Schadensersatz
Unter Schadensersatz (oder auch Schadenersatz ohne Fugen-S) versteht man den Ausgleich eines Schadens, den jemand gegen oder ohne seinen Willen durch eine andere Person oder Sache erlitten hat, ohne dass dem anderen ein Vorteil daraus erwachsen würde.
Das deutsche Zivilrecht unterscheidet zunächst nach der Begründung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Schadenersatzansprüchen. Voraussetzung ist regelmäßig schuldhaftes Handeln oder Unterlassen, nur ausnahmsweise kommt eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung zum tragen. Verschulden wird begründet durch eigenes Verhalten, fremdes Verhalten kann nur in Ausnahmefällen zugerechnet werden. Der Schadenersatzanspruch ist auf Ausgleich des messbaren Schadens gerichtet. Daneben kann bei Personenschäden Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld entstehen. Der Haftung auf Schadenersatz kann ein Mitverschulden des Geschädigten entgegengehalten werden. Die Haftung Dritter entlastet Mithaftende nicht, eventuell können beide als Gesamtschuldner haften.
Gesetzliche und vertragliche Schadenersatzansprüche
Gesetzliche und vertragliche Schadenersatzansprüche unterscheiden sich durch ihre Grundlage. Setzen sie im zweiten Fall einen Vertrag zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner voraus, wird eine solche Beziehung im ersten Fall durch das Gesetz ersetzt, das heißt, der Gesetzgeber ordnet als Rechtsfolge eines bestimmten Tatbestandes die Schadenersatzpflicht an:
§ 823 Abs. 1 Satz 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Anders als die vertraglichen sind gesetzliche Ansprüche im Gesetz tatbestandsmäßig definiert. Vertragliche Ansprüche beruhen dagegen auf einer Vereinbarung zwischen Parteien und belasten einen oder beide mit Verpflichtungen, für deren Erfüllung gehaftet wird.
§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.“
Danach schuldet der Verkäufer dem Käufer Besitzverschaffung und Eigentumsübertragung an der Kaufsache. Wenn er eine dieser Verpflichtungen zu spät oder überhaupt nicht erfüllt, so bleibt diese Leistungspflicht bestehen, sie wird jedoch ergänzt durch die Schadenersatzpflicht, den Käufer so zu stellen wie wenn rechtzeitig bzw. korrekt geleistet worden wäre: Es sind der Erfüllungsschaden (z. B. Verzugszinsen, § 286 Abs. 1 BGB) oder der Vertrauensschaden (z. B. im Vertrauen auf die Lieferung getätigte Folgeaufträge, § 284 BGB) zu erstatten.
Neben der Erfüllung solcher so genannter „Hauptpflichten“ treffen die Vertragsparteien vielfache Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Partners (§ 241 Abs. 2 BGB). So muss der Verkaufsladen des Verkäufers, in dem über den Vertrag verhandelt wird, verkehrssicher sein (Verschulden vor Vertragsschluss), dürfen bei der Lieferung der Kaufsache nicht andere Schäden verursacht werden (Schlechterfüllung) oder muss der Verkäufer den Käufer vor erst später bekannt werdenden Mängeln der Kaufsache warnen (Verschulden nach Vertragsabschluss). In diesen Fällen schuldet der Verkäufer nicht die Erfüllung von Hauptpflichten des Vertrages, sondern daraus sich ergebender vertraglicher „Nebenpflichten“. Da der Verkäufer verpflichtet ist, „seine Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“ (§ 242 Abs. 1 BGB), ist eine abschließende Aufzählung von haftungsbegründenden Pflichtverstößen im Bereich der vertraglichen Schadenersatzpflichten nicht möglich.
Durch die Rechtsprechung wurden vertragliche Nebenpflichten konkretisiert: Die wichtigsten Rechtskonstruktionen waren die c.i.c. (Vorvertragliche Pflichten des Verkäufers) und die PVV (Positive Vertragsverletzung, auch PFV - pos. Forderungsverletzung). Durch die Schuldrechtsreform wurden deren Grundlagen gesetzlich untermauert und weiter ausgestaltet.
