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Disease-Management-Programm

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Disease-Management-Programme (DMP, diese Abkürzung wird im Artikel für Singular und Plural verwendet) sind systematische Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf die Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin gestützt sind. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden diese Programme auch als strukturierte Behandlungsprogramme oder Chronikerprogramme bezeichnet. Das Konzept des Disease Managements als zentral organisierte Steuerung von chronisch kranken Patienten stammt ursprünglich aus den USA. Es gibt für den Begriff „Disease Management“ keine einheitliche Definition. Exemplarisch wird hier die Definition der Disease Management Association of America (DMAA) wiedergegeben.

"Disease Management is a system of coordinated healthcare interventions and communications for populations with conditions in which patient self-care efforts are significant . Disease management:

  • supports the physician or practitioner/patient relationship and plan of care,
  • emphasizes prevention of exacerbations and complications utilizing evidence-based practice guidelines and patient empowerment strategies, and
  • evaluates clinical, humanistic, and economic outcomes on an going basis with the goal of improving overall health.

Disease Management Components include:

  • Population Identification processes
  • Evidence-based practice guidelines
  • Collaborative practice models to include physician and support-service providers
  • Patient self-management education (may include primary prevention, behavior modification programs, and compliance/surveillance)
  • Process and outcomes measurement, evaluation, and management
  • Routine reporting/feedback loop (may include communication with patient, physician, health plan and ancillary providers, and practice profiling)"

Disease-Management-Programme sind im deutschen Gesundheitswesen noch recht neu (seit etwa 2002) und gelten als Bausteine für andere neuartige Konzepte wie integrierte Versorgung und Fall-Management.

Ziele

Mit Hilfe von Disease-Management-Programmen sollen die Leistungsausgaben für chronische Kranke verringert und gleichzeitig deren Lebensqualität verbessert werden. Die Organisationsstruktur des deutschen Gesundheitswesens ist primär auf die Therapie von akuten Krankheitsbildern ausgerichtet, so dass ein chronisch kranker Patient (d.h. Langzeitkranker) in der Regel verschiedenste Anlaufstellen für verschiedene Aspekte seiner Krankheit hat. Der erste Ansprechpartner ist normalerweise der Hausarzt, welcher in den seltensten Fällen über ausreichend Zeit und Spezialkenntnisse verfügt. Daher muss der Patient bei akuten Symptomen Fachärzte oder Kliniken aufsuchen. Dort wird zwar der Akutfall therapiert, es findet allerdings auch keine präventive Langzeitbetreuung statt. Durch diese unsystematische, punktuelle Behandlung findet meistens entweder eine Unter-, Über- oder gar Fehlversorgung des Patienten statt. Diese Entwicklung soll durch Disease-Management-Programme korrigiert werden, indem eine langfristige, präventive Begleitung des Chronikers erfolgt. Damit soll Akutfällen vorgebeugt werden, so dass der Patient einen stabilen Lebensstandard erreicht, der nicht von seiner Erkrankung dominiert wird und insbesondere teure Krankenhausaufenthalte entfallen.

Gegenstand der Disease-Management-Programme sind insbesondere Indikationen, die zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten gerechnet werden – wie Adipositas, Asthma, Diabetes mellitus Typ II oder Osteoporose, um nur einige zu nennen. Diese Krankheiten treten aufgrund der modernen Lebensumstände (schlechte Ernährung, Bewegungsarmut, Stress, Umweltgifte) flächendeckend und häufig auf und stellen daher einen wesentlichen Anteil der medizinischen Versorgungskosten. Allein der Anteil der Diabetiker an der Erwachsenenbevölkerung in Deutschland und Europa wird auf 7% bis 8% geschätzt. Entsprechend zielen die begleitenden Maßnahmen der Disease-Management-Programme auf Verhaltensänderungen bei den Patienten ab – gesündere Ernährung, mehr Bewegung, Raucherentwöhnung etc.

