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Kosaken

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Kosaken waren ursprünglich entflohene, leibeigene russische und ukrainische Bauern und desertierte Tataren, die seit dem 15. Jahrhundert in der südrussischen Steppe eigene Siedlungen und Gemeinschaften gründeten und zu Wehrbauern wurden, die sich gegen die häufigen Überfälle asiatischer Reiternomaden verteidigen mussten. Bis in das 18. Jahrhundert waren sie vom russischen Zarenreich teilweise unabhängig. Dann wurden sie nach und nach zunächst als freie Reiterverbände in die russische Armee eingegliedert. Hauptsiedlungsgebiete der Kosaken waren der Ural, das Don- und das Dnipro-Gebiet. Traditionell sind die Kosaken hierarchisch unter Atamanen oder Hetmanen organisiert. Ural- und Orenburger Kosaken waren maßgeblich an der Kolonisierung Sibiriens beteiligt. Die Bezeichnung Kosake leitet sich von dem tatarischen Kazak ab, was "freier Krieger" oder "Bandit" bedeutet.

Die Saporoher Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief. (Gemälde von Ilja Repin, 1880)
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Kosaken Mitte des 19.Jhdt
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Orenburger Kosaken
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Orenburger Kosak
Kosakenfrau aus der Region Orenburg in Tracht um 1870


Entstehung des ukrainischen Kosakentums

Im 16. Jahrhundert war das ukrainische Gebiet aufgeteilt in das polnische und litauische Reich. Von den Resten der goldenen Horde, die zum Niedergang der Kiewer Rus beigetragen hatte, lösten sich die Krimtataren als eigenständiges staatliches Gebilde, das die gesamte Ostukraine beherrschte. Seit 1475 wurde das Gebiet vom osmanischen Reich protegiert, was die Krimtataren enorm stärkte, da die "hohe Pforte" zu dieser Zeit sehr mächtig war. Die Aggression der Krimtataren richtete sich in erster Linie gegen den litauischen Staat, der nur schwache Mittel zum Schutz der Grenzgebiete bereitstellte. Es gab sehr wenige befestigte Punkte und eine wehrlose Grenzadministration. Das Gebiet der Ostukraine war durch die Angriffszüge bald stark entvölkert. Die Bewohner der Grenzgebiete mussten selbst für ihren Schutz sorgen, wehrhafte Bauern waren ein gewohntes Bild um diese Zeit. Dennoch lag östlich und südöstlich der litauischen Vorposten Kaniw und Tscherkassy nur noch die unbewohnte, aber fruchtbare, fisch- und wildreiche ukrainische Steppe.

Diese Situation zog mutige und entschlossene Menschen an. Um den Tatarenangriffen begegnen zu können, schloss man sich zu bewaffneten Gruppen (Watagen) zusammen, die die frostfreie Jahreszeit an den Ufern der Dnipro-Nebenflüsse mit Jagd und Fischerei verbrachten, ihre Ausbeute dann beispielsweise in Kiew verkauften und schließlich in den befestigten Siedlungen wie Kaniw oder Tscherkassy überwinterten. Dieses Leben machte aus den Männern erfahrene Krieger, deren Zahl bis Ende des 15. Jahrhunderts stark angewachsen war. Sie erhielten den Namen "Kosaken".

Bis ins 16. Jahrhundert bildeten die Kosaken keine spezielle soziale Schicht, sie definierten sich vielmehr durch ihre Tätigkeit; sowohl Adlige als auch Bauern und Bürger waren Kosaken. Schon bald wurden einige von ihnen in den Dienst der litauischen Grenzverwaltung gestellt, diese setzte sie für kleinere Feldzüge und zum Schutz der Grenzbezirke ein. Bekannt wurde zum Beispiel der Starost von Tscherkassy, Ostap Daschkewytsch, der durch seine enge Zusammenarbeit mit den Kosaken mehrmals bis zur Krim vordringen konnte und auch 1532 einer Belagerung seiner Stadt standhalten konnte.