Haftung nur bei eigenem Verschulden
Beide Grundlagen der Schadenersatzpflicht setzen regelmäßig Verschulden voraus: nur wer schuldhaft zu spät liefert, haftet für den Verzugsschaden (§ 286 Abs. 4 BGB); nur wer schuldhaft das Eigentum eines anderen verletzt, haftet auf Ersatz der beschädigten Sache (§ 283 Abs. 1 BGB). Verschulden ist in § 276 BGB beschrieben als Vorsatz oder Fahrlässigkeit (Abs. 1), Fahrlässigkeit ist wiederum definiert als das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (Abs. 2): wer diese Sorgfaltspflicht nicht beachtet, haftet für den daraus entstehenden Schaden.
Dabei ist unerheblich, ob seine Verletzung der Sorgfaltspflicht in einem aktiven Handeln oder Untätigkeit besteht: wer es unterlässt, vor seinem Haus Schnee zu räumen und zu streuen, haftet für den Schaden, den ein Dritter deshalb bei einem Glättesturz erleidet ebenso wie der, der bei Frosttemperaturen Wasser auf dem Gehweg verschüttet. Die häufig relevanten Verkehrssicherungspflichten stellen den Versuch dar, positive Handlungspflichten aufzustellen, deren Verletzung eine Schadenersatzpflicht auslösen kann.
Haftung für fremdes Verschulden und Gefährdungshaftungen
Grundsätzlich haftet man nur für eigene Fehler, doch dieser Grundsatz ist in mehrfacher Hinsicht durchbrochen: fehlerhaftes Handeln von Gehilfen wird unter bestimmten Voraussetzungen dem Auftraggeber wie eigenes zugerechnet, im Einzelnen kommt es allerdings auf die Haftungsgrundlage an. Auch das Handeln schuldunfähiger Kinder oder das Verhalten von Tieren kann Schadenersatzpflichten begründen. Ja sogar fehlerfreies Handeln kann etwa beim Gebrauch von KFZ zur Ersatzpflicht führen.
Bei den Gehilfen ist entscheidend, ob die Schadenersatzpflicht auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage ruht: wer einen Gehilfen oder Subunternehmer statt seiner mit der Erfüllung eines Vertrages beauftragt, haftet für dessen Fehler wie für eigene (§ 278 BGB): der Vertragspartner kann auf die Qualitätszusage seines Partners bauen. Wo solche vertraglichen Beziehungen fehlen, besteht kein Grund zu solch gesteigerter Rücksicht: § 831 Abs. 1 BGB beschränkt die Eintrittspflicht für Fehler von Verrichtungsgehilfen auf die Fälle, in denen der Geschäftsherr nicht belegen kann, dass er den Gehilfen sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt hat.
Kinder sind - je nach Alter und Entwicklung unterschiedlich intensiv - zu beaufsichtigen. Die Aufsichtspflichtigen (Eltern, Kindergärtner, Lehrer) haften für die Folgen von schuldhaften Fehlern der Kinder, wenn sie nicht ausreichende Aufsicht belegen können (§ 832 Abs. 1 Satz 2 BGB): der Satz „Eltern haften für ihre Kinder“ ist also in seiner Verkürzung falsch: die Kinder müssen Fehler begehen, die wegen unzureichender Aufsicht zum Schaden führen.
Ähnliches gilt für die Haftung des Tierhalters: der Halter eines gewerblich genutzten Tieres kann einwenden, dass er seiner Aufsichtspflicht genügt hat (§ 833 BGB). Beide Fälle setzen damit Verschulden voraus, wenn auch der Mangel bei der Aufsicht im Gesetz unterstellt wird; diese "Verschuldensvermutung" kann aber durch den Verantwortlichen widerlegt werden - dies lässt seine Haftung entfallen.Das gilt nicht beim Halter eines "Luxustiers", d.H. eines Tieres, das nicht gewerblich gehalten wird. Hier gilt die Gefährdungshaftung.
Anders ist dies erst in den Fällen der echten Gefährdungshaftung: in diesen Fällen insbesondere der gesetzlicher Schadenersatzansprüche aus Straßenverkehrshaftung muss der Geschädigte nur beweisen, dass er beim Betrieb des KFZ des Schädigers verletzt wurde, um die Haftung des KFZ-Halters gem. § 7 StVG - allerdings (gem. § 12 Abs. 1 StVG) summenmäßig beschränkt - zu begründen. Der Halter könnte sich nur mit dem Einwand wehren, der Unfall beruhe auf höherer Gewalt; ein Verschulden, etwa ein Fahrfehler, ist für seine Haftung auf Schadenersatz nicht erforderlich.
