Julius Klinger

Julius Klinger (* 22. Mai 1876 in Dornbach bei Wien; † 1942 in Minsk). Österreichischer Maler, Zeichner, Illustrator, Gebrauchsgraphiker, Typograph und Schriftsteller. Klinger studierte am Technologischen Gewerbemuseum. Er nahm 1895 seine erste Stellung beim Wiener Modemagazin Wiener Mode.
München
1896 siedelte er nach München um und wurde u.a. Illustrator bei den Meggendorfer Blättern. 1897-1902 Mitarbeit bei der "Jugend".
Berlin
1897 zog er nach Berlin, wo er bis 1915 eine rege Tätigkeit als Gebrauchsgraphiker entfaltete. Zusammen mit der Druckerei "Hollerbaum und Schmidt" entwickelte er eine neue Art der funktionellen Plakatgestaltung und wurde damit bald international bekannt. 1912 entwarf er das Plakat für den Flugtag Rund um Berlin in Joachimsthal. In Berlin auch Mitarbeit bei dem kleinen Witzblatt, den Lustigen Blättern und dem Narrenschiff.
1911 Berufung als Lehrer an der Fachwerkstatt für Plakatkunst der 1902 gegründeten Schule für angewandte Kunst Albert Reimanns, 1913 wurde er künstlerischer Leiter der Fachschule für Dekorationskunst. Seit 1912 ist er Mitglied des Deutschen Werkbundes. 1913 gründet er mit dem Architekten Ernst Friedmann den Verband Künstlerischer Schaufensterdekorateure. Seit 1914 ist er Ehrenmitglied des Vereins der Plakatfreunde e.V.
Wien
Nach dem Krieg eröffnet er in der Wiener Schellinggasse ein Atelier für Gebrauchsgraphik und hält dort auch Kurse für moderne Gebrauchsgraphik ab. Am 19.06.1919 verlässt er den Verein der Plakatfreunde. 1923 folgt, gemeinsam mit der von ihm mitbegründeten "Wiener Gruppe", die Herausgabe des Musterbuches "Poster Art in Vienna", dies wurde auch in den USA publiziert. Klinger schrieb gelegentlich unter dem Pseudonym "Dr. Wiles-Worris", lautsprachlich als "weil's woah is" zu verstehen.
Zu den "Göttern" der "Wiener Gruppe", zu der auch Rolf Frey, Wilhelm Wilrab und Hermann Kosel zählten, wurden Charles Martin, Karl Kraus und Charlie Chaplin auserkoren - der Pariser Charles Martin, weil er durch seine zartfühlende Linie die amerikanischen Modewelt beeinflusste, Kraus, weil er auf ewige Zeiten die Wahrheit über unsere Tage für die nächsten Generationen niedergeschrieben hat, und Chaplin, weil er von Hollywood aus selbst die ernsten Chinesen zum Lachen brachte.
Mit Ernst Ludwig Franke gestaltete Klinger 1918 eines der modernsten Plakate zur österreichischen Kriegsanleihe. Weiterhin gestaltet er in Wien Schutzmarken, Briefpapiere, Inserate, Buchillustrationen und Schriften. Seine Arbeiten dieser Periode sind von besonderer Einfachheit und geometrischer Klarheit.
Werbekampagne für die Firma "Tabu"
Klinger gestaltete ab 1918 eine große Werbekampagne für die Firma "Tabu", sie galt einem Zigarettenpapier, das 1918/19 in Wien flächendeckend beworben wurde. Klinger entwarf eine Werbelinie, die vom kleinformatigen Inserat in der Tageszeitung bis zur Großflächenwerbung auf Brandmauern reichte und setzte auch Bauzäune und winterfeste Brunnenverschalungen als Werbeflächen ein. Von den Plakaten der Kampagne sind einige Sujets erhalten, z.B. eine Stadtansicht mit einem historischer Stadtkern, der von einem Wolkenkratzer mit der Aufschrift "Tabu" überragt wird oder eine mit der Aufschrift "Tabu" versehene Kelle.
Reise in die USA
Nachdem Klinger im Dezember 1928 von General Motors und der Mac Manus Inc. zu einer Reise in die bis dahin von Grafikern und Werbefachleuten idealisierte USA eingeladen wurde, erfolgte eine gewisse Ernüchterung - lediglich skeptisch und gründlich reflektiert konnte sie als Vorbild dienen.
