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Cochlea-Implantat

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Das Cochlearimplantat (kurz CI) ist eine Hörprothese für Gehörlose und Ertaubte, deren Innenohr nicht funktioniert wohl aber der Hörnerv.

Medizinisch-Technischer Komplex

Der Name ist eigentlich falsch, denn das CI hat nichts mit einem Löffel (lat. cochlear) zu tun. Die Elektroden des CI werden in die Hörschnecke (lat. cochlea) eingeführt, um den mit einem Mikrofon aufgenommenen Schall als elektrische Impulse mit Hilfe eines digitalen Signalprozessors an den Hörnerv weiterzugeben. Damit ist es auch ein "Hörgerät für taube Patienten".

Das CI besteht wie schon erwähnt aus einem Mikrofon, einem digitalen Signalprozessor und einem Implantat, das sich aus der Elektrode, einem Magneten und einer Empfängerspule zusammensetzt. Der Magnet mit der Spule wird hinter dem Ohr unter der Haut implantiert und dient als Schnittstelle zwischen dem Elektrodenset und dem Signalprozessor. Auch dieser verfügt über eine Spule (Senderspule) mit Magneten, die oft auf den ersten Blick nicht erkennbar sind, da sie unter den Haaren leicht versteckt werden können.

Der Signalprozessor wird häufig auch Sprachprozessor genannt, da er die Sprache in geeignete Signale für die Elektroden umwandelt. Dies geschieht mit einer Impulsrate von ca. 14400 Hz, also 14400 mal pro Sekunde, wobei die Signale auf 12-22 Elektroden verteilt werden (je nach hersteller). Seit Anfang 2003 gibt es einen Sprachprozessor, der sogar mit einer Impulsrate von bis zu 83000 Hz arbeitet. Seit einiger Zeit sind die Sprachprozessoren so klein, daß man sie wie ein konventionelles Hörgerät direkt hinter dem Ohr tragen kann. Viele benutzen aber noch ein ca. Zigarettenschachtel großes Gerät (Taschenprozessor), das in der Tasche, am Gürtel oder bei Kindern gerne auf dem Rücken getragen wird. Das Mikrofon sitzt in jedem Fall aussen am Gehörgang. Der Trend geht in Richtung immer kleinerer Systeme, die ohne Probleme hinter dem Ohr getragen werden können und trotz ihrer Miniaturisierung die gleiche Leistung haben wie Taschenprozessoren.

Die elektrischen Reize in der Hörschnecke erzeugen beim CI-Träger Hörempfindungen unterschiedlichster Art. Ein intensives Hörtraining nach der Operation ist nicht mehr unbedingt die Voraussetzung für Hör-Erfolge, kann aber für Patienten, deren Hörstörung seit vielen Jahren besteht, sehr hilfreich sein.

Gehörlose Kinder profitieren am meisten, wenn sie ihr Implant möglichst frühzeitig erhalten. Die Versorgung sollte bis zum dritten, besser schon bis zum zweiten Lebensjahr erfolgen. Bei späteren Versorgungen, etwa bis zum sechten Lebensjahr, kann die Hörfähigkeit mit CI hinter den Ergebnissen der Frühimplantation zurück bleiben. Eine Implantation nach dem achten Lebensjahr erscheint generell nicht mehr sinnvoll, da ein Spracherwerb dann nicht mehr möglich ist. Zur Unterstützung des Spracherwerbs ist eine Rehabilitation in einem Zentrum notwendig. Die Kinder werden dort in regelmäßigen Abständen für die Dauer von etwa zwei Jahren unterrichtet. Gehörlose Erwachsene, die nach dem Spracherwerb erst ertaubten und frühzeitig mit einem Cochlear Implant versorgt werden, benötigen diese Rehabilitationsphase in den meisten Fällen nicht. Besteht eine hochgradige Hörstörung aber über viele Jahre und Jahrzehnte, sind die Hörergebnisse wesentlich schlechter, als bei der Frühversorgung. Dann ist ein intensives Hörtraining angezeigt. Bei erwachesenen Gehörlosen, die schon vor oder während des Spracherwerbs ertaubten, ist eine CI-versorgung nicht mehr angeraten, da ein Sprachverstehen in der Regel nicht mehr zu erwarten ist.


Zur Abwägung der Versorgung von Kleinkindern mit einem CI

Die obigen Abschnitte stellen das Cochlea-Implantat aus überwiegend medizischer Sicht und unter der Annahme komplikationsloser Umstände dar. Medizinische Risiken des Verfahrens werden nicht erwähnt. Siehe hierzu die unten angegebenen Links.

Als besonders nützlich hat sich das CI in der Versorgung ertaubter Erwachsener gezeigt. Für die propagierte Versorgung von Kleinkindern sind jedoch auch Faktoren zu beachten, die außerhalb der Implantat-Technik liegen.