In vergleichbarer Weise bedarf es keines Verschuldens bei Schäden, die sich etwa beim Betrieb von Bahnen (Schienen- oder Schwebebahn § 1 HaftPflG) oder im Bereich der Produkthaftung infolge von Produktfehlern (§ 1 ProdHG) ereignen. Hier wie im Bereich des Straßenverkehrs begründet die mit Eröffnung der Gefahrenquelle gesetzte Gefährdung besondere Sorgfaltspflicht und erübrigt jedes Verschulden.
Kausalität und Ursachenzusammenhang
Um schadenersatzpflichtig zu werden, muß zwischen der Handlung des Schädigers und dem Schaden ein Zusammenhang bestehen. Man bezeichnet diesen Zurechnungszuammenhang mit dem Begriff der Kausalität. Dabei wird im Schadenersatzrecht zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität unterschieden.
Materiellrechtliche Bedeutung
Unter Kausalität versteht man im naturwissenschaftlichen Sinne jede für den Erfolgseintritt erforderliche Voraussetzung, bei deren Wegfall also auch der Erfolg entfiele (Conditio-sine-qua-non-Formel). Dieser Grundsatz führt im bürgerlichen Haftungsrecht zu Übersteigerungen: der Autofahrer, der mit überhöhter Geschwindigkeit zu der Stelle fährt, an der sich der Unfall ereignet, dort sich aber an die Verkehrsregeln hält, wäre in diesem Sinne doch ursächlich für den Unfall, da er bei (immer) ordnungsgemäßem Verhalten zum Unfallzeitpunkt nicht an der Unfallstelle gewesen wäre. Daher korrigiert die Rechtsprechung diese unbefriedigenden Ergebnisse über das Erfordernis der objektiven Zurechnungsfähigkeit oder Sozialadäquanz: nur wenn die Voraussetzung unter normalen Bedingungen ohne Hinzutreten besonderer unabsehbarer Ursachen zum Erfolg führt, setzt die zivil- wie strafrechtliche Verantwortlichkeit ein. Aber auch dieses Kriterium ist unscharf: bei Benutzung einer nur für den Anliegerverkehr zugelassenen Straße ereignet sich ein Verkehrsunfall zwischen zwei durchfahrenden KFZ, durch den der Beifahrer verletzt wird. Nach der Bedingungstheorie ist der Unfall durch Wahl einer zugelassenen Wegstrecke zu vermeiden; auch nach der Adäquanztheorie wäre dieser Schaden dem bewusst StVO-widrig handelnden Fahrer zuzurechnen. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm vermeidet dieses unbillige Ergebnis indem sie darauf abstellt, dass es Ziel der Sperrung für den Durchgangsverkehr neben der allgemeinen Verkehrssicherheit war, konkret Unfälle zu vermeiden, die durch erhöhtes Verkehrsaufkommen bedingt sind.
Diese Lehre vom Schutzzweck der Norm wurde zunächst im Zusammenhang mit § 823 Abs. 2 BGB entwickelt: die Verletzung von Schutzgesetzen ist nur dann haftungsrelevant, wenn mit ihnen konkret der Schutz des verletzten Rechtsgutes bezweckt war. Dieser Grundgedanke wird auch auf vertragliche Ansprüche übertragen: Der Verkäufer eines gebrauchten KFZ hatte wahrheitswidrig Unfallfreiheit zugesichert. Bei einem vom Käufer allein verursachten Unfall wird das KFZ total beschädigt und er selbst verletzt. Dem Käufer steht Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu (§ 346 Absatz 1 BGB) ohne Einredemöglichkeit für den Verkäufer; Ersatz seines unfallbedingten Personenschadens und der Belastung mit unfallbedingten Verpflichtungen oder Schäden kann er nicht fordern, da diese Ansprüche unfall-, aber nicht täuschungsbedingt.
