Geschichte der Eisenbahn in Deutschland
Dieser Artikel behandelt die Geschichte der Eisenbahn in Deutschland.
Weitere Artikel über nationale Entwicklungen im Eisenbahnwesen:
- für die Schweiz: Geschichte der Schweizer Eisenbahn
- für Österreich: Geschichte der Eisenbahn in Österreich, ÖBB-Geschichte
- für Dänemark: Danske Statsbaner
Die Vorläufer
Die Vorläufer der Eisenbahn sind in Deutschland wie in England im Bergbau zu finden. Unter Tage liefen die bei der Förderung benutzten Loren anfangs auf Holzschienen und wurden entweder durch einen Spurnagel zwischen den Schienen oder durch Spurkränze an den Rädern geführt. Wegen des jaulenden Geräusches bei der Fahrt wurden sie von den Bergleuten "Hunde" genannt. Um auch über Tage den Transport der Kohle zu den Verladestellen an der Ruhr zu rationalisieren, entstand im Ruhrkohlebergbau ab 1787 ein Netz von Bahnanlagen.
Der aus gusseisernen Schienen der Gutehoffnungshütte in Oberhausen-Sterkrade gebaute Rauendahler Schiebeweg in Bochum (1787) oder die Silscheder Kohlenbahn (1832) können als technische Denkmäler besichtigt werden.
Das damalige Streckennetz im Ruhrgebiet, das noch nicht dem öffentlichen Verkehr diente, wird auf 30 km Länge geschätzt.
Die erste Eisenbahn in Deutschland - 1831 oder 1835(?)
Die Antwort auf die Frage, welches die erste deutsche Eisenbahn in Deutschland war, ist abhängig von verschiedenen Kriterien wie z.B.
- der Schienenweg besteht aus Eisen beziehungsweise Stahl oder ist mit diesem Werkstoff belegt,
- der Betrieb erfolgt mit dem „Eisernen Pferd“ bzw. wird maschinell betrieben
- die Bahn ist für den öffentlichen Verkehr freigegeben.
Die "Prinz-Wilhelm-Eisenbahn" wurde von Friedrich Harkort projektiert und durch die von ihm 1828 gegründete "Deilthaler Eisenbahn Aktiengesellschaft" als erste Eisenbahn auf deutschem Boden erbaut. Sie führte durch das Deilbachtal von Hinsbeck, einem Ortsteil von (Essen-)Kupferdreh an der Ruhr hinauf nach Nierenhof bei Langenberg (jetzt: Stadt Velbert, Kreis Mettmann) und wurde von Prinz Wilhelm von Preußen am 20. September 1831 eröffnet. Die Gesamtstrecke betrug eine preußische Meile (7.532 Meter).
Die Prinz-Wilhelm-Eisenbahn definierte sich als Eisenbahn, weil sie auf eisernen Schienen fuhr. Eine der vielen unterschiedlichen Beschreibungen des Schienenweges lautet: "Der Oberbau bestand aus Eichenschwellen, die in einem Abstand von 82 cm von Mitte zu Mitte lagen. Quer zu den Schwellen befanden sich auf diesen zwei sogenannte Straßbäume, die eine Länge von 3,30 m hatten. Die Straßbäume waren mit Holznägeln auf den Schwellen befestigt. Die Schienen mit einer Stärke von 40 mm und einer ganz ungleichen Länge wurden wiederum mit Holznägeln, deren Köpfe in den Schienen versenkt waren, auf den Straßbäumen befestigt."
Bis 1844 wurde die Prinz-Wilhelm-Eisenbahn als Pferdebahn zum Kohletransport betrieben. Bereits nach einjähriger Betriebsdauer wurden aber auch Personen befördert, insbesondere auf der Rückfahrt von Hinsbeck nach Nierenhof; denn für diese Fahrten war kein Frachtaufkommen vorhanden. Schon von 1833 an standen einige Personenwagen "des Vergnügens wegen" zur Verfügung.
1847 wurde sie normalspurig ausgebaut und zwischen (Essen-)Steele und (Wuppertal-)Vohwinkel als dampfbetriebene Eisenbahn mit der Bezeichnung Steele-Vohwinkler Eisenbahn in Betrieb genommen.