Neuro-linguistische Aspekte

Bis heute können Ärzte den Hörnerv nicht genau darstellen. Es bedeutet, dass bei einer Bera (Hirnstammaudiometrie) der Hörnerv getestet werden kann, es kann aufgezeigt werden, ob der Hörnerv leitet, aber nicht zu wie viel Prozent er leitet. Das ist für das Hörergebnis wichtig. Leitet der Hörnerv nur zu 10 oder 20 Prozent, bleibt von der Übermittlung der Elektroden des CI nicht viel übrig. Wie viele Patienten trotz schlechtem Hörnerv operiert wurden, wird in keiner öffentlichen Statistik aufgeführt oder erwähnt.

Ein CI macht nicht normal hörend, die CI-Träger haben bis auf wenige Ausnahmen einen Hörstatus, der vergleichbar ist mit stark schwerhörigen Personen mit konventioneller Hörgeräte-Versorgung.
4 Gruppen von CI Patienten können unterschieden werden:

  • Die 1. Gruppe hört mit dem Implantat nichts.
  • Die 2. Gruppe hört einige Umweltgeräusche.
  • Die 3. Gruppe kann erkennen, ob ein Mann oder eine Frau spricht und die Gesprächsquelle suchen.
  • Die 4. Gruppe kann über das Gehör Informationen aufnehmen und verarbeiten. Von dieser Gruppe lernen manche verständliches Sprechen.

Meist verschafft ein CI seinem Träger zwar einen Höreindruck, Ziel der CI-Anwendung ist jedoch nicht das Hören, sondern das Verstehen von Lautsprache. Selten erwähnt wird dazu, daß eine CI-Anpassung am erfolgversprechendsten ist, wenn neurolinguistisch ein ausgeprägtes Talent für Lautsprache vorliegt. Dieses Talent kommt durch das bloße Hören nicht zustande. Dies zeigt sich schon an der normalhörenden Bevölkerung, bei der das Sprachverständnis und die Fähigkeit zum Sprachausdruck individuell stark unterschiedlich ausgeprägt ist.

Eine Alternative zur Lautsprache ist für taube Kinder mit der Anwendung von Gebärdensprache unter gleichartig Betroffenen gegeben, insbesondere wenn der visuelle Sinn besser ausgeprägt ist als der für die Lautsprache zuständige neurologische Bereich.

Soziologisches

Die Eltern von tauben Kleinkindern stehen zunächst unter dem Schock der Diagnose „taub“, sind oft belastet mit Schuldgefühlen und wollen deshalb alles Menschenmögliche für ihr Kind zu tun, um die Auswirkungen der Taubheit so gering wie möglich zu halten. Aus ihrer Sicht als Außenstehende haben gebärdensprachlich orientierte Gehörlose kommunikativ weniger Möglichkeiten als CI-Träger. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sie sich oft für ein CI und für den lautsprachlich orientierten Förderweg unter Hintanstellung anderer Möglichkeiten entscheiden.

Der Druck auf die Kinder und die Erwartungen an sie sind immens, sie sollen perfekt verstehen und sprechen lernen. Kinder, die dabei nicht das Glück einer optimalen Kombination des CI mit begünstigenden neurologischen Fähigkeiten haben, werden sich in körperlicher und sozialer Hinsicht als Versager empfinden. Bekannt ist dies auch aus älteren Generationen Gehörloser, die ausschließlich lautsprachlich, zumeist aber mit geringem Erfolg beschult wurden.

In der CI-Nachsorgetherapie hat die Lautsprache absolute Priorität und das Benutzen der Gebärdensprache wird verboten, um Erfolge der Implantat-Technik nicht zu gefährden. Die Kinder sind daher immer noch auf das Absehen angewiesen.
Die Kommunikation mit Hörenden ist erschwert und die Kommunikation mit Gehörlosen in Gebärdensprache mangels Kontakt auch nicht möglich. Kinder mit CI fühlen sich daher weder in der Gesellschaft der Hörenden noch in der von Gehörlosen zu Hause. Eine Folge sind starke Identitätsprobleme.

Manche Teenager lassen deshalb das CI nach Jahren des Tragens re-implantieren und versuchen sich in die Gesellschaft der Gehörlosen zu integrieren. Es wird von psychosomatischen Symptomen, von Suizid-Gefährdung und autistischem Verhalten der Kinder berichtet.

Fazit

Im Hinblick auf medizinische Risiken wird empfohlen,zur Implantation den niedrigsten zu erwartenden Gewinn in Relation zur größten Gefahr durch die OP zu setzen.

Eltern, die das grösstmögliche Wohl ihrer Kinder im Auge haben, sollten nicht nur nach der medizinischen "Heilung" fragen, sondern sich über gleichartig Betroffene, vor allem erwachsene taube Personen, ihr Leben und ihre Perspektiven informieren.

Literatur

  • Prof. Gisela Szagun: Wie Sprache entsteht. Beltz, Weinheim 2001, ISBN 3407221037 (€ 14,00)