Gottesbeweis
Als Gottesbeweise werden Versuche bezeichnet, die Existenz eines Gottes oder Ursprungsprinzips zu beweisen oder zumindest Hinweise dafür zu finden. Ein allgemein anerkannter schlüssiger Beweis für die Existenz Gottes konnte bisher nicht erbracht werden. Gottesbeweise präferieren nicht einen bestimmten Gott in einer bestimmten Religion.
Geschichte
Unsere heutige Einschätzung von Gottesbeweisen beruht weitgehend auf Immanuel Kants Kritik an ihnen. Er schloss aus den Grenzen der reinen Vernunft auf ihre Ungültigkeit. Dies betraf speziell die im Mittelalter vorherrschenden scholastischen Gottesbeweise und den ontologischen Gottesbeweis. Ihm folgten Religionskritiker wie Ludwig Feuerbach, der mit seiner Projektionstheorie Gottes Nichtexistenz zu beweisen versuchte.
Trotz dieser neuzeitlichen Kritik vertreten Neuscholastiker auch heute noch ähnliche Denkfiguren, meist im Rahmen einer Natürlichen Theologie. Konservative katholische Gruppen wie Opus Dei halten sogar weitgehend an der ursprünglichen Scholastik fest. Demgegenüber greifen moderne Philosophen wie John Leslie Mackie Kants Kritik auf und stellen sie auf eine neue Basis innerhalb der Analytischen Philosophie. Philosophen wie Alvin Plantinga dagegen versuchen eine neue Formulierung des ontologischen Gottesbeweises.
In der vorchristlichen Antike und im christlichen Mittelalter spielten Gottesbeweise für das Leben der Gläubigen selbst keine Rolle. Die Existenz von Göttern oder eines Gottes war in den frühen staatlichen Gesellschaften meist zusammen mit der jeweiligen Staatsreligion doktrinär festgeschrieben, und Infragestellung wurde oft als Gottlosigkeit oder Atheismus mit erheblichen Sanktionen belegt. Die theoretischen Überlegungen sollten zu dieser Zeit lediglich die vorhandene Grundüberzeugungen stützen. Ein starkes Motiv für das Aufstellen scholastischer Gottesbeweise im Mittelalter war die Bekehrung von Heiden. In rein heidnischen Gesellschaften konnte zunächst weder staatlicher Druck angewendet werden und auch die Bibel war noch nicht als unumstößliche Wahrheit anerkannt, so dass auch nicht doktrinär argumentiert werden konnte. Deswegen mussten andere Wege beschritten werden, um die Menschen zum christlichen Glauben zu führen, wozu auch gerade scholastische Gottesbeweise dienen sollten. Die eigentliche Zeit der Gottesbeweise war die Frühe Neuzeit und die deutsche Aufklärung. Für deistische Aufklärer sollten die Gottesbeweise eine auf der Vernunft basierende Religion etablieren, welche ohne jegliche Offenbarungselemente auskäme. Mit der einflussreichen Kritik Kants an den Gottesbeweisen und dem Entstehen einer säkularisierenden und säkularisierten Gesellschaft nahm die Bedeutung der Gottesbeweise allgemein ab, gewann aber jetzt eine größere Bedeutung für religiöse gläubige Kreise selbst und wurde auch zu einer eigenständigen philosophischen Disziplin, der Natürlichen Theologie.
Es gab auch Versuche die Nichtexistenz Gottes zu beweisen (z. B. Ludwig Feuerbachs Projektionstheorie).
Der kausale Gottesbeweis
Der kausale Gottesbeweis geht davon aus, dass allem eine Ursache zu Grunde liegt. Da man aber die Reihe der Ursachen nicht unendlich fortsetzen könne, müsse es eine erste Ursache (causa prima) geben. Die Idee der ersten Ursache (auch die "unverursachte Ursache" oder der "unbewegte Beweger" genannt) geht auf Aristoteles zurück. Thomas von Aquin argumentierte, dass diese erste Ursache gleichbedeutend mit Gott sei. Dieser Gottesbeweis wird auch als "kosmologischer Gottesbeweis" bezeichnet (Achtung, Namenskonflikt mit unten!) und steht in engem Zusammenhang mit dem Kontingenzbeweis.