1862 kaufte die Bergisch-Märkische Eisenbahn sie auf, nachdem schon Jahre zuvor von ihr die Betriebsführung übernommen worden war. Um einen durchgehenden Betrieb von Steele nach Vohwinkel zu ermöglichen, wurde die Spitzkehre bei Neviges (jetzt: Stadt Velbert, Kreis Mettmann) beseitigt. Die Eisenbahntrasse wird bis heute genutzt, seit 2003 von der S-Bahn-Linie 9 der S-Bahn Rhein-Ruhr.
Mehrheitlich und offiziell wird die 1833 von der privaten "Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft in Nürnberg" erbaute "Bayerische Ludwigsbahn" als erste Eisenbahn in Deutschland angesehen. Als Eröffnungsdatum gilt die erstmalige Fahrt mit der Lokomotive „Adler“ am 7. Dezember 1835. Die „Erstlings-Eigenschaft“ wird durch die Merkmale Dampflok-Betrieb, eiserne Schienen und regelmäßiger Personenverkehr definiert. Auch in der zeitgenössischen Öffentlichkeit wurde die Ludwigsbahn und die Nutzung einer Dampflok als Beginn einer neuen Epoche angesehen. Die Lokomotive Adler stammte aus England und war bereits die 118. Maschine aus der Lokomotivenfabrik Stephensons (Typbezeichnung "Patentee", da die Bauart unter Patentschutz stand). Auf die weitere Entwicklung des europäischen Eisenbahnnetzes hatte diese erste Bahnstrecke in Deutschland keinen Einfluss.
Vergleich der ersten deutschen Eisenbahnen in Deutschland
Bezeichnung | Eröffnung/Antriebsart | Länge | Spur |
---|---|---|---|
Prinz-Wilhelm-Eisenbahn | 1831 mit Pferden, 1847 mit Dampf | 7,5 km | Schmalspur (82 cm), mit Steigung |
Ludwigs-Eisenbahn Stillgelegt: 31. Oktober 1922 |
1835 mit Pferden und Dampf (Verhältnis 3:1), 1863 mit Dampf | 6,0 km | Normalspur, ohne Steigung |
Die technische Entwicklung
- 1838 wird zum ersten Mal in Deutschland eine Dampflokomotive, die "Saxonia", bei der Maschinenbaufirma Übigau bei Dresden und
- 1839 von der Gutehoffnungshütte in Oberhausen-Sterkrade die erste Dampflok des Ruhrgebiets, die "Ruhr", gebaut.
- 1879 stellt Werner von Siemens die erste gebrauchstaugliche Elektrolokomotive vor.
- 1895 wird die Strecke Meckenbeuren-Tettnang als erste elektrisch betriebene Vollbahn in Deutschland in Betrieb genommen.
Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland von 1837 bis 1870
Die Entstehung der Eisenbahnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von den Menschen unterschiedlich aufgenommen. Die einen fürchteten sich vor Qualm und Rauch der Lokomotiven, weitblickende und unternehmerisch denkende Menschen wie Friedrich Harkort und Friedrich List wiederum sahen in der Eisenbahn eine Möglichkeit zur Überwindung kleinstaatlicher Bevormundung, speziell in Deutschland.
Die ersten Eisenbahnstrecken in Deutschland
- ohne das Ruhrgebiet mit seinem Einzugsbereich (siehe unten) -
- 24. April 1837 Leipzig - Althen
- 29. Oktober 1838 Berlin - Potsdam
- 1. Dezember 1838 Braunschweig - Wolfenbüttel (erste deutsche Staatsbahn, siehe Philipp-August von Amsberg)
- 20. Dezember 1838 Düsseldorf - Erkrath
- 7. April 1839 Leipzig - Dresden (erster deutscher Eisenbahntunnel)
- 29. Juni 1839 Magdeburg - Schönebeck
- 2. August 1839 Köln - Müngersdorf
- 1. September 1839 München - Lochhausen
- 26. September 1839 Frankfurt am Main - Höchst am Main (Taunusbahn)
- 19. Mai 1840 Höchst am Main - Wiesbaden (Teil der S-Bahn-Linie S 1)
- 23. Juli 1840 Magdeburg - Halle
- 18. August 1840 Halle - Leipzig
- 1. September 1840 Köthen - Dessau
- 12. September 1840 Mannheim - Heidelberg (Rheintalbahn) (zunächst in einer Spurweite von 1600 mm erbaut)
- 4. Oktober 1840 München - Augsburg
- 1. September 1841 Köln - Aachen über Düren und Eschweiler
- 10. September 1841 Berlin - Köthen
- 31. Oktober 1841 Wolfenbüttel - Harzburg
- 7. Mai 1842 Hamburg - Bergedorf
- 19. September 1842 Leipzig - Altenburg
- 31. Oktober 1842 Berlin - Frankfurt (Oder)
- 16. August 1843 Berlin - Stettin
- 15. Oktober 1843 Aachen - Antwerpen über Herbesthal, Verviers, Lüttich und Löwen (Belgien)
- 15. Februar 1844 Köln - Bonn
- 18. September 1844 Altona - Kiel König Christian VIII. Ostseebahn
(Die Bahn befand sich im Herzogtum Holstein, das zum Deutschen Bund gehörte; allerdings war der König von Dänemark in Personalunion Herzog von Holstein) - 1. August 1845 Heidelberg - Karlsruhe - Freiburg (Rheintalbahn (zunächst in einer Spurweite von 1600 mm erbaut.)
