Biokraftstoff
Biokraftstoffe (auch Biotreibstoffe, Agrotreibstoffe) sind eine Form der Bioenergie. Es handelt sich um flüssige oder gasförmige Kraftstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden. Sie kommen für den Betrieb von Verbrennungsmotoren in mobilen und stationären Anwendungen zum Einsatz. Ausgangsstoffe der Biokraftstoffe sind Nachwachsende Rohstoffe wie Ölpflanzen, Getreide, Zuckerrüben oder -rohr, Wald- und Restholz, Holz aus Schnellwuchsplantagen, spezielle Energiepflanzen und anderes.


Biokraftstoffarten
Es werden häufig Biokraftstoffe der ersten und zweiten, gelegentlich auch der dritten Generation, voneinander unterschieden. Für die Erzeugung von Kraftstoffen der ersten Generation kann nur ein kleiner Teil der Pflanze (Öl, Zucker, Stärke) genutzt werden. Bei Kraftstoffen der zweiten Generation wird fast die vollständige Pflanze verwendet, teilweise einschließlich der schwer aufschließbaren Cellulose. Bei Algenkraftstoff wird auch von Kraftstoff der dritten Generation gesprochen, da Algen eine deutlich höhere Biomasse-Produktivität pro Fläche aufweisen als Pflanzen. Kraftstoffe der zweiten und dritten Generation erfordern einen meist deutlich höheren technischen und finanziellen Aufwand und können daher bisher, außer Biomethan, noch nicht wirtschaftlich erzeugt werden.
Wichtige Faktoren bei der Bewertung des Potentials und der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen ist der Ertrag (Äquivalente fossiler Kraftstoffe) und der Preis:
Biokraftstoff | Ertrag/ha | Kraftstoffäquivalenz [l][1][* 1] |
Kraftstoffäquivalent pro Fläche [l/ha][* 2] |
Fahrleistung [km/ha][1][* 3] |
---|---|---|---|---|
Pflanzenöl (Rapsöl) | 1590 l[1] | 0,96 | 1526 | 23300 + 17600[* 4] |
Biodiesel (Rapsmethylester) | 1550 l[2] | 0,91 | 1411 | 23300 + 17600[* 4] |
Bioethanol (Weizen) | 2760 l[1] | 0,65 | 1794 | 22400 + 14400[* 4] |
Biomethan (mit Mais) | 3540 kg[2] | 1,4 | 4956 | 67600 |
BtL (aus Energiepflanzen) | 4030 l[2] | 0,97[* 5] | 3909 | 64000 |
BtL (aus Stroh) | 1361 l[2] | 0,97[* 5] | 1320 | 21000 |
- ↑ 1 l Biokraftstoff bzw. 1 kg Biomethan entspricht dieser Menge konventionellen Kraftstoffs
- ↑ ohne Nebenprodukte
- ↑ separate Berechnung, nicht auf den anderen Daten basierend
- ↑ a b c mit Biomethan aus Nebenprodukten Rapskuchen/ Schlempe/ Stroh
- ↑ a b auf Basis von FT-Kraftstoffen
Erste Generation
- Pflanzenöl-Kraftstoff besteht aus unbehandeltem oder raffiniertem Pflanzenöl in Reinform. Seine Eigenschaften sind in der DIN-Norm DIN 51605 beschrieben. In Deutschland ist der Grundstoff in der Regel Rapsöl (Rapsölkraftstoff). In den chemischen Eigenschaften unterscheidet es sich vom Dieselkraftstoff, weshalb eine Anpassung der Motoren an diesen Kraftstoff erforderlich ist. Die Herstellung von Pflanzenöl erfolgt sowohl großtechnisch (Ölextraktion) als auch in kleineren, dezentralen Ölmühlen (Kaltpressung).
- Biodiesel ist ein Fettsäuremethylester (FAME), der aus Pflanzenölen hergestellt wird. Seine Eigenschaften sind in der Norm EN 14214 beschrieben. Mit Biodiesel kann Dieselkraftstoff substituiert werden. In Deutschland ist der Grundstoff meistens Rapsöl, deshalb wird Biodiesel oft als RME (Rapsöl-Methylester) bezeichnet. Biodiesel ist in seinen chemischen Eigenschaften an diejenigen des Dieselkraftstoffes angepasst worden. Die Herstellung von Biodiesel erfolgt in der Regel in großtechnischen Anlagen.
