Freistaat Braunschweig
Daten im Jahr 1933 | ||
---|---|---|
Landeshauptstadt: | Braunschweig | |
Fläche: | 3690 km² | |
Einwohner: | 512.989 | |
Bevölkerungsdichte: | 139 Einwohner/km² | |
Stimmen im Reichsrat: | 1 | |
Karte | ||
Braunschweig war ein ehemaliges Land des Deutschen Reichs. Es war bis zur Novemberrevolution 1918 ein Herzogtum (siehe hierzu Herzogtum Braunschweig), dann für kurze Zeit eine sozialistische Räterepublik und anschließend Freistaat. Die Hauptstadt war Braunschweig, Residenzstadt war im Laufe der Geschichte auch die Stadt Wolfenbüttel.
Geschichte
Herzogtum Braunschweig (1814-1918)
Das Herzogtum Braunschweig ging nach einer kurzen Zeit der Zugehörigkeit zum Königreich Westfalen aus dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg hervor. siehe Artikel: Herzogtum Braunschweig
Novemberrevolution (1918)
Am 7. November 1918 hatten zugereiste Matrosen, Arbeiter sowie Soldaten der Garnison in Braunschweig mit energischen Demonstrationen gegen die Monarchie begonnen. Unter dem Einfluss des Spartakusbundes wurde bereits am kommenden Tag ein Arbeiter- und Soldatenrat in Braunschweig gegründet.
Am gleichen Tag, dem 8. November 1918, war der letzte Herzog des bisherigen Herzogtums Braunschweig, Ernst August, zur Abdankung veranlasst worden. Bereits am 10. November 1918 bildet der Arbeiter- und Soldatenrat eine reine USPD-Regierung, August Merges wird zum Präsidenten der sozialistischen Republik Braunschweig ausgerufen.
Sozialistische Räterepublik (1918-1921)
Am 24. November 1918 werden die Arbeiter- und Soldatenräte neu gewählt, allerdings bei einer sehr geringen Wahlbeteiligung. Anfang Dezember beschliessen die Vertreter von USPD und SPD, bei den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen auf der Grundlage des Erfurter Programmes einen gemeinsamen Wahlkampf zu führen. Allerdings verabschiedet sich die SPD bereits am 4. Dezember 1918 aus einer Sitzung der gemeinsamen Wahlkommission. Am 6. Dezember 1918 findet die erste Sitzung der neuen Arbeiter- und Soldatenräte, die etwa zu je einem Drittel mit Anhängern der SPD, des USPD-Zentrums und der USPD-Linken und des Spartakusbundes besetzt sind.
Bei den am 15. Dezember 1918 stattfindenden Kommunalwahlen treten die SPD und die USPD wie beabsichtigt außer in der Stadt Braunschweig gemeinsam zur Wahl an. Die Aufforderung des Vorsitzenden der Arbeiter- und Soldatenräte, die Landtagswahlen abzusagen, werden vom Innenminister Sepp Oerter ignoriert. In den Landtagswahlen, die am 22. Dezember stattfinden, wird die SPD stärkste Kraft. Die USPD versucht nun, das erste Zusammentreten des Landtages möglichst aufzuschieben. Allerdings beschließen die Arbeiter- und Soldatenräte am 30. Dezember 1918 mit einer großen Mehrheit die Einberufung des neuen Landtages.
Anfang Februar 1919 wird beschlossen, den Landtag zum 10. Februar 1919 einzuberufen. Bei der Landtagseröffnung wird vom Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates das Regierungsprogramm vorgetragen und der Entwurf für die Verfassung des Landes übergeben. SPD und USPD bilden am 15. Februar 1919 eine gemeinsame Regierung. Am 22. Februar 1919 verabschiedet der Landtag der Republik Braunschweig den neuen Verfassungsentwurf und wählt einen neuen Rat der Volksbeauftragten. Eine Koalitionsregierung von USPD und SPD wird bestätigt. Die Regierung wird nun von Sepp Oerter als Nachfolger von August Merges angeführt.
Am 8. März beschließen USPD und Spartakus ihre Vereinigung. Die KPD beschließt am 26. März ihre klare Trennung von der SPD. Anfang April beginnen gegeneinandergerichtete Streiks, Aktionsausschüsse, Betriebsausschüsse und Vertrauensmänner wollen eine Räterepublik durchsetzen, das Bürgertum protestiert dagegen. Nachdem die Reichsregierung am 13. April den Belagerungszustand über Braunschweig verhängt hat, sollen Freikorpstruppen in die Stadt einrücken. Die Landesregierung erreicht aber am 15. April die Beendigung des Streikes. Dennoch erklärt die Reichsregierung die Landesregierung für abgesetzt, die aber bis zum 30. April geschäftsführend im Amt bleibt.
