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Paulus von Tarsus

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"Apostel Paulus" von Dürer

Paulus von Tarsus (* um 5 n. Chr. ? † 64 oder 67) war ein jüdischer Schriftgelehrter und Religionsstifter von epochaler Bedeutung. Er bildete auf schöpferische Weise die traditionsverbundene und zugleich neuartige Lehre des Jesus von Nazareth zu einer neuen Religion, dem Christentum, um und begründete das nachjesuanische Judentum.

Nach der energischen, aber erfolglosen Verfolgung der Judenchristen wurde er gemäss eigenen Angaben durch ein übernatürliches Ereignis in Damaskus von Jesus selbst bekehrt und zu seinem Apostel bestimmt. Er gründete daraufhin einige Christengemeinden im Mittelmeerraum und verfasste die mehrheitlich als echt geltenden Paulusbriefe an sie, die zu den ältesten Schriften des Neuen Testaments gehören. In ihnen erfährt der Wanderprediger aus Nazareth eine Vergöttlichung, indem er von Paulus zum Christus erhoben wird. Auch deshalb gilt er als der erste christliche "Theologe". In der Apostelgeschichte des Lukas spielt Paulus neben Simon Petrus eine zentrale Rolle für die urchristliche Mission.

Biographie

Nach Apg 9,11; 21,39; 22,3 wurde Saulus nach Saul benannt, dem ersten König Israels, der wie er aus dem Stamm Benjamin stammte. Zugleich nannte er sich gegenüber Römern mit dem lateinischen Vornamen "Paulus" (deutsch: "der Geringe", "Kleine"), weil der Stamm Benjamin als der kleinste der jüdischen Stämme galt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren in neutestamentlicher Zeit üblich. Vermutlich hat Paulus bis an sein Lebensende unter Juden und Judenchristen den Namen "Saul" gebraucht, unter Griechen und Römern dagegen "Paulus".

Er wurde im kleinasiatischen Tarsos in Kilikien als Sohn frommer Diasporajuden geboren. Von seinem Vater erbte er das römische Bürgerrecht, das nur eine kleine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Sein Doppelname drückt auch den Stolz darauf aus. Er wurde also nicht erst seit seiner Bekehrung und christlichen Taufe zu Paulus umbenannt, sondern trug beide Namen schon vorher.

Insofern ist die Redewendung "von Saulus zu Paulus" unbegründet. Sie knüpft jedoch an die lukanische Darstellung an, die den Namen "Saulus" nach dessen ersten Missionserfolgen durch "Paulus" ersetzt (Apg 13, 9) und zugleich - wie auch die Paulusbriefe - seinen völligen Wesenswandel nach seiner Begegnung mit dem Auferweckten und Berufung zum Völkerapostel betont. Er selbst hat sich entschieden dagegen verwahrt, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen.

Nach Apg 22, 3 studierte Paulus in seiner Jugend die Hebräische Bibel bei dem damals schon berühmten Rabbi Gamaliel in Jerusalem, der für die weitere Entwicklung des Judentums äußerst bedeutend wurde. Er gehörte zur jüdischen Gruppe der Pharisäer und war nach eigener Darstellung (Röm 11, 1) stolz auf seine israelitische Abstammung. Nach jüdischem Brauch lernte er neben seiner Schriftausbildung auch einen handwerklichen Beruf, den des Zeltmachers.

die Bekehrung des "Saulus"

In der Anfangszeit des Christentums war er ein erbitterter Gegner der Judenchristen, der sich auch als Helfer bei der Steinigung des ersten Märtyrers Stephanus beteiligte (Apg 7,58, 8,1). Wie er selbst mehrfach berichtet, wurde er auf einer Reise nach Damaskus von Jesus von Nazaret zum Dienst für ihn berufen (so genannte Bekehrung, hier: Damaskuserlebnis). Siehe beispielsweise Apg 9,1-18, 22,6-16, 26,12-14; 1 Kor 15,8f. Einige Jahre später unternahm er mehrere Missionsreisen, die ihn nach Kleinasien und Griechenland führten. Die Kapitel 13-20 der Apostelgeschichte berichten detailliert von Auseinandersetzungen mit Juden und Römern sowie von den Gefahren der Reisen.