Instrumente

Disease-Management-Programme stellen keinen Ersatz für die Therapie durch einen Arzt dar, sondern sind als unterstützende und koordinierende Maßnahme vorgesehen. In erster Linie haben sie informativen Charakter, d.h. der Patient wird über seine Krankheit, deren Symptome und Bedeutung, Behandlungsmöglichkeiten, Medikamente und Spezialärzte umfassend aufgeklärt. Dazu werden fast alle Möglichkeiten der modernen Kommunikation verwendet:

  • Informationsbroschüren
  • Telefonische Beratungsgespräche
  • Erinnerungen (z.B. an notwendige Arztbesuche) per Telefon, Brief, E-Mail oder SMS
  • Statistische Auswertungen über den Gesundheitszustand
  • Schulungen
  • Unterstützung durch telemedizinische Geräte

Varianten

Im deutschen Gesundheitswesen werden zwei Spielarten von DMPn unterschieden:

  • Disease-Management-Programme nach RSAV (DMP nach RSAV bzw. RSA-DMP)
  • Freie Disease-Management-Programme

DMP nach RSAV

Die Disease-Management-Programme nach RSAV wurden mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 eingeführt. Sie sind den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) vorbehalten, da die Anzahl der am DMP teilnehmenden Patienten sich auf die Berechnung des Risikostrukturausgleichs auswirkt. Für jeden eingeschriebenen (d.h. teilnehmenden) Patienten kann die Krankenkasse bei der Berechnung des Riskostrukturausgleichs einen zusätzlichen Ausgabenposten geltend machen, so dass die Finanzsituation der Kasse proportional zur Anzahl der DMP-Teilnehmer schlechter gerechnet wird. Die Indikationen, für die DMP nach RSAV durchgeführt werden können, werden vom Gesetzgeber festgelegt. Im Einzelnen sind dies zurzeit:

Weitere Indikationen (wie Demenz) sind in Vorbereitung, ob sie tatsächlich umgesetzt werden ist allerdings noch nicht klar (siehe Ausblick).

Möchte eine gesetzliche Krankenversicherung ein DMP nach RSAV durchführen, so entwickelt sie zunächst ein Programmkonzept und schließt dazu Verträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zu dessen Durchführung ab. Da es in Deutschland derzeit 17 KV-Bezirke gibt, muss eine bundesweit operierende Kasse somit 17 Verträge abschließen, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Diese Verträge werden dann beim Bundesversicherungamt (BVA) zur Prüfung eingereicht. Entsprechen die Verträge den gesetzlichen Anforderungen, werden sie vom BVA akkreditiert, d.h. die Durchführung wird genehmigt.

Um die Qualität der Behandlungsprogramme sicherzustellen und die Versorgungsziele für einen Patienten festzulegen, ist im Laufe des Programms von Arzt und Versicherten regelmäßig gemeinsam ein Dokumentationsbogen auszufüllen. Dieser Dokumentationsbogen enthält einen Datensatz mit wichtigen Parametern, die zur Evaluation des Programms dienen. Auf dem Dokumentationsbogen werden – abhängig von der Indikation – folgende Werte festgehalten:

  • Wichtige Laborparameter bzw. deren Veränderung
  • Untersuchungen
  • Begleit- und Folgeerkrankungen
  • Relevante Medikamente
  • Empfohlene und durchgeführte Schulungen
  • Administrative Daten (behandelnder Arzt, Erstellungsdatum etc.)

Anhand dieser Dokumentationsbögen kann die Krankenkasse den Verlauf des Programms unterstützen und die Wirkung kann ausgewertet werden.

Selektion

Zur Durchführung des Programms muss die Krankenkasse aus ihrem Versichertenbestand diejenigen Personen selektieren, die für die jeweilige Indikation infrage kommen. Da die Kasse nicht die Diagnose des Arztes vorliegen hat, sondern nur die eingereichten Leistungen (d.h. Behandlungen, Medikamente) wird z.B. anhand typischer Medikamente eine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer chronischen Krankheit ermittelt. Alle Versicherten, bei denen diese Wahrscheinlichkeit einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, werden als Kandidaten für die Teilnahme am Programm angesprochen.