Die am 30. April 1919 vom Landtag neugewählte Regierung wird gemeinsam von SPD, USPD und DDP gebildet. Ministerpräsident wird Heinrich Jasper. Am 10. Mai ziehen die Freikorpstruppen aus Braunschweig ab, am 6. Juni wird der Belagerungszustand von der Reichsregierung aufgehoben. Im Juni gelingt es SPD und DDP, die USPD aus der Regierung zu verdrängen. Misstrauensanträge gegen die USPD-Minister werden vom Landtag angenommen, die Posten werden mit Ministern der SPD und der DDP besetzt, die nun alleine die Regierung stellen.
Im Folgejahr wird am 16. Juni 1920 der zweite Braunschweiger Landtag gewählt. Gewinner der Wahlen sind USPD und BLWV, SPD und DDP müssen starke Verluste hinnehmen. Am 22. Juni wird eine neue Regierung unter dem Ministerpräsidenten Sepp Oerter (USPD) gewählt.
Nachdem dieser im Jahr 1921 ausscheidet, wählt der Landtag am 25. November 1921 erneut eine USPD/SPD-Regierung, die diesmal unter der Führung von Ministerpräsident August Junke steht.
Freistaat Braunschweig (1921-1933)
Am 6. Januar 1922 tritt die erste Braunschweiger Verfassung in Kraft. Braunschweig ist nun Freistaat. Diese Regierung verliert allerdings bereits bei den folgenden Landtagswahlen am 22. Januar 1922 ihre Mehrheit. Nur mit Hilfe der KPD-Sitze kann die Regierung ihre Mehrheit halten.
Nachdem ein Antrag, der Regierung das Vertrauen auszusprechen, aber abgelehnt wurde, tritt die Regierung am 4. Mai zurück. Eine neue Regierung aus SPD, DDP und DVP wird am 23. Mai gebildet, Ministerpräsident wird erneut Dr. Heinrich Jasper.
Am 13. September 1923 wird aufgrund des Republikschutzgesetzes die NSDAP verboten, die bereits im Jahr zuvor Ortsgruppen in Wolfenbüttel und Braunschweig gegründet hatte. Allerdings wird dieses Verbot nicht rigoros durchgesetzt. Im Januar 1924 tritt Sepp Oerter in die NSDAP über, so daß diese auf diesem Weg erstmals im Landtag vertreten ist. Im Februar 1924 löst sich der Landtag selbst auf, nachdem es zuvor zu einem geplanten Volksbegehren zur Landtagsauflösung nicht gekommen war. Bei am 7. Dezember stattfindenden Landtagswahlen erringen die bürgerlichen Parteien die Mehrheit, die neue Regierung wird am 24. Dezember 1924 aus Anhängern von DNVP, DVP, Wirtschaftliche Einheitsliste, Welfenpartei und NSFB gegründet.
Bei den Landtagswahlen am 27. November 1927 erreicht die SPD 46,2% der Stimmen und erringt die Hälfte der Sitze. Am 14. Dezember konstituiert sich eine reine SPD-Regierung, die mit 23 SPD-Stimmen und 2 KPD-Stimmen bestätigt wird. Die restlichen Abgeordneten enthalten sich.
Bei den Landtagswahlen am 14. September 1930 steigert sich die NSDAP von 3,7% auf 22,2% der Stimmen. Die SPD verliert 5,2%, so dass die Linke ihre Mehrheit im Landtag verliert. Ernst Zörner (NSDAP) wird am 30. September mit 20 zu 17 Stimmen zum Landtagspräsidenten gewählt, mit der gleichen Mehrheit wird am nächsten Tag eine neue Rechtsregierung gewählt. Die Bürgerliche Einheitsliste, bestehend aus DNVP, DVP, Zentrum und WP, bildete mit der NSDAP gemeinsam die Regierung und wählte Werner Küchenthal zum Ministerpräsidenten und den Nationalsozialisten Anton Franzen zum Staatsminister für Inneres und Volksbildung.
In der Folge beginnt ein Kampf der rechten Kräfte gegen die SPD und KPD, Lehrer werden entlassen, Professoren in den Ruhestand versetzt, Flugblätter und Plakate, die gegen Aktionen der NSDAP gerichtet sind, verboten.
