Deutsche Dialekte
Die deutschen Mundarten bilden einen Zweig der westgermanischen Sprachen Europas. Die Mundarten sind ein natürlicher Teil der deutschen Sprache und bildeten einst die Basis zur heutigen Neuhochdeutschen Schriftsprache.
Verbreitung der deutschen Mundarten
Das Verbreitungsgebiet der deutschen Mundarten ist heute überwiegend auf die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Luxemburg, das Siedlungsgebiet der Deutschschweizer, dem dänischen Sönderjylland (Südjütland bzw. Nordschleswig) und auf Liechtenstein verteilt.
Sprachinseln sind in Polen Techechei, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Namibia erhalten geblieben.
Damit ist im groben das heutige Gebiet der deutschen Mundarten umrissen. Sieht man jedoch genauer hin, so entdeckt der aufmerksame Betrachter, dass sich die Sprachgrenzen aus historischen Gründen vielfach nicht mit den Staatsgrenzen decken.
Bereits im Westen beginnen die Abweichungen: gegenüber der belgisch-französischen bzw. der deutsch-französischen Grenze stimmen die Mundartgebiete mit diesen nicht mehr überein: In Belgien wird ein großer Teil des französischen Sprachgebietes eingeschlossen, weil in Flandern das germanische Niederländisch bzw. Flämisch und auf der deutsch-französischen Seite greifen die deutschen Mundarten weit über die heutigen deutschen Staatsgrenzen hinaus.
An den Westgrenzen sind die deutschen Mundarten gegenüber dem Französischen auf dem Rückzug: allein in Elsaß-Lothringen ging das deutsche Sprachgebiet seit 1945 um 30 km² zurück - im alten Deutsch-Lothringen ist es heute fast ausgestorben und im benachbarten Elsass herrscht ein Sprachenstreit, die jüngere Gneration spricht fast nur noch Französisch.
Im Südwesten grenzen die deutschen Mundarten erst an das französischsprachige (Bern, Biel/Bienne und Freiburg), dann an das italienische und schließlich an das rätoromanische Sprachgebiet.
Im Süden greift die Mundartgrenze weit über die Staatsgrenze Österreichs hinaus und umfasst vor allem das südliche Tirol.
Seit 1945 sind im Südosten und Osten die Mundartgrenzen durch die Vertreibungen der Sprachträger mit den Staatsgrenzen deckungsgleich.
Die drei Sprachgebiete bis 1945
Im Zuge der 2. Lautverschiebung zerfallen die deutschen Mundarten in drei in West-Ost-Richtung verlaufende Sprachgebiete. Bis zur Vertreibung der Deutschen im östlichen Sprachgebiet umfasste das deutsche Mundartgebiet folgende Teile:
- Im Norden herrschte das Niederdeutsche. Das Niederdeutsche hatte diese Lautverschiebung der germanischen Sprachen gar nicht oder nur sporadisch mitgemacht und zerfiel zum einen in das Westniederdeutsche und zum anderen in das Ostniederdeutsche Sprachgebiet. Die Südgrenze bildete die sogenannte Uerdinger Linie, die von Uerdingen über Düsseldorf, Siegen, Kassel, Göttingen und Quedlinburg nach Dessau verlief, dann bei Berlin einen nördlichen Bogen schlug (Berlin gehörte damit zum Mitteldeutschen Sprachgebiet) und weiter über Landsberg und Thorn zur Südgrenze Ostpreußens lief. Die Zugehörigkeit der flämisch-holländischen Mundarten zum Niederdeutschen wird heute nur noch formal anerkannt, da diese zur Schriftsprache (Ausbausprache) reiften und sich so aus der deutschen Sprachgemeinschaft ausgeklinkt haben. Aber völlig umstritten ist die Zugehörigkeit des Friesischen zum Niederdeutschen: Sprachhistorisch war es einst Teil des Altniederdeutschen, entwickelte sich aber in der Folgezeit zu einer Nebensprache des Deutschen, die heute mehr Ähnlichkeiten mit dem modernen Englischen als mit dem Hochdeutschen aufweist. Auch hat das Friesische das werdende Niederländisch stark beeinflusst. Das Friesische Sprachgebiet wird seitdem in den deutschen Mundartkarten als Nebensprache immer gesondert aufgeführt.
