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Ästuar

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Ästuar: die nördliche Amazonasmündung

Ein Ästuar (lat. aestuarium „Bucht, der Flut ausgesetzte Flussmündung“) ist der breite Wasserkörper an der Mündung eines Flusses oder Stroms an einer Senkungsküste.

Gemäß der Leeuwarden Declaration werden die landwärtigen Grenzen der Ästuare in der Deutschen Bucht definiert als die durchschnittliche Grenze von Brackwasser zu Süßwasser und die seewärtigen Grenzen als die durchschnittliche Lage der 10 PSU Isohaline.[1]

An Gezeitenküsten findet man typische trichterförmige Ästuare wie die Unterelbe. Aber auch die Mündungslagunen, die man an Senkungsküsten ohne starken Tidenhub findet, werden als Ästuare bezeichnet, beispielsweise die Unterwarnow. An Hebungsküsten und/oder bei großer Geschiebefracht herrschen dagegen Deltas vor. In der EU-Wasserrahmenrichtlinie wurde neben Fließgewässern, Stillgewässern und Küstengewässern für Ästuare die zusätzliche Kategorie Übergangsgewässer geschaffen. Die Anwendung ist noch in Entwicklung.

Entstehung und Kennzeichen

=== Trichterförmige Ästuare === :-)

Trichterförmige Mündungen von Weser (unterhalb der Bildmitte) und Elbe (rechts der Bildmitte) in die Deutsche Bucht (Nordsee)

Typische Ästuare werden unter dem Einfluss der Gezeitenströme gebildet, wobei die Flussmündung trichterförmig erweitert wird: In diesen tidenbeeinflussten Übergangszonen zwischen marinen und fluvialen Bereichen [1] bewirken die Gezeiten eine Pendelbewegung von oft größerem Volumen als die seewärtige Abflussmenge des Flusswassers. Die mit der Pendelbewegung verbundenen hohen Fließgeschwindigkeiten sorgen dafür, dass die Erosion stärker ist als die Sedimentation. Das schwere Salzwasser dringt bei Flut von der See her keilförmig in den Fluss vor und wird dabei vom Süßwasser des Flusses überlagert. Dabei werden durch den starken Flutstrom das Flussbett und die Ufer erodiert, und es wird viel Material flussaufwärts transportiert.

Dieses Material kann durch den meist schwächeren Ebbestrom nicht wieder abtransportiert werden. Aus diesem Grund kann es am oberen Ende von Ästuaren zur Deltabildung kommen. Ein Rest eines derartigen Deltas ist die Aufzweigung der Elbe in Norderelbe und Süderelbe in Hamburg. Die Seeschifffahrt nutzt Ästuare seit Jahrhunderten als Naturhäfen. Hier lagen die Schiffe geschützt vor Stürmen und Piraten. Vor der Motorisierung ließ man die Fahrzeuge vom Tidenstrom zu den meist am inneren Ende des Trichters gegründeten Hafenstädten treiben, die, mitten im Land gelegen, einen großen Einzugsbereich hatten. Obwohl nicht ganz so unübersichtlich wie Deltas, erfordern auch Ästuare zumeist Lotsen.

Aufgrund der Corioliskraft wird das Meerwasser auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn und auf der Südhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn abgelenkt. Je nach geographischen Gegebenheiten können die Flussufer dadurch jeweils unterschiedlich stark von Erosion und Sedimentation betroffen sein.
Im Amazonas kann man den Flutstrom bis ca. 870 km Entfernung von der Küste nachweisen.

Kennziffern der 4 deutschen Ästuare die in die Deutsche Bucht münden[1]
Eider Elbe Weser Ems
Einzugsgebiet oberhalb des Stauwehrs [10³km²] 2 135 38 13
Mittlere Wasserabflussmenge [m³/s] 23 725 323 125
Mittlerer Tidenhub im Stauwehrbereich [m] 2 2,4 4,1 2,8
Länge des inneren Ästuars [km]
(ohne trichterförmigen Mündungsbereich)
21 120 70 50


Lagunenartige Ästuare

Die Unterwarnow

An Küsten ohne nennenswerten Tidenhub fehlt die Strömungsbeschleunigung durch die Gezeiten. Hier dominiert an Flussmündungen die Verlangsamung der Strömung. Dünen an der Küste bilden ein zusätzliches Strömungshindernis. An Hebungsküsten führt Sedimentation im Staubereich zu einer schnellen Verlandung und damit zur Deltabildung. An Senkungsküsten wird vor allem bei Flüssen mit geringer Geschiebefracht die Sedimentation durch den kontinuierlichen Anstieg des Meeresspiegels wettgemacht. So entstehen mikrotidale Ästuare, nicht trichter-, sondern lagunenförmig wie die Unterwarnow [2] und an der Odermündung das Stettiner Haff [3]. Auch eiszeitlich entstandene Buchten können zum Ästuar werden, wie Traveförde im Mündungsbereich der Trave.

Wasserbeschaffenheit

Ästuare sind wie Deltas gekennzeichnet durch den Übergang des Süßwassers zum Salzwasser (Brackwasser), einer Stoffverfrachtung infolge der Wasserbewegungen und durch einen Wechsel der Tier- und Pflanzenwelt vom Flussbereich zum Meer.

Flüsse mit Ästuaren

Mündungstrichter

Datei:Estuary-mouth.jpg
Beispiel eines Ästuars

Mündungslagune

Übergangsformen

Siehe auch

Quellen

  • Karl-Franz Busch (Hrsg.): BI-Taschenlexikon Wasser. 2. Aufl., VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1988. ISBN 3-323-00202-4

Einzelnachweise

  1. a b c Schuchardt, B., Schirmer, M., Janssen, G., Nehring, S. & Leuchs, H. (1999): Estuaries and brackish waters. In: De Jong, F., Bakker, J.F., van Berkel, C.J.M., Dankers, N.M.J.A., Dahl, K., Gätje, C., Marencic, H. and Potel, P. 1999 Wadden Sea Quality Status Report. Wadden Sea Ecosystem No. 9. Common Wadden Sea Secretariat, Trilateral Monitoring and Assessment Group, Quality Status Report Group. Wilhelmshaven, Germany.
  2. Unterwarnow als Ästuar
  3. Stettiner Haff als Ästuar