Kritik am kausalen Gottesbeweis
Die Theorie besagt zunächst nur, dass es eine erste Ursache gibt, aber dass diese Gott ist, sei damit noch nicht klar. Dies lässt sich jedoch, laut Vertretern dieses Gottesbeweises, bei genauerer Untersuchung zeigen (siehe dazu etwa die Natürliche Theologie). Problematisch ist allerdings der willkürliche Abbruch der Kausalkette (siehe auch Dogma). So argumentiert z. B. Bertrand Russell in seinem berühmten Text: "Why I am not a christian" von 1927, dass Gott von einem weiteren Gott erschaffen sein könnte, und dieser ebenfalls etc. Genauso gut kann man die Kausalkette vorher abbrechen und mit gleichem Recht behaupten, dass, wenn ein Gott ohne Grund existieren kann, das Universum ebenfalls ohne Grund existieren kann.
Überdies ist nicht klar, wieso eine Kausalkette nicht unendlich sein kann, und eine erste Ursache überhaupt notwendig sein soll. Nimmt man beispielsweise den "zeitlichen" Kausalitätsbegriff, kann man die aus der Physik bekannte Zeitumkehrinvarianz auch so deuten, dass eine Symmetrie zwischen Ursache und Wirkung existiert. Würde also notwendigerweise eine erste Ursache existieren, müsste demnach auch notwendigerweise eine "letzte Wirkung" existieren. Das heißt die Zukunft wäre gewissermaßen begrenzt, was unserer Anschauung eher widerspricht. Darüber hinaus wären bei bestimmten Raumzeit-Topologien sogar in sich geschlossenen Kausalketten denkbar. Hier zeigt sich besonders, dass die Ansicht von einer notwendigen ersten Ursache vermutlich eher unserer Art, wie wir die Welt wahrnehmen, entspringt als logischer Notwendigkeit. Zwar gibt es auch andere Auffassung von Kausalität, als der einer zeitlichen Abfolge von Ursache und Wirkung, aber auch wenn man von dem "zeitlichen" Kausalitätsbegriff abgeht, ist nicht klar wieso eine erste Ursache notwendig sein soll. Zumindest müsste das erst explizit nachgewiesen werden, und kann keinesfalls als unmittelbar einsichtig vorausgesetzt werden.
Selbst innerhalb der Vorstellungen einer zeitlichen Kausalität sind verschiedene (makroskopische) Systeme bekannt, in denen Phänomene spontan und ohne Auslöser auftreten. Dort ergeben sich Strukturen oder Entitäten aus homogenen Anfangsbedingungen (Selbstorganisation, Strukturbildungprozesse, Emergenz). Diese spontanen Entitäten können wiederum die Grundbausteine für übergeordnete Strukturen bilden. So sind - mindestens prinzipiell - Kausalketten denkbar, die nicht auf eine 'erste Ursache' zurückgehen müssen, bzw. dessen erste Ursache sich in einem ungeformten Ur-Substrat verliert.
Der ontologische Gottesbeweis
Die erste bekannte Version des ontologischen Gottesbeweises wurde von Anselm von Canterbury (1033-1109) ersonnen. Bereits Thomas von Aquin kritisierte Anselm von Canterburys Version so überzeugend, dass der ontologische Gottesbeweis erst wieder an Bedeutung gewann, nachdem der Philosoph Descartes ihn aufgegriffen und in eine neue Fassung gebracht hatte, welche der zeitgenössischen Kritik standzuhalten schien. ( s. a.: Gottesbeweis von Descartes)
Ontologisch wurde der Beweis von Immanuel Kant bezeichnet; nach dem griechischen Wort für Sein (to on). Verkürzt ausgedrückt, wird der Beweis etwa so definiert: Wir können uns eine absolute Vollkommenheit vorstellen, ergo müsse es sie auch geben. Und ist sie existent, so müsse es Gott sein.