- 22. Oktober 1845 Cannstatt - Untertürkheim
- 7. November 1845 Untertürkheim - Obertürkheim
- 20. November 1845 Obertürkheim - Esslingen am Neckar
- 27. Juli 1846 Frankfurt am Main - Heidelberg (Main-Neckar-Eisenbahn)
- 15. Oktober 1846 Cannstatt - Ludwigsburg
- 14. Dezember 1846 Esslingen am Neckar - Plochingen
- 11. Oktober 1847 Plochingen - Süßen
- 8. November 1847 bis 1. Juni 1850 Friedrichshafen – Ulm (Württembergische Südbahn) (siehe auch Schwäbische Eisenbahn).
- 1847 Berlin - Paris
- 1848 Dresden - Pirna
- * 14. Juni 1849 Süßen - Geislingen an der Steige
- 1849 Bexbach - Ludwigshafen (Pfälzische Ludwigsbahn)
- 29. Juni 1850 Geislingen an der Steige - Ulm
- 1852 Frankfurt am Main - Kassel (Main-Weser-Bahn)
Die Entwicklung der Eisenbahn im Ruhrgebiet und seinem Einzugsbereich
Die Erschließung des Ruhrgebiets als Lieferanten für Kohle und Stahl für die aufstrebende Industrie förderte hier die Gründung von Eisenbahngesellschaften:
- Cöln-Mindener Eisenbahn (CM)
- Bergisch-Märkische Eisenbahn (BM)
- Rheinische Eisenbahn (Rh)
- Dortmund-Gronau-Enscheder Eisenbahn
- Niederländisch-Westfälische Eisenbahn
- Königlich-Westfälische Eisenbahn (We)
und den Bau weiterer Eisenbahnstrecken und Bahnhöfe im gesamten Einzugsbereich des Ruhrgebiets:
- 1841/49: Düsseldorf – Dortmund über Elberfeld – Barmen – Schwelm – Milspe – Hagen – Wetter – Witten (BM)
- 1846/47: Köln-Deutz – Minden über Düsseldorf – Duisburg – Oberhausen – Essen-Altenessen – Gelsenkirchen – Wanne-Eickel – Herne – Castrop-Rauxel – Dortmund – Hamm (Westf) – Bielefeld (CM)
- 1847: Vohwinkel – Steele über Neviges – Langenberg (Prinz-Wilhelm-Eisenbahn)
- 1848/52: Oberhausen – Aachen über Ruhrort - Trajekt über den Rhein – Krefeld – Viersen – Mönchengladbach (Bergisch-Märkische Eisenbahn)
- 1848/53: Hamm – Kassel über Soest – Lippstadt – Paderborn – Altenbeken – Warburg (We)
- 1853: Mönchengladbach – Oberkassel über Neuss (BM)
- 1855: Bingerbrück – Krefeld über Koblenz – Bonn – Köln – Neuss (Rh)
- 1855: Dortmund – Soest über Hörde – Unna (BM)
- 1855/59: Bau der Dombrücke in Köln (1911 durch die Hohenzollernbrücke ersetzt.) (CM)
- 1856: Oberhausen – Emmerich über Wesel bis zur Grenze D/NL und weiter nach Amsterdam über Arnheim (Hollandstrecke) (CM)
- 1859/62: Köln – Gießen über Au (Sieg) – Betzdorf – Dillenburg – Wetzlar (Siegstrecke, Hellertalbahn, Dill-Strecke) (Cöln-Mindener Eisenbahn)
- 1860: Witten – Oberhausen über Bochum – Steele (BM)
- 1861: Hagen – Siegen über Letmathe – Finnentrop – Kreuztal (Ruhr-Sieg-Strecke) (BM)
- 1862: Dortmund – Duisburg über Bochum – Essen mit Abzweigen nach Ruhrort und Oberhausen (BM)
- 1863/65: Krefeld – Zevenaar (NL) über Kleve – die Griethauser Brücke – Trajekt über den Rhein – Elten (Rheinische Eisenbahn)
- 1866: Viersen – Venlo über Kaldenkirchen (BM)
- 1866: Hagen – Hamm über Schwerte – Unna (BM)
- 1866: Hohenbudberg – Dortmund Süd über Rheinhausen – Trajektanstalt Rheinhausen-Hochfeld über den Rhein – Hochfeld – Speldorf – Heißen – Essen Nord – Bochum Nord – Langendreer Nord (Rh).