Die Saporoher Kosaken und die Sitsch

In den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts baute der mit den Kosaken eng verbündete Fürst Dmytro Wyschneweckyj eine erste Festung auf der Dnipro-Insel Chortyca, um einen Stützpunkt im Kampf gegen die Tataren zu haben. Dabei wurde er sowohl von der litauischen als auch von der Moskauer Obrigkeit unterstützt. Diese Festung diente den Kosaken von dieser Zeit an als Vorbild für die Saporoher Sitsch und weitere Festungsanlagen. Diese Festungen bildeten einen Wendepunkt im Bewusstsein der Kosaken, da sie jetzt einen von der Verwaltung unabhängigen Mittelpunkt hatten. Hier entstand das Bild der rauhen, trinkfesten Männergesellschaft, dem sowohl mönchische (weil ohne Eheleben) als auch ritterliche Züge angedichtet wurden. In der Tat errangen die Kosaken jetzt eine gewisse Unabhängigkeit von der polnisch-litauischen Regierung, was von dieser den Türken und Tataren gegenüber auch bestätigt wurde, wenn von jener Seite Klagen über die Angriffe kamen. Gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Kosakentum organisiert und in seiner Stellung gefestigt. Versuche des polnischen Königs Stephan Báthory und des litauischen Königs Sigismund August II., die Kosaken in ihren Dienst zu nehmen, waren nur vorübergehend und eingeschränkt erfolgreich. Die Kosaken bildeten zu dieser Zeit einen eigenen Stand mit unabhängiger Rechtsprechung und Obrigkeit. Ökonomisch blieben sie jedoch sowohl vom polnischen als auch vom russischen Staat abhängig. Die Kosaken erhielten für ihre Dienste als Verteidiger der russischen südwestlichen, bzw. der polnischen südöstlichen Grenze Lebensmittel und Geld, auf das sie angewiesen waren. Diese ökonomische Abhängigkeit einerseits und die politische Unabhängigkeit andererseits führten nicht selten zu Auseinandersetzungen mit den sich festigenden Staaten Rußland und Polen-Litauen um Herrschaftsrechte- und Pflichten. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war es dem polnischen Staat gelungen, große Teile der Oberschicht der Kosaken in den polnischen Adel, die Szljachta zu integrieren. So kam es zu inneren sozialen Auseinandersetzungen. Die einfachen Kosaken sahen sich mehr und mehr in ihren Rechten beschnitten. Sie waren meist Wehrbauern und gelangten in eine immer tiefere Abhängigkeit von polnischen Großgrundbesitzern. Hinzu kam, daß der polnische Staat Versuche unternahm, die orthodoxen Kosaken zum katholischen Glauben zu bekehren. Die Gegensätze polnisch-Kosakisch, orthodox-katholisch, Großgrundbesitzer-einfacher Bauer wurden bestimmend für die Herausbildung des Mythos um die Kosaken.

Im Jahre 1648 setzte sich der Hetman der Saporoher Kosaken, Bogdan Chmelnizki (ukrainisch: Chmelnyzkyj), an die Spitze eines großen Kosakenaufstandes gegen die polnische Herrschaft. Seine Gefolgsmänner plünderten weite Teile des polnisch-litauischen Reiches, wobei es unter Beteiligung der dortigen christlichen Bevölkerung zu schweren Ausschreitungen gegen die jüdische Minderheit kam. Den Juden wurde unterstellt, sie stünden unter dem besonderen Schutz des polnischen Königs. Diese Pogrome kosteten möglicherweise bis zu hunderttausend Juden das Leben. Chmelnicki wird auch heute noch in der Ukraine als eine Art Nationalheld betrachtet. Er gründete einen Kosakenstaat, der jedoch um seine Unabhängigkit zu schützen sich bereits 1654 im Eid von Perejaslv Russland unterstellte.

Lange Zeit mussten die Kosaken für den Zaren als leichte Reiterei in den Krieg ziehen, und ihr Können wurde v.a. durch ihr Auftreten in den Napoleonischen Kriegen legendär. Sie gehörten zu den letzten Reitern Europas, die den schwierigen Kampf mit der Lanze noch perfekt beherrschten. Manchmal kämpften sie aber auch abgesessen mit Feuerwaffen.

Nebenartikel: Hetmanat

Kosaken in der Sowjetzeit

Kurz vor der Revolution gab es etwa 4,5 Millionen Kosaken. Unter Stalin wurde die Mehrheit der Kosaken kollektiv als Anti-Bolschewisten verfolgt. Es gab aber auch Kosaken auf Seiten der Bolschewiken, einer ihrer berühmtesten Vertreter war Semjon Budjonny. Der Roman "Der stille Don" von Michail Scholochow beschreibt die Haltung der Kosaken während der Revolution eindringlich. Es hat viele Kosaken gegeben, die öfter die Seiten gewechselt haben.

Kosaken im Zweiten Weltkrieg

Wie während der Revolution fanden sich die Kosaken während des Kriegs auf beiden Seiten wieder, wobei ein großer Teil aufgrund ihrer antibolschewistischen Einstellung offene Sympathien für das nationalsozialistische Deutschland hegte, welches sie als Bollwerk gegen Stalin betrachteten. So beglückwünschte der Kosakenführer Iwan Poltawez-Ostrjanyzja Hitler bereits 1933 zu seiner Kanzlerschaft. Im Vorrücken der Deutschen Wehrmacht glaubte man eine Möglichkeit zu erkennen, alte Rechte und Privilegien wieder zu erhalten bzw. ihre orthodoxe Religion wieder offen zelebrieren zu können. Deshalb boten sie Hitler ihre Dienste an. Dieser schlug zunächst das Angebot aus, betrachtete er sie doch als Untermenschen. Es gab deshalb Bemühungen, ihre Volkszugehörigkeit nicht den Slawen sondern den Ariern zuzurechen. So erklärte Poltawez-Ostrjanyzja die Kosaken seien Nachfahren der Goten. Erst nach der Niederlage in Stalingrad wurden etwa 20.000 Kosaken (laut feldgrau.com sollen es sogar 250.000 gewesen sein) der SS unterstellt. Während das XV. Kosaken-Kavallerie-Korps unter dem General der Wehrmacht Helmuth von Pannwitz in Jugoslawien zur Partisanenbekämpfung eingesetzt wurden, betrachtete der von den Generälen Domanow und Krasnow geführte Kosaken-Stan ihr Einsatzgebiet, die italienische Karnien, als ihr neues Kosakia. Durch den Rückzug der Deutschen Wehrmacht brach diese Idee zusammen. Um nicht in die Gefangenschaft der Partisanen zu gelangen, flüchtete der Kosaken-Stan nach Norden, in das Gebiet von Oberkärtnen und Osttirol.