Der Gedankengang des ontologischen Gottesbeweises ist folgender: Gedacht sei ein Wesen, das vollkommener ist, als alle anderen, welche man sich vorstellen kann. Wer nun diesen Satz versteht, der müsse einen Begriff für dieses Wesen haben. Ansonsten wäre der Satz unverständlich. Zum Beispiel ist der Satz "Stell Dir einen Yeti vor!" nur dann sinnvoll, wenn man einen Begriff vom Yeti hat.
Die Vertreter des ontologischen Gottesbeweises waren jedoch nicht der Ansicht, dass dieses vorgestellte vollkommene Wesen nur als Idee existiere. Denn wenn sie nur abstrakte Idee wäre, so könne man sich ein noch vollkommeneres Wesen vorstellen, nämlich ein solches, welches dazu noch existent wäre. Und genau dies würde der Hypothese widersprechen.
Dieses Wesen ist gemäß dem ontologischen Gottesbeweis mit Gott, dem vollkommensten Wesen, gleichzusetzen.
Wenn man jedoch nach dem vollkommensten Wesen gesucht hätte, welches auch existiert, dann wäre man nicht zum selben Schluss gekommen. Denn man hätte nie beweisen können, dass dies auch Gott ist. Anselm von Canterburys Begriff des Seins stellt sich also als eine Art der Vollkommenheit dar und nicht in einer Erfahrung der Existenz. Oder anders ausgedrückt: Die Vorstellung eines Dinges beruht nicht unbedingt auf der Vorstellung des Seins genausowenig wie die Vorstellung eines Dinges von dessen Existenz abhängig ist.
Überdies erscheint sehr diskussionswürdig, ob die behauptete Vorstellung von absoluter Vollkommenheit tatsächlich existiert oder es sich hier bei nicht eher um einen leeren Begriff handelt.
Erst Immanuel Kant hat über 700 Jahre später (1781) in der Kritik der reinen Vernunft den ontologischen Gottesbeweis widerlegt. Er zeigt nämlich, dass Anselm von Canterbury verschiedene Kategorien vermengt hatte. So wurde der grammatische Begriff sein wie ein ontologischer Begriff verwendet. Weiterhin setzt Anselm von Canterbury in seiner Definition des vollkommenen Wesens dessen Existenz bereits voraus. Und wenn man nun sagt, dass ein Ding ist oder existiert, so fügt man ihm nichts hinzu, sondern gibt ihm Eigenschaften. Man wiederholt nur, dass man erfahren hat, dass dieses Ding existiert. Man könnte nämlich auch sagen, dass das vollkommenste Wesen nicht existiert. Diese Aussage enthält keinen logischen Widerspruch, da ein solches Wesen keine objektive Realität besitzt (es ist ein grammatisches Subjekt) aber man nicht die Vorstellung des Wesens an sich leugnet. Wenn also der Satz "Ein vollkommenes Wesen existiert nicht!" nicht logisch widersprüchlich ist, dann ist der Satz "Ein vollkommenes Wesen existiert!" nicht logisch notwendig.
Nach Kant ist der einzige Beweis für eine Existenz die Erfahrung und Anselm von Canterburys Beweis nichts anderes als eine Tautologie.
Hegel hat allerdings die Kantische Ablehnung des Ontologischen Gottesbeweises kritisiert. Der spekulative Geist vereinigt Begriff und Sein durch Umschlagen von Quantität in Qualität.
Alternatives Verständnis
Der bisher erläuterte so genannte „ontologische Gottesbeweis“ wird zwar Anselm von Canterbury zugeschrieben; dies läuft jedoch auf ein fundamentales Missverständnis in Bezug auf Anselms eigene Aussagen hinaus.
