Der Schuh des Manitu
Der Schuh des Manitu ist eine deutsche Western-Parodie aus dem Jahr 2001.
- Regie: Michael "Bully" Herbig
- Produzenten: Michael "Bully" Herbig, Michael Wolf
- Drehbuch: Michael "Bully" Herbig, Alfons Biedermann, Rick Kavanian, Klaus "Murmel" Clausen
- Kamera: Stephan Schuh
- Musik: Ralf Wengenmayr
- Schnitt: Alexander Dittner
- Darsteller
- Michael "Bully" Herbig Doppelrolle als Abahachi und Winnetouch
- Christian Tramitz als Ranger
- Marie Bäumer als Uschi
- Sky Dumont als Santa Maria
- Rick Kavanian als Dimitri
- Hilmi Sözer als Hombre
- Länge: 84 Minuten (erweiterte Fassung: 90 Minuten)
- FSK: ab 6
- Verleih: Constantin Film
Über 12 Millionen Deutsche haben den den Film Der Schuh des Manitu gesehen. Fast genau ein Jahr nach seinem Erststart kam Michael "Bully" Herbigs Western-Parodie - angeblich der erfolgreichste deutsche Film seit 1945 - noch ein zweites Mal in einer etwas verlängerten Version in die Kinos.
Das Filmgeschehen
Die Blutsbrüder Abahachi (Michael "Bully" Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) leihen sich beim Schoschonen-Häuptlingssohn Falscher Hase Geld, um damit beim Ganoven Santa Maria (Sky Dumont) ein Lokal zu kaufen, doch dieses entpuppt sich nur als umfallende Fassade. Der Häuptlingssohn flieht daraufhin mit dem Geld, wird aber von Santa Maria erschossen. Der Schoschonenhäuptling hält Abahachi und Ranger für die Mörder seines Sohnes, doch können diese dem Marterpfahl entkommen. Um an Geld zu gelangen, suchen die Flüchtigen nach Teilen einer Schatzkarte, die ihnen den Weg zu einem versteckten Edelstein weisen soll. Gangsterboss Santa Maria hat davon Wind bekommen und ist hinter den Flüchtigen her, ebenso wie die Schoschonen, die anstelle des nicht vorhandenen Kriegsbeils einen Klappstuhl ausgegraben haben.
Für den kritischen Kinobesucher ist der Film nicht mehr als eine mittelmäßige Western-Parodie mit teilweise sehr abgestandenen Witzen, die ins Alberne abgleiten. Vor allem der Winnetou-Mythos, wie ihn der deutsche Film in den 60er Jahren auf die Kinoleinwand brachte, wird aufs Korn genommen, aber nicht nur der.
Kritiken
Spiegel Online 2001 meint:
- Der Schuh des Manitu versteht sich als durchgeknallte Hommage aufs Indianer-Genre, zitiert unbekümmert aus Italo-Western von Sergio Leone und Abenteuer-Schinken à la Indiana Jones und feiert ansonsten die deutschen "Winnetou"-Filme. Schließlich ist Pierre Brice, deren Titelheld, für Herbig "immer noch die Mutter aller Blutsbrüder"...
Michael "Bully" Herbig scheint darauf vertraut zu haben, dass die Winnetou-Sketche seiner TV-Show Bullyparade auch auf der großen Leinwand zünden, was aber nicht immer der Fall ist. Für etliche Lacher ist der Film aber gut. Die herausragendste Leistung bietet Sky Dumont, der ein erstaunliches komödiantisches Talent beweist. Die anderen Mimen mühen sich redlich, schaffen es aber oft nicht, ihre eher unterdurchschnittlichen schauspielerischen Fähigkeiten mithilfe ihrer Blödeleien vor der Kamera zu kaschieren. Autor und Hauptdarsteller Herbig macht da keine Ausnahme. Eines allerdings hat er geschafft: den Film sehr professionell zu inszenieren. Die Originalkulissen und die Ausstattung sorgen dafür, dass man sich an die Westernatmosphäre des deutschen und italienischen Films der 60er Jahre erinnert fühlt.