Die Kommunalwahlen am 1. März 1931 ergeben eine SPD/KPD-Mehrheit in der Stadt Braunschweig. Im März initiiert die KPD ein erfolgreiches Volksbegehren zur Landtagsauflösung, zum Volksentscheid kommt es aber nicht.
Nachfolger des aufgrund einer Meineidsaffäre umstrittenen Franzen wurde am 15. September 1931 Dietrich Klagges. Unter seiner Leitung wurden im Land Braunschweig Verwaltung, Polizei und Bildungswesen durch Auswechselung von Kreisdirektoren, Schulräten, Lehrern und Richtern im Sinne der NSDAP verändert. Infolge der Entlassungen von Lehrern kommt es zu Streiks an öffentlichen Schulen. Aufgrund von Streikaufrufen wird der sozialdemokratische "Volksfreund" für drei Wochen verboten.
Am 11. Oktober 1931 bilden NSDAP, DNVP und Stahlhelm gemeinsam die Harzburger Front.
Am 25. Februar 1932 ernennt die Braunschweigische Regierung auf Veranlassung von Klagges Adolf Hitler zum Regierungsrat ihrer Berliner Gesandtschaft. So erhält er die deutsche Staatsbürgerschaft, die für die Kandidatur zur Reichspräsident notwendig ist. Diese Ernennung wurde von der Landtagsmehrheit gebilligt.
Aufgrund der fortschreitenden Verfolgung ihrer Funktionäre sehen sich KPD und SPD ab dem 14. März 1933 außerstande, weiterhin an Landtagssitzungen teilzunehmen. Am 4. April 1933 wird aufgrund des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März der Landtag neu gebildet. An der konstituierenden Sitzung des neuen Landtages am 29. April 1933 nehmen, nachdem sich der Landesverband der DNVP der NSDAP angeschlossen hatte, lediglich 33 Abgeordnete der NSDAP-Fraktion teil. Klagges meldet Hitler das "erste rein nationalsozialistische Parlament in Deutschland". Am 6. Mai 1933 wird Dietrich Klagges Ministerpräsident.
Am 13. Juni 1933 findet die letzte Sitzung des Braunschweigischen Landtages statt. Am 14. Oktober 1933 wird durch die Auflösung des Reichstages automatisch auch der Landtag aufgelöst, eine Neubildung findet nicht mehr statt.
Nationalsozialismus
Nach dem 2. Weltkrieg
Das Land Braunschweig unter Alliierter Besatzung (1945-1946)
Zwischen dem 6. und 23. April 1945 wird das Land Braunschweig von den Alliierten Truppen besetzt. Am 24. April 1945 ernennt die britische Militärregierung den ehemaligen SPD-Reichstagsabgeordneten Hubert Schlebusch zum Ministerpräsidenten des Landes Braunschweig. Bereits am 17. September teilt der Chef der Militärregierung, General John Lingham, den Ministerpräsidenten Schlebusch, Tantzen (Oldenburg) und dem hannoverschen Oberpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf mit, daß die Provinz Hannover sowie die beiden Länder zum Zweck der Militärregierung zusammengefasst werden sollen. Am 29. September 1945 wird dein Staatsvertrag zwischen den drei Ländern unterzeichnet, der vorsah, ein Gemeinschaftsministerium mit der Bezeichnung "Länderregierung für Reichsaufgaben in Niedersachsen" zu gründen. Die Besatzungsmacht genehmigt diesen Vertrag aber nicht, da sie den Ländern nicht das Recht zugesteht, ihre Angelegenheiten in dieser Form selbst zu gestalten.
Am 15. November 1945 konstituiert sich der Gebietsrat Hannover-Oldenburg-Braunschweig, dem am 20. Dezember auch Bremen beitritt. Am 15. Februar 1946 wird der Zonenbeirat mit Sitz in Hamburg ins Leben gerufen, dessen erste Sitzung am 6. März stattfindet. Am 1. April 1946 tritt Kopf mit einer Denkschrift an die britische Militärregierung heran, die fordert, die britische Zone dreizuteilen. Zum niedersächsischen Teil soll unter anderem Braunschweig gehören. Im Mai 1946 präsentiert Oldenburg einen Gegenentwurf, der einen Bundesstaat Weser-Ems fordert.
Am 23. August 1946 wird die Provinz Hannover zum Land erhoben. Nach weiteren Beratungen des Zonenbeirates wird zum 1. November 1946 offiziell das Land Niedersachsen gegründet. Die wesentlichen Bestandteile des bisherigen Landes Braunschweig werden Bestandteil des neuen Landes. Der Hauptteil des Kreises Blankenburg ebenso wie die Exklave Calvörde des Kreises Helmstedt war hingegen Teil der sowjetischen Besatzungszone und wurde in das Land Sachsen-Anhalt integriert, welches 1949 Bestandteil der DDR wurde.