Gewinnung

Die selektierten Versicherten werden schriftlich und/oder telefonisch für die Teilnahme am DMP geworben. Die Teilnahme ist dabei freiwillig, wird jedoch häufig mit Bonusmaßnahmen unterstützt – z.B. die Erstattung der Praxisgebühr. Möchte ein Versicherter an dem DMP teilnehmen, so muss er sich zunächst einen Arzt auswählen, der für das Programm akkreditiert (zugelassen) ist. Die Akkreditierung des Arztes erfolgt durch die die Kassenärztliche Vereinigung. Zusammen mit dem Arzt füllt der Patient dann eine Teilnahmeerklärung und die Erstdokumentation aus. Dabei handelt es sich um den ersten der oben beschriebenen Dokumentationsbögen. Die ausgefüllten Unterlagen werden an eine Datenstelle weitergeleitet, die die erhobenen Datensätze digitalisiert und aufteilt. Nur ein Teil des Datensatzes wird an die Krankenkasse weitergegeben. Damit soll der Datenschutz gewährleistet bleiben. Die Datenstelle muss den Datensatz außerdem anhand definierter Kriterien auf Plausibilität prüfen. Das umfasst die Prüfung auf Vollständigkeit und Konsistenz der Daten. Eine Dokumentation ist beispielsweise dann unplausibel, wenn sich widersprechende Daten eingetragen sind, oder der Arzt nicht für das Programm akkreditiert ist.

Reminding

Der eigentliche Betreuungsprozess des DMPs wird als Reminding bezeichnet. Daran ist bereits zu erkennen, dass es sich hier von Seiten der Krankenkasse um ein eher administratives Programm handelt. Anhand der Dokumentationsbögen werden verschiedene Schulungsmaterialien und Patientenerinnerungen verschickt. Des Weiteren übernimmt die Krankenkasse das so genannte Fallclearing. Das bedeutet, dass die Kasse anhand festgelegter Regelwerke die Erfüllung des Programms kontrolliert und den Patienten gegebenenfalls ausschreibt, d.h. das Programm beendet. Bei der Indikation Brustkrebs muss beispielsweise die Ausschreibung vorgenommen werden, wenn die Erstmanifestation – also das erste Auftreten – der Krankheit mehr als 5,5 Jahre zurückliegt. Weitere Ausschreibegründe sind unzureichende Programmteilnahme - in der Regel fehlende oder zu spät eingehende Dokumentationsbögen oder nicht wahrgenommene Schulungen sowie Tod oder Kassenwechsel. Während des Remindings werden in regelmäßigen Abständen Folgedokumentationen erstellt – je nach Indikation und Schweregrad viertel- oder halbjährlich.

Qualitätssicherung

Die Umsetzung der Programme und die Korrektheit des Datenbestandes wird jährlich vom BVA überprüft.

Umsetzungsschwierigkeiten

Bei der Umsetzung der DMP nach RSAV ergaben sich viele Schwierigkeiten, die teilweise noch heute bestehen. Zum einen liegen bereits in der Konzeption viele Schwächen, zum anderen erwies sich auch die Praxis als überaus fehlerträchtig. Das führte dazu, dass bei manchen Krankenkassen 80% bis 90% der Programmteilnehmer der ersten Jahrgänge nach der Prüfung durch das BVA wieder ausgeschrieben werden mussten.