Die Kritiken zum Film reichen von "irrsinnig komisch, frech, rasant und obendrein noch fulminant gefilmt" bis "Schlechte Witz-, Schauspieler- und Bildqualität machen den Schuh des Manitu teilweise zur Qual". Nostalgiker dürften sich, wie Profi-Kritiker Horst Peter Koll im filmdienst schreibt, an die "opulenten Breitwand-Bilder ihrer Jugend" erinnert fühlen, "wenn Winnetou und Shatterhand in den Sonnenuntergang reiten oder Seite an Seite gegen Mörderbanden kämpfen, Ehre und Gerechtigkeit verteidigend". Um Stilechtheit hat sich Bully ohne Frage bemüht, denn die "unverwechselbare Farbigkeit der Rialto-Produktionen der 60er-Jahre kopiert er ebenso geschickt wie die behäbige Scope-Kamera und die zwischen Pathos und Aufgeregtheit changierende Musik". Doch die
- "Mechanik der alten Klischees wird nur decouvriert, um gnadenlos die neuen Klischees der aktuellen Gag-Kultur präsentieren zu können... Wenn die May-Bezüge allzu dünn geraten, wird auch schon mal eine Italo-Western-Satire bemüht, doch viel zu selten scheint etwas von jener sardonischen Grimmigkeit auf, die einen Tex-Avery-Cartoon oder eine Mel-Brooks-Geschmacklosigkeit auszeichnet. Widerstandslos versandet der Film in den Untiefen boulevardesker Nichtigkeiten, die man sich eigentlich nur im Mitternachtsprogramm des Kommerzfernsehens gefallen lässt."
In der zitierten Kritik finden sich bereits einige gute Hinweise darauf, wie der Film insgesamt gestrickt ist. Die Frage ist: Handelt es sich um eine ernst zu nehmende Parodie bekannter Vorbilder oder doch nur um eine Aneinanderreihung von billigen Kalauern?
Tatsache ist, dass die Story des Films sich eng an Karl May-Produktionen wie Der Schatz im Silbersee anlehnt. Das immer wiederkehrende Grundmuster dabei: Böse Weiße hauen gute Weiße übers Ohr. Die Indianer halten die Guten zunächst für böse und graben das Kriegsbeil aus, wobei es - als Zugabe - noch jede Menge Keilerei um einen verborgenen Schatz gibt. Alles zum Guten wenden können letztlich nur Winnetou und Old Shatterhand.
Doch Bully verschont auch andere Filmklassiker nicht, wie bereits von Kritikerseite bemerkt wurde: "ob James Bond (da hat der Schoschonenhäuptling Listiger Lurch doch tatsächlich wie einst Ernst Stavro Blofeld seine Katze ein Kaninchen auf dem Arm!), Sergio Leone, Kevin Costner oder Indiana Jones". Aber spricht dies allein für ein hohes parodistisches Niveau?
Wenn wir einige Motive aus dem Film als echte Parodien werten, dann könnte sich einem die Frage stellen, ob mit dem Kaninchen auf dem Arm des Schoschonenhäuptlings nicht vielleicht auch Joseph Beuys gemeint sein könnte, wie er dem toten Hasen die Bilder erklärt. Da der Film zum Teil auf recht unterschiedliche Vorbilder (Schatz im Silbersee, Indiana Jones) zurückgreift, ist er nicht stilecht im Wildwest-Milieu angesiedelt. Er nutzt stattdessen Versatzstücke aus unterschiedlichen Genre-Bereichen, wie auch die Rhein-Zeitung vom 16. 07. 2001 bemerkte:
- "Einerseits wendet sich die Komödie an Menschen, die das genügsame TV-Zeitalter mit drei Programm erlebt haben und die mit Geschichten von Karl May (auch er hat einen kurzen Auftritt) und Serien wie Shiloh Ranch und Rauchende Colts sozialisiert wurden. Wie in Spaghetti-Western wurde auch hier im spanischen Almeria gedreht, und es gibt jede Menge stoppelige Männergesichter mit Kippen oder Mundharmonika im Mund, die à la Clint Eastwood und Charles Bronson posieren. Gerade in den vielen witzigen Details, Zitaten und Kalauern fühlt man sich gar an Asterix-Comics erinnert."
