent in Beit Jala/Bethlehem (Jordanien, heute Palästina) wurde sein Interesse für Archäologie durch Münzfunde geweckt. Daraufhin entschloss er sich zu einem Zweitstudium, von 1962-70 studierte er Ur- und Frühgeschichtliche sowie Provinzialrömische Archäologie und Alte Geschichte an der Universität Frankfurt/Main und der American University of Beirut; 1970 erfolgte seine Promotion in Frankfurt/Main. 1971/72 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Frankfurt/Main beim Projekt Afrika-Kartenwerk der DFG. Danach arbeitete er von 1972-78 als Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Archäologischen Institut (Abteilung Istanbul) u.a. mit Ausgrabungen in Demircihüyük, 1978-82 war ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim DAI Berlin. 1980 habilitierte er sich und wurde Privatdozent an der Universität Frankfurt/Main. 1982 erhielt er einen Ruf als Professor für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Tübingen.
»Ein neuer Streit um Troia«
Seit 1988 leitete er die Ausgrabungen in Troia. Während der Grabungskampagne wurden unter seiner Leitung insgesamt 13.240 Quadratmeter Boden von 370 Wissenschaftlern und ihren Helfern ausgegraben. Seit Schliemanns Arbeit vor Ort ist Troia in seiner kulturellen und historischen Bedeutung innerhalb der Forschung umstritten. Daher stand auch Korfmann 2001/02 wegen seiner Interpretation der Ausgrabungsbefunde im Zentrum einer Debatte, welche die gesamte deutschsprachige Altertumswissenschaft erfasste. Denn erst 1993 schloss er sich der schliemannschen Interpretation an, wonach die Ilias Homers tatsächlich an diesem Ort stattgefunden habe. 1994 entdeckte der Geophysiker und Archäologe Dr. Helmut Becker durch geomagnetische Messungen des Erdwiderstands das unerwartet große Areal einer ausgedehnten Unterstadt unterhalb der Akropolis. Daraufhin behauptete Korfmann, "dass Troia sicher eine der größten Städte im weiten Umkreis war" und brachte später auch die Stadt in Zusammenhang mit der hethitischen Metropole Wilusa: Diese sei identisch mit dem homerischen "(W)Ilion" (= Troia).
Dies blieb besonders bei Althistorikern nicht unwidersprochen. Kernpunkt des Streits, bei dem Korfmann auch auf der persönlichen Ebene in unangemessen aggressiver Weise angegriffen wurde, war die wirkliche Größe und Bedeutung des bronzezeitlichen Troia. Daran schlossen sich methodische und wissenschaftstheoretische Fragen über das Verhältnis der Archäologie zur Alten Geschichte an. Korfmann versuchte vor allem auf der archäologisch-praktischen Ebene, d.h. durch den Fortgang der Grabungen seine Thesen zu untermauern.
Verdienste und Projekte
1996 erreichte der Archäologe die Errichtung des »Historischen Nationalparks Troia« und zwei Jahre später wurde Troia zum UNESCO-Weltkulturerbe deklariert. Außerdem regte Korfmann dort ein Museum für bisher weltweit verstreute Troia-Funde an. Obgleich der türkische Staat ihm viele Hilfen einräumte, beklagte Korfmann zu seinem nur leise geäußerten Verdruss, dass weder der Nationalpark ausreichend geschützt werde noch die Erbauung des angekündigten Troia-Museums begonnen wurde. Der fließend türkisch sprechende Wissenschaftler hatte 2003 aus Verbundenheit zur Türkei und ihrer Bevölkerung die türkische Staatsangehörigkeit und den Zweitnamen »Osman« angenommen. 17 Jahre lang konnte er seine Grabungskampagnen in und um Troia durchführen. Es gelang ihm dadurch, den Mythos der antiken Stadt wieder neu aufleben zu lassen.
Aufgrund seiner Initiative fand 2001/2002 in Stuttgart, Braunschweig und Bonn eine große und publizistisch vielbeachtete Troia-Ausstellung statt, "Troia - Traum und Wirklichkeit". Sie wurde von ca. 800.000 Menschen besucht.
Neben seinen Ausgrabungen in Troia wandte er sich auch anderen Ausgrabungsstätten wie etwa im Kaukasus zu (Georgien: Didi Gora, Udabno).
Auszeichnungen
- 1979 Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (Berlin)
- 1994 Max-Planck-Forschungspreis
- 1996 Auswärtiges Mitglied der Georgischen Akademie der Wissenschaften (Tiflis)
- 1997 Auswärtiges Ehrenmitglied des Archaeological Institute of America
- 1998 "Wirkliches Mitglied" des Österreichischen Archäologischen Instituts (Wien)
- 2002 Erstes ausländisches Ehrenmitglied im Berufsverband der Archäologen der Türkei (Ankara)
- 2002 Ehrenpromotion, Universität Çanakkale (Türkei)
- 2002 Verdienstmedaille der Staatlichen Universität Tiflis (Georgien)
- 2002 Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg
- 2005 Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Republik Türkei (Ankara)
Literatur
- Studia Troica. Troia und die Troas, Archäologie einer Landschaft (Jahrbuch 1991 ff.)
- Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg: Troia. Traum und Wirklichkeit. Stuttgart, Theiss 2001, 496 S., 500 meist farb. Abb. ISBN 3-8062-1543-X (Begleitbuch zur Ausstellung)
- Mauerschau. Festschrift für Manfred Korfmann. Remshalden-Grunbach, Greiner 2002. ISBN 3-935383-10-X
Weblinks
- Universitätsseite von Korfmann, mit Schriftenverzeichnis
- Projekt Troia, Website des Tübinger Grabungsteams unter Leitung von Prof. Manfred Korfmann
- www.troia.de, Website der Troia-Ausstellung von 2001/2002
Artikel
- Nachruf, SWR, 11.08.2005, mit Fotos
- "Der Chef" lebt nicht mehr, Stuttgarter Zeitung, 12.08.2005
- „Die antike Stadt und der Mythos von Homer“, Stuttgarter Nachrichten, 12.08.2005
„Troia ist Korfmanns Lebenswerk.“ - „Rückblick: Der Tübinger Kampf um Troia“, Dossier des Schwäbischen Tagblatts (Tübingen), 12.08.2005
Personendaten | |
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NAME | Korfmann, Manfred Osman |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Archäologe |
GEBURTSDATUM | 26. April 1942 |
GEBURTSORT | Köln |
STERBEDATUM | 11. August 2005 |
STERBEORT | Ofterdingen |