Anselm von Canterbury selbst setzt anders an. Zunächst definiert er im Sinn der christlichen Botschaft die Bedeutung des Wortes „Gott“ in zweifacher Weise: Es könne über Gott hinaus „nichts Größeres gedacht werden“, zugleich aber sei Gott „größer als alles, was gedacht werden kann“ (Proslogion 15). In beiden Definitionen geht es nicht um eine Wesensbestimmung Gottes und auch nicht um einen Gedanken- oder Vorstellungsinhalt, von dem zu fragen wäre, ob ihm auch eine Wirklichkeit entspricht. Vielmehr stellt Anselm nur Denkregeln in Bezug auf Gott auf: Aussagen in Bezug auf Gott können nur dann zutreffen, wenn sie nicht steigerungsfähig, sondern unüberbietbar sind.
Dass nach der zweiten Definition Gott größer sei als alles, was gedacht werden kann, bedeutet, dass Gott von vornherein alles Begreifen übersteigt. Natürlich entsteht dann die Frage, wie man überhaupt noch von ihm reden kann; nach Anselms Auffassung wird man von ihm immer nur das von ihm Verschiedene begreifen können, das auf ihn verweist.
Jedenfalls aber kann man dann Anselm nicht mehr zuschreiben, er wolle aus dem Begriff Gottes seine Existenz herleiten. Denn er selbst bestreitet, dass Gott unter Begriffe fällt; für ihn kann es gar keinen Gottesbegriff geben, den man als Ausgangspunkt für Schlussfolgerungen verwenden oder als deren Ergebnis erreichen könnte. Anselm ist deshalb weit davon entfernt, auf eine Gottesvorstellung zu rekurrieren oder Gott unter den Allgemeinbegriff eines „Wesens“ fassen zu wollen, wie man ihm dies gewöhnlich zuschreibt.
Wenn andererseits nach der ersten Definition in Bezug auf Gott gelten soll, dass über ihn hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, dann müsste dies heißen, dass auch „Gott plus Welt“ nicht noch mehr als Gott sein kann.
Dann aber ist die Aussage, dass über Gott hinaus nichts Größeres gedacht werden kann und somit auch Gott plus Welt nicht mehr als Gott ist, zunächst und direkt nur eine Aussage über die Welt: Wenn die Welt nicht zu Gott wie etwas Zusätzliches zu ihm addiert werden kann, dann kann sie nur etwas sein, das völlig darin aufgeht, ohne ihn gar nicht sein zu können. Sie muss in ihrer gesamten Eigenwirklichkeit, in allem, worin sie sich vom Nichts unterscheidet, ein „restloses Bezogensein auf … / in restloser Verschiedenheit von …“ sein. Es muss sich um eine Relation handeln, die zum Sein der Welt nicht hinzukommt, sondern dieses Sein konstitutiert.
Wir wissen also nicht erst, wer Gott ist, und schreiben ihm danach die Schöpfung der Welt zu, sondern die einzige Weise, überhaupt sinnvoll von ihm zu sprechen, besteht darin, die Welt als das zu verstehen, was ohne ihn nicht sein kann. Er ist das Woraufhin (der „terminus ad quem“) dieses „restlosen Bezogenseins auf … / in restloser Verschiedenheit von …“. So ist Gott „ohne wen nichts ist“.
Das Sein der Welt und ihr Geschaffensein sind in diesem Verständnis ein und dasselbe. Man kann nicht von der Welt auf Gott schließen, sondern nur von der Welt auf ihre Geschöpflichkeit, auf ihr „restloses Bezogensein auf … / in restloser Verschiedenheit von …“. Die traditionelle Aussage, dass die Welt „aus dem Nichts geschaffen sei“, bedeutet: Könnte man ihr Geschaffensein beseitigen, bliebe nichts von ihr übrig.
Wenn es die Welt wirklich gibt und widerspruchsfrei gedacht werden kann, dass ihr Sein und ihr Geschaffensein identisch sind, dass also ihr Sein ein „restloses Bezogensein auf … / in restloser Verschiedenheit von …“ ist, dann verhält es sich mit Notwendigkeit so; denn das kontradiktorische Gegenteil von dem, was widerspruchsfrei gedacht werden kann, wäre in sich widersprüchlich. Eine Welt, die nicht ein „restloses Bezogensein auf … / in restloser Verschiedenheit von …“ ist, könnte nicht existieren und ließe sich auch nicht denken.