- 1866: Düsseldorf – Hattingen über Kettwig – Werden – Kupferdreh – Überruhr – Dahlhausen (BM)
- 1868: Hattingen – Schwerte über Herdecke (BM)
- 1868: Köln-Mülheim – Düsseldorf-Eller über Opladen – Hilden (Rh)
- 1870: Neuss – Düsseldorf einschl. Rheinbrücke (BM)
- 1870: Wanne-Eickel – Hamburg über Recklinghausen – Haltern – Münster – Osnabrück – Bremen (CM)
- 1871: Dortmund – Herne über Castrop-Rauxel Süd (CM)
- 1873: Schwerte – Warburg über Arnsberg – Meschede – Brilon (BM)
- 1874: Das Trajekt Rheinhausen – Hochfeld wird durch eine Brücke ersetzt (Rh).
- 1874: Eller – Duisburg-Wedau über Düsseldorf-Rath – Ratingen West (Rh)
- 1874: Haltern – Venlo über Hervest-Dorsten – Wesel einschl. der 1.950 m langen Eisenbahnbrücke Wesel (1872/74) (CM)
- 1874/78: Dortmund – Ruhrort über Castrop-Rauxel-Süd – Herne – Wanne-Eickel – Essen-Karnap – Osterfeld Süd – Meiderich (Emschertalbahn) (CM)
- 1875: Dortmund – Enschede (NL) über Lünen – Selm – Lüdinghausen – Dülmen – Coesfeld – Ahaus – Gronau (Dortmund-Gronau-Enscheder Eisenbahn)
- 1876: Styrum – Kettwig über Broich – Kettwig vor der Brücke (BM)
- 1877: Werden – Essen (BM)
- 1878: Düsseldorf – Dortmund Süd über Wuppertal – Schwelm Nord – Gevelsberg – Hagen – Herdecke – Hörde (Rh)
- 1878: Wesel – Bocholt (CM)
- 1879: Duisburg-Wedau – Wilhelmshaven über Oberhausen West – Osterfeld Süd – Gladbeck West – Hervest-Dorsten – Coesfeld – Rheine – Quakenbrück – Oldenburg (Rh)
- 1879: Herne – Osterfeld Süd über Gelsenkirchen-Bismarck – Bottrop (We)
- 1880: Wanne-Eickel – Winterswijk (NL) über Gelsenkirchen-Bismarck – Gelsenkirchen-Buer Süd – Gladbeck Ost – Hervest-Dorsten – Borken (Niederländisch-Westfälische Eisenbahn)
- 1888: Oberhausen – Styrum
- 1891: Inbetriebnahme des Rangierbahnhofs Oberhausen-Osterfeld Süd
- 1905: Hamm (Westf) – Osterfeld Süd über Lünen Süd – Recklinghausen Ost – Gelsenkirchen-Buer Nord – Gladbeck West (Hamm-Osterfelder Bahn)
- 1912: Oberhausen – Wesel über Hamborn – Walsum
- 1912: Oberhausen – Essen West
- 1927: Lünen – Münster
- 1929: Oberhausen – Krefeld über Moers
Die Eisenbahnen in Thüringen - 1846 bis 1880
Im 19. Jahrhundert existierte noch kein einheitlicher Staat im heutigen Thüringen. Die Zersplitterung des Landes in zahlreiche Territorien erschwerte die einheitliche Planung von Eisenbahnstrecken außerordentlich, obwohl sich die meisten Kleinstaaten um einen Anschluß an das entstehende deutsche Schienennetz bemühten. So kam es, daß um das Jahr 1890 fünfzehn verschiedene Gesellschaften im größten Einzelstaat Thüringens, dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Eisenbahnen betrieben.