Konzeptionelle Kritikpunkte

  • Die Definition der medizinischen Leitlinien für den Gesundheitszustand und die Methoden der Therapie sind in der medizinischen Fachwelt umstritten.
  • Die Verbindung mit dem Risikostrukturausgleich der Krankenkassen hat dazu geführt, dass die Krankenkassen gezwungen sind, möglichst viele Patienten in ein Programm einzuschreiben, um nicht finanziell benachteiligt zu werden.
  • Die Dokumentationen sind zu bürokratisch und zu kompliziert und wurden während des laufenden Verfahrens zum Teil drastisch geändert (Datenversionen 1 und 2 gemäß RSAV 7. Fassung und RSAV 9. Fassung), was zu weiteren Datenverarbeitungsproblemen führte.
  • Manche Ärzte fühlen sich in der Behandlungsfreiheit eingeschränkt, da sie sich bei ihrer Behandlung an der Leitlinie orientieren sollen. Der anfangs starke Widerstand der Ärzte hat sich allerdings mittlerweile gelegt. Die meisten Kassenärzte in Deutschland führen auch RSA-DMP durch.
  • DMP-Verfahren mussten auf Grund der föderalen Struktur der Ärztevertretungen für jeden KV-Bezirk einzeln verhandelt werden. Hierbei wurden Verträge mit unterschiedlichen Inhalten abgeschlossen. Dies führte dazu, dass z. B. in Baden-Württemberg eine schriftliche Information der Krankenkasse mit dem behandelnden Arzt ins "Benehmen" gesetzt werden muss. In anderen KV-Bezirken ist es den Krankenkassen verboten, mit dem Patienten zu reden, ohne vorab den Arzt zu fragen.
  • Durch Einschaltung des Bundesversicherungsamtes als Genehmigungs- und Prüfungsinstitution wurde der Prozess maßgeblich bürokratisiert und führt zu hohen Verwaltungskosten bei den Krankenkassen. So sind einige Punkte nicht klar geregelt bzw. wurden bei der Definition der Programme nicht berücksichtigt und lassen daher Interpretationsspielraum. Maßgeblich für die Kassen ist die Interpretation durch das BVA, die aber meist erst spät erfolgt, so dass die einzelne Krankenkasse zunächst ihre eigene Interpretation umsetzt und dann gegebenenfalls nachträglich den gesamten Datenbestand anpassen muss.
  • Durch Interpretation des Gesetzes durch das BVA wurde die Konzeption von DMP-Programmen nach RSAV ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Institutionen im Gesundheitswesen zugesprochen. Private Anbieter von DMP-Programmen konnten daher nur als Dienstleister der Kasse die Programme mitgestalten und umsetzen.
  • Durch geschickte Rhetorik (Schlagwort "Balkanisierung") wurde verhindert, dass die Krankenkassen unterschiedliche Programme (z. B. stärker patientenorientiert) anbieten können. Somit ist es nicht möglich, unterschiedliche Ansätze und Konzepte umzusetzen und deren Wirksamkeit und Effizienz zu erproben.
  • Durch die Koppelung an den Risikostrukturausgleich steht eher die Quantität der eingeschriebenen Versicherten als die Qualität der Versorgung von Hochrisikopatienten im Vordergrund.
  • Der Fokus liegt auf der leitliniengerechten Behandlung durch den Arzt. Es wurde jedoch die Einbeziehung des Patienten vernachlässigt, dessen Verhalten bis zu 80% der Therapiekosten ausmacht.

Praktische Schwierigkeiten

Insbesondere bei der Einführung des DMP nach RSAV traten in der Praxis sehr große Schwierigkeiten auf, die bis heute nachwirken.

  • Bereits beim Ausfüllen der Dokumentationsbögen traten Fehlerraten bis zu 90% auf.
  • Die Datenstellen, die die Digitalisierung, Prüfung und Verteilung der Dokumentationsbögen zur Aufgabe haben, waren (und sind teilweise) dieser Aufgabe in keiner Weise gewachsen. So wurden die elektronischen Dokumentationen mit Verspätungen im zweistelligen Monatsbereich geliefert und die Plausibilitätsprüfungen fanden de facto überhaupt nicht statt. Auch wurden Dokumentationsbögen zur kostengünstigen Kalibrierung von Beleglesern nach Vietnam weitergeleitet - obwohl vertraglich vereinbart war, dass dies nur in Deutschland stattfinden darf. Da das BVA die Datenstellen jedoch dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen zurechnet, zählt die mangelhafte Datenqualität nicht als „Ausrede“ bei Prüfungen. Daher müssen die Plausibilitätsprüfungen redundant bei den Krankenkassen durchgeführt werden, was einen erheblichen Mehraufwand bedeutet.
  • Die Anpassungen des Prozessdesigns und der Dokumentationsbögen (hier besonders hervorzuheben die neunte Änderungsverordnung der RSAV) führten zu einem erheblichen Mehraufwand in der Datenverarbeitung. So müssen Programmbestandteile, die vor Inkrafttreten der 9. RSA-Änderungsverordnung durchgeführt wurden, nach den alten Regeln behandelt werden, alles danach nach den neuen Regeln. Die Dokumentationsfristen wurden so geändert, dass ein sinnvolles Reminding kaum mehr möglich ist. So müssen im Prinzip alle Patienten präventiv an anstehende Arztbesuche erinnert werden, was zu einer großen Zahl von „false positives“ führt. Das bedeutet, es werden hier auch Versicherte kontaktiert, die das Programm ordnungsgemäß durchführen, was natürlich zu Verärgerung führt. Gestaltet man das Reminding so, dass nur Versicherte kontaktiert werden, die tatsächlich ihre Teilnahme vernachlässigen, so führt das meistens dazu, dass die Fristen überschritten werden und eine unverhältnismäßig hohe Teilnehmerzahl ausgeschrieben werden muss
  • Die DMP-Verträge mit den einzelnen KV-Bezirken gestalten sich unterschiedlich, so dass der Programmteilnehmer einem KV-Bezirk zugeordnet werden muss. Maßgeblich für die Zuordnung ist allerdings nicht der Wohnort des Versicherten, sondern die Praxisniederlassung des behandelnden Arztes, was ebenfalls häufig Probleme verursacht.
  • Aufgrund der förderalen Gliederung der Kassenärzte in 23 KV-Bezirke gibt es keine bundesweit einheitliche Liste mit akkreditierten Ärzten. Hier müssen Krankenkassen oder Dienstleister selbständig Listen pflegen, die aus Daten der einzelnen KV-Bezirke zusammengesetzt sind. Struktur und Qualität der Arztdaten der KV-Bezirke sind durchmischt, so dass die Pflege einer einheitlichen Arztliste mit hohem Aufwand verbunden ist.

