Theodizee
Die Theodizee (frz. théodicée), von theos (grch. Gott) diké (grch. Gerechtigkeit), fragt danach, wie Gott das Böse zulassen kann.
Formulierung des Problems durch Epikur
In klassischer Weise wurde das Problem bereits durch den griechischen Philosphen Epikur (341-270 v. Chr) formuliert:
- Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
- dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
- oder er kann es und will es nicht:
- dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
- oder er will es nicht und kann es nicht:
- dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
- oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
- Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Der Lösungsaansatz von Leibniz
Nach Gottfried Wilhelm Leibniz gibt es eine unendliche Anzahl möglicher Welten. Von diesen hat Gott nur eine geschaffen, nämlich die Vollkommenste, in der das Übel den kleinsten Raum hat (die beste aller möglichen Welten).
Leibniz unterscheidet drei Arten des Übels:
- das metaphysische Übel (das Geschaffene ist notwendig unvollkommen, da es sonst mit Gott identisch wäre),
- das physische Übel (Schmerz und Leid sind notwendig, da sie vom Schädlichen abhalten und zum Nützlichen drängen) und
- das moralische Übel (die zur Abwendung von Gott führende Sünde).
Die christliche Antwort
Das Gottesbild des Christentums ist ein gütiger, liebender Gott, der aktiv in die Welt eingreift. Diesem Glauben zu widersprechen scheint das Vorhandensein von Leid in der Welt:
"Wenn Gott die Liebe ist, und wenn er es ändern kann, wieso lässt er es dann zu?"
Die Beantwortung der Frage ist nicht trivial, wenn man die Existenz eines solchen Gottes annimmt, da ja Gott dem Menschen auch volle Freiheit und Eigenverantwortung in seinem Handeln lässt. Sie hat Generationen von Theologen beschäftigt und tut es noch heute.
Gott wurde verbannt
Diese Ansicht wird oft von Christen, wie zum Beispiel Wilhelm Busch vertreten:
Als Grundlage der Erklärung wird beobachtet, dass in der westlichen Welt die Säkularisierung stets voranschreitet. Die Gebote Gottes werden nicht mehr beachtet und sind den meisten Menschen nicht mal mehr bekannt. Dies ist nun also ein klares Nein zu Gott. Gott akzeptiert diese Entscheidung und zieht sich zurück. Dies wurde von Anne Graham Lotz in einem Interview von CBS gut zum Ausdruck gebracht:
- Frage: Ich hörte religiöse und nicht-religiöse Menschen fragen: "Wenn Gott gut ist, wieso lässt er so etwas zu?" Was antworten Sie auf diese Frage? (Anm.: Es ging um den 11. September)
- Antwort: Ich sage, Gott ist auch wütend, wenn er so etwas sieht. Ich würde auch sagen, dass die Amerikaner auf eine gewisse Art ihre Fäuste gegen Gott gerichtet haben und sagten, Gott, wir wollen dich nicht mehr in unseren Schulen, Regierung, Firmen oder Märkten. Und Gott, ein Gentleman, entfernte sich ganz ruhig aus unserem nationalen, politischen und öffentlichen Leben und nahm seine segnenden und schützenden Hände weg. Wir müssen nun als erstes zu Gott zurück kehren und sagen, Gott es tut uns leid, dass wir dich so behandelt haben und wir bitten dich nun, in unser nationales Leben zurückzukehren. Wir vertrauen dir. Momentan haben wir unser Vertrauen auf den Gott Geld gesetzt und wir müssen erst lernen, wieder auf Gott zu vertrauen.
(Vollständiger, englischer Interview-Text ist unter
http://www.cbsnews.com/earlyshow/healthwatch/healthnews/20010913terror_spiritual.shtml verfügbar)
Der Sündenfall
Dies ist eine ähnliche Erklärung wie "Gott wurde verbannt". Durch den Sündenfall hat sich der Mensch bewusst von Gott getrennt. Er kann nun laut dem Neuen Testament nur durch ein Ja zu Jesus wieder zu Gott zurückkehren. Alles andere gilt als Nein zu Gott.