- Bioethanol wird durch Vergärung biogener Rohstoffe und anschließende Destillation hergestellt. Eine Qualitätsbeschreibung liegt seit August 2008 mit der DIN 51625 vor. Benzin kann durch Bioethanol substituiert werden. In Deutschland werden für die Herstellung von Bioethanol meist Getreide, Mais und Zuckerrüben verwendet. In Brasilien deckt Ethanol aus Zuckerrohr einen großen Teil des nationalen Treibstoffbedarfs. Die chemischen Eigenschaften unterscheiden sich vom Benzin, weshalb eine Anpassung der Fahrzeugmotoren erforderlich ist. Sogenannte Flexible Fuel Vehicle beispielsweise werden mit einem Gemisch aus 85 % Ethanol und 15 % Benzin betrieben. Die wichtigste Einsatzform von Bioethanol in Europa ist die Beimischung zu Benzin. Unter den Bezeichnungen E5 und E10 versteht man Benzin mit 5 % oder 10 % Bioethanolanteil.[3]
Zweite Generation
- Biomethan („Bioerdgas“) wird aus dem Vorprodukt Biogas hergestellt. Für die Erzeugung von Biogas kommen in der Regel Energiepflanzen, Gülle und/oder organische Reststoffe als Gärsubstrate zum Einsatz. Bei der nachgeschalteten Aufbereitung zu Biomethan werden unter anderem die störenden Bestandteile Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff aus dem Biogas entfernt und das verbleibende Produkt verdichtet (Biogasaufbereitung). Eine Qualitätsbeschreibung liegt mit der technischen Regel G 260 des DVGW seit Mai 2008 vor. Mit Biomethan kann Benzin oder Erdgas substituiert werden. Fahrzeuge, die für den Einsatz von reinem oder bivalentem Erdgasbetrieb umgerüstet sind, können mit Biomethan betrieben werden.
- BtL-Kraftstoffe („Biomass-to-Liquid“, synthetische Biokraftstoffe) können aus verschiedenen organischen Rohstoffen hergestellt werden. Sie gehören zur Gruppe der synthetischen Kraftstoffe (XtL-Kraftstoffe). BtL-Kraftstoffe können auf die jeweiligen Erfordernisse moderner Motoren zugeschnitten werden und beispielsweise Dieselkraftstoff ersetzen. BtL-Kraftstoffe sind noch im Entwicklungsstadium und noch nicht auf dem Markt erhältlich.
- Cellulose-Ethanol ist chemisch identisch mit Bioethanol. Als Rohstoff wird jedoch Cellulose eingesetzt. Diese macht einen großen Anteil der Biomasse aus, kann aber bisher wegen ihrer schlechten enzymatischen Zugänglichkeit nicht genutzt werden. Aktuell wird versucht, Verfahren zu entwickeln, mit denen auch aus Pflanzenresten, wie Stroh oder aus Holz, der Kraftstoff Ethanol wirtschaftlich gewonnen werden kann.
- Bio-Kerosin ist ein Kraftstoff, der das Kerosin auf der Basis fossiler Kraftstoffe ersetzen soll. Dieser Kraftstoff wird von der Luftfahrtindustrie entwickelt. Grundlage sind verschiedene Pflanzenöle, wie Raps- oder Jatrophaöl. Auch Algen mit hohem Ölanteil werden als Grundlage für zukünftige Entwicklungen diskutiert. Die Planer gehen davon aus, dass „Bio-Kerosin“ frühestens ab dem Jahr 2015 als Regeltreibstoff zum Einsatz kommen kann; ein erster Testflug mit Biodiesel auf der Grundlage von Jatropha in der zivilen Luftfahrt fand im Januar 2009 durch die Air New Zealand statt. KLM setzt ab Juli 2011 auf einigen Flügen im kommerziellen Passagierflug eine 50%-ige Bio-Kerosinmischung ein.[4]
Dritte Generation
Es gibt einige Verfahren, wie man mithilfe von überschüssigem Strom aus Erneuerbaren Wasserstoff, Methan oder Flüssigtreibstoffe synthetisieren kann, was sich besser speichern lässt.[5] Dabei lässt sich CO2 aus der Atmosphäre binden, was auch einen bremsenden Einfluss auf den Klimaerwärmung haben kann. Die meisten EE-Gas-Verfahren sind noch in der Pilotphase.