Prozessuale Bedeutung
Im Zivilprozess gilt der Grundsatz: Jeder muss das für ihn Günstige beweisen. Dabei gelten für haftungsbegründende und haftungsausfüllender Kausalität unterschiedliche Regeln. Während zu ersterem generell der Geschädigte den Vollbeweis erbringen muss, steht dem Richter die freie Schätzung zu Umfang und Höhe des Schadens frei (§ 287 Abs. 1 ZPO), wenn die übrigen Voraussetzungen für die Haftung erfüllt sind. In der Arzthaftung gelten besondere Regeln zur Beweislast.
Rechtswidrigkeit
Schließlich muß der Schädiger den Schaden rechtswidrig herbeigeführt haben. Im Zivilrecht folgt die Rechtswidrigkeit regelmäßig aus der Rechtsgutverletzung. In Einzelfällen kann das Handeln aber durch einen Schuldausschließungsgrund wie etwa Notwehr gerechtfertigt sein; dann entfällt das Verschulden und folglich auch die Schadensersatzpflicht.
Umfang der Schadenersatzpflicht, ihre Minderung
Wenn der Schädiger aus Verschuldens- oder Gefährdungshaftung Schadenersatz schuldet, ist diese Forderung nicht durch Haftungsgrenzen beschränkt: er haftet in unbeschränkter Höhe, sofern nicht für Gefährdungshaftungen spezielle Höchsthaftungsgrenzen bestimmt sind.
Anders als im anglo-amerikanischem Raum wird nach deutschem Recht mit dem Schadenersatzanspruch dem Geschädigten nicht eine „Strafe“ (exemplary or punitiv damages) zugesprochen, sondern nur der „Nachteil“ ausgeglichen, der ihm vom Schädiger zugefügt wurde. Dies ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen Zustand und einem fiktiven Vermögensstand, der ohne den Schaden festzustellen wäre. Demnach ist etwa der Zeitwert beschädigter Sachen zu erstatten, nicht deren Neuwert. Regelmäßig steht dem Geschädigten Naturalersatz, also Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch den Schädiger zu (§ 249 Abs. 1 BGB), statt dessen kann der Geschädigte aber bei Personen- oder Sachschäden den erforderlichen Geldersatz fordern (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Aus allen Haftungsgrundlagen wird bei Verletzung von Menschen ein Schmerzensgeld geleistet (z.B. § 253 Abs. 2 BGB, § 8 Satz 2 ProdHG).
Allerdings kann dem Opfer gem. § 254 Abs. 2 BGB ein evtl. eigenes Verschulden ebenso entgegengehalten werden wie eine von ihm ausgehende Gefährdung. Das Verschulden der Beteiligten wird einander gegenübergestellt. So werden bei KFZ-Unfällen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Betriebsgefahren die Verschuldensanteile gewichtet. Eine Mitverantwortlichkeit des Geschädigten lässt jedoch nicht die Haftung des Schädigers entfallen, sie tritt nur in Ausnahmefällen zurück hinter dem Eigenverschulden.
Haben jedoch Sorgfaltspflichtverletzungen Dritter den Schaden (mit-) verursacht, so hat dies keine Auswirkung für den Geschädigten: er kann sich an jeden der Mittäter (§ 830 BGB) oder Verantwortlichen (§ 840 BGB) halten und von ihm den gesamten Schadenersatz fordern, ohne aus der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners Nachteile zu ziehen. Diese Auseinandersetzung verlagert der Gesetzgeber in das Lager der zum Schadenersatz verpflichteten (§ 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 mit § 426 BGB).
Rechtslage in Österreich
Die grundsätzlichen Regeln des Schadenersatzrechts nach österreichischem Recht befinden sich in §§ 1293 bis 1341 ABGB. Es gelten die selben Grundsätze wie in Deutschland, das heißt, dass Voraussetzung ein ursächliches, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Schädigers ist. In gleicher Weise ist ein Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen. Auch hier gibt es für bestimmte gefährliche Anlagen und Einrichtungen eine vom Verschulden unabhängige Gefährdungshaftung.
Im Einzelnen wird zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn und bezüglich der Rechtswidrigkeit zwischen Schadenersatz ex delicto (deliktischer Schadenersatz) und Schadenersatz ex contractu (vertraglicher Schadenersatz) unterschieden. Dies ist im österreichischen Recht insbesondere für die Beweislast, die Gehilfenhaftung und die Haftung für reine Vermögensschäden von Bedeutung.