Paulus blieb im Unterschied zum Apostel Petrus sein Leben lang unverheiratet und hatte zur Sexualität eine negative, wenngleich nachsichtige Einstellung (1 Kor 7,1f). Nach 2. Kor 12,7 litt er unter einer schmerzhaften Körperbehinderung (der „Pfahl im Fleisch“, der „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“), die vielleicht eine rheumatische Erkrankung oder eine Arthrose war, die ihn zwar nicht am Reisen hinderte, aber bewirkte, dass seine Handschrift groß und ungelenk wurde (Gal 6,11).

Bei einer Reise nach Jerusalem wurde er von der römischen Besatzungsmacht gefangengesetzt und von der jüdischen kollaborierenden Verwaltung angeklagt. Nach einer rechtlichen Auseinandersetzung wurde er nach Rom transportiert, um dort seinen Rechtsanspruch als römischer Bürger vor dem Kaiser vorzutragen - was sein Privileg als römischer Bürger war. Mit der Ankunft in Rom endet in der Apostelgeschichte der Bericht über Paulus.

Aus einigen seiner Briefe könnte hervorgehen, dass er nach einer ersten Gefangenschaft in Rom nochmals freigelassen wurde und Griechenland, Kreta, und Kleinasien besuchte und dass er Pläne hatte, nach Spanien zu reisen. Eine solche Reise wird auch von einigen Kirchenvätern erwähnt; es ist jedoch nicht bekannt, ob sie tatsächlich stattgefunden hat. Zurück in Rom, wo sich die politische Lage für die Judenchristen verschlechtert hatte, geriet er vermutlich von neuem in Gefangenschaft.

Nach der Überlieferung der römischen Gemeinde wurde er dann 64 n. Chr. als Märtyrer unter Nero in Rom durch das Schwert hingerichtet -- die Kreuzigung blieb ihm, wiederum aufgrund seines Bürgerrechts, erspart. Sein Grab soll sich in Rom unter der Kirche San Paolo fuori le mura (St. Paul vor den Mauern) befinden, welches der italienische Archäologe Giorgio Filippi im Juni 2005 wiedergefunden haben will.

Der Christus-Titel für Jesus ist älter als Paulus. Denn Paulus zitiert in seinen Briefen traditionelle Aussagen, in denen dieser Titel bereits erscheint. Siehe: Werner Kramer, Christos Kyrios Gottessohn, Zürich 1963!

Lebensdaten des Paulus
Jahr römische Kaiser sonstige Daten Leben des Paulus Abfassungszeit der Briefe Quelle
27 v. Chr. bis 14 n. Chr. Augustus        
7 v. Chr.-4 v. Chr.   Geburt Jesu      
um 5?     Geburt von Paulus in Tarsos    
14-37 Tiberius        
26-36   Pontius Pilatus Präfekt von Judäa      
30   Tod Jesu      
    Steinigung des Stephanus Bekehrung auf der Straße nach Damaskus   Apostelgeschichte 9, 22 Apostelgeschichte 9, 26
      Aufenthalt in Arabia   Galaterbrief 1, 17
      Rückkehr nach Damaskus   Galaterbrief 1, 17 Apostelgeschichte 9, 20
37-41 Caligula        
35     erste Reise nach Jerusalem   Galaterbrief 1, 18 Apostelgeschichte 9, 26
      Tarsos   Galaterbrief 1, 18 Apostelgeschichte 9, 30
      Syrien und Kilikien   Galaterbrief 1, 21
41-54 Claudius        
41-44   Herodes Agrippa I.      
44     zweiter Besuch in Jerusalem   Apostelgeschichte 11, 30 + 12,25 Galaterbrief 2,1-10
46     erste Missionsreise mit Barnabas nach Zypern und Galatien   Apostelgeschichte 13-14
49     Konzil in Jerusalem (Apostelkonzil)   Apostelgeschichte 15
    Claudius vertreibt Juden aus Rom      
50-53     zweite Missionsreise mit Silas nach Europa 1. Thessalonicherbrief Apostelgeschichte 16
51-52   Gallio Statthalter in Korinth     Apostelgeschichte 18, 12
53     dritte Missionsreise Galaterbrief Apostelgeschichte 18, 23
54-68 Nero        
57       Korintherbriefe Römerbrief Apostelgeschichte 21, 17
58-60   Festus Prokurator von Judäa Gefangenschaft in Caesarea   Apostelgeschichte 24- 26
60     Gefangenschaft in Rom Philipperbrief, Philemonbrief Apostelgeschichte 28
64-67   Christenverfolgung durch Nero in Rom     2. Timotheusbrief 1, 12 und 2. Timotheusbrief 4, 13
67     Tod in Rom    