Ausblick

Im Jahr 2007 soll die der bisherige Risikostrukturausgleich, der die Finanzverteilung anhand statistischer Risikofaktoren berechnet, durch einen Morbiditätsorientierten RSA (Morbi-RSA) abgelöst werden, bei dem die tatsächlichen Erkrankungen des Versichertenbestandes eine zentrale Rolle für den Verteilungsschlüssel darstellen. Dabei soll auch die Koppelung der Disease-Management-Programme an den RSA entfallen. Aufgrund der unklaren politischen Situation in Deutschland und den starken Umbrüchen, denen das Gesundheitssystem ausgesetzt ist (Stichwort Bürgerversicherung bzw. Kopfpauschale) ist die weitere Entwicklung der DMP nach RSAV derzeit nicht sicher einschätzbar. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Rolle der AOK, die am stärksten vom derzeitigen Modell profitiert und dementsprechend Lobbyarbeit leistet.

Freie DMP

Ein freies Disease-Management-Programm ist jedes DMP, welches ohne RSA-Koppelung und BVA-Aufsicht entwickelt und durchgeführt wird. In erster Linie sind das die DMP der privaten Krankenkassen (PKV), es gibt jedoch auch gesetzliche Kassen, die solche freien DMP durchführen, beispielsweise das Programm „Herzensgut“ der Kaufmännischen Krankenkasse. Die Gestaltung der freien DMP ist wesentlich Patientenzentrierter und in der Regel auch umfangreicher als die der RSA-DMP. Es finden hier regelmäßige Beratungsgespräche statt, bei denen relevante Daten erhoben werden. Auch Info-Broschüren und statistische Auswertungen des Gesundheitszustandes sind Bestandteil der medizinischen DMP. Weiterhin unterstützen selbst zusammengestellte Befundbögen und telemetrische Geräte das Betreuungsprogramm. Oft werden die Patienten abhängig von ihrem Gesundheitszustand auch verschieden intensiv betreut. Die Indikationen sind ähnlich den RSA-DMP hauptsächlich Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Osteoporose, Herzkrankheiten, Asthma, Hypertonie usw. Auch Präventionsprogramme z.B. zur Ernährung werden im Rahmen von freien DMP angeboten. Der prinzipielle Ablauf gliedert sich ähnlich den RSA-DMP in drei Phasen: Selektion, Gewinnung und Betreuung. Der Schwerpunkt liegt hier weniger auf der Quantität, sondern auf der Qualität der Betreuung, da die DMP zunächst erhöhten Verwaltungsaufwand für die Krankenkasse bedeuten und die Kosteneinsparungen nicht pauschal durch die Quantität der eingeschriebenen Patienten entstehen, sondern durch die gezielte Betreuung von Hochrisikopatienten und Schwerkranken. Bei der Umsetzung der freien DMP haben sich ebenfalls einige praktische Schwierigkeiten ergeben.