Weitere Biokraftstoffe
Eine Reihe weiterer Stoffe gelten gemäß der EU-Richtlinie 2003/30/EG als Biokraftstoffe, haben aber in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung:
- Biomethanol (Methanol aus Biomasse)
- Biodimethylether (DME, Dimethylether aus Biomasse)
- Bio-ETBE (Ethyl-Tertiär-Butylether auf Grundlage von Bioethanol)
- Bio-MTBE (Methyl-Tertiär-Butylether auf Grundlage von Biomethanol)
- Biowasserstoff (Wasserstoff aus Biomasse)
- Biobutanol (Butanol aus Biomasse)
Aktuelle Bedeutung und Perspektive der Biokraftstoffe
Biokraftstoffe können die fossilen Kraftstoffe Diesel, Benzin und Erdgas substituieren. Teilweise müssen Motoren oder Kraftstoffsysteme an die Biokraftstoffe angepasst werden. Biokraftstoffe werden entweder in Reinform oder als Beimischungen zu fossilen Kraftstoffen verwendet.
Die EU-Richtlinie 2009/28/EG (Erneuerbare-Energien-Richtlinie) (Nachfolger der Richtlinie 2003/30/EG) beschreibt und regelt die Verwendung von Biokraftstoffen in Europa. Ein wichtiger Aspekt ist die Kontrolle der Nachhaltigkeit, die bei Biokraftstoffen regelmäßig in der Diskussion ist. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte mit der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung. Eine Beimischungsquote von 10 % zu den fossilen Kraftstoffen bis 2020 hat zu erfolgen.
Die zukünftige Bedeutung von Biokraftstoffen hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab.
- Preisentwicklung bei den fossilen Kraftstoffen: Steigende Preise für konventionelle Kraftstoffe erhöhen die Konkurrenzfähigkeit von Biokraftstoffen.
- Politische Rahmenbedingungen: Durch Gesetze, wie das Biokraftstoffquotengesetz, kann eine Förderung erfolgen.
- Besteuerung: Biokraftstoffe unterliegen bei reiner Verwendung einer Steuerermäßigung nach dem Energiesteuergesetz. Teilweise wird die Ermäßigung sukzessiv aufgehoben.
- Regionale und globale Rohstoffpotenziale: Die Größen der nutzbaren Potentiale bestimmen die zukünftige Bedeutung der Biokraftstoffe. Die Größe der Potentiale wiederum wird von vielen Faktoren beeinflusst (siehe Artikel Potenziale und Flächenbedarf).
- Rohstoffpreise: Die Rohstoffpreise schwanken teilweise sehr stark. Landwirtschaftliche Produkte können sich, beispielsweise in schlechten Erntejahren, stark verteuern (Agflation).
- Herstellungskosten: Durch neue und weiterentwickelte Verfahren können sich die Produktionskosten verringern. Größere Produktionsmengen haben in der Regel den gleichen Effekt.
Einige Biokraftstoffe können auch regional in dezentralen, kleinen Produktionsanlagen wirtschaftlich hergestellt werden, wie Pflanzenöl und Bioethanol auf landwirtschaftlichen Betrieben und in Alkoholbrennereien, aber auch in Großanlagen. Anlagen zur Produktion von Biodiesel und BtL-Kraftstoff dagegen sind in Errichtung und Betrieb komplexer und erfordern größere, überregionale Produktionseinheiten.