Siehe auch: Zeittafel Geschichte des Christentums

Paulus ist, von Jesus Christus abgesehen, die Person in der Kirchengeschichte, die in praktisch allen Konfessionen als herausragend angesehen oder verehrt wird, am stärksten im Protestantismus. Diese Verehrung entwickelte sich langsam, in der frühen Kirche hatte Paulus noch nicht das Ansehen, das ihm später zuteil wurde.

Andererseits ist Paulus auch mindestens seit der frühen Neuzeit ein beliebtes Ziel von Angriffen durch Kritiker des bestehenden Christentum, die ihm häufig vorwerfen, die Lehre von Jesus in diese oder jene Richtung verfälscht zu haben.

In der katholischen Weltkirche ist Paulus der Schutzpatron der Theologen und Seelsorger, Weber, Zeltwirker, Korbmacher, Seiler, Sattler und Arbeiterinnen, sowie der katholischen Presse. Er wird als Heiliger angerufen für Regen und Fruchtbarkeit der Felder und gegen Furcht, Ohrenleiden, Krämpfe, Schlangenbiss.

In der Kunst wird er gewöhnlich als kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und/oder Schwert dargestellt. Sein (und Petrus') Gedenktag ist der 29. Juni, Näheres siehe Simon Petrus.

Theologie

Die Theologie des Paulus ist in seinen Briefen ausgeführt (insbesondere im Römerbrief). Die wichtigsten Punkte daraus sind

- Jesus als der Auferstandene Herr, wird wiederkommen und die Toten werden auferstehen.

  • Gerechtigkeit vor Gott erlangt der Mensch nicht durch die Erfüllung des Gesetzes, sondern allein aus dem von Gott geschenkten Glauben an das Evangelium
  • Nicht die von außen kommende Forderung des Gesetzes sondern das befreiende Leben Christi im Gläubigen durch den Heiligen Geist ist Kraft und Richtschnur allen Handelns.
  • Es steht den Christen nicht zu, endgültig über Israels Gottesbeziehung zu urteilen.

Durch den von ihm verfassten Römerbrief hat Paulus die Kirchengeschichte später noch wesentlich beeinflusst: sowohl Augustinus als auch Martin Luther und John Wesley führen ihre eigentliche Bekehrung auf die Lektüre des Römerbriefes zurück.

Ein weiteres Schlüsselthema paulinischer Theologie lässt sich mit dem Stichwort "Christus und seine Gemeinde" umschreiben. Schon in seiner Bekehrungsgeschichte klingt dieses Thema an. Jesus fragt Saulus: "Warum verfolgst du mich?" (Apg 9, 4 f.) Diese Identifikation des bereits zum Himmel aufgefahrenen Christus mit seiner irdischen Gemeinde veranlasst Paulus nach immer neuen Bildern zu suchen, die das enge Verhältnis zwischen Christus und seiner Gemeinde beschreiben. Das bekannteste Bild findet sich in 1. Korinther 12: Christus ist das Haupt (= der Kopf) der Gemeinde - die Gemeinde ist der Leib des Christus (vergleiche Römer 12; Epheser 1,20-23; 5,23-32 uvam).

Als Quelle 1. Ordnung für eine (fragmentarische) Paulus-Biographie kommen nur die sieben unbestrittenen Paulusbriefe in Frage, vor allem Gal 1-2. Die Angaben der Apostelgeschichte stehen in einem teilweisen Widerspruch dazu,dürfen also nur mit Vorbehalt benutzt werden.

