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Einkommensteuergesetzbuch

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Das Einkommensteuergesetzbuch, EStGB (umgangssprachlich auch Flat Tax oder Kirchhof-Modell) ist ein von der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch unter der Leitung von Paul Kirchhof entwickelter Vorschlag auf rechtswissenschaftlicher Basis zur Vereinfachung des deutschen Ertragsteuerrechts.

Es wurde 2001 dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags vorgelegt und in der Fachpresse vorgestellt (DStR 2001, S. 913 ff. und DStR 2003, Beiheft 5). Es handelt sich um einen kontrovers diskutierten Vorschlag.


Das Konzept

Eine Einkunftsart

Das Konzept sieht vor, dass nicht mehr wie bisher zwischen 7 Einkunftsarten unterschieden wird, sondern dass alle Einkunftsquellen unabhängig von ihrem Ursprung gleich behandelt werden, gleich ob etwa Gehälter, Zinsen, Mieteinnahmen oder Unternehmensgewinne. Damit entfallen Unterschiede in den Abzugsmöglichkeiten bei unterschiedlichen Steuerobjekten (sog. horizontale und vertikale Verrechnung).

Weitere Steuersubjekte, Gleichheit der Rechtsformen

Das Konzept erweitert den Kreis der Steuersubjekte. Neben natürlichen Personen sind sog. „steuerjuristische Personen“ steuerpflichtig. Damit definiert das EStGB eigene Begriffe, unabhängig vom Zivilrecht und erfasst alle Personengesellschaften und Sondervermögen sowie Kapitalgesellschaften und ersetzt die Körperschaftsteuer gänzlich. Damit entfallen Gestaltungsmöglichkeiten und Unterschiede unter den Rechtsformen von Unternehmen.

Einheitlicher Steuersatz und Progression

Das Konzept sieht einen einheitlichen Steuersatz von 25% vor (auch als Flat Tax bekannt). Es verzichtet aber nicht auf eine Progression. Sie ist natürlichen Personen vorbehalten und findet auf der Ebene der Bemessungsgrundlage statt. In ihrer mathematischen Wirkung ist sie dem Status Quo ähnlich. Das Ehegattensplitting entfällt. Neu ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise, so dass Familien als wirtschaftliche Gemeinschaft behandelt werden kann und ihre Mitglieder Freibeträge zusammenlegen und so ihre gemeinschaftliche Entlastung kumulieren können. Dies führt zu einer flachen Progression:

Von den Einkünften natürlicher Personen wird ein Grundfreibetrag von 8.000 Euro und ein Sozialausgleichsbetrag abgezogen. Natürliche Personen können von ihren Erwerbserlösen eine Vereinfachungspauschale von bis zu 2.000 Euro abziehen.
Beispiel:
Für einen ledigen Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttoverdienst von 20.000 Euro wird die Steuer nach Kirchhof wie folgt berechnet:

Erwerbseinnahmen (Bruttolohn) 20000,00
./. Beiträge zur gesetzlichen RV 1950,00
./. Vereinfachungspauschale 2000,00
= Einkünfte 16050,00
./. Grundfreibetrag 8000,00
bleiben Einkünfte 8050,00
./.Sozialausgleichsbetrag I = 2000 (40 % von höchstens 5000) 5000,00 2000,00
bleiben Einkünfte 3050,00
./.Sozialausgleichsbetrag II = 1000 (20 % davon) 610,00 610,00
= zu versteuerndes Einkommen 5440,00
davon 25 % Steuer 1360,00

Kongruenz von Bilanzen

Unternehmen, die bilanzieren müssen, können ihre Handelsbilanz in direkterem Umfang als Steuerbilanz zu Grunde legen. Die Steuerbilanz zeichnet sich vor Allem dadurch aus, dass sie stille Reserven weitgehend verhindert und damit auch die Probleme vermeidet, die bisher bei deren Aufdeckung entstanden sind.

Abbau von Steuervergünstigungen

Zur Gegenfinanzierung sollen sämtliche Steuervergünstigungen abgeschafft werden, wie etwa die Eigenheimzulage.

Konsequenzen

Das Steuerrecht würde transparent werden.

Für die Politik entfiele die Möglichkeit, über das Steuerrecht Subventionen zu gewähren, und damit auch eine Möglichkeit, die Steuerzahler bei finanziellen Entscheidungen zu beeinflussen. Dies ist zugleich demokratischer und eine Stärkung des Budgetrechts des Parlaments, da der Bundestag im Status Quo keine Subventionsvolumen durch Gestaltungsinanspruchnahme planen kann. Ohne Planung und Steuerung ist aber der Sinn von Subventionen als makroökonomisches Instrument in Frage gestellt.

Beispiel: Das Steuerrecht wurde in der Vergangenheit als Mittel eingesetzt, wirtschaftlich Entwicklungen anzuregen und zu verstärken, z.B. beim Wohnungsbau, Denkmalschutz, Förderung veralteter Industriezweige, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Familienförderung usw. Fällt diese Steuerungsmöglichkeit weg, muss sie durch direkte, gezielte, neue Förderungen ersetzt werden.

Politische Meinungen

Kritiker meinen, das Modell sei nicht finanzierbar und sozial unausgewogen. Insbesondere Finanzminister der Länder stellen sich auf diesen Standpunkt. Kirchhof geht davon aus, dass die Reform aufkommensneutral ist. Auch die soziale Unausgewogenheit wird von ihm bestritten, vor Allem Familien würden entlastet werden.

Bislang hat sich Erwin Teufel, als damaliger Baden-Württembergischer Ministerpräsident, hinter dieses Konzept gestellt. Das Steuerkonzept, das von Friedrich Merz vorgestellt wurde, basiert teilweise auf den Vorarbeiten der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch.

Michael Glos, stellte sich hinter dieses Konzept. Er sagte: "Die Steuererklärung in zehn Minuten ist möglich, wenn man aufhört, alle komplizierten Wechselfälle des Lebens über das Steuerrecht lösen zu wollen. Besser niedrigere Steuersätze und keine Ausnahmen als weiterhin ein äußerst kompliziertes Steuerrecht, dass nur denen zugute kommt, die über ein hohes Einkommen verfügen und gut beraten sind." (zitiert im Münchner Merkur vom 22. August 2005.)

Dietrich Austermann sagte (zitiert im Münchner Merkur vom 22. August 2005): "Wenn die Union im Herbst mit der FDP verhandelt, werden wir uns wieder stärker in Richtung Kirchhof bewegen." Er sagte, es müsse das Ziel sein, in absehbarer Zeit das Steuersystem zu vereinfachen.

Gerhard Schröder sagte: "Aber so schnell, wie der Bierdeckel von Friedrich Merz verschwunden ist, so schnell sind auch die Pläne von Kirchhof eingesammelt worden. ... Herr Kirchhof wird nicht um die Antwort herumkommen, wie er die Steuerausfälle von 40 Milliarden Euro finanzieren möchte, die sein zutiefst unsoziales Konzept verursachen würde." (Interview im Münchner Merkur am 24. August 2005)

Roland Koch sagte der "Berliner Zeitung" am 25. August 2005: "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass man mit der Flat-Tax soziale Gerechtigkeit herstellen kann. Aber das hätte ich gerne bewiesen."

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