Biokraftstoffe kommen als Reinkraftstoffe sowie als Beimischungen zu fossilen Kraftstoffen zum Einsatz. Innerhalb der Europäischen Union werden verbindliche Ziele für den Anteil von Biokraftstoffen am Energiemix des Transportsektors diskutiert. Mit der EU-Richtlinie 2003/30/EG wurden Beimischungen von 2 % bis 2005, 2,75 % bis 2006 und 5,75 % bis 2010 gefordert. Wegen der mangelnden Umsetzung wurde in der EU-Richtlinie 2009/28/EG (Biokraftstoffrichtlinie) ein verbindlicher Wert von 10 % bis 2020 festgelegt. Gemäß dem Biokraftstoffquotengesetz müssen in Deutschland derzeit (2011) fossilen Kraftstoffen 10 % Biokraftstoffe beigemischt werden, bezogen auf den Energiegehalt des Kraftstoffs. Die Einführung des Kraftstoffs E10, dem zu 10% statt bis dahin zu 5% Bioethanol beigemischt ist, stieß auf Akzeptanzprobleme.
Besteuerung
Die Besteuerung von Biokraftstoffen ist in Deutschland im Energiesteuergesetz (§50) geregelt. Als Beimischung in fossilen Kraftstoffen unterliegen Biokraftstoffe dem vollen Steuersatz für Kraftstoffe. Für reine Biokraftstoffe dagegen ist die Energiesteuer reduziert. Für Bioethanol als Reinkraftstoff und Biomethan gilt eine Steuerermäßigung. Für Pflanzenöl-Kraftstoff und Biodiesel muss ein Steueranteil gezahlt werden, der jährlich ansteigt, bis der volle Steuersatz für fossile Kraftstoffe erreicht ist. Die Besteuerung der zuvor steuerbefreiten Biokraftstoffe (ursprünglich bis 2009 Mineralölsteuerbefreiung, ab 2010 von der nachfolgenden Energiesteuer befreit) ab August 2006 war zunächst umstritten. Die Wirtschaftlichkeit vieler Produktionsanlagen war dadurch nicht mehr gegeben. Durch das Bundesverfassungsgericht wurde allerdings die Rechtmäßigkeit der Besteuerung festgestellt.[6]
Würde der Staat die Steuerbelastung für reinen Biodiesel deutlich absenken, hätten die öffentlichen Haushalte unter dem Strich höhere Einnahmen. Was auf den ersten Blick paradox klingt, ist nach einer Studie des Münchener ifo Instituts für Wirtschaftsforschung eine logische fiskalpolitische Konsequenz:[7] Deutsche Biodieselproduzenten könnten durch ein Wiedererstarken ihres Sektors Personal einstellen und mehr Gewerbesteuern bezahlen, der Tanktourismus von LKW-Flotten ins benachbarte Ausland würde vermieden, die inländische Wertschöpfung würde gestärkt; in der Summe wären die volkswirtschaftlichen Nettoeffekte positiv. Der Fiskus könnte in der Folge binnen eines Jahres rund 379 Millionen Euro zusätzlich einnehmen, wenn die Besteuerung von derzeit 18 Cent auf 10 Cent pro Liter reinem Biodiesel reduziert würde.
Welche Bedeutung die Höhe der Steuer für den heimischen Biodieselmarkt hat, zeigt die Erfahrung der Branche aus der jüngsten Vergangenheit: Wegen einer raschen Anhebung des Steuersatzes ist der Markt für den reinen Biodiesel (B100) von 2007 bis 2009 um 90 Prozent eingebrochen. Diese Entwicklung hat zahlreichen mittelständischen Biokraftstoffproduzenten massive wirtschaftliche Probleme bereitet.
