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Zungenrede

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Zungenrede, Glossolalie (von altgr. γλωσσα, "Zunge, Sprache" und λαλεω, "sprechen, reden"), Sprachengebet oder Beten im/mit dem Geist (1.Korintherbrief 14,14-15) bezeichnet in christlichen, religiösen Gemeinschaften das Reden oder Beten in einer Sprache, die dem Sprecher unbekannt ist und das nach Überzeugung der Gläubigen unmittelbar vom Heiligen Geist bewirkt wird. Es wurde von Fällen berichtet, in denen es sich bei der unbekannten Sprache um eine noch gesprochene oder eine bereits ausgestorbene Fremdsprache gehandelt habe. Die Zungenrede wird im Alten Testament nicht erwähnt, im Neuen Testament wird sie zu den Gaben des Heiligen Geistes gezählt. Ähnlich erscheinende Phänomene sind auch aus fernöstlichen und afrikanischen Religionen bekannt und werden dort praktiziert.

Die erste Erwähnung des Zungenredens ist in Apostelgeschichte 2,1-13 im Bericht vom Pfingsttag, wobei unter Auslegern umstritten ist, ob es sich hier um ein Phänomen des Sprechens oder des Hörens handelt. Pfingstlich-Charismatische Theologen sehen es einhellig als Phänomen des Sprechens an.

Weitere wesentliche Stellen, die auf die Lehre und Praxis der Zungenrede in der Urgemeinde hinweisen, sind bei der Bekehrung des Cornelius, Apostelgeschichte 10,44-48, den Ephesusjüngern, Apostelgeschichte 19,1-6 und 1. Korinther 14. Paulus bestätigt die Praxis der Zungenrede, warnt aber vor Missbräuchen, und nennt sie (ohne Aulegung) weniger bedeutsam als die prophetische Rede, und vor allem die Liebe.

Im heutigem Christentum wird die Zungenrede besonders in der Pfingstbewegung und der charismatischen Erneuerung praktiziert.

Die Zungenrede hat nichts mit Ekstase zu tun. Der Beter ist bei vollem Bewusstsein und kann den Vorgang kontrollieren, beispielsweise das Gebet beginnen oder beenden, laut oder leise beten.

Die Zungenrede wird als Zeichen dafür gewertet, dass der Betreffende die Geistestaufe, den Heiligen Geist in seiner ganzen Fülle, empfangen hat.

In einem Teil der charismatischen Erneuerung hat die Zungenrede keine solche Bedeutung, sie ist eine Geistesgabe, die man haben kann oder auch nicht. Zungenrede während eines Gottesdienstes oder einer Gebetsgemeinschaft wird jedoch auch hier als eine Manifestation der Gegenwart des Heiligen Geistes gewertet.

Leute, die die Zungenrede praktizieren, sehen die Zungenrede oft als Sprache des Heiligen Geistes die es ihnen möglich macht, im Gebet etwas auszudrücken, für das sie keine Worte finden, nämlich Anbetung und Lobpreis Gottes oder Fürbitte für ihnen (weitgehend) unbekannte Anliegen.

Die Zungenrede kann im Rahmen eines Gottesdienstes oder einer Gebetsgemeinschaft praktiziert werden, aber auch beim privaten Gebet.

Als Gebetssprache oder als Geistesgabe

In der Anfangszeit der Pfingstbewegung sahen es viele als gegeben an, daß Menschen mit der Gabe der Zungenrede nur aufgrund einer Eingebung in Zungen beten können. Bald setzte sich jedoch die Ansicht durch, daß es verschieden Arten von Zungenreden gibt.

Erstens die Zungenrede als persönliche Gebetssprache, die nur dem eigenen Gebet zu Gott dient und den Beter erbaut. Daneben wird sie häufig in der Fürbitte eingesetzt. Sie soll dem Beter ermöglichen, für ihm (weitgehend) unbekannte Anliegen bzw. Personen zu beten und auch verhindern, daß die Subjektivität des Beters das Gebet beeinflußt.

Diese persönliche Gebetssprache steht jedem, der bereits einmal in Zungen geredet hat, jederzeit zur Verfügung.

Unter diesen Punkt fällt auch das oft in pfingtlich-charismatischen Gottesdiensten praktizierte Singen im Geist, bei dem alle Teilnehmer gemeinsam in Zungen zu Gottes Lob singen.

