Jupiter (Mythologie)

Iuppiter (lateinisch seltener Iupiter, Genitiv: Iovis; deutsch meist Jupiter) oder Diēspiter, eigentlich Iuppiter Optimus Maximus („bester und größter Iuppiter“; in Inschriften meist abgekürzt zu IOM), war die oberste Gottheit der Römer.
Name
Der alte Name Diēspiter setzt sich aus (D)is (lateinisch dies - „Tag“, „Licht“) und pater (lateinisch„Vater“) zusammen (altindisch Dyaus pitar) und bedeutet demnach „Himmelsvater“. Das iu in Iuppiter ist identisch mit dem ziu in griech. Zeus, das auf eine indoeuropäische Wurzel *diu für hell zurückgeht und die Haupteigenschaft Iuppiters (und von Zeus) als alter Himmels- und Wettergott bezeichnet, der auch als Lichtbringer verstanden wurde. Entsprechend ist eine Nebenbedeutung von Iuppiter auch einfach „Himmel“ oder „Luft“, sub Iove bedeutet dementsprechend „unter offenem Himmel“ oder „im Freien“.[1]
Geschrieben wurde der Name in der Antike IVPPITER oder IVPITER, da die Unterscheidung zwischen I und J sowie zwischen V und U im lateinischen Alphabet nicht ausgedrückt werden konnte. Ab der Kaiserzeit setzte sich die Schreibung mit zwei P weitgehend durch. In der Neuzeit wurde der Name meist „Jupiter“ geschrieben, seltener „Juppiter“ (so z. B. das Zedlersche Universallexikon, aber auch noch Georg Wissowa in seinem Werk Religion und Kultus der Römer).
In der deutschsprachigen Altphilologie begann sich im Lauf des 19. Jahrhunderts die originalsprachliche Schreibung durchzusetzen, weshalb man seit damals „Herakles“ statt „Hercules“ oder „Herkules“ schreibt, wenn von dem griechischen Halbgott die Rede ist. In Bezug auf den obersten römischen Gott hatte das zur Folge, dass man in wissenschaftlichen Texten zunehmend „Iuppiter“ schrieb, was heute die übliche fachsprachliche Schreibweise darstellt. Diese Änderung der Terminologie wurde von der germanischen Altertumswissenschaft nicht nachvollzogen, daher wird beispielsweise in deutschsprachigen vorgeschichtlichen Arbeiten weiterhin vorwiegend „Jupiter“ geschrieben. Auch die für Germanien typischen Bildsäulen heißen Jupitergigantensäulen. In populären Texten (Presse etc.) wird im Deutschen weiterhin „Jupiter“ geschrieben, das ist auch die beispielsweise vom Duden vorgeschlagene Schreibung.[2]
Kult
Beinamen

Wie viele andere antike Götter wurde Iuppiter mit verschiedenen Beinamen verehrt, die jeweils bestimmte Aspekte betonten oder mit einzelnen Örtlichkeiten verbunden waren, bzw. örtliche Götter vereinnahmten. Als Iuppiter Latiaris wurde er von den Latinern als Schutzgottheit ihres erst später von Rom dominierten Städtebundes verehrt, sein Tempel befand sich daher außerhalb Roms in den Albaner Bergen. Als Staatsgott war er Iuppiter Optimus Maximus, als oberster Gott in der im Tempel auf dem Kapitol verehrten Kapitolinischen Trias war er Iuppiter Capitolinus.
Weitere Beinamen gehen auf alte Kulte zurück, wie Iupiter Feretrius („der Edelbeuteträger“) oder Iupiter Stator („der die Feinde zum Stehen bringt“). Andere erlangen Bedeutung erst in der Kaiserzeit, so der Kult des Iuppiter Tonans („der Donnerer“), der eigentlich eine Übertragung des griechischen Zeus Bronton ist.
Festtage und Kalender
Die Iden jedes Monats, die ursprünglich dem Vollmond entsprachen, also solche Tage, an denen es keine völlige Dunkelheit gab, waren feriae Iovis, „Festtage des Iuppiter“.[3] An diesem Tag wurde ein ihm geweihtes weißes Schaf in feierlicher Prozession über die Via Sacra auf das Kapitol geführt und dort geopfert.[4] Auch die Stiftungstage der Iuppitertempel fielen auf die Iden:
- Iuppiter Optimus Maximus bzw. Iuppiter Capitolinus: 13. September
- Iuppiter Victor: 13. April
- Iuppiter Invictus: 13. Juni
- Iuppiter Stator: vermutlich 13. Januar.
Die dem Iuppiter geweihten großen Festmähler, die epula Iovis, fanden ebenfalls an den Iden statt, eines am 13. September und ein anderes am 13. November.
Weiter dem Iuppiter geweihte Feste waren die Weinfeste, die beiden Vinalia (Vinalia Priora am 23. April und Vinalia Rustica am 19. August) und vermutlich auch die Meditrinalia am 11. Oktober. Auch die Weinlese, die je nach Reife der Trauben zu wechselnder Zeit begann, wurde mit der Opferung eines Lammes durch den Flamen Dialis, den Staatspriester des Iuppiter, eröffnet.