Bewertung von Biokraftstoffen
Konkurrenz zur Bereitstellung von Nahrungsmitteln
Der Anbau von Energiepflanzen kann in Nutzungs- und Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln geraten. So zählt die erhöhte Biokraftstoff-Nachfrage zu den Faktoren, welche die Nahrungsmittelpreiskrise 2007–2008 auslösten.[8][9][10] Laut einem IFPRI-Modell war die verstärkte Produktion von Biokraftstoffen für etwa 30 % des Preisanstiegs bei Getreide (insbesondere Mais) zwischen 2000 und 2007 verantwortlich.[11]
Laut dem von der Agentur für Erneuerbare Energie im Januar 2010 vorgelegten Potenzialatlas Erneuerbare Energie wird der für Bioenergie benötigte Flächenbedarf in Deutschland von heute 1,6 Millionen Hektar auf 3,7 Millionen Hektar im Jahr 2020 ansteigen, wobei 15 % des gesamten deutschen Strom-, Wärme- und Kraftstoffbedarfs durch Bioenergie gedeckt werden kann. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei dabei zu keinem Zeitpunkt gefährdet. "Trotz des steigenden Anteils der Bioenergie gibt es jedes Jahr deutliche Überschüsse bei der Getreideernte in Deutschland und der EU", so Daniela Thrän vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ). "Die Produktivität in der Landwirtschaft steigt im Schnitt weiter an. Hinzu kommen Reststoffe wie Stroh, Gülle oder Restholz sowie brachliegende Flächen – das Potenzial bei Bioenergie ist also immer noch sehr groß."[12]
Weltweit werden nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO auf rund 30 Mio. Hektar (ca. 2 % der weltweiten Ackerfläche) Energiepflanzen angebaut. Gegenwärtig werden lediglich 5 % der globalen Getreideernte zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt.[13] Von der europäischen Getreideernte werden nur 1,6 % für Biokraftstoffe genutzt. Der überwiegende Teil (58 %) wird für Viehfutter verwendet.[14] Angesichts dieser Größenverhältnisse ist die Nutzungskonkurrenz zwischen Nahrungs- und Energiepflanzenanbau derzeit nicht akut. Verschiedene Agrarwissenschaftler betonen, die primäre Nutzungskonkurrenz bestehe momentan nicht zwischen "Teller und Tank", sondern zwischen "Teller und Trog". "Bei beispielsweise 8 kg Getreide, die zur Erzeugung von 1 kg Rindfleisch verwendet werden, spitzt sich dabei insbesondere die Konkurrenz zwischen Teller und Trog immer mehr zu", so etwa Dr. Wilfried Bommert, Autor des Buches "Kein Brot für die Welt".[15]
Bei anhaltend starkem Ausbau ist zukünftig jedoch mit einer wachsenden Nutzungskonkurrenz zu rechnen.[9][16] Melanie Hahn: Klima-Studie: Biosprit schädlicher als fossile Brennstoffe DailyGreen-Internetportal, 7. November 2010</ref> Dies hätte möglicherweise erhöhte Nahrungsmittelpreise zur Folge. Höhere Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse werden aber mittelfristig als positiv für die Landwirtschaft – insbesondere in Entwicklungsländern – gesehen. Derzeit sind die heimischen Erzeugnisse oft nicht konkurrenzfähig gegenüber den subventionierten und somit billigeren Agrarimporten aus Industrieländern, so dass Landwirte erwerbslos werden und Agrarflächen nicht wirtschaftlich genutzt werden können.[17][9]
Durch Nutzung von degradierten Flächen sowie durch Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen ist eine Verringerung der Flächenkonkurrenz möglich.[18] Auch bei der perspektivischen Herstellung von Treibstoffen aus pflanzlichen Abfällen (Cellulose-Ethanol, BtL-Kraftstoff) ist die Nutzungskonkurrenz deutlich geringer.