Man kann die Gegenprobe machen: Tatsächlich lässt sich die Welt bei Leugnung ihres Geschaffenseins (= „restlosen Bezogenseins auf … / in restloser Verschiedenheit von …“) nicht mehr widerspruchsfrei beschreiben. Denn alles in der Welt hat die Struktur einer unauflöslichen Einheit von Gegensätzen. Zum Beispiel ist alles der Veränderung unterworfen. Was sich verändert, ist zwar noch weiterhin dasselbe, aber es bleibt nicht ganz dasselbe. Gerade das mit sich selbst identisch Bleibende ist der Zeit unterworfen, was bereits Veränderung ist. Es wird von der Veränderung seiner Eigenschaften doch auch in sich selbst betroffen. Um dies anders als logisch widersprüchlich beschreiben zu können, muss man (für die Gegensätze) zwei Hinsichten angeben können, die sich dennoch (wegen des Zugleichs der Gegensätze) nicht wiederum ausschließen. Sie sind nur angebbar, indem man das Ganze als „restlos bezogen auf … / in restloser Verschiedenheit von …“ versteht. Mit „restlos“ ist jeweils die konkrete weltliche Wirklichkeit gemeint.
Es geht bei der so verstandenen Geschöpflichkeit der Welt nicht um eine Erklärung der Entstehung der Welt, sondern um eine Erklärung der Welt einfachhin, nämlich wie es möglich ist, sie anders als logisch widersprüchlich zu beschreiben. Solange eine Beschreibung der Welt nicht von einem logischen Widerspruch unterscheidbar ist, kann sie nur falsch sein.
Anselms Beweisansatz ist also in genauer und weiterführender Analyse in Wirklichkeit ein „ontologischer Geschöpflichkeitsbeweis“, und in diesem Verständnis dürfte er bisher nicht widerlegt worden sein.
Der Kontingenzbeweis
Der Kontingenzbeweis schließt aus der Tatsache, dass es nichtnotwendiges Sein gibt, darauf, dass es das absolut notwendige Sein (das Absolute) geben müsse. Das nichtnotwendige (zufällige) Sein sei nur, weil es das Sein einem anderen Sein verdanke, könnte also auch nicht sein. Letztlich müsse es ein Sein geben, das aus sich heraus (ens a se) ist; dies sei das Absolute, das heißt Gott. Siehe zu einer ausführlicheren Begründung den Artikel natürliche Theologie.
Dieser Beweis setzt voraus, dass nicht alles Sein notwendig ist, und nichtnotwendiges Sein nicht nur scheinbar aus der begrenzten menschlichen Perspektive resultiert. Diese Voraussetzung ist aus Sicht einiger fragwürdig. So seien Weltmodelle vorstellbar in denen alles mögliche Sein notwendig auch existiert, Beobachtern aber prinzipiell nur begrenzte Ausschnitte der Welt zugänglich sind. Dieser zugängliche Auschnitt kann je nach Beobachter unterschiedlich sein. Entitäten in den für einen Beobachter nicht zugänglichen Bereichen würde dieser dann aus seiner Perspektive als nichtexistent betrachten, während es sie in der "Gesamtwelt" trotzdem gibt und ein anderer Beobachter mit anderer Perspektive sie als existent betrachten könnte. Ein Beispiel für ein solches Weltmodell ist etwa Everetts Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. Sogar aus dem gegenwärtigen Standardmodell der Kosmologie folge, wie vom Physiker Max Tegmark gezeigt, dass innerhalb einer Entfernung von 1028 Metern alle quantenmechanisch möglichen Welten vorkommen und deswegen alles demnach vorstellbar Mögliche auch existieren müsse, obwohl für uns nur ein sehr kleiner Teil davon zugänglich ist, da unser physikalischer Ereignishorizont viel geringer ist. Die Möglichkeit von nicht-notwendigem Sein wäre dann also nur eine scheinbare und würde letztlich daraus resultieren, dass in unserer Auffassung von "Sein" die menschliche Perspektive implizit miteingeht. Die genannte Kritik missversteht jedoch den philosophischen Begriff der Kontingenz, der besagt, das etwas auch anders oder nicht sein könnte. Materielles Sein ist (schon wegen seiner Zusammengesetztheit) immer kontingent, also nicht aus sich heraus notwendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Materie bereits von Menschen mehr oder weniger erkannt wurde.