Allerdings suchte das Königreich Preußen, dessen Provinz Sachsen teilweise in Thüringen belegen war, die Entwicklung zu beeinflussen. Sein Ziel war es, möglichst kurze Verbindungen von seinen Stammlanden ins Rheinland und nach Westfalen zu schaffen, nach 1866 auch in die neue Provinz Hessen-Nassau. Preußen beteiligte sich daher im Jahre 1844 neben Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Coburg-Gotha maßgeblich an der Gründung der Thüringischen Eisenbahn-Gesellschaft, die aber mit 75% des Kapitals von privaten Investoren dominiert wurde.
Ihre erste Bahnlinie erreichte von Halle über Weißenfels am 19. Dezember 1846 die Residenzstadt Weimar und im folgenden Jahr über Erfurt und Gotha schließlich am 24. Juni 1847 Eisenach. Von hier aus schloß man 1849 die Lücke zur Hessischen Kurfürst Friedrich-Wilhelms-Nordbahn in Gerstungen, so daß man einige Jahre später über Kassel auch Frankfurt am Main auf dem Schienenwege erreichen konnte, der 125 Kilometer auf thüringischem Gebiet verlief.
In Eisenach begann die Strecke einer zweiten großen Bahngesellschaft, der Werra-Eisenbahn-Gesellschaft. Das neue Unternehmen, das die Betriebsführung der Thüringischen Eisenbahn-Gesellschaft überließ, erschloß ab 2. November 1858 mit seiner 150 Kilometer langen Linie Eisenach - Meiningen - Hildburghausen - Coburg - Sonneberg die südthüringischen Staaten, die sich maßgeblich an der Finanzierung beteiligt hatten. Der Anschluß Richtung Lichtenfels an das bayerische Eisenbahnnetz erfolgte 1859. Im selben Jahr erreichte die Thrüringische Eisenbahn-Gesellschaft von Weißenfels über Zeitz die Hauptstadt Gera des Fürstentums Reuß jüngere Linie.
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts begann der Bahnbau auch im heutigen Nordthüringen, das damals preußisch war. Die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn-Gesellschaft eröffnete am 10. Juli 1866 die Strecke von Halle über Eisleben - Sangerhausen durch die Goldene Aue am Südrand des Harzes entlang bis Nordhausen. Von hier ging es 1867 einerseits über Leinefelde - Heiligenstadt durch das Eichsfeld nach Arenshausen und 1869 andererseits nach Nüxei bei Bad Sachsa. An beiden Endepunkten gab es Anschlüsse an die nun preußisch gewordenen Strecken in Kurhessen und Hannover.
Die schon erwähnte Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft eröffnete in jenen Jahren nur 1867 die Strecke von Erfurt nach Arnstadt, das damals zum Fürstentum Schwarzburg-Sondershaueen gehörte. Es folgten 1870 die Querverbindung Gotha - Mühlhausen - Leinefelde und 1871 die Strecke von Gera über Triptis nach Saalfeld.
Die Nordhausen-Erfurter Eisenbahn-Gesellschaft (NEEG) nahm 1869 mit ihrer Stammstrecke über Sondershausen - Straußfurt eine weitere Nord-Süd-Verbindung in Betrieb. Sie übernahm auch die Betriebsführung der der 1874 eröffneten Strecke Straußfurt - Sömmerda - Großheringen der Saal-Unstrut Eisenbahn-Gesellschaft, die 1882 völlig auf die NEEG überging.
In der "Gründerzeit" nach dem Krieg von 1870/71 entstanden in schneller Folge auch in Thüringen weitere Bahnlinien, die allerdings meist nur eine Länge von 10 bis 30 Kilometern aufwiesen. Von größerer Bedeutung waren nur 1874 die Saal-Eisenbahn-Gesellschaft mit der Strecke Großheringen - Jena - Saalfeld und 1876 die Weimar-Geraer Eisenbahn-Gesellschaft, die ebenfalls Jena berührte.