Klimabilanz
Pflanzen nehmen während des Wachstums das Treibhausgas CO2 auf. Bei der Zersetzung oder Verbrennung der Biomasse wird nur die gebundene Menge frei, so dass der Kohlenstoff-Kreislauf geschlossen, und die CO2-Bilanz somit neutral ist. Beim intensiven Pflanzenanbau werden große Mengen an fossilem Treibstoff benötigt, welcher die Klimabilanz verschlechtert.[19] Bei der energieintensiven Produktion des in großen Mengen benötigten Stickstoffdüngers nach dem Haber-Bosch-Verfahren werden ebenfalls große Mengen CO2 freigesetzt. Auf landwirtschaftlichen Flächen führt die Verwendung des Düngers zu Emissionen des starken Treibhausgases Lachgas (Distickstoffoxid N2O). Das Treibhauspotential ist fast 300fach stärker als das von Kohlendioxid. Dadurch kann die Klimabilanz von Biokraftstoff schlechter als bei fossilen Kraftstoffen ausfallen oder zu nur geringen Einsparungen führen. Zudem ist Lachgas maßgeblich an der Zerstörung der Ozonschicht beteiligt.[20][21] Bei optimiertem Anbau sind beispielsweise bei der Rapsdiesel- bzw. Bioethanolerzeugung jedoch Einsparungen von etwa 50, 60 oder 70 % (Raps, Mais, Zuckerrohr) denkbar.[22][23][24][25]
Für Biodiesel berechnen Studien ebenfalls eine positive Klimabilanz. 25 % bis 80 % Treibhausgasminderung gegenüber fossilen Kraftstoffen sind möglich, abhängig von Rohstoffbereitstellung, Herstellungsverfahren und Qualität der verfügbaren Daten.[26][27] Weitere Studien kommen zu dem Schluss, dass nachhaltigere Anbaumethoden, die Nutzung von organischen Rest- und Abfallstoffen und die bevorzugte Erzeugung von Biokraftstoffen mit geringem Herstellungsaufwand (Pflanzenöl und Biogas) die Klimabilanz deutlich verbessern können.[28][29][30][31] Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Art der genutzten Anbauflächen. Die Erschließung von Regenwald oder Torfmooren für die Energiepflanzenanbau ist sehr negativ, die Nutzung von degradierten Böden positiv für die Klimabilanz.[32]
In Zukunft wird eine stärkere Nutzung von unkonventionellen Ölressourcen, wie Ölschiefer, Ölsande erwartet. Deren CO2-Bilanz ist deutlich schlechter als bei konventionellem Öl, so dass die Treibhausgaseinsparung von Biokraftstoffen gegenüber fossilen Kraftstoffen zunehmen wird.[33] Aktuell stößt das in Deutschland eingesetzte Bioethanol nicht nur die in der Nachhaltigkeitsverordnung gesetzlich vorgeschriebenen 35% weniger Treibhausgase aus als fossiles Benzin, sondern 50 bis 85% .[34]
Regenwälder
Für die Einrichtung von Palmölplantagen werden häufig Regenwaldflächen gerodet, die eine Klimagas-Senke darstellen und eine große Artenvielfalt beherbergen.[35] Weltweit werden nur 5 % der Palmölproduktion energetisch genutzt; der Großteil wird für Lebensmittel (Margarine,...) und Gebrauchsgegenstände (Kosmetika, Seifen,...) verwendet. [36] Palmöl ist in Mittel- und Nordeuropa nicht als Treibstoff nutzbar, da der Treibstoff sich bei niedrigen Temperaturen verfestigt. ES wird jedoch als Treibstoff in der Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Dass Urwälder für die Bioethanol-Produktion für deutsche Motoren gerodet werden, ist wissenschaftlich umstritten nachweisbar.[37].
Für das in Deutschland verwendete Bio-Ethanol wird kein Regenwald abgeholzt: Bioethanol wird zu 90% aus Getreide und Zuckerrüben hergestellt, die in Deutschland und der EU angebaut und auch verarbeitet werden. Weitere 10 Prozent werden aus Zuckerrohr hergestellt, der auf Plantagen außerhalb des Regenwaldes angebaut wird.[38][39] Die Nachhaltigkeitsverordnung schreibt gesetzlich vor, dass ein Nachweis über die Herkunft und Produktionsbedingungen der in der EU verwendeten Bioenergie vorgelegt werden muss.
Gesetzliche Nachhaltigkeitanforderungen
Durch die seit August 2009 in Deutschland gültige Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) und der seit September 2009 gültigen Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) soll eine nachhaltige Produktion sichergestellt werden. Grundlage der Verordnungen sind entsprechende Anforderungen gemäß der EU-Richtlinie 2009/28/EG (Erneuerbare-Energien-Richtlinie).[40] Mit der Biokraft-NachV soll sichergestellt werden, dass flüssige Biomasse, die zur Stromerzeugung eingesetzt und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird, nur unter Beachtung verbindlicher ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wird. Nicht nachhaltig hergestellte Biomasse soll künftig nicht mehr nach dem EEG vergütet werden. Der Nachweis, dass die Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt werden, ist durch ein Zertifizierungsverfahren (Zertifizierung (Biomasse)) zu erbringen. Die Ausstellung ist an die Einhaltung anerkannter Zertifizierungssysteme gebunden und wird von unabhängigen und akkreditierten Zertifizierungsstellen wie Bureau Veritas[41] oder dem TÜV überwacht. Die Hersteller müssen nachweisen, dass sie im Interesse des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes ihre Produkte herstellen und keine schützenswerten Flächen zerstören.
