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Sikhismus

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Die Sikh-Religion (im Panjabi Sikhi genannt, im Deutschen auch bekannt als Sikhismus) verkörpert eine einheitsstiftende sowie die Pluralität wahrende Lebensauffassung mit Gottbewusstsein.

Sikhi ist ein monotheistischer Lebensweg, der seinen Ursprung im Panjab hat. Der Begründer Guru Nanak und seine neun Nachfolger betonen die Einheit des Menschengeschlechts. Sie sahen sich zu keiner der damals dominierenden Religionen zugehörig. Sikhi ist dem Selbstverständnis ihrer Gründer und Anhänger nach weder eine hinduistische Abspaltung bzw. Reformbewegung noch ein Synkretismus aus Hinduismus und Islam, sondern ein religionsübergreifender Lebensweg, der sich nicht an dogmatischen Grenzen orientiert.

Verbreitung

Es gibt weltweit derzeit etwa über 20 Millionen Anhänger. Sikhs kommen aus den unterschiedlichsten nationalen und kulturellen Hintergründen. Die Mehrheit der Sikhs lebt nach wie vor in der Ursprungsregion im indischen Bundesstaat Punjab. In Großbritannien und in Nordamerika leben über 1 Million Sikhs; in Deutschland mehrere Tausend. In der Bundesrepublik haben sich Sikhs vor allem in Frankfurt, Köln und Stuttgart niedergelassen.

Lehre

Die Lehren der Gurus zeigen, wie andere Lehren auch, auf welche Weise der Mensch im Einklang mit der Schöpfung leben kann. Dabei steht die Verinnerlichung der Tugenden des Schöpfers (ohne Dualität, furchtlos, feindlos, kreativ etc.) im Mittelpunkt. Die Gründer betonen in ihren Lehren folgende Grundhaltungen:

  • Gotteshingabe durch Dienst an Mitmenschen
  • Wichtigkeit von Weisheit, offener Diskussion sowie kritischer Reflexion
  • Gleichberechtigung von Frau und Mann
  • Harmonie von Wissen und Religion
  • Ablehnung sozial konstruierter Vorurteile (wie Rassismus oder Ethnozentrismus)
  • Konzentration auf innere und äußere Stimmigkeit
  • Gotterfüllte Gedanken, Taten und Worte

Die Gurus wenden sich mit ihrer Botschaft nicht an bestimmte Menschen oder eine spezifische Region. Sie sprechen in ihren Versen vielmehr über eine grundsätzliche menschliche Haltung dem Leben gegenüber, die durchdrungen ist von Nächstenliebe, Hingabe und Aufrichtigkeit. Die Lehren legen daher großen Wert auf gegenseitigen Respekt. Im Abschlussgebet der Sikhs wird für das Wohl der gesamten Schöpfung gebetet. Dieser Gedanke drückt sich auch in den Gebetsstätten (Gurdwara) der Sikhs aus: Jeder Mensch, ungeachtet seiner Herkunft und Religion ist eingeladen, der Gemeinschaft beizuwohnen.

Guru Granth Sahib

Sikhs, Menschen, die ihr Leben gemäss den Einsichten der Gurus ausrichten, sind bestrebt, den Willen Gottes - demnach auch seine Naturgesetze - zu respektieren. Sikhs finden göttliche Inspiration im Guru Granth Sahib. Dieses Werk setzt sich aus schriftlichen Niederlegungen der Gurus zusammen. Guru Nanak und seine Nachfolger schrieben in einer poetischen und bildlichen Sprache zahlreiche Verse (Gurbani). Diese wurden von Guru Arjan, dem 5. Guru, zusammen getragen und in dem Werk Granth Sahib vereint. Die Schriften der Gurus sowie anderer Heiliger erhielten von Anfang an Guru-Status (inspirierende Autorität). Einzigartig an dieser Komposition, die auf musikalischen Melodiefolgen (Rag) beruht, ist die Einbeziehung verschiedener Sprachen sowie Verse nordindischer Heiliger unterschiedlichster Glaubensrichtungen wie Sheikh Farid, Pipa, Namdew oder Kabir. Die Verwendung verschiedener Sprachen, Rags sowie Verse Heiliger unterschiedlichster Herkunft sollen den universalen Charakter des "Sikh way of life" betonen.