Daneben gibt es die Geistesgabe der Zungenrede. Diese dient dazu, eine Botschaft von Gott weiterzugeben und muß dazu ausgelegt werden. Eine solche Botschaft in Zungen kann nur aufgrund einer Eingebung erfolgen. Viele Christen, die Zungenrede als persönliche Gebetssprache ausüben, haben nie oder nur sehr selten einmal eine Botschaft in Zungen empfangen.

"Auslegung"

Wird in einer Gemeinschaft eine Botschaft in Zungen weitergegeben, so muß diese anschließend ausgelegt, das heißt in verständliche Sprache "übersetzt" werden. Dies wird von Paulus in 1. Korinther 14 ausdrücklich gefordert.

Die Auslegung kann durch den Beter selbst geschehen, in der Regel aber durch einen anderen. Dies geschieht nicht dadurch, daß der Auslegende die Zungenrede versteht, sondern er empfängt von Gott die Auslegung als eine Offenbarung (d.h. wie in einem inneren Eindruck).

Die Fähigkeit, eine Zungenrede auszulegen, gehört gemäß dem Neuen Testament zu den Gaben des Heiligen Geistes. Die Auslegung der Zungenrede gilt zwar als Botschaft des Heiligen Geistes, ist jedoch nicht sakrosankt, sondern wird von der Gemeinschaft beurteilt und ist der biblischen Botschaft untergeordnet. Das wesentlichste Kriterium der Beurteilung ist, ob die Auslegung der Bibel (resp. der Bibelinterpretation der Gemeinschaft) nicht widerspricht.

Wenn mehrere Leute anwesend sind, die die Gabe der Auslegung haben, prüfen diese gewöhnlich auch, ob sie sinngemäß eine ähnliche Auslegung gefunden haben, was in der Praxis oft der Fall ist. Die Begründung für diese Ähnlichkeit muss jedoch (bei einfachen und kurzen Botschaften) bei z.B. einer Gebetsgemeinschaft von Gleichgesinnten nicht zwingend übernatürlich sein.

Ablehnung

Manche christlichen Konfessionen und Richtungen, die die Zungenrede nicht praktizieren, stehen ihr kritisch gegenüber, in Grosskirchen ebenso wie in nicht-charismatischen Freikirchen. Die im Neuen Testament geschilderten Vorgänge werden zwar unterschiedlich erklärt, jedoch im Allgemeinen positiv gewertet. Die heutige Praktik des Zungenredens wird jedoch fast durchweg strikt abgelehnt und nicht als Gabe des Heiligen Geists gesehen, wobei die Interpretationen von gruppendynamischen oder psychologischen Vorgängen bis zu dämonischen Manifestationen gehen.

Bibelstellen

Markus 16,17
Apostelgeschichte 2,1-12
Apostelgeschichte 10,44-48
Apostelgeschichte 11,15
Apostelgeschichte 19,6
1.Korinther 12,10.28.30
1.Korinther 14,2-5.13-17.18-19.22-25.26-28.39
1.Korinther 14,14-16 ("Singen im Geist")

In den Apokryphen des AT:
Jesus Sirach 51,30

"Beten im Geist"-Bibelverse, bei denen umstritten ist, ob es sich auf Zungenreden bezieht:
Johannes 4,22-23
Epheser 6,18
Judas 20

Bibelverse, die von Gegnern der Zungenrede oft genannt werden:
1. Mose 11, 1-9 (Die Babylonische Sprachverwirrung als Kontrapunkt zum Sprachengebet)
Jesaja 28,11-13
1.Korinther 13,1.8-10

Literatur

  • Heribert Mühlen: Das Sprachengebet, in: Ders. (Hrsg.) Geistesgaben heute, Mainz 1982, Seite 113-146
  • Dennis Bennet: Der Heilige Geist und Du, Leuchter-Verlag 1972
  • H. Newton Malony, A. Adams Lovekin: Glossolalia: Behavioural Science Perspectives on Speaking in Tongues. New York & Oxford 1985
  • W.E. Mills (Hrsg.): Speaking in Tongues: A Research on Glossolalia. Grand Rapids 1986
  • Cyril C. Williams: Tongues of the Spirit: A Study of Pentecostal Glossolalia and Related Phenomena. Cardiff 1981