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Procalcitonin

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Procalcitonin
Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 141 Aminosäuren
Bezeichner
Gen-Namen
Externe IDs
Vorkommen
Homologie-Familie Calcitonin
Übergeordnetes Taxon Euteleostomi

Procalcitonin (PCT) ist eine Vorstufe des Hormons Calcitonin und wird in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet. Unter bestimmten Umständen wie beispielsweise Infektionen oder Operationen produzieren auch andere Zellen wie Leber- oder Fettzellen dieses Prohormon. Über die Bedeutung des PCT bei Infektionen ist bislang noch nichts bekannt.[1] PCT eignet sich zur Früherkennung einer Sepsis, wodurch beispielsweise rascher Antibiotika eingesetzt werden können.[2] 2005 ließ die Food and Drug Administration PCT in Verbindung mit der Bestimmung weiterer Laborwerte zur Risikoabschätzung kritisch an einer Sepsis erkrankter Patienten zu. In Verbindung deshalb, da jede Infektionskrankheit viel zu komplex abläuft, um sie auf einen einzelnen Surrogatmarker zu reduzieren. [3]

Klinische Anwendung von PCT in der Sepsisdiagnostik

Bei der Diagnostik ist grundsätzlich zu beachten, daß auch nicht-infektiöse Ursachen zu einer Erhöhung von PCT im Blut führen können[2]. Bei kritisch erkrankten Patienten mit Symptomen einer akuten Entzündung ist es häufig schwer zu entscheiden, ob eine Sepsis oder eine andere, nicht infektiös bedingte Erkrankung vorliegt. Therapien und Krankheitsausgang können jedoch bei Patienten mit und ohne Sepsis deutlich voneinander abweichen. Es besteht daher ein hoher klinischer Bedarf an diagnostischen Möglichkeiten, um zwischen einer Entzündung und einer schweren bakteriellen Infektion / Sepsis zu unterscheiden.

Ein großer Vorteil von PCT im Vergleich zu anderen Parametern ist sein früher Anstieg als Reaktion auf bakterielle Infektionen und Sepsis. PCT-Spiegel oberhalb von 10 ng/ml deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Sepsis hin; bei Neugeborenen gelten für die ersten Lebenstage andere Referenzwerte. Ein Nachteil der PCT-Bestimmung sind die hohen Kosten im Vergleich zu den klassischen Entzündungsparametern. Die absolute Höhe der PCT-Konzentrationen korreliert mit dem Schweregrad der Entzündungsreaktion und unterscheidet sich dementsprechend häufig bei Patienten mit Systemischen inflammatorischen Response-Syndrom (SIRS), Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock. Als Ausdruck individuell unterschiedlicher Immunreaktion kann der gleiche Infektionsherd jedoch mit unterschiedlichen individuellen Erhöhungen der PCT-Konzentration einhergehen.

PCT dient auch zur Überwachung des Infektionsverlaufes und der Prognose lebensbedrohlicher septischer Infektionen und wird zum Monitoring therapeutischer Maßnahmen genutzt.

Eine Meta-Analyse über 18 Studien aus dem Jahr 2007 ergab eine vergleichsweise geringe Aussagekraft des Procalcitonin-Screenings. Die Autoren schließen, daß Procalcitonin keine zuverlässige Abgrenzung von Sepsis einerseits und nichtinfektiösen systemisch-inflammatorischen Zuständen andererseits erlaubt und daher im intensivmedizinischen Bereich weniger häufig benutzt werden sollte.

PCT bei Atemwegsinfektionen

Bei lokal begrenzten bakteriellen Atemwegsinfektionen sind die PCT-Spiegel deutlich niedriger als bei septisch verlaufenden Infektionen. So werden bei bakterieller Bronchitis oder bei Pneumonien häufig PCT-Spiegel um 0,25 - 0,5 ng/ml gefunden. Derart niedrige Messwerte werden nur mit einer sensitiven PCT-Bestimmungsmethode fassbar. In einer Interventionsstudie (Christ-Crain, Lancet 2004) dienten die Kryptor PCTsensitive-Spiegel zur Entscheidung, ob eine antibiotische Therapie bei Patienten mit Infektionen der unteren Atemwege indiziert war oder nicht. Das Ergebnis: in etwa 50 % der Fälle konnten Antibiotika eingespart werden, ohne dass sich negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf zeigten. [4] Weiterhin zeigte sich, dass auch die Dauer einer Antibiotikagabe verkürzt werden konnte. [5] [6]

Wie sind PCT-Werte zu interpretieren?

Ein Anstieg der PCT-Konzentration weist auf eine erhöhte entzündliche Aktivität hin, eine Abnahme der Konzentration spricht hingegen auf eine Verringerung der entzündlichen Aktivität, was wiederum ein Zeichen für eine günstige Prognose ist. PCT reagiert nicht oder nur in geringerem Maße auf Virusinfektionen, chronisch entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunprozesse. Obwohl erhöhte Werte auch bei Patienten nach größeren Operationen oder Trauma ohne Hinweis für eine Infektion gefunden wurden, wird Procalcitonin allgemein doch als verlässlicher und spezifischer Marker der bakteriellen Sepsis betrachtet. Mehrere Studien konnten zeigen, dass SIRS-Patienten ohne Infektion sehr niedrige PCT-Werte haben (< 0.1 ng/ml), Patienten mit schweren Infektionen und Sepsis hingegen sehr hohe Werte.

Kinetik von PCT

Die PCT-Konzentration steigt 2-3 Stunden nach Induktion an und erreicht nach 24 Stunden ihren Höchstwert. Werte >= 2