  • Mangelnde Mitwirkungsbereitschaft der Versicherten. Besonders in bei Herzkrankheiten und Diabetes sind die Patienten meist schon sehr alt und haben eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Diese Gruppe zu Verhaltensänderungen zu motivieren oder ihnen eine positive Einstellung zum Programm abzuringen gestaltet sich recht schwierig. Besonders die PKV-Kunden sind zudem Gutverdiener und Bessergestellte, die in ihrem Leben bereits viel erreicht haben und viel Verantwortung tragen. Diese Gruppe lässt sich nicht gern in ihre Lebensgestaltung hineinreden, da sich ihr beruflicher Erfolg psychologisch kaum mit „mangelhaftem“ Privatleben in Übereinstimmung bringen lässt.
  • Die Ärzteschaft steht den freien DMP meist noch skeptischer gegenüber als den RSA-DMP, da weder ihre eigenen Vertretungen (z.B. Kassenärztliche Vereinigungen) noch übergeordnete Institutionen wie der Gesetzgeber mit einbezogen sind. Dadurch entsteht noch mehr das Gefühl, ihnen würde die Verantwortung für den Patienten entzogen.

Evaluation

Obwohl der Konzept des Disease Managements in Deutschland noch recht jung ist, gibt es aus dem Bereich der freien DMP und aus anderen Ländern bereits erste Auswertungen bezüglich des Erfolges. Aus diesen Studien geht hervor, dass Disease-Management-Programme vor allem bei schweren Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes signifikante Verbesserungen erreichen. Inhalt der Studien ist in der Regel der Vergleich des Krankheitsverlaufs oder die kumulierten Kosten pro Patient mit und ohne DMP. Erhoben wird dabei die Häufigkeit von Symptomen, Folge- und Begleiterkrankungen sowie in Folge die Anzahl der Krankenhauseinweisungen. Die Ergebnisse zeigen eine durchgehende Reduktion der Krankenhausaufenthalte (und damit eines Hauptkostenfaktors) – meist zwischen 20% und 30%, teilweise auch um über 80%. Eine der aktuellsten Studien aus Deutschland (KKH, Herzinsuffizienz) belegt Einsparungen von durchschnittlich 1400 Euro bis hin zu über 5000 Euro. Obwohl der Fokus aller Studien in der Regel auf dem monetären Aspekt liegt, kann man davon ausgehen, dass sich auch die Lebensqualität der Patienten verbessert, wenn weniger Akutfälle vorliegen. Beispiele für Studien zu Disease-Management-Programmen:

  • Jaan Sidorov, Robert Shull, Janet Tomcavage, Sabrina Girolami, Nadine Lawton, and Ronald Harris; Diabetes Care. April 2002; 25(4):684-689; Does diabetes disease management save money and improve outcomes?
  • Holst DP, Kaye D, Richardson M, Krum H, Prior D, Aggarwal A, Wolfe R, Bergin P., Oktober 2001;3(5):619-625; Improved outcomes from a comprehensive management system for heart failure.
  • Fonarow GC, Stevenson LW, Walden JA, Livingston NA, Steimle AE, Hamilton MA, Moriguchi J, Tillisch JH, Woo MA; J Am Coll Cardiol. 1997 Sep;30(3):725-32; Impact of a comprehensive heart failure management program on hospital readmission and functional status of patients with advanced heart failure.

Anbieter

Es gibt in Deutschland einige Dienstleistungsunternehmen, die Disease-Management-Programme anbieten. Das umfasst sowohl die Entwicklung und Durchführung freier DMP als auch die Durchführung von RSA-DMP, z.B.:

  • Anycare GmbH
  • ArztPartner almeda AG
  • Innovacare GmbH
  • MedicalContact AG
  • PCG Pro Consilio AG
  • Sanvartis GmbH

Medknowledge - Umfangreiche Artikel zum Thema[1]

Artikel und Gesetze[2]

Das Glossar zur Gesundheitsreform: Strukturierte Behandlungsprogramme für Chroniker[3]

PubMed - zum Nachlesen von Studien (englisch)[4]