Paulusbriefe im Neuen Testament

Evangelikale Theologen gehen davon aus, dass alle Schriften des Neuen Testaments, die beanspruchen, von Paulus verfasst worden zu sein, (das heißt alle Paulusbriefe) auch tatsächlich von Paulus stammen.

  • In der Überlieferung wird ihm manchmal auch der Hebräerbrief zugeschrieben

Näheres unter den einzelnen Briefen.

Siehe auch:

Apostel - Apostelgeschichte - Pauli Bekehrung - Paul - Simon Petrus und Urchristentum, Interpolationstheorie (Religion)

Literatur

Historisch-kritische Gesamtdarstellungen

  • Jürgen Becker: "Paulus. der Apostel der Völker." UTB, Stuttgart 1998, ISBN 3825220141 (historisch)
  • Klaus Berger: "Paulus." Beck, München 2001, ISBN 3406479979 (allgemein verstaändlich, aber manchmal oberflächlich)
  • Günther Bornkamm: "Paulus." Stuttgart 1979, ISBN 3170124676 (historisch-kritisches Standardwerk; geht von den Briefen aus und zieht die Apg. erst sekundär hinzu)
  • Eduard Lohse, "Paulus", München 1996, ISBN 3406409490 (umfangreich, informativ, leicht lesbar)
  • Gerd Lüdemann: "Paulus, der Gründer des Christentums." Göttingen 1980 ISBN 3934920071 (umstrittene Ansichten)
  • Ed Parish Sanders: "Paulus. Eine Einführung." Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 3150093651 (knappe Einführung in die wichtigsten Probleme der historisch-krischen Paulus-Forschung)
  • Udo Schnelle, "Paulus", Berlin 2003, ISBN 3110151642 (aus wissenschaftlicher Perspektive, sehr umfangreich)

Theologie des Paulus

  • Georg Eichholz: "Die Theologie des Paulus im Umriss." Neukirchen-Vluyn 1991 (Standardwerk: sieht Paulus als Begründer der reformatorischen Rechtfertigungslehre und betont seine Treue zu Israel)
  • Otto Hofius: "Paulusstudien". Tübingen 1989
  • Hans Hübner: "Biblische Theologie des Neuen Testaments" Band 2: "Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte." Göttingen 1993
  • Ernst Käsemann: "Gottesgerechtigkeit bei Paulus." in: "Exegetische Versuche und Besinnungen" Band 2, Göttingen 1964, S. 181-193 (bahnbrechender Aufsatz, der die Rolle der spätjüdischen Apokalyptik für Paulus betont und darin die Kontinuität zu Jesus und der Urgemeinde sieht)
  • Albert Schweitzer: "Die Mystik des Apostels Paulus." 1930 (ein älteres Standardwerk, das Paulus gegen Luther abgrenzt)
  • Gerd Theißen: "Psychologische Aspekte paulinischer Theologie." Göttingen 1993 (Exegese anhand von vier psychologischen Methoden)

Biographie/Chronologie des Paulus

  • Friedrich Wilhlem Horn, "Das Ende des Paulus", Berlin 2001, ISBN 3110170019 (Aufsatzsammlung zur Endphase im Leben des Paulus)
  • Rainer Riesner, "Die Frühzeit des Apostels Paulus", Tübingen 1994, ISBN 3161458281 (entgegen dem Titel eine vollständige Darstellung der Biographie des Apostels, sehr detailliert und fundiert)
  • Alfred Suhl, "Paulus und seine Briefe", Gütersloh 1975, ISBN 3579044508 (Auswertung der biographischen Selbstaussagen des Apostels in seinen Briefen)
  • Holger Zeigan, "Aposteltreffen in Jerusalem", Leipzig 2005, ISBN 3374023150 (neueste Erscheinung zur Biographie des Paulus, schwerpunktmäßig mit dem Apostelkonvent von Gal.2 beschäftigt)

Außerchristliche Darstellungen

(siehe auch die Angaben zu den Artikeln Urchristentum und Alte Kirche und die zu den einzelnen Briefen genannte Literatur)