Geschichte

Der Begründer Guru Nanak wurde 1469 in Talwandi (heute Pakistan) geboren. Guru Nanak betont in seinen Schriften, dass er sich selbst zu keiner der damaligen religiösen Bewegung zugehörig fühlt (Hindus, Muslime, Sufis, Yogis etc.). Guru Nanak sagt in seinen Schriften, dass er schlichtweg ein Schüler und Diener des einen Schöpfers sei. Guru Nanak folgten neue Lehrer, die jeweils ihren spezifischen Beitrag zur Entwicklung der Sikhi leisteten. Der letzte Guru gründete die Bruderschaft der Khalsa. Jeder getaufte Sikh ist Teil dieser Gemeinschaft, die sich für das Wohl von Menschen einsetzt. Die Taufe basiert auf Freiwilligkeit, jeder Erwachsene kann sich dafür entscheiden. Männer erhalten dabei den Namen Singh (Löwe), Mädchen den Namen Kaur (Prinzessin).

Die 10 Gurus wirkten im Zeitraum von 1469 bis 1708. Sie waren im Einzelnen:

  1. Guru Nanak 1469 - 1539
  2. Guru Angad 1494 - 1552
  3. Guru Amar Das 1479 - 1574
  4. Guru Ram Das 1534 - 1581
  5. Guru Arjan Singh 1563 - 1606
  6. Guru Har Gobind 1595 - 1644
  7. Guru Har Rai 1630 - 1661
  8. Guru Har Krishan 1656 - 1664
  9. Guru Teg Bahadur 1621 - 1675
  10. Guru Gobind Singh 1666 - 1708

Gurdwara (Schule der Weisheit)

Sikhs beten gemeinschaftlich in einem Gurdwara. In einem Gurdwara wird ein Exemplar des Guru Granth Sahib aufbewahrt. Es finden Rezitationen - Kirtan - und Gebetserläuterungen statt. Das Verständnis der Schrift steht dabei im Mittelpunkt. Jeder Gurdwara bietet freie Speisen für die Besucher an. Der Sikhismus kennt der Idee nach keine Priester, jede Frau/jeder Mann darf aus dem Guru Granth Sahib rezitieren.

Interreligiöser Dialog

Der Guru Granth Sahib betont, dass Spiritualität auf Weisheit und gelebter Erfahrung basiert und nicht auf abstraktem Glaube. Die Lehren des Guru Granth Sahib richten sich daher an jeden Menschen, ungeachtet der Religion oder sozialen Herkunft.

Verbreitete Fehlinformationen

Der Sikhismus wird oft verfälscht dargestellt, da viele Autoren (Sikhs sowie Nicht-Sikhs) sich hauptsächlich auf Sekundärliteratur oder auf historisch zweifelhaften Quellen berufen. Nur wenige Bücher und Webseiten beruhen auf den Schriften der Gurus selber (Guru Granth Sahib). Dies liegt nicht zuletzt an der Sprachbarriere. Oft werden bereits verfälschte Informationen und fehlerhafte englische Übersetzungen des Guru Granth Sahib als Grundlage für Bücher, Webseiten sowie Lexikabeiträge verwendet. Im Folgenden sind einige Beispiele zusammen gestellt:

  • Guru Nanak und seine Nachfolger wären Anhänger der Bakhti-Bewegung gewesen: Die Gurus selber sahen sich zu keiner der damaligen religiösen Bewegungen zugehörig.
  • Der "Goldene Tempel" (Bezeichnung die von den britischen Kolonisatoren geprägt wurde, der korrekte Name lautet Darbar Sahib) in Amritsar sei ein besonders heiliger Ort: Die Gurus lehren, dass jeder Platz des Universums gleichermaßen heilig ist, da alles von Gott mit der selben Liebe erschaffen wurde.
  • Gebetsstätten der Sikhs würden Tempel heißen: Gebetsstätten der Sikhs heißen Gurdwara (Ort, wo man lernt, wie man ein gotterfülltes Leben führen kann).

Literatur

  • J. S. Grewal: The Sikhs of the Punjab., 1999. New Delhi: Cambridge University Press.
  • Max Arthur Macauliffe: The Sikh Religion (3 Volume Set): Its Guru Sacred Writings and Authors, 1996, ISBN 8186142312