Das Böse als Wille Gottes
Eine andere, modernere Sicht der Bibel verneint, dass Gott nur das verantwortlich sein kann, was Menschen als "gut" bewerten, sondern für alles verantwortlich ist, wenn man Seine Allmacht ernst nehmen will. Bestätigt sehen sie sich in der Bibel: So ist z.B. auch Unglaube gottgewirkt, denn "Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen die nicht erblicken..." (Rö. 11:8); "es [unser Evangelium] ist denen verhüllt, die umkommen, in welchen der Gott dieses Äons die Gedanken der Ungläubigen blendet, damit ihnen der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus nicht erstrahle."(2. Kor. 4:4). Gott könnte auch das Wirken Satans ohne weiteres vollständig unterbinden oder einschränken, wie es im nächsten Äon passieren wird: "Er [ein Bote Gottes] bemächtigte sich des Drachen, der uralten Schlange (die der Widerwirker und der Satan ist) und band ihn für 1000 Jahre." (Offb. 20:1ff). Die Bibel sagt sogar deutlich, dass Gott das Böse erschaffen hat: "Ich [Gott] bilde das Licht und ERSCHAFFE das Finstere, bewirke das Gute und ERSCHAFFE das Böse. Ich, Ieue Aluim, mache all dieses" (Jes. 45:7). "Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und Jehowa hätte es nicht bewirkt?" (Amos 3:6). ALLES, d.h. ausnahmslos jedes Wesen, dient Gott (Psalm 119:91) - Gott macht alles zu seinem Zweck, auch den Gottlosen (Sprüche 16:4). "Was wollen wir nun vorbringen? Doch nicht, es gebe Ungerechtigkeit bei Gott! Möge das nicht gefolgert werden! Denn zu Mose sagt Er: Erbarmen werde ich Mich, wessen ich mich erbarmen möchte; und Mitleid werde ich haben, mit wem ich Mitleid haben möchte. Demnach liegt es nicht an dem Wollenden noch an dem Rennenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott. Denn die Schrift sagt zu Pharao: Ebendeshalb habe ich dich erweckt, damit Ich an dir Meine Kraft zur Schau stelle und damit Mein Name auf der gesamten Erde kundgemacht werde. Demnach erbarmt Er sich nun, wessen Er will, aber Er verhärtet auch wen Er will." (Römer 9:14-18, siehe dazu 2. Mose 4:21, 9:12, 14:4, 14:7). "Nun wirst du erwidern: Was tadelt Er dann noch? Wer hat je denn je Seiner Absicht widerstanden? - O Mensch, in der Tat, wer bist denn du, Gott gegenüber eine solche Antwort zu geben? Das Gebilde wird doch nicht dem Bildner erwidern: Warum hast du mich so gemacht? - Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Knetmasse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?" (Römer 9: 19-21). So war auch die Kreuzigung Jesu in Seinem Plan festgelegt. Niemand konnte das verhindern: "Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels [waren versammelt], um alles auszuführen, was Deine Hand und Dein Ratschluß vorherbestimmt hatten, dass es geschehe" (Apg. 4:26-28). Bibelzitate aus dem KNT
Wozu Gott das Böse geschaffen hat
Das Erkennen von Gottes heiligen Eigenschaften setzt voraus, dass die Geschöpfe, die Ihn dafür lieben sollen, auch den Gegensatz zwischen Gut und Böse erlernt haben. Diese Erkenntnis wurde dem Menschen aber nicht angeschaffen, sondern sollte in ihm entwickelt werden. Woher aber hätte der Mensch den Gegensatz von Gut und Böse wissen können, wenn negative Umstände ("das Böse") nicht von außen an ihn herangetreten wäre? Wie hätte dies ferner anders geschehen können, als durch ein Verbot, irgendetwas zu tun? Und so veranlasste Gott, dass die ersten Menschen von dem "Baum, der klug macht" aßen (1. Mose 3:4), dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Denn es ist die Krankheit, die die Gesundheit angenehm macht, nur am Übel gemessen tritt das Gute in Erscheinung, am Hunger die Sättigung, an der Mühsal die Ruhe. Für Gott bilden diese Gegensätze also eine Einheit - für Gott sind alle Dinge gerecht und gut, da sie in Seinem Plan zielführend sind; Menschen mögen dagegen das eine für gerecht, das andere für schlecht halten. Wichtig ist ihnen, beides zu erleben.
Folgerungen der Atheisten und Agnostiker
Atheisten und Agnostiker nutzen den Widerspruch in traditionell-theoglisch behandelter Theodizee zu dem allmächtigen, gütigen und allwissenden Gott der Bibel, um die Existenz Gottes zu verneinen.
Agnostiker gestehen zu, dass ein Gott (jedoch nur mit maximal zwei dieser drei Eigenschaften) existieren könnte.
Literatur
- Gottfried Wilhelm Leibniz, Die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels (ursprünglich 1710 auf Französisch erschienen), in: Philosophische Schriften, Bd. 2, Suhrkamp Vlg., Frankfurt a.M 1996
- Voltaire, Candide oder Der Optimismus (ursprünglich 1759 auf Französisch erschienen), in: Sämtliche Roman und Erzählungen, Insel Vlg., Frankfurt a.M. 1976
- Bernd Gräfrath, Es fällt nicht leicht, ein Gott zu sein - Ethik für Weltenschöpfer von Leibniz bis Lem, Beck Vlg., München 1998