In den folgenden Jahren bis zur Jahrhundertwende begann die Preußische Staatsbahn, nach und nach alle privaten Bahngesellschaften zu erwerben; außerdem baute sie selbst eine große Anzahl von Bahnlinien. Im Osten Thüringens kamen jedoch mehrer Teilstrecken von Privatbahnen zur Sächsischen Staatsbahn.
Die Verstaatlichung (Länderbahnen) - 1871 bis 1920
Nach der Reichsgründung im Jahr 1871 unternahm der Reichskanzler Otto von Bismarck den Versuch, ein nationales Eisenbahnunternehmen zu schaffen. Er scheiterte aber am Widerstand der Länder, die eine zu große Einflussnahme Preußens befürchteten. Durch Verstaatlichung zumindest der zahlreichen preußischen Privatbahnen unter dem Dach der Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung (K.P.E.V.) wurde allerdings eine der größten Bahnverwaltungen Europas aufgebaut. Der bisherige Leiter des Reichseisenbahnamtes Maybach wurde im Jahre 1878 von Reichskanzler Bismarck zum preußischen Staatsminister und Leiter des neu geschaffenen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten ernannt (Gesetz vom 7. August 1878).
Im Jahre 1912 waren nachfolgend genannte Ländereisenbahnen zuständig für den Eisenbahnverkehr in Deutschland.
nach den Angaben der Eisenbahnverwaltungen bearbeitet im Reichs-Eisenbahn-Amt -
Band XXXIII - Rechnungsjahr 1912 - Berlin 1914
Name
|
Schmalspur
km | |
---|---|---|
Großherzoglich Badische Staatseisenbahnen | 1.753,71 | 27,53 |
Großherzoglich Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn | 1.093,78 | |
Großherzoglich Oldenburgische Staatseisenbahnen | 651,53 | |
Königlich Bayerische Staats-Eisenbahnen | 8.034,35 | 115,45 |
Königlich Preußische Militäreisenbahn | 70,52 | |
Königlich Sächsische Staats-Eisenbahnen | 2.814,17 | 507,75 |
Königlich Württembergische Staats-Eisenbahnen | 1.997,67 | 101,28 |
Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen | 2.021,93 | 78,10 |
Vereinigte Preußische und Hessische Staatseisenbahnen | 38.790,44 | 239,31 |
Staatsbahnen (Gesamtstreckenlänge: 58.297,52 km) | 57.228,10 | 1.069,42 |
Die Strecken lagen teilweise außerhalb der heutigen Landesgrenzen.
Folgende Eisenbahnen hatten in der Zwischenzeit ihren Betrieb eingestellt:
- die Nassauische Staatsbahn (bis 1866)
- die Königlich Hannöversche Staatseisenbahnen (bis 1866) und
- die Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn (bis 1870)
sowie einige, die aus der Zusammenarbeit mehrerer Länder entstanden waren, wie z.B. die Main-Weser-Bahn oder die Main-Neckar-Eisenbahn.
Mit zunehmender Verkehrsdichte wurde das Netz der Hauptbahnen ausgebaut. Auch kleinere Länder - wie z.B. das Kurfürstentum Hessen - bauten einzelne Staatsbahnstrecken. Sie wurden teils durch Privatgesellschaften betrieben. Das dünner besiedelte Land wurde durch 21.000 km Nebenbahnen (in Bayern auch Vizinalbahn genannt) erschlossen. Aufgrund ihrer geringen Auslastung erwiesen diese sich jedoch im Laufe der Jahre als unrentabel. Sie bilden teilweise bis heute eine kostspielige "Altlast" im deutschen Bahnnetz. Insgesamt erwirtschaftete die Bahn in jener Zeit aber hohe Überschüsse und war der größte Arbeitgeber Deutschlands.
Die Folgen der Verstaatlichung
Durch die Verstaatlichung wurde auch das Umfeld der Bahnen verändert. Legten bisher die einzelnen Gesellschaften größten Wert darauf, die Gleise anderer Gesellschaften möglichst durch Brücken oder mit Unterführungen zu kreuzen, um keine Trassengebühren an die Konkurrenz zahlen zu müssen, so waren diese Überlegungen jetzt überholt. Der Eisenbahnbetrieb konnte in Folge dessen rationalisiert werden.