In Deutschland gibt es derzeit zwei von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anerkannte Zertifizierungssysteme für Biokraftstoffe: International Sustainability & Carbon Certification (ISCC)[42] und REDcert [43].
Situation in der Schweiz
In der Schweiz betreibt das Paul Scherrer Institut und die EMPA Forschung zur Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Dazu werden Rest- und Abfallstoffe wie etwa Gülle, Restholz, Kompost oder auch Nahrungsmittelabfälle aus der Gastronomie verwendet.[44]
Anhang
Siehe auch
Literatur
- Agentur für Erneuerbare Energien: Broschüre Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie
- Agentur für Erneuerbare Energien: Hintergrundpapier Biokraftstoffe
- Agentur für Erneuerbare Energien: Hintergrundpapier Energiepflanzen
- Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V.: Synthetische Biokraftstoffe. Techniken - Potentiale - Perspektiven 2005. Landwirtschaftsverlag Münster. Band 25 aus der Reihe Nachwachsende Rohstoffe, ISBN 3-7843-3346-X.
- Michael Weitz: Biokraftstoffe - Potenzial, Zukunftsszenarien und Herstellungsverfahren im wirtschaftlichen Vergleich, Diplomica Verlag, CT Salzwasser-Verlag, Oktober 2006, ISBN 978-3-8324-9352-3.
- Lorenzo Cotula, Nat Dyer, Sonja Vermeulen: Fuelling exclusion? The biofuels boom and poor people's access to land, International Institute for Environment and Development, FAO, 2008, ISBN 978-1-84369-702-2.
- Hausmann, Stefan; Pohl, Daniel; Jonas, Patrick: Bioenergie - CleanTech Treiber im Fokus Deutsches CleanTech Institut (DCTI), Bonn 2010. Kostenlose Studie im Download.
Weblinks
- www.unendlich-viel-energie.de – Portal Biomasse auf den Seiten der Agentur für Erneuerbare Energien
- Youtube-Video zur Diskussion "Teller oder Tank"
- www.bio-kraftstoffe.info – Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe: Portal Biokraftstoffe
- www.erneuerbare-energien.de – Internetpräsenz des Bundesumweltministeriums zu Bioenergie
- Biokraftstoffe. Eine vergleichende Analyse – Studie der Agentur für Erneuerbare Energien (PDF)
- www.biokraftstoffverband.de – Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB)
Belege
- ↑ a b c d Biokraftstoffe Basisdaten Deutschland, Stand Oktober 2009 Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), Gülzow, 2009, 14-seitige Broschüre, als pdf verfügbar
- ↑ a b c d Biokraftstoffe Basisdaten Deutschland, Stand Januar 2008 Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), Gülzow, 2008, Broschüre, wegen aktualisierter Version nicht mehr als pdf verfügbar
- ↑ http://bdbe.de/Einsatzmoeglichkeiten.html
- ↑ http://www.airliners.de/technik/forschungundentwicklung/klm-setzt-biotreibstoff-ein/24546
- ↑ Auf dem EcoSummit werden die Projekte GreenThiTan und SunFire unter der Überschrift 3G bio fuel vorgestellt, daneben gibt es noch SolarFuel
- ↑ http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg07-084.html Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Biokraftstoffen ab 1. August 2006, erlassen am 25. Juli 2007
- ↑ Studie ifo-Institut
- ↑ http://www.nachhaltigkeitsrat.de/index.php?id=3520
- ↑ a b c OECD: Growing bio-fuel demand underpinning higher agriculture prices, says joint OECD-FAO report, 4. Juli 2007; bezogen auf OECD-FAO: OECD-FAO Agricultural Outlook 2007-2016 (PDF; 779 KB)
- ↑ Mitchell, Donald: A Note on Rising Food Prices. April 8, 2008
- ↑ [1]
- ↑ Potenzialatlas Erneuerbare Energien
- ↑ FAO/Töpfer zitiert nach Agentur für Erneuerbare Energien: Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie. Berlin 2008, S. 6
- ↑ EU Cereal Management Committee 2008
- ↑ Grüner Runder Tisch für artgerechte Tierhaltung
- ↑ UN-Energy: Sustainable Bioenergy. A Framework for Decision Makers (S. 36 PDF; 1,01 MB)
- ↑ n-tv.de: Ohne Biosprit geht es nicht, Interview mit Uwe Lahl, 2. April 2009
- ↑ Agentur für Erneuerbare Energien: Globale Bioenergienutzung – Potenziale und Nutzungspfade. Berlin 2009, S. 9
- ↑ FTD: Brisante Studie, 11. April 2010
- ↑ Financial Times Deutschland: Lachgas ist Ozonkiller Nummer Eins. Financial Times Deutschland, abgerufen am 3. September 2009.