- Im Mitteldeutschen Sprachgebiet hatte sich die 2. Lautverschiebung nur zum Teil durchgesetzt und steht damit sprachlich zwischen dem Norden und dem Süden des Sprachgebietes. Die Nordgrenze wird durch die Benrather oder Uerdinger Linie gebildet, während der Süden des Mundartgebietes durch folgende Linie umrissen wird: von Karlsruhe bis Ellwangen, dann in nordöstlicher Richtung über Nürnberg nach Hof. Von dort aus wendete sich die Sprachgrenze bis ins böhmische Karlsbad. Heute werden die ostfränkischen Mundarten meist zum Oberdeutschen gerechnet, daher bildet nun die weiter nördlich verlaufende Mainlinie die Südgrenze des Mitteldeutschen. Die Zugehörigkeit des Luxemburgischen zum Mitteldeutschen wird heute immer mehr angezweifelt. Seit 1945 wird es vom Sprachträger als eigenständige Sprache betrachtet und steht damit auf Seiten des Niederländischen und Friesischen. Sprachgeschichtlich ist es weiterhin Teil des Mitteldeutschen.
- Im Süden herrschte das Oberdeutsche, das in die Untergruppen "Nordoberdeutsch", "Westoberdeutsch" und "Ostoberdeutsch" zerfiel.
Naturgemäß ist der Unterschied zwischen Mundart und Hochsprache beim Niederdeutschen am größten, da die heutige Schriftsprache im Wesentlichen auf mitteldeutschen und oberdeutschen Grundlagen beruht und damit zu Recht als "Hochdeutsch" bezeichnet werden kann.
Grobgliederung der deutschen Mundarten heute
Niederdeutsch: Im äußersten Westen des Sprachgebietes Niederfränkisch, das Basis der niederländischen Sprache geworden ist. Sprachgeschichtlich gehört auch das Friesische dazu, das nun eine eigene Sprachgruppe bildet.
Im Osten schließt sich das "Westniederdeutsche" an, das seinerseits in Niedersächsisch (Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein), Westfälisch (Münster, Dortmund, Osnabrück, Waldeck) und Ostfälisch (Hannover, Magdeburg) zerfiel.
Das "Ostniederdeutsche" zieht in seinen verschiedenen Ausprägungen durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Bis zur Vertreibung der Deutschen (1945) war es bis Ostpreußen verbreitet und wird heute durch die Oder begrenzt.
Mitteldeutsch: Im Westen des Sprachgebietes herrschen vor allem die verschiedenen Spielarten des "Fränkischen" vor, das auch als "Westmitteldeutsch" bezeichnet wird. Heute wird das Mittelfränkische durch Ripuarisch (Köln, Aachen, Bonn, Eschweiler) und Moselfränkisch (Trier, Luxemburg) gebildet. Das Rheinfränkische wird heute in Rheinpfälzisch (Pfalz, südöstliches Saarland, Mainz) und "Hessisch" (Fulda, Gießen, Frankfurt am Main, Darmstadt) unterteilt. Im Osten herrschen "ostmitteldeutsche" Mundarten vor. Der Sprachraum umfasst heute das Thüringisch-Obersächsische, das Berlin-Brandenburgische und das Ostmitteldeutsche. Bis 1945 auch in Schlesien und dem nördlichen Sudetenland verbreitet, wird sein Geltungsbereich heute durch Oder und Neiße begrentzt. Auch die Sprache der Siebenbürger Sachsen gehört in diese Gruppe, da diese größtenteils westmitteldeutscher Herkunft und eng mit dem Luxemburgischen verwandt ist.
Oberdeutsch: Im Übergangsbereich zwischen dem Mitteldeutschen und dem eigentlichen Oberdeutschen herrscht das Nordoberdeutsche mit dem "Südrheinfränkischen" im Westen (um Karlsruhe, Pforzheim und Heilbronn) und dem östlich davon angesiedelte "Ostfränkische" vor, das auch die mainfränkischen Mundarten umfasst. Einst auch im westlichen Sudetenland verbreitet, wird das Ostfränkische seit 1945 durch den Böhmerwald begrenzt. Im äußersten Westen des Sprachgebietes befindet sich Westoberdeutsche oder auch "Schwäbisch-Alemannische". Dieses umfasst das Alemannische (Elsass, Südbaden, Deutsch-Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg). Das Alemannische ist nochmals in drei Untergruppen zerfallen, die sich von Norden nach Süden erstrecken: Niederalemannisch (nördlich von Freiburg), Hochalemannisch (z.B. in Bern, Zürich und Basel) und Höchstalemannisch (Wallis, Graubünden). Letztere gilt als alterümlichst deutsche Mundart. Im Osten schließt sich das Schwäbische (südliches Württemberg, Bayerisch-Schwaben, Allgäu) an, das durch den Lech begrenzt wird. Der gesamte Osten des Sprachgebietes wird durch das Ostoberdeutsche oder auch "Bairisch-Österreichische" gebildet, das sich vom Lech bis an das südliche Sudetenland erstreckte. Darüber hinaus in zahlreiche Sprachinseln des östlichen Europas. Heute zerfällt das Bairisch-Österreichische in drei große Sprachgruppen Nordbairisch (Oberpfalz, Teile Oberfrankens), Mittel- oder Donaubairisch (Oberbayern, Niederbayern, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien und nördliches Burgenland) und Südbairisch (Tirol, Südtirol, Kärnten, Steiermark und südliches Burgenland). Als mittelbairische Sondermundart gilt Wienerisch, die Stadtmundart Wiens.