Der teleologische Gottesbeweis
Nach dem teleologischen Gottesbeweis ist alles in der Welt zielgerichtet und auf Ordnung, Schönheit und Zweckmäßigkeit hin ausgelegt. Es wird oft argumentiert, dass dies nur den Schluss zuließe, dass Gott existieren müsse und die Welt dergestalt eingerichtet hat. Unausgesprochene Voraussetzung des teleologischen Beweises ist, dass komplexe Systeme, welche einen geordneten und zielgerichteten Eindruck machen, nur von einer planerischen Intelligenz geschaffen werden können.
Einer der ersten Kritiker des teleologischen Gottesbeweises war David Hume in seinen Dialogues Concerning Natural Religion. Dieses Werk entstand hundert Jahre, bevor die Evolutionstheorie formuliert wurde. Mit deren Siegeszug aber auch der Entwicklung von Theorien wie der Selbstorganisation hat der teleologische Gottesbeweis stark an Überzeugungskraft verloren.
In der Praxis hat sich inzwischen die Begrenztheit planerischen intelligenten Handelns gezeigt. So haben sich etwa menschliche Wirtschaftsysteme, die zentral geplant und geleitet wurden (Planwirtschaft), nicht gegenüber marktwirtschaftlichen Systemen durchsetzen können, die mit evolutionären Elementen wie etwa dem Prinzip "Versuch und Irrtum" arbeiten. Bei noch komplexeren Systemen, wie zum Beispiel der Biosphäre, sind die Möglichkeiten planerischen Handelns gegenüber evolutionären "Versuch-und-Irrtums-Strategien" dementsprechend noch begrenzter.
Zudem fällt an dieser Argumentation ein mehr oder weniger versteckt anthropomorphes Element auf, da hier ein Gott mit einer planerischen Intelligenz entsprechend dem Menschen als Vorbild konstruiert wird, auch wenn die Fähigkeiten des so konstruierten Gottes die des Menschen übersteigen sollen.
Theodizee
Die Theodizee (frz. théodicée), von griech. theos (Gott) und diké (Gerechtigkeit), fragt danach, wie Gott das Böse in der Welt zulassen kann. Es handelt sich nicht um einen Gottesbeweis, sondern um einen Versuch, die Existenz eines allmächtigen und zugleich gütigen Gottes trotz Vorhandenseins von Bösem und Übel in der Welt zu plausibilisieren. vgl.Metz
Der kosmologische Gottesbeweis
Die physikalischen Naturkonstanten haben solche Werte, dass sie Leben, wie wir es kennen, ermöglichen. Wären sie auch nur um wenige Promille anders, gäbe es heute kein derartiges Leben auf unserem Planeten, also auch keine Menschen (Feinabstimmungsproblem). Die Vertreter des kosmologischen Gottesbeweise folgern nun, die Naturkonstanten müssten wie von einem Schöpfergott passend gewählt worden sein.
Diesem kosmologischen Gottesbeweis steht jedoch das anthropische Prinzip gegenüber ("Weil es Beobachter des Universums gibt, muss es Eigenschaften besitzen, die die Existenz von Beobachtern zulassen").
Auch verschiedene kosmologische Modelle bieten Erklärungen für diese Beobachtungen, wie beispielsweise die Hypothese des Multiversums, wobei Beobachter nur in den Universen entstehen konnten, die die entsprechenden physikalischen Rahmenbedingungen bieten.