Verfolgung durch den Nationalsozialismus
Das letzte Plakat entwarf der Künstler vermutlich Ende 1937 für die Ankerbrot-Werke. Klinger wurde wegen seiner jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten verfolgt. Am 2. Juni 1942 wurde er laut Polizeiregister am 02.06.1942 nach Minsk "abgemeldet", d.h. deportiert. Er ist dort wahrscheinlich noch im selben Jahr unter ungeklärten Umständen umgekommen.
Kunstgeschichtliche Würdigung
Klinger war vor dem ersten Weltkrieg einer der prägendsten Künstler deutschen Plakatschaffens und nach 1916 einer der wichtigsten Erneuerer der östereichischen Plakatkunst. Heute weitgehend vergessen, waren seine Plakatmotive wie etwa die zum Himmel schauenden Männchen, die auf die Johannisthaler Flugwoche verweisen oder die fünf Kakteenfiguren, die für die Druckerei Hollerbaum und Schmidt werben, seinerzeit sehr bekannt.
Im Spannungsfeld der nüchtern-sachlichen Auffassung von Reklamekunst nach Lucian Bernhard und dem illustrativen Figurenplakat, das mit dem den Kunden ansprechenden Gegenüber wirbt, wie es bei Ludwig Hohlwein zu finden ist, fand Julius Klinger zu einer sehr eigenständigen Sprache. Er folgte zwar der klaren Werbeabsicht und dem einfachen Flächenstil Bernhards, verstand es aber, den Plakaten die Schlagkraft eines Witzes zu verleihen. Ideenreichtum, Eleganz, Esprit mit künstlerischer Disziplin und pointierte Ausdruckskraft sind kennzeichnend für Klingers Begabung. Schlichte Würde, Redlichkeit der graphischen Fläche und die radikale Sparsamkeit der verwendeten Mittel geben seinen Plakaten eine zeitlose Modernität und machten ihn schnell zu einem der populärsten Berliner Plakatkünstlern.
Als Funktionalist brachte Klinger, der Privatschüler Kolo Mosers war und sich mit Adolf Loos gegen jede Form, die nicht Gedanke ist wandte, seine Philosophie gegen die reine Dekoration auch als Lehrender unter die an dem neuen Medium Interessierten.
Klinger forderte auch die Modernisierung der Künste - der Maler solle sich als Diener der photomechanischen Reproduktion definieren, und als Gegenstand der reinen Kunst seiner Zeit sah er Wolkenkratzer, Ozeanriesen und den Zeppelin an.
Das Plakat war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts eine junge Kunstform, die im Gegensatz zu anderen Disziplinen auf keine wirkliche Tradition zurückblicken konnte. Klinger hielt es deswegen für notwendig, dass sich die Künstler selbst aktiv am kunsttheoretischen Diskurs beteiligten. Er tat dies durch zahlreiche Vorträge und Pubklikationen, etwa die "Mitteilungen des Vereins für Plakatfreunde", in denen er eine eindeutige Trennung zwischen Plakat und Malerei fordert: Zwischen einem Staffeleibild und einem Plakat können und dürfen keinerlei Beziehungen stehen. Er bezeichnete die Malerei auch als farbige Entartung der Zeichnung und zeigt somit als Vorreiter, wie weit es diese Form der Kunst für ihn gebracht hatte.
Gelegentlich polemisierte Klinger kritisch gegen manches künstlerische Ereignis. 1928 schreibt er über ein von den Architekten Frank und Walch gestaltetes Damenzimmer, das Wesen, für welches die beiden Raumpoeten dies Interieur erdichtet haben könne nur eine Funsen! sein, und die von Berthold Löffler entworfene Zehnschilling-Note ist für ihn einen missfarbiger Bastard - bestenfalls ein von allen Grazien verlassenen Fälscher würde sie kopieren wollen.
Die Sammlung Plakat- und Reklamekunst der Kunstbibliothek der Staatliche Museen zu Berlin - Stiftung Preußischer Kulturbesitz besitzt über 180 Plakate, gebrauchsgraphische Arbeiten, zahlreiche Zeichnungen und Entwürfe aus den Jahren 1896 bis 1933.
Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt 22 Plakate von Julius Klinger.
Literatur
- Julius Klinger von Anita Kühnel, Gebr. Mann Verlag, Berlin (Februar 1999). ISBN: 3786117527
- Vorlage:PND
Weblinks
- Artikel des Der Standard vom 12.11.1999, Seite D3.
- Österreichische Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Klinger, Julius |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Maler und Grafiker |
GEBURTSDATUM | 22. Mai 1876 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 1942 |
STERBEORT | Minsk |