Deutsche Mundarten im und nach dem Zweiten Weltkrieg
Bis 1941 waren die deutschen Mundarten über ganz Europa verstreut. Aber die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler wollte die verstreuten Sprachgruppen aus- und in den dem Großdeutschen Reich angegliederten Ostgebieten ansiedeln. Es entstand die Losung "Heim ins Reich" und bis 1943 waren rund 1,1 Millionen Volksdeutscher aus den alten Siedlungsgebieten ausgesiedelt worden, darunter auch Bessarabiendeutsche wie die Eltern des Bundespräsidenten Horst Köhler, der im östlichen Polen geboren wurde. Dasselbe Schicksal sollte auch die Deutsch-Tiroler Südtirols treffen, da Mussolini ihre Heimat als italienisches Gebiet beanspruchte (siehe unter: Option in Südtirol), aber es blieb ihnen dieses aufgrund der Kriegswirren erspart. Nur 72.000 von ihnen ließen sich in Ost- und Nordtirol nieder und kehrten überwiegend nach 1945 in die Heimat zurück.
Die in Polen angesiedelten Volksdeutschen wurden mit der abgestammten deutschen Bevölkerung in den Westen vertrieben. Damit hatten auch sie das gleiche Schicksal der Deutschen, die in den deutschen Ostgebieten lebten.
Die Nachfahren der Vertriebenen gingen sprachlich in die neuen Wohngebiete auf und mit dem Wegsterben der aktiven Sprecher sind die ostdeutschen Mundarten dem Untergang geweiht.
Vergleiche auch: Fränkische Mundarten
Die heutige Lage der Mundarten
In der Bundesrepublik haben die Mundarten einen schweren Stand. Im Westen größtenteils durch Halbmundarten (mundartlichgeprägtes Hochdeutsch) verdrängt, hat es sich nur im Norden (Schleswig-Holstein, Mecklenburg usw.) erhalten können. Größere Sprecherzahlen bilden die Sachsen und Thüringer, da deren Mundarten in der sonst dem Dialekt eher abgeneigten ehemaligen DDR einen gewissen "Sonderstatus" hatten, allerdings ist dort selten die ursprüngliche Mundart erhalten, meist herrscht eine regional gefärbte Aussprache des Hochdeutschen ("(Parade-)Sächsisch") vor, die aber von vielen Sprechern versucht wird zu verdrängen. In Baden-Württemberg (vor allem im Süden) und weiten Teilen Bayerns herrscht der Dialekt vielfach noch vor.
Im Westen haben die niederfränkischen und friesischen Mundarten ein Eigenleben entwickelt und sehen sich nun als eigenständige Sprachen. Dasselbe ist nun auch in Luxemburg zu beachten, das sich selbst nun als "Fränkischer Eigenzweig" betrachtet.
In Österreich werden die angestammten Mundarten vor allem in den ländlichen Gebieten noch sehr häufig gesprochen. Ein starker Rückgang der Mundart ist nur in Wien zu verzeichnen, wo lt. Schätzungen nur noch ca. 10 % das angestammte Wienerisch sprechen. Der großteil spricht entweder einen anderen Dialekt oder ein deutsch mit österreichischem Akzent. In den anderen Bundesländern sind solche Rückgänge in schwächerer Form nur in den Landeshauptstädten oder in Gebieten mit viel Zuwanderung zu verzeichnen.
In der Schweiz haben die alemannischen Mundarten im 20. Jahrhundert gegenüber der Hochsprache an Terrain gewonnen. Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Schweizerdeutsche vor allem dem privaten Bereich und informellen Gesprächen vorbehalten. Mit Kriegsausbruch besannen sich die Deutschschweizer vermehrt ihrer Mundarten und belebten diese neu. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gab es in der Schweiz eine eigentliche "Mundartwelle", die dazu führte, dass die Hochsprache mehr und mehr auf die formelle Ebene (Parlamente, Schulunterricht, Universitäten, Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln u. ä.) verdrängt wurde. Auch in den elektronischen Medien werden immer mehr Sendungen in der Mundart veröffentlicht. Die Mundartwelle kann nicht alleine mit einer durch den Kriegsausbruch verstärkten Abwehrhaltung gegenüber den Deutschen begründet werden. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielten u. a. die Jugendkultur, der Mundartrock und die Lokalradios.
Siehe auch: Dialekt
Weblinks
- Herkunft des Hochdeutschen
- http://www.dialekt.ch/ - Deutschschweizer Dialekte