Vilém Flusser
Vilém Flusser (12.05.1920-27.11.1991) war ein Kommunikations- und Medienphilosoph, dessen zentrales Thema der Untergang der Schriftkultur war. Obwohl seine Überlegungen unentwegt um das Thema "Krise" kreisten, weigerte er sich, ein Pessimist zu sein. Mittelpunkt seiner Welt-, Menschen-, und Gesellschafssicht war stets das Thema Kommunikation.
Leben
Vilém entstamm einer jüdischen Akademikerfamilie, sein Vater war Mathematikprofessor an der Universität in Prag. Vilém trat ein Philosophiestudium 1938 an der Karlsuniversität in Prag an, musste jedoch 1939 vor den Nazis flüchten. Bis 1940 lebte er mit seiner zukünftigen Frau bei ihren Eltern in London, wo er sein Studium fortsetzen konnte. Nach der Beedigung seines Studiums wanderte das Paar nach Brasilien aus. Bis ca. 1950 war er im Import und Export tätig. 1950/51 wirkte er an einem Buchprojekt zur Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts mit. Ab 1960 hatte er Kontakt mit dem Brasilianischen Philosophischen Institut und hielt dort Vorträge. Ab 1962 war er Mitglied dieses Institutes und erhielt 1962 einen Lehrstuhl für Kommunikationstheorie in Sao Paulo. Von 1967 an war er Professor für Kommunikation an der Escola de Superiore de Cinema in Sao Paulo und hielt weltweit Vorträge. 1972 siedelte er mit seiner Familie aufgrund von Konflikten mit der Militärregierung zunächst nach Meran in Südtirol, später in die Provence. 1991 erhielt er eine Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum. Im gleichen Jahr starb er an den Folgen eines Autounfalls nach einem Vortrag in Prag.
Hauptaussagen seiner Philosophie
Vilém Flusser geht von einem vierstufigen historischen Stufenmodell aus, bei dem die erste Stufe einem Naturmenschen zugeordnet wird, der in einer vierdimensionalen Umwelt des unmittelbaren und „konkreten Erlebens“ lebt. Die Zweite Stufe bezieht sich auf das Interesse des Menschen an Gegenständen, also an einer dreidimensionalen Umwelt. Mit der dritten Stufe wird die zweidimensionale Umwelt prägend für die Kultur: traditionelle Bilder, die „anschaulich und imaginär“ sind, schieben sich zwischen den Menschen und seine Lebenswelt. Seit etwa viertausend Jahren sind lineare Texte zunehmend kulturprägend. Diese Art der Vermittlungstechnik von Informationen, bei der ein „Begreifen mittels Begriffen“ ermöglicht wird lässt eine eindimensionale Umwelt entstehen. Die heutige Gesellschaft befindet sich auf dem Weg in eine nachalphabetischen Phase der nulldimensionalen technischen Bilder, bei der die Texte ihre Funktion verlieren. Der Unterschied zwischen traditionellen Bildern und technischen, bzw. „Technobildern“ wie Fotografien, Film, Video, statische Kurven, Diagramme und Verkehrszeichen und -Symbole, sieht Flusser auf der Bedeutungsebene: während traditionelle Bilder Szenen sind, sind Technobilder Texte. Bei seinem Informationbegriff spielt das Konzept der Entropie aus der Physik eine entscheidende Rolle, wobei er Informieren als eine universell-natürliche Verhaltensweise betrachtet. Informieren heißt bei ihm immer etwas (amorphes Material) in Form bringen, wobei bei diesem Vorgang Energie genutzt wird. Bei der Nutzung von Energie wird allerdings unweigerlich Energie irreversibel zerstreut. Während die Zerstreuung der Energie wahrscheinlich ist, ist der Zustand der Ordnung, also der Information unwahrscheinlich. Folglich ist Information das Auftauchen des Unwahrscheinlichen und entspricht der Negentropie, einer negativen Entropie.
Siehe auch: Entropie (Informationstheorie), Informationstheorie und Redundanz