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Globalismus

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Globalismus wird eine Ideologie genannt, die voraussetzt, dass politisches Handeln nur noch als Anpassung an die Gesetze des Weltmarktes möglich sei.[1] Diese Prämisse liegt einem politischen Diskurs zugrunde, wonach es nur noch darauf ankomme, dass ein Unternehmen sowie eine Volkswirtschaft wettbewerbsfähig werde und sich dazu unabweisbaren Strukturreformen unterziehen müsse.[2]

Alternativ kann der Globalismus aber auch als eine diskursive Formation konzeptualisiert werden.[3] In diesem Sinne wird Globalismus als ein Diskurs verstanden, der (i) den Anspruch erhebt, autoritative Beschreibungen und Erklärungen für die gegenwärtig unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozesse und Phänomene bereitzustellen, der (ii) einen aktiven Beitrag zur Ausgestaltung der Globalisierung leistet und (iii) seinerseits permanent in Wechselwirkung mit fortschreitenden Globalisierungsprozessen modifiziert wird. Der so definierte Globalismus ist nicht identisch mit der Gesamtheit der Diskurse, die einen wie auch immer gearteten Bezug zur Globalisierung haben – es ist also zwischen Globalismus und Globalisierungsdiskursen zu differenzieren. Globalismus ist somit ein Diskurs, der in einer ganz konkreten historischen Situation 'Wissen' über Globalisierungsprozesse produziert, in vermittelter Weise im Sinne eines sozialen Konstruktivismus Wirklichkeit konstituiert und in den immer auch gesellschaftliche Machtkonstellationen eingeschrieben sind. Aus dieser Begriffsbestimmung erwachsen für die Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Globalismus u.a. folgende Fragen: Wie wird das 'Wissen' über Globalisierungsprozesse in Diskursen produziert, zirkuliert, bewahrt, artikuliert oder disartikuliert und welche Rolle spielen dabei Machtkonstellationen? Wie entwickeln konkrete Akteure bestimmte Präferenzen und in welcher Weise reflektieren diese Präferenzen unterschiedliche (insbesondere ökonomische) Interessen? In welcher Beziehung steht die Herausbildung dieser Präferenzen zu politischen, ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen, in denen die Akteure verortet sind? Welchen Einfluss hat das als Bestandteil des Globalismus produzierte und zirkulierte 'Wissen' über Globalisierungsprozesse auf deren aktive Ausgestaltung?[4]

"Globalismus" vs. "Globalisierung"

"Globalismus" ist als eine ideologische Anschauungsform strikt zu unterscheiden von "Globalisierung". "Globalisierung" stellt ein Schlagwort dar für die neue "internationale Arbeitsteilung", die gekennzeichnet ist durch eine globale Öffnung der Märkte ("global sourcing"), wodurch Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf nationalstaatlicher Ebene eingeschränkt werden.

Die Kritik am Globalismus

Die Debatte: Die Kritiker des Globalismus verweisen darauf, dass der Prozess der Globalisierung weder unausweichlich noch unsteuerbar sei, weil es immer politische Alternativen gebe. Als Gegenthese wird oft vorgebracht, dass Globalisierungskritiker irrationale Angst vor dem wirtschaftlichen Fortschritt bezeugten[5]

Kritiker des Globalismus sehen anstelle der Vieldimensionalität der Globalisierung (politische, kulturelle, ökologische sowie wirtschaftliche Globalisierung) ein Übergewicht der ökonomischen Dimension. Die Globalisierung werde auf die ökonomische Dimension reduziert, wofür auch ein grundlegender Glaube an die Leitfunktion des Weltmarktes nötig sei. Somit würde aus der facettenreichen Weltgesellschaft eine einseitige "Weltmarktgesellschaft" entstehen. Staaten sollen dieser Auffassung nach wie Unternehmen geführt werden; somit bestimmen die Produktionserfordernisse das menschliche Handeln, politisches Handeln werde verdrängt oder ganz ersetzt.

Der deutsche Soziologe Ulrich Beck sieht eine einseitige und monokausale Fixierung auf das Ökonomische. Er versucht die negativen Aspekte des Globalismus deutlich zu machen und die positive Perspektive von Vieldimensionalität (Globalisierung und weiter Globalität) aufzuzeigen.

Einige Kritikpunkte Becks sind:

  • Die Annahme, dass der freie Welthandel zu einer Senkung der Kosten und somit zu einem Wohlstand für alle führt, bestreitet Beck, da er der Meinung ist, dass Kostensenkungen durch Verletzung menschenwürdiger Arbeits- und Produktionsstandards (z.B. Kinderarbeit, Arbeiten unter der Armutsgrenze, nicht menschenwürdige Arbeitsbedingungen) herbeigeführt werden und nicht, wie vom Neoliberalismus unterstellt, durch Erhöhung der Wirtschaftlichkeit.
  • Durch die Vorrangstellung der Ökonomie werde die vieldimensionale Weltgesellschaft auf die (nahezu) eindimensionale Weltmarktgesellschaft reduziert. Auf das Rentensystem in Deutschland z. B. bezogen hätte das nach Beck die Auswirkung, dass die Altersvorsorge privatisiert wird und nur noch Personen, die in den Rentenfonds einzahlen, auch Renten erhalten, so dass die derzeitige Solidarität im Rentensystem hinfällig würde.
  • Dem Globalismus unterstellt eine Tendenz zur kulturellen Vereinheitlichung (z.B. dass die ganze Welt auch das Gleiche oder sehr Ähnliches konsumiere), wohingegen Beck der Ansicht ist, dass die kulturelle Entwicklung plural ist und auch bleibt, dabei aber örtliche und nationale Grenzen überschreitet.
  • Der Globalismus hält wirtschaftliches Denken für allgemeingültig, so dass in allen Bereichen Weltmarktgesetze zu herrschen scheinen. Beck hingegen behauptet, die ökonomische Globalisierung sei kein Mechanismus auf der Basis solcher Weltmarktgesetze, sondern ein politisches Projekt, d.h. die Politik habe den Prozess der Globalisierung immer weiter voran getrieben, wobei der Globalismus die Politik zunehmend entmachten würde.

Einzelnachweise

  1. Ulrich Beck: Die Eröffnung des Welthorizontes: Zur Soziologie der Globalisierung. Herausgeber-Mitteilung. Soziale Welt, 47, 1997, S. 3-16. S. 5.
  2. Louise Amoore: Globalisation, the Industrial Society, and Labour Flexibility. A Sense of Déjà Vu? Global Society, 12, 1, 1998.
  3. Holger Rossow: Globalismus und New Labour. Zur diskursiven Konstruktion von Globalisierungsprozessen im Großbritannien der Blair-Ära . Bielefeld: transcript, 2011, 130-136.
  4. Holger Rossow: Globalismus und New Labour. Zur diskursiven Konstruktion von Globalisierungsprozessen im Großbritannien der Blair-Ära . Bielefeld: transcript, 2011, 6-7.
  5. Gary Burtless, Robert Z. Larence, Robert E. Litau, Robert J. Shapiro: Globaphobia. Confronting Fears About Open Trade. Washington New York 1998.

Literatur