- ↑ Ravishankara, A. R. et al.: Nitrous Oxide (N2O): The Dominant Ozone-Depleting Substance Emitted in the 21st Century. In: Science. Epub ahead of print. Jahrgang, 2009, PMID 19713491.
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Alternative Energiequellen – Klimakiller vom Acker, 26. September 2007
- ↑ Die Zeit: Ernüchternde Klimabilanz, 26. September 2007
- ↑ P. J. Crutzen, A. R. Mosier, K. A. Smith & W. Winiwarter: N2O release from agro-biofuel production negates global warming reduction by replacing fossil fuels. In: Atmos. Chem. Phys. Discuss. Band 7, 2007, S. 11191–11205 (Abstract).
- ↑ P. J. Crutzen, A. R. Mosier, K. A. Smith & W. Winiwarter: N2O release from agro-biofuel production negates global warming reduction by replacing fossil fuels. In: Atmos. Chem. Phys. Band 8, 2008, S. 1389-395 (Abstract und vollständige Veröffentlichung als PDF)).
- ↑ Manfred Wörgetter, Marion Lechner, Josef Rathbauer: Ökobilanz Biodiesel. Eine Studie der Bundesanstalt für Landtechnik im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft. März 1999. S. 19
- ↑ Das Fraunhofer-Institut zu Aspekten des Einsatzes von Biodiesel
- ↑ http://www.unep.fr/scp/rpanel/pdf/Assessing_Biofuels_Full_Report.pdf
- ↑ Edelmann et al.: Ökologischer, energetischer und ökonomischer Vergleich von Vergärung, Kompostierung und Verbrennung fester biogener Abfallstoffe. 2000
- ↑ SRU: Klimaschutz durch Biomasse. Sondergutachten. 2007
- ↑ R. Zah et al: Ökobilanz von Energieprodukten. 2007
- ↑ Joseph Fargione, Jason Hill, David Tilman, Stephen Polasky, Peter Hawthorne: Land Clearing and the Biofuel Carbon Debt. In: Science, 7. Februar 2008 ([2])
- ↑ Wolfgang Gründinger: Die Energiefalle. Rückblick auf das Erdölzeitalter. München 2006, Kapitel 2
- ↑ Biokraftstoffproduzenten kritisieren einseitige Debatte um E10 Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V., Pressemitteilung, 24. Februar 2011
- ↑ Scientists warn on biofuels as palm oil price jumps (englisch) Reuters, 1. Juni 2006
- ↑ US Dep. of Agriculture 2008
- ↑ Factsheet zu zentralen Kritikpunkten an der Studie des Institute for European Environmental Policy (IEEP) “Anticipated Indirect Land Use Change Associated with Expanded Use of Biofuels and Bioliquids in the EU – An Analysis of the National Renewable Energy Action Plans” Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (PDF)
- ↑ Informationsseite des BMU
- ↑ Broschüre der Agentur für Erneuerbare Energien: "Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie"
- ↑ Information zur Nachhaltigkeitverordnung-Biomassestrom und -Biokraftstoff Umweltgutachter-Ausschusses (UGA) des BMU, abgerufen am 25. November 2009
- ↑ Nachhaltigkeitsprüfung von Biomasse und Biokraftstoffen
- ↑ http://www.iscc-project.org/
- ↑ http://www.redcert.org
- ↑ Sendung Kontext von Radio DRS 2 vom 21. Juli 2010