Die Anspielungen und Parodien im Film
Macht dieses bunte Allerlei an Anspielungen die Qualität des Filmes aus? Nehmen wir einmal die Hauptpersonen näher unter die Lupe:
Abahachi, der Apachenhäuptling, das dürfte nicht nur eine Verballhornung von "aber hatschi" (ein reichlich platter Wortwitz), sondern vom Namen her vor allem eine Anspielung auf Winnetou und das Halbblut Apanatschi, einen Original-Karl-May-Film der 60er Jahre, sein. Mit dem Geschäftsmann Santa Maria ist sicher der Bösewicht Santer aus Winnetou I gemeint. Ob der Blutsbruder Ranger auf irgendwelche amerikanischen Westernserien abzielt, in denen Texas-Ranger eine Rolle spielen, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls scheint der Name keine direkte Anspielung auf Old Shatterhand zu sein. Winnetouch ist Abahachis Zwillingsbruder. Und der ist schwul. Aber wieso ist gerade er schwul und sein Name die Verballhornung von Winnetou? Soll das ein versteckter Hinweis auf einige homoerotisch wirkende Szenen der Blutsbrüderschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand in den Original-Karl-May-Filmen sein? Winnetouch ist außerdem Besitzer der zur Beauty-Farm umgebauten "Puder Rosa Ranch". Das ist nicht nur ein Hinweis auf die Homosexualität der Figur, sondern mit Sicherheit auch eine Anspielung auf die Ponderosa-Ranch der Familie Cartwright aus der TV-Western-Serie Bonanza. Aber was hat das mit dem Karl May-Winnetou zu tun? Immerhin stammt die Bonanza-Serie auch aus den sechziger Jahren wie die Winnetou-Filme und ist im moralisierenden Western-Milieu angesiedelt. Aber reicht das für eine Erklärung des gewählten Ranch-Namens? Unter den Hauptpersonen haben wir noch die verführerische Uschi: sicher eine Anspielung auf Uschi Glas, die mal in einem Original-Film ein Indianermädchen gespielt hat. War dieser Film etwa Winnetou und das Halbblut Apanatschi? Dann hätten wir einen Bezug zu Abahachi. (Die Beantwortung dieser Frage bleibe dem findigen Leser überlassen.) Der Indianer-Großvater heißt "Grauer Star" - nun ja, es gibt sicher bessere Wortwitze. Die Schatzkarte ist wohl eindeutig ein Hinweis auf den Schatz im Silbersee - oder etwa auch auf jene Karte, die im Vorspann der Bonanza-Serie immer in Flammen aufging? Und was ist mir Santa Marias Handlanger Hombre? Sollte das eine Anspielung auf den US-Western Man nannte ihn Hombre sein? Übrigens auch ein Film aus den späten 60er Jahren, allerdings mit dem hochkarätigen amerikanischen Mimen Paul Newman besetzt. Dann haben wir noch den Restaurantführer Dimitri. Was soll ein Grieche in diesem Western? Stilecht ist er jedenfalls nicht. Fungiert er als billiger Ersatz für einen Mexikaner? Die Taverna liegt ja auch mitten in Mexiko. Wer weiß, wer weiß... Da liegt doch wohl eher die Vermutung auf der Hand, dass einige aus der TV-Bullyparade bekannte Köpfe im Film untergebracht werden mussten.
Alles in allem: nicht alle Charaktere scheinen gelungene Parodien auf bekannte Vorbilder zu sein. Und eine tiefgründige, gesellschaftskritische Komponente fehlt dem Film ohnehin, wie auch andere Kritiker bemerkten:
- So stellt sich Der Schuh des Manitu als familienfreundlich-liebenswerter und stimmungsvoll inszenierter Westernspaß dar, dessen leichte Schwächen ihm jedoch den Weg in den Komödienolymp versperren.
- Daß dieses Nichts von einer Geschichte funktioniert, liegt natürlich daran, daß es auf die Handlung hier nicht ankommt. Wie nicht anders zu erwarten, verfährt Der Schuh des Manitu nach dem Motto "mindestens alle 10 Sekunden ein Brüller". Und erfreulicherweise sitzen die Gags und sind auch tatsächlich zum Brüllen komisch. Das beginnt beim hemmungslosen urbayrischen Dialekt von Ranger, führt über den geradezu unverschämt klischeehaften Homo Winnetouch und hört beim eigentlich gar nicht so bösen Santa Maria noch lange nicht auf, der seine Bande eher wie eine Schulklasse leitet ("Jetzt geht noch mal jeder aufs Klo und dann reiten wir los"). Man sitzt im Kinosessel und weiß, daß das ganz großer Blödsinn ist, was einem da vorgesetzt wird. Daß diese Leute auf der Leinwand gar nicht erst versuchen, ernsthaft zu schauspielern, und beim Dreh wahrscheinlich die beste Zeit ihres Lebens hatten anstatt hart zu arbeiten.
- Natürlich Sketche am Fließband, rosa Tunten und eine absolut inhaltsleere Geschichte. ... Am Ende des Films rasen Bully und seine Freunde in einer atemberaubenden Schussfahrt auf einer Lore in den Abgrund. Sind es die Niederungen der Filmkunst, in die die TV-Leute da rasen? Man darf sich eigene Gedanken darüber machen. Vorausgesetzt man kommt unter all den grölenden Kinozuschauer dazu.