In jener Zeit erfuhren die Dampflokomotiven zahlreiche technische Verbesserungen. Die Zahl der angetriebenen Achsen wurde erhöht und der Wirkungsgrad der Dampfmaschine durch die Einführung der Heißdampftechnik verbessert. Dadurch stieg die Höchstgeschwindigkeit von Schnellzügen von 90 km/h bis auf 120 km/h.
Durch den Wirtschaftsaufschwung und mit steigender Bevölkerungszahl setzte um die Jahrhundertwende ein starkes Städtewachstum ein, das eine wesentlich stärkere Nutzung der Stadt- und Vorortbahnen zur Folge hatte. Allein Berlin verzeichnete täglich 1 Million Fahrgäste.
Nach dem Schnellzug der 1850er Jahre führte die preußische Staatsbahn 1892 den D-Zug ein mit seinen charakteristischen Durchgangswagen mit wettergeschützten Übergängen zwischen den Wagen. Mit ihm wird im Jahr 1914 die Reisegeschwindigkeit auf fast 90 km/h gesteigert. Gleichzeitig stieg mit wachsender Industrialisierung auch der Güterverkehr und die Eisenbahn beherrschte schließlich fast den gesamten Fernverkehr.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 unterblieben jedoch Instandsetzung und technische Fortentwicklung.
Das Preußische Kleinbahn-Gesetz von 1892
Obwohl das Netz der Eisenbahnen ständig verdichtet worden war, war gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch manche Region in Deutschland ohne ausreichende Verkehrsanbindung. Insbesondere die landwirtschaftlich strukturierten Bereiche im Norden und Osten des Königreichs Preußen bedurften einer Erschließung; denn die Wirtschaftskraft und Entwicklung eines Gebiets hing seinerzeit entscheidend von einer guten Bahnanbindung ab.
Das erkannte auch die Preußische Regierung. Doch trotz der hohen Überschüsse, die die Preußischen Staats-Eisenbahnen erwirtschafteten, sah sich der Preußische Finanzminister Johannes von Miquel nicht in der Lage, im Jahre 1892 mehr als 26 Millionen Mark für den Neubau von staatlichen Nebenbahnen bereit zu stellen.
In Anbetracht der berechtigten Wünsche der Bevölkerung und ihrer Abgeordneten unterbreitete er dem Landtag am 6. März 1892 den Entwurf eines "Gesetzes über die Bahnen unterster Ordnung". Das sollte den Bau von lokalen Eisenbahnen erleichtern, indem die technischen Anforderungen an Bau und Betrieb dieser Bahnen verringert und die Finanzierung neu geordnet wurden.
Das "Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen" erging am 28. Juli 1892. Es löste eine Welle von Bahnneubauten aus, so dass bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 über 300 Eisenbahnstrecken mit einer Gesamtlänge von mehr als 10.000 km fertiggestellt waren. Es brachte nicht nur für dünnbesiedelte ländliche Gebiete viele neue Verbindungen, sondern führte auch zu einer Verdichtung des Nahverkehrsangebots, das durch die wachsende Industrialisierung in den Ballungsräumen um die Großstädte erforderlich wurde. Innerhalb von wenig mehr als zwanzig Jahren hatte sich die Dichte des Eisenbahnnetzes in Preußen von 6,99 km auf 13,7 km je einhundert Quadratkilometer Fläche verdoppelt. Der Erfolg dieses Gesetzes führte auch in anderen deutschen Bundesstaaten zum Bau neuer Nebenbahnen in vereinfachter Weise. In Preußen stieg der Anteil privater Eisenbahnen am Schienennetz von 6% im Jahre 1892 auf 26% im Jahre 1914 an.
Die Deutsche Reichsbahn - 1920 bis 1945
Entwicklung des deutschen Streckennetzes | ||
Jahr | Länge in km | |
---|---|---|
1835 |
6 |
Am 1. April 1920 trat der Staatsvertrag zur Gründung der Reichseisenbahnen als Zusammenschluss der Staatsbahnen Badens, Bayerns, Hessens, Mecklenburgs, Oldenburgs, Preußens, Sachsens, und Württembergs unter der Hoheit des Deutschen Reiches in Kraft. Dieser Zusammenschluss war entsprechend der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 erforderlich.