Nach Iuppiter wurde der fünfte (heute vierte) Wochentag Iovis dies genannt, daher ital. giovedi, span. jueves und frz. jeudi. Die Germanen setzten ihn mit Donar, skand. Thor, gleich, daher deutsch Donnerstag und englisch Thursday.
Außerdem entsprach ihm der Planet Jupiter.[5]
Heiligtümer
Das zweifellos bedeutendste Heiligtum des Iuppiter und der Sitz des Staatskultes befand sich auf dem Kapitol. Der nördliche, höhere Gipfel des Kapitols hieß arx („Burg“). Hier endete die Prozessionsstraße Via sacra und hier befand sich die Beobachtungsstätte der Auguren, von der aus sie den Flug der Vögel verfolgten.
Auf dem Südgipfel befand sich der Tempel des Iuppiter Feretrius, das älteste Heiligtum des Gottes in der Stadt, der Sage nach von Romulus selbst gestiftet. Der Tempel enthielt kein Kultbild, hier wurde aber ein heiliger Stein aufbewahrt, der sogenannte silex oder lapis. Beide Worte bedeuten „Stein“, silex bezeichnet eher den harten Stein, lapis eher den größeren Stein oder Felsbrocken. Falls es sich bei dem silex um ein zu Opferzwecken verwendetes Steinmesser gehandelt hat, kommen als Material eigentlich nur Feuerstein und Obsidian in Frage. Über die Rolle des silex beim Opfer herrscht jedoch keine Klarheit und seine Beschaffenheit ist strittig.[6] Nach diesem Stein wurde der Gott des Heiligtums auch Iuppiter Lapis („Iuppiter vom Stein“) genannt. Ein Schwur bei diesem Gott war besonders feierlich und wurde bei völkerrechtlichen Vereinbarungen gebraucht.
Der Name Iuppiter Feretrius („der Edelbeuteträger“) aber geht darauf zurück, dass in diesem Tempel die Spolia opima, die „beste Beute“, dem Gott geweiht wurde. Die Spolia opima war die Rüstung eines feindlichen Heerführers, die ihm in der Schlacht von einem römischen Heerführer abgenommen wurde. Der beste Teil dieser besten Beute, die prima spolia, wurde dem Iuppiter Feretrius geweiht. Es ist klar, dass aufgrund der hohen Anforderungen an den Erwerb der Weihgeschenke es im Lauf der römischen Geschichte nur wenige Male zu einer solchen Weihung kam, das erste Mal der Sage nach durch den Stifter des Heiligtums, Romulus selbst.
Im römischen Germanien pflegte man den Kult des Iuppiter mit den sogenannten Jupitergigantensäulen.
Der Iuppiterkult wurde als Teil des Vielgötterglaubens unter Kaiser Theodosius I. Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. als Staatsreligion des Römischen Reiches vom Christentum abgelöst.
Mythos
Die Götter der römischen Mythologie wurden bis zur Entfaltung der Interpretatio Romana vor allem als Personifikationen von Naturereignissen verstanden, mit denen kaum mythische Erzählungen verbunden waren. Erst mit der Gleichsetzung der griechischen mit den römischen Göttern wurden auch die Erzählungen der griechischen Mythologie übertragen, wobei Iuppiter mit Zeus gleichgesetzt wurde. Im Zuge des Aufblühens der lateinische Literatur ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurden sukzessiv Mythen und Eigenschaften des Zeus auf Iuppiter übertragen, weiterentwickelt und an die sich entwickelnde römische Kultur angepasst.
Der Vater des Iuppiter ist Saturnus, der mit dem griechischen Vater des Zeus identifizierte Kronos, der seine Nachkommen verschlingt und durch eine List einen Stein anstatt seines jüngsten Kindes verspeist.[7][8][9] Der Geburtsort des Iuppiter wird wie bei Zeus als Höhle am Berg Dikte[10][11] oder am Ida[12] angegeben, wo er in beiden Fällen von der Milch Amaltheas aufgezogen wird. Beim Vatikanischen Mythographen wird Iuppiter zunächst in die Obhut einer Wölfin gegeben, die jedoch nicht genug Milch hat, womit der Iuppiter-Mythos an den Mythos von Romulus und Remus gekoppelt wird.[13] Nach anderen Autoren wird er von Bienen mit Honig ernährt,[14] wofür er diesen später die Fertigkeit verliehen haben soll, ohne Beischlaf Kinder zu zeugen.[15][16] Der humanistische Gelehrte Natale Conti gibt an, er sei von Bärinnen versorgt worden.[17]