"Lienzer Kosaken"

Die bevorstehende Niederlage Deutschlands brachte sie in arge Bedrängnis. Stalin betrachtete sie als Verräter und bedrohte sie mit dem Tod. Um nicht in Gefangenschaft der Roten Armee bzw. der Titoarmee zu gelangen, flüchtete der Kosaken-Stan Anfang Mai 1945 über den Plöckenpass in das Gebiet von Oberkärtnen und Osttirol. In Lienz wurde das Hauptquartier aufgeschlagen, in den Wiesen und Wäldern rund um die Dolomitenstadt lagerten ca. 25.000 Männer, Frauen und Kinder. Dazu kamen etwa 5.000 Pferde die innerhalb kurzer Zeit die Wiesen kahl fraßen. Dies erklärt die zurückhaltende und angsterfüllte Kontaktaufnahme durch die Einheimischen, die sich durch die Anwesenheit der Kosaken oft bedroht fühlten. Entgegen anderer Zusage verfrachteten die Briten, nachdem ihre Offiziere bereits einige Tage zuvor durch eine fingierte Konferenz in Spittal an der Drau vom übrigen Stan getrennt wurden, die in Osttirol und Oberkärtnen verbliebenen Kosaken und Kaukasier in Eisenbahnwaggons. Man berief sich auf den Jaltakonferenz in der u.a. die Rückführung alliierter Kriegsgefangener geregelt wurde. Die britische Regierung befürchtete, dass Stalin die in Ostpreußen befreiten britischen Krigensgefangenen als Faustpfand zurückbehalten könnte, wenn ihm nicht die Kosakeneinheiten übergeben würden.

In den Lagern um Lienz und Oberdrauburg spielten sich im Zuge der Auslieferung erschütternde Szenen ab: Mütter sprangen mit ihren Kindern in selbstmörderischer Absicht in die Hochwasser führende Drau, Männer erschossen oder erhängten sich. Die Ereignisse gingen als "Tragödie an der Drau" in die Geschichte ein. Der Großteil der Kosaken und Kaukasier aber wurden in Judenburg den Sowjetischen Truppen übergeben. Viele von ihnen überlebten den Sommer 1945 nicht mehr: einige nahmen sich aus Furcht vor der Verfolgung durch die sowjetischen Organe das Leben bzw. töteten ihre Kinder und Verwandten, andere überlebten die Transporte nicht. Offiziere wurden in der Regel nach kurzen Prozessen hingerichtet.

In Lienz erinnert heute der Kosakenfriedhof an die Geschehnisse. Jährlich finden dort Gedenkfeiern der Überlebenden bzw. deren Nachkommen statt. Der Film James Bond-GoldenEye bezieht sich auf diese Episode am Ende des II. Weltkriegs: Der Gegenspieler von Bond erklärt sich als Sohn eines Lienzer Kosaks (in der deutschsprachigen Version wird fälschlicherweise von "Linzer Kosaken" gesprochen). Erst 2005, 60 Jahre nach den Ereignissen, wurde das Thema im von Mitarbeitern der Innsbrucker Universität (Harald Stadler; Karl C. Berger; Martin Kofler) in einer Ausstellung aufgearbeitet.

Wiedergeburt des Kosakentums

  • 1990 gesamtrussischer Kosakenbund wiedergegründet
  • Heute gibt es circa vier bis fünf Millionen Kosaken

Gruppen von Kosaken

Bekannte Kosakenführer

Kosakentum

  • Shashka = Kosakensäbel
  • Nagaika = geflochtene Peitsche der Kosaken
  • Stanitsa = Kosakensiedlung, aber auch Einheit der Kosaken
  • Kasatschok (auch Cossachok) = Tanz der Kosaken
  • Traditionsuniform = Tracht der Kosaken, entstammt der Tracht der Tscherkessen

Literatur

  • Werner H. Krause: Kosaken und Wehrmacht. Der Freiheitskampf eines Volkes. Stocker, Graz 2003 ISBN 3-7020-1015-7
  • Harald Stadler, Martin Kofler, Karl C. Berger: Flucht in die Hoffnungslosigkeit. Die Kosaken in Osttirol. Studienverlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2005 ISBN: 3-7065-4152-1
  • Stefan Karner: Zur Auslieferung der Kosaken an die Sowjets 1945 in Judenburg, in: Johann Andritsch (Hg.): Judenburg 1945 in Augenzeugenberichten. Judenburger Museumsschriften XII. Judenburg 1994, S. 243-259.