Und was sagt der Autor, Regisseur und Hauptdarsteller selber zu seinem Werk? Für ihn ist der Film
- eine Mischung aus einem Shakespeare-Drama und einem Autorenfilm. Der Schuh des Manitu ist aber auch ein Mädchenfilm, weil Pferde darin vorkommen. Letztendlich werden ganz simple Sehnsüchte bedient.
Weitere bezeichnende Statements aus dem Munde von Bully:
- Unser Film sieht ganz einfach so aus, wie ich mir einen Western vorstelle. Das heißt: eine schöne, breite Cinemascope-Leinwand, die richtigen Motive und Farben, die richtige Musik. Und die richtigen Figuren - ganz klassisch: gut, böse, Blutsbruderschaft, Freundschaft und was halt sonst noch so wichtig ist für einen Western.
- Dass Blutsbruderschaft damals gang und gäbe war, will ich mit Der Schuh des Manitu beweisen. Dieses Ritual war gewissermaßen der Vorreiter von Piercing und Branding.
- Ich habe versucht, alles zu zitieren, was irgendetwas mit Indianern zu tun hat. Dazu gehört natürlich auch Indiana Jones. Karl May - und da insbesondere Der Schatz im Silbersee, aber auch Italo-Western und Der mit dem Wolf tanzt gehören dazu. Mir war es auch sehr wichtig, dass wir richtige Indianer besetzen. Das zeigt gerade in punkto Seriosität und Ernsthaftigkeit enorme Wirkung.
Wer's glaubt...
Fazit: Der Schuh des Manitu vermag sich ein wenig über das Slapstick-Niveau anderer platter deutscher Lustspiel-Produktionen zu erheben, wird aber sicher nicht in die Annalen der besten Filme aller Zeiten eingereiht werden. Ob amerikanische Top-Regisseure, darunter die Nachfolger des Nackte-Kanone-Teams, schon wegen der Filmrechte für eine US-Version angeklopft haben? Wohl kaum... Da das Feeling für die Atmosphäre der Original-Karl May-Filme der 60er Jahre beim fremdländischen Publikum nicht so ausgeprägt ist wie beim deutschen Kinobesucher, ist der Film allenfalls dafür gut, in einer synchronisierten Fassung für einige Lacher beim ausländischen Zuschauer zu sorgen. Der Schuh des Manitu ist eben doch nur ein leidlich humorvoller Film - mit einer im Westernmilieu angesiedelten, platten Situationskomik und etlichen schrägen Typen, über die man sich amüsieren kann - mehr nicht. Von einer anspruchsvollen Filmparodie kann bei ihm keine Rede sein.
Externe Links
- http://www.cosmopolis.ch/cosmo33/der_schuh_des_manitu.htm Der Schuh des Manitu - Der Film von und mit Michael "Bully" Herbig
- http://www.film.de/film/kino/4578.shtml Film.de: Der Schuh des Manitu
- http://www.cineclub.de/filmarchiv/2001/der_schuh_des_manitu.html Cineclub: Der Schuh des Manitu
- http://www.epilog.de/Film/Sch/Schuh_des_Manitu_D_2001.htm Film-Lexikon: Der Schuh des Manitu
- http://www.epilog.de/Film/Sch/Texte/Schuh_des_Manitu_D_2001_Inhalt.htm Film-Lexikon: Der Schuh des Manitu (Langinhalt)
- http://www.epilog.de/Film/Sch/Texte/Schuh_des_Manitu_D_2001_Interview_Herbig.htm Film-Lexikon: Gespräch mit Michael "Bully" Herbig über Der Schuh des Manitu
- http://www.cyberkino.de/entertainment/kino/1110/111067.html Cyberkino.de: Der Schuh des Manitu
- http://www.nzz.ch/ticket/ZH/KI/archiv/lb/2001/page-2001.10.05-fi-article7P6OS.html NZZ Online: Der Schuh des Manitu auf Winnetous Spuren
- http://www.artechock.de/film/text/interview/h/herbig_2001.htm Schau, schau, ein Schuh! Interview mit Michael "Bully" Herbig, Sky du Mont, Christian Tramitz und Rick Kavanian
- http://www.bielertagblatt.ch/serien/archiv/article.cfm?serien_id=188&id=7824 Andreas Stock: Winnetouch auf der Puder-Rosa-Ranch