Im von den Griechen bereits aus altorientalischen Erzählungen übernommene Sukzessionsmythos, in der die Herrschaftsabfolge der Göttergenerationen erklärt wird und der die Vorherrschaft des Iuppiter unter den Göttern begründet, besiegen die olympischen Götter unter seiner Führung die Titanen und setzen sich erfolgreich gegen die Machtansprüche der Giganten zur Wehr. In der lateinischen Überlieferung vermischen sich die einzelnen griechischen Mythen um die verschiedenen Machtkämpfe zunehmend, was sich am augenfälligsten an den Namen seiner Gegner zeigt, wenn einerseits in Beschreibungen der Gigantomachie Titanennamen unter den Giganten genannt,[18][19] andererseits zunehmend ursprünglich eigenständige Gestalten wie die Aloaden oder Typhon[20][21] den Giganten zugeschlagen werden. Daneben erscheinen Teile des Sukzessionskampfes mit anderen Kontexten verknüpft, etwa wenn der bereits als Götterkönig herrschende Iuppiter von den Titanen angegriffen wird, weil seine eifersüchtige Gattin Iuno diese dazu angestiftet hat[22] oder wenn ihm im Kampf gegen den Typhon, bei dessen Angriff die übrigen Götter als Tiere verwandelt nach Ägypten geflohen waren, die Göttin Minerva zur Seite gestellt wird.[23] Beim Vatikanischen Mythographen sind Titanomachie, Gigantomachie und Typhonomachie schließlich zu einer einzelnen Erzählung verschmolzen, in der die Giganten und Titanen vom Geschrei der Esel der zur Hilfe kommenden Satyrn vertrieben werden. Beim Anblick des Typhon flüchten auch hier alle Götter bis auf Iuppiter. Er besiegt die Angreifer schließlich mit der Hilfe eines Adlers, der seine Blitze zu den Gegnern trägt.[24]
Iuppiter pflegte neben seiner Ehe mit Iuno zu deren Ingrimm viele andere Beziehungen mit schönen jungen Mädchen und Frauen, die aus den griechischen in die römischen Göttersagen übergingen; so zum Beispiel mit Europa (der er sich in Gestalt eines wunderschönen Stieres näherte, und die er auf seinem Rücken über das Meer nach Kreta brachte),[25] Callisto, einer Jungfrau aus dem Gefolge der Diana,[26] und – römische Spezialität – mit Iuturna. Auch liebte er den schönen Jüngling Ganymedes, den er in Adlergestalt von der Erde weg raubte und als Mundschenk auf den Olymp versetzte.[27], [28] [29]
Ikonographie

Seine Attribute sind ein Bündel von Blitzen in der Hand und der ihn begleitende Adler, oft wird er thronend dargestellt. Sein heiliger Baum ist die Eiche, daher wird Iuppiter gelegentlich auch mit einem Eichenkranz abgebildet. In der Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts symbolisiert er in der Gruppe der vier Elemente das Feuer.
Siehe auch
Literatur
- Emil Aust: Iuppiter. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 618–762 (Digitalisat).
- Fulvio Canciani, Alessandra Constantini: Zeus / Iuppiter. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band VIII, Zürich/München 1997, S. 421–470.
- Fritz Graf: Iuppiter. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 6, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01476-2, Sp. 77–82.
- Lotte Motz: The Sky God of the Indo-Europeans. In: Indogermanische Forschungen, Bd. 103, 1998. S. 28ff.
- Carl Olof Thulin: Iuppiter. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X,1, Stuttgart 1918, Sp. 1126–1144.
- Georg Wissowa: Religion und Kultus der Römer. Beck, München 1902, S. 100–113, Digitalisat
Weblinks
- Iuppiter im Roman Myth Index (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch- deutsches Handwörterbuch. Darmstadt 1998. Bd. 2, S. 495, s.v. „Iuppiter“
- ↑ Eintrag „Jupiter“ im Online-Duden
- ↑ Macrobius Convivia primi diei Saturnaliorum 1,15,14
- ↑ Varro De lingua latina 5,47. Ovid Fasti 1,56; 1,588. Macrobius]] Convivia primi diei Saturnaliorum 1,15,16
- ↑ Cicero De natura deorum 2,52
- ↑ Aust: Iuppiter in Roscher: Lexikon 1894, Sp. 674ff
- ↑ Ovid Fasti 4,199–206
- ↑ Hyginus Mythographus Fabulae 139
- ↑ Servius Kommentar zu Vergils Aeneis 3,104
- ↑ Vergil Georgica 4,153
- ↑ Servius Kommentar zu Vergils Aeneis 3,104
- ↑ Ovid Fasti 4,207
- ↑ Vatikanischer Mythograph 3,15,10
- ↑ Antoninus Liberalis 19,2
- ↑ Vatikanischer Mythograph 2,16
- ↑ Vergil Georgica 4,149 ff.
- ↑ Natale Conti 2,1. Blatt 27 rekto.
- ↑ Servius Kommentar zu Vergils Aeneis 8,698
- ↑ Horaz Carmina 3, 4,42
- ↑ Ovid Metamorphosen 1,151 ff.
- ↑ Hyginus Mythographus Fabulae, Praefatio
- ↑ Hyginus Mythographus Fabulae 150
- ↑ Antoninus Liberalis Metamorphosen 28,2
- ↑ Vatikanischer Mythograph 1,11; 1,86
- ↑ Ovid Metamorphosen 2,833-875
- ↑ Ovid Metamorphosen 2,401-530 Online
- ↑ Homer Ilias 5,265ff; 20,215-235
- ↑ Vergil Aeneis 5,252-260
- ↑ Ovid Metamorphosen 10,155ff