Pascalsche Wette
Die pascalsche Wette wird Blaise Pascal zugeschrieben und ist kein Gottesbeweis. Sie wird manchmal von Gläubigen benutzt, um nichtgläubige Menschen von den Vorteilen eines Gottglaubens zu überzeugen. Die Wette basiert auf der Annahme, dass ein Gott, sofern er existieren würde, diejenigen belohnt, die an ihn glauben, und diejenigen bestraft, die nicht an ihn glauben. Es gibt also vier Möglichkeiten:
- Gott existiert nicht, und ich glaube nicht an Gott (neutral)
- Gott existiert nicht, und ich glaube an Gott (neutral)
- Gott existiert, und ich glaube nicht an Gott (Bestrafung)
- Gott existiert, und ich glaube an Gott (Belohnung)
Die pascalsche Wette wendet darauf die Regeln der Spieltheorie an und schlussfolgert, dass es – unabhängig davon, ob man die Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes mit 0,1 % oder 99,9 % einschätzt – taktisch klüger ist, an Gott zu glauben (neutral oder Belohnung), als nicht an Gott zu glauben (neutral oder Bestrafung).
Gegen diese Argumentation Pascals werden jedoch vielfach Einwände erhoben. Erstens nimmt Pascal implizit an, dass der Glaubende die richtige aus der Vielzahl der angebotenen Religionen auswählt, seiner Meinung nach die christliche. Zweitens wird vorausgesetzt, dass zum Glauben ein bloßer Entschluss ausreiche, was aus theologischen wie psychologischen Gründen vielfach bezweifelt oder verneint wird (z. B. von Augustinus oder Luther, die den Glauben als Gnade Gottes betrachten). Drittens scheint die Annahme problematisch, dass das Heil des Gläubigen allein vom Glauben und nicht (auch) z. B. von seinen Taten, seinem Vertrauen und seiner Liebe zu Gott oder anderen Faktoren abhänge. Damit bräche die Argumentation sofort zusammen, falls Gott zum Beispiel einen aufrechten Atheisten oder Agnostiker gegenüber einem opportunistischen glaubenden Theisten, der sich seinen Vorteil buchstäblich ausgerechnet hat, bevorzugt.
Zitate
- Nach einer Legende wurde der Mathematiker Leonhard Euler von der Russischen Zarin Katharina der Großen zu einer Diskussion mit dem Philosophen Diderot nach St. Petersburg eingeladen. Euler sollte dort einen mathematischen Beweis für die Existenz Gottes liefern. Als der Disput beginnen sollte, stand Euler auf und sagte: „Mein Herr, , also existiert Gott. Antworten Sie mir!“ Diderot, der von Mathematik keine Ahnung hatte, musste sich geschlagen geben.
- „Das Dasein eines, der da ist, zu beweisen, ist das unverschämteste Attentat, da es ein Versuch ist, ihn lächerlich zu machen.“ Søren Kierkegaard
- „Ein bewiesener Gott ist Welt, und ein Gott der Welt ist ein Götze.“ W. Hermann, protestantischer Theologe
- „Wer mit Gottesbeweisen etwas über Gottes Wirklichkeit auszusagen meint, disputiert über ein Phantom.“ Rudolf Bultmann, protestantischer Theologe
- „Wenn Gott existiert, ist der Mensch ein Sklave; der Mensch kann und soll aber frei sein: Folglich existiert Gott nicht.“ -- Michail A. Bakunin, "Gott und der Staat" (1871)
- Paulus, Römerbrief 1,19ff:
- Was Menschen über Gott wissen können, ist ihnen bekannt. Gott selbst hat es ihnen bekannt gemacht. Zwar kann niemand Gott sehen; aber er zeigt sich den Menschen in seinen Werken. Weil er die Welt erschaffen hat, können sie seine ewige Macht und sein göttliches Wesen mit ihrem Verstand erkennen. Sie haben also keine Entschuldigung. Aber obwohl sie Gott kannten, gaben sie ihm nicht die Ehre, die ihm zusteht, und dankten ihm nicht. So kam es, dass ihre Gedanken in die Irre gingen, und in ihren unverständigen Herzen wurde es finster. Sie bildeten sich etwas auf ihre Klugheit ein, aber in Wirklichkeit wurden sie zu Narren.