Der 1924 entwickelte Dawes-Plan sah u.a. vor, die Reichseisenbahnen komplett an die Reparationsgläubiger zu verpfänden. Die Reichsregierung erließ daraufhin am 12. Februar 1924 die Verordnung zur Schaffung der Deutschen Reichsbahn als staatlichem Unternehmen. Da den Reparationsgläubigern diese Maßnahmen noch nicht weit genug gingen, wurde am 30. August 1924 das Gesetz zur Gründung der privatwirtschaftlichen Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) zum Betrieb der Reichseisenbahnen erlassen.
Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft hatte von Anfang an die Zielvorstellung, durch Neubeschaffung von Fahrzeugen den bestehenden, heterogenen Fahrzeugpark zu rationalisieren, z.B. durch Einheitslokomotiven. In den späten 1930er Jahren wurde die Geschwindigkeit forciert durch Schnelltriebzüge (Fliegender Hamburger) und Stromlinien-Dampfloks wie der Baureihe 05, die bis zu 200 km/h Spitzengeschwindigkeit erreichte.
In der Weimarer Zeit war das Verkehrsnetz vornehmlich in West-Ost-Richtung organisiert. Die modernsten "Rennstrecken" ihrer Zeit waren damals die Preußische Ostbahn, die durch den polnischen Korridor verlief, sowie die Strecken von Berlin nach Hamburg und von Mannheim nach Karlsruhe.
Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn vom 10. Februar 1937 wurde die Deutsche Reichsbahn unter die Reichshoheit gestellt.
Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn - 1945 bis 1993
1945 übernahmen die Besatzungsmächte den Betrieb der Eisenbahn in den jeweiligen Besatzungszonen. Eine einheitliche Deutsche Reichsbahn in ihrer bisherigen Form bestand nicht mehr. Die Bezeichnung Deutsche Reichsbahn (DR) wurde nur für die Staatsbahn in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. ab 1949 der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beibehalten, die ab 1948/49 auch den Betrieb fast sämtlicher "Privatbahnen" in ihrem Bereich übernommen hatte.
In Anbetracht der geringen Motorisierung der Bevölkerung in der DDR besaßen die Eisenbahnen eine enorme Bedeutung für den Verkehr. Legendär waren einige Züge wie der Karlex, für den ein eigener Triebzug konstruiert wurde, oder der Balt-Orient-Express. In Westberlin hatte die Deutsche Reichsbahn die Betriebsrechte für die Staatsbahnstrecken und somit auch für den Betrieb der S-Bahn.
Aber auch in den drei westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland war die Eisenbahn bis weit in die sechziger Jahre hinein das wichtigste Verkehrsmittel. Nach Gründung der Bundesrepublik wurden die staatlichen Eisenbahnen ab Herbst 1949 als ein Sondervermögen verwaltet und unter dem Namen Deutsche Bundesbahn geführt. Das Staatsunternehmen mußte sich von Anfang an der beginnenden Massenmotorisierung stellen und andererseits die Kosten für den Wiederaufbau der nach dem Krieg zerstörten Bahnanlagen tragen. Die Folge dieses Wettbewerbdruckes war die Stilllegung zahlreicher unrentabeler Nebenstrecken vor allem in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Im gleichen Zeitraum wurden so gut wie keine Streckenneubauten in Betrieb genommen, eine der ganz wenigen Ausnahmen war die Verbindung von Gelsenkirchen-Buer über Marl nach Haltern.
Deutsche Bahn AG - ab 1994
Am 1. Januar 1994 wurden die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn der DDR als Sondervermögen des Bundes in ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit dem Namen Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DB AG) übergeführt. Die Deutsche Bahn AG hat also keinen Behördenstatus mehr, sondern muss sich als Unternehmen im Verkehrsmarkt behaupten. Das Streckennetz wurde weitgehend auf die Deutsche Bahn AG übertragen.
Seit 1990 wurden folgende Schnellfahrstrecken in Betrieb genommen:
Zeitgleich wurde der ICE eingeführt.
Sonstiges
- Portal Bahn
- Epoche (Eisenbahn)
- Günter Fromm Autor zur Thüringer Eisenbahngeschichte
- Geschichte der Eisenbahn in Österreich
- ÖBB-Geschichte
- Geschichte der Schweizer Eisenbahn