Harmonium
Das Harmonium ist ein Tasteninstrument, bei dem der Ton durch verschieden lange Metallzungen erzeugt wird, die von Luft umströmt in Schwingung versetzt werden. Damit gehört das Harmonium zu den Aerophonen. Ein ähnliches System der Tonerzeugung hat z.B. das Akkordeon oder die Mundharmonika.
Im Gegensatz zur größeren Verwandten, der Orgel, hat ein Harmonium ein größeres Frequenzspektrum (d.h. mehr Obertöne), wodurch ein weniger reiner, aber dadurch auch weicherer, angenehmerer Klang entsteht.

Aufbau und Technik
Das Harmonium besteht aus folgenden Hauptbestandteilen: Dem Umbau, darunter wird das Gehäuse verstanden, dem inneren Mechanismus und dem Gebläse.
Grob lassen sich zwei Systeme beim Harmonium unterscheiden: das französische System (Druckwindsystem) und das amerikanische System (Saugwindsystem).
Bei beiden Systemen wird das Gebläse mit den Füßen durch wiederholtes Niedertreten zweier nebeneinander liegender Schemel betätigt.
Beim französischenen System betätigen die Schemel Blasebälge, die Schöpfbälge, die direkt oder über den Kanal einen Druckspeicher, das Windmagazin aufpumpen. Beim französischen System befinden sich die Schöpfbälge direkt unter dem Schemelbrett. Das Windmagazin (Magazinbalg) steht mit der Windlade, einem luftdichten Holzkasten, in Verbindung, deren oberer Deckel das Zungenbrett bildet, an dessen Löchern die Zungen liegen. Die Spielventile oder Tonventile verschließen die Löcher im Zungenbrett und stehen mit den Tasten des Manuals in mechanischer Verbindung, mit denen sie geöffnet werden können. Durch den in der Windlade entstandenen Überdruck strömt die Luft nach außen, muss dabei an den Zungen vorbei und versetzt diese in Schwingung, was den Ton erzeugt. Der Magazinbalg kann durch ein Register (Expression) abgeschaltet werden, sodaß der Spieler über die Schöpfbälge die Lautstärke des Tones (crescendo / decrescendo) direkt beeinflussen kann.
Das amerikanische System funktioniert exakt andersherum: mit Hilfe der Schöpfbälge wird Luft aus dem Windmagazin und der Windlade herausgepumpt, also ein Unterdruck erzeugt. Öffnet man jetzt ein Tonventil, strömt Luft ein und versetzt die Zungen wiederum in Schwingung.
Pro Tonhöhe können eine oder mehrere Zungen vorhanden sein (je nach Anzahl der möglichen Klangfarben --> Register (Musik)).
Sowohl beim französischen als auch beim amerikanischen System sind die Zungen freischwingend in einem Metallrahmen befestigt. Beim amerikanischen System kann sich Staub an den Zungen absetzen, deshalb kann man die Zungen nach Öffnen des Umbaus mit einem Haken einzeln ziehen und reinigen.
Weltweit und anzahlmäßig durchgesetzt hat sich nur das einfacher zu produzierende amerikanische System, dessen Name aber nicht irreführen darf: auch in Deutschland waren die meisten seit Ende des 19. Jahrhunderts angefertigten Harmonien Saugwind-Instrumente. Druckwindsysteme wurden in Deutschland und Frankreich vor allem bei sogenannten Kunstharmonien für gehobene künstlerische Ansprüche verwendet. Auch das (nachfolgend erwähnte) Perkussionsregister wurde in der Regel nur bei Druckwindharmonien gebaut.
Im englischen Sprachgebrauch heißt das Saugwind-Harmonium (also das Harmonium des "amerikanischen Systems") für gewöhnlich "reed organ" (auch "pump organ" oder "parlor organ"), während sich der Name "harmonium" im Englischen normalerweise speziell auf (die im englischsprachigen Bereich sehr seltenen) Druckwind-Harmonien bezieht.
Geschichte
Die Erfindung des Harmoniums (bzw. engstens verwandter Vorläufer) geht bis in das frühe 19. Jahrhundert zurück, namhafte Orgelbauer wie Cavaillé-Coll waren beteiligt, der die neuentwickelten Methoden der Klangerzeugung teilweise auch in seinen romantischen Orgeln einsetzte (Hochdruckregister).
Eine Blüte erlebte das Instrument gegen Ende des 19. und beginn des 20. Jahrhundert, als es als "Heimorgel-Ersatz", Ersatz für Pfeifenorgeln in kleineren Kirchen, aber auch als veritables Konzertinstrument entdeckt wurde. Vor allem in religiösen Versammlungen spielte es eine Rolle (beispielsweise im Pietismus), weil es dem Klang er Orgel nahe kam, aber billiger war und auch in kleineren Räumen aufgestellt werden konnte. In manchen pietistischen Gruppierungen ist der vom Harmonium begleitete Gesang religiöser Lieder geradezu zu einem Charakteristikum geworden.
Mit dem Aufkommen elektronischer Klangerzeugung und spätestens seit der Verbreitung der elektronischen Orgeln ist das Harmonium aus dem Musikleben faktisch verdrängt. Ein Grund war sicherlich das relativ laute Geräusch, das durch das Treten des Gebläses erzeugt wird, ein anderer, dass sehr schnelle Passagen mit dem Harmonium nur gespielt werden können, wenn es ein Perkussionsregister besitzt, das mit kleinen Hämmerchen, die auf die Zungen schlagen, diese präzise zum Erklingen bringt. Andernfalls brauchen die Zungen nach dem Tastendruck relativ lange um einzuschwingen. Das Harmonium erlebt aber derzeit (2004) zumindest in Fachkreisen eine gewisse Renaissance.
Das Harmonium in Indien
Das Harmonium, ursprünglich als mobiler Orgelersatz von christlichen Missionaren nach Indien gebracht, ist aus der indischen Musik heute nicht mehr wegzudenken. Seine einfache Handhabung hat es nicht nur zu einem populären Instrument in der volkstümlichen und religiösen Musik Indiens gemacht, sondern ihm auch einen festen Platz als Begleitinstrument in der klassischen nordindischen Ragamusik verschafft. Bau und Funktion: Das Harmonium ist im Prinzip ein abgeschlossener Holzkasten, in den mit einem kleinen Handblasebalg Luft hineingeblasen wird. Mittels einer Tastatur lassen sich Löcher in diesem druckluftgefüllten Kasten öffnen, durch die die Luft ausströmen kann. Dabei versetzt sie ein in die Öffnung eingesetztes Metallplättchen (die sog. Zungenpfeife) in Schwingung - der gleiche Mechanismus der Tonerzeugung wie beim Akkordeon.
Weblinks
- Ulrich Averesch: Das Grundwissen zum Harmonium (PDF-Datei, 546 KB):
http://www.harmoniumservice.de/downloads/Einfharm.PDF
- Arbeitskreis Harmonium der Gesellschaft der Orgelfreunde: http://www.gdo.de/harmonium/
- Homepage der amerikanischen "reed organ society": http://www.reedsoc.org/
- http://www.harmoniummuseum.ch/