- Albert Einstein sagte 1929 in einem Interview:
- Wir befinden uns in der Lage eines kleinen Kindes, das in eine riesige Bibliothek eintritt, die mit vielen Büchern in verschiedenen Sprachen angefüllt ist. Das Kind weiß, dass jemand die Bücher geschrieben hat. Es weiß aber nicht, wie das geschah. Es versteht die Sprachen nicht, in der sie geschrieben wurden. Das Kind erahnt dunkel eine mysteriöse Ordnung in der Zusammenstellung der Bücher, weiß aber nicht, was es ist. Das ist nach meiner Meinung die Einstellung auch des intelligentesten Menschen gegenüber Gott. Wir sehen ein Universum, das wunderbar zusammengesetzt ist und bestimmten Gesetzen gehorcht, aber diese Gesetze verstehen wir nur andeutungsweise. Unser begrenzter Verstand kann die mysteriösen Kräfte, welche die Konstellationen bewegen, nicht fassen.
(Zitiert nach D. Brian: Einstein – a life, Wiley 1996, S.186)
- "Der Gott, an dessen Existenz keiner mehr glaubte, den keiner mehr verehrte, würde aufhören zu existieren.“ Bernd Loppow
- "Man kann auch dann glauben, wenn man nichts weiß, aber man kann nichts wissen, wenn man nichts glaubt. Daher muß man etwas glauben, und dieses etwas, das man glaubt, ist die Handreichung Gottes" Robert Bauer
Literatur
- Brugger, Walter: Philosophisches Wörterbuch, 21. Auflage, Freiburg 1992. ISBN 3-451-20410-X
- Brugger, Walter: Summe einer philosophischen Gotteslehre, München 1979. ISBN 3-87056-022-3
- Cramer, Wolfgang: Gottesbeweise und ihre Kritik – Prüfung ihrer Beweiskraft, Frankfurt am Main 1967. ISBN 3-465-00070-6
- Kälin, Bernhard: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee, Sarnen 1957
- Kenny, Anthony: The Five Ways – St. Thomas Aquinas’ Proofs of God’s Existence, London 2004. ISBN 0-415-31845-9
- Lehmen, Alfons: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, Freiburg im Breisgau 1923
- Schmidt, Josef: Philosophische Theologie; Stuttgart 2003
- Seidl, Hans (Hrsg. und Übersetzer): Die Gottesbeweise in der „Summe gegen die Heiden" und der „Summe der Theologie", zweite Auflage, Hamburg 1986.ISBN 3-7873-1192-0
- Thomas von Aquin: Summe der Theologie, deutsch-lateinische Ausgabe, hrsg. vom kath. Akademikerverband, Salzburg 1934
- Thomas von Aquin: Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles) Lateinisch – Deutsch, hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann, Sonderausgabe, Darmstadt 2001. ISBN 3-534-00378-0
- Vries, Josef de: Denken und Sein, Ein Aufbau der Erkenntnistheorie, Freiburg 1937
- John Leslie Mackie: Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes. (1985) Reclam
Weblinks
- Aus der Homepage eines religionskritischen Privatgelehrten: "Logische Kritik an der Beweisbarkeit Gottes"
- Aus der Homepage der katholischen Jugend im Bistum Münster: "Grundlegende Einordnung der Gottesbeweise im Vergleich zum modernen (naturwissenschaftlichen) Begriff vom Beweis"
- Aus der Homepage der protestantischen Organisation "www.apologetics.com": "The Cosmological Argument: A Current Bibliographical Appraisal" (englisch)
- Ein nach eigener Aussage kritisch rational denkender Mensch fragt sich, an welchen Gott er heute noch glauben kann
- Bertrand Russells berühmter Text: "Why I am not a christian" von 1927, in dem er bekannte Gottesbeweise einer logischen Kritik unterzieht
- Robert Spaemann: Warum wir, wenn es Gott nicht gibt, überhaupt nichts denken können.