Verwaltungsbezirk Braunschweig (1946-1978)
Innerhalb des Landes Niedersachsen wurde das Gebiet des ehemaligen Freistaats Braunschweig als einer von insgesamt acht Regierungsbezirken unter der Bezeichnung "Verwaltungsbezirk Braunschweig" weiter geführt.
Er umfasste die kreisfreien Städte Braunschweig, Goslar und Salzgitter (der Name dieser Stadt war damals noch Watenstedt-Salzgitter) und die Landkreise Braunschweig, Gandersheim, Goslar, Helmstedt und Wolfenbüttel sowie den Restkreis Blankenburg (dessen neuer Kreissitz Braunlage im Harz wurde).
Zum Landkreis Braunschweig gehörte bis dahin und auch nach Bildung des "Verwaltungsbezirks Braunschweig" amtlich auch die rund 150 km entfernt liegende Exklave Thedinghausen bei Verden kurz vor Bremen.
Der Landkreis Goslar mit den Städten Goslar und Salzgitter war erst 1942 im Austausch gegen den bis dahin braunschweigischen Landkreis Holzminden von der preußischen Provinz Hannover zum Land Braunschweig gekommen. Im gleichen Jahr wurde die Stadt Watenstedt-Salzgitter aus braunschweigischen und preußischen (Provinz Hannover) Gebietsteilen neu gebildet. Damit konnte seinerzeit ein einigermaßen geschlossenes braunschweigisches Territorium geschaffen werden.
Regierungsbezirk Braunschweig (1978-2004)
Der Verwaltungsbezirk Braunschweig wurde nach Abschluss der Kreisreform in Niedersachsen 1978 auf Kosten insbesondere der benachbarten Bezirke Hildesheim und Lüneburg erheblich vergrößert und nunmehr als Regierungsbezirk Braunschweig bezeichnet.
Im Jahr 2004 wurden alle Regierungsbezirke des Landes Niedersachsen aufgelöst.
Präsident bzw. ab 1920 Ministerpräsident
- 1918 bis 1919: August Merges, USPD
- 1919: Sepp Oerter, USPD
- 1919 bis 1920: Heinrich Jasper, SPD
- 1920 bis 1921: Sepp Oerter, USPD
- 1921 bis 1922: August Junke, USPD
- 1922 bis 1924: Heinrich Jasper, SPD
- 1924 bis 1927: Gerhard Marquordt, parteilos
- 1927 bis 1930: Heinrich Jasper, SPD
- 1930 bis 1933: Werner Küchenthal, DNVP
- 1933 bis 1945: Dietrich Klagges, NSDAP (ernannter Ministerpräsident)
- 1945 bis 1946: Hubert Schlebusch, SPD
Reichsstatthalter
Reichsstatthalter für Anhalt und Braunschweig mit Sitz in Dessau:
- 1933 bis 1935: Wilhelm Loeper
- 1935 bis 1937: Fritz Sauckel
- 1937 bis 1945: Rudolf Jordan
Regierungspräsidenten
Literatur
- Richard Bein: Im deutschen Land marschieren wir. Freistaat Braunschweig 1930 – 1945. Braunschweig 1984
- Braunschweiger Zeitung (Hrsg.): Wie braun war Braunschweig? Hitler und der Freistaat Braunschweig“ Braunschweig 2003
- Braunschweiger Zeitung (Hrsg.): Kriegsende, Braunschweig 2005
- Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert Hannover 1996
- Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region Braunschweig 2000, ISBN 3930292289
- Helmut Kramer (Hrsg.): Braunschweig unterm Hakenkreuz Braunschweig 1981
- Karl-Joachim Krause: Braunschweig zwischen Krieg und Frieden. Die Ereignisse vor und nach der Kapitulation der Stadt am 12. April 1945 Braunschweig 1994
- Hans Reinowski: Terror in Braunschweig – Aus dem 1. Quartal der Hitlerherrschaft Bericht herausgegeben von der Kommission zur Untersuchung der Lage der politischen Gefangenen. Zürich 1933
- Ernst-August Roloff: Bürgertum und Nationalsozialismus 1930-1933. Braunschweigs Weg ins Dritte Reich Hannover 1961
- Gunhild Ruben: Bitte mich als Untermieter bei Ihnen anzumelden – Hitler und Braunschweig 1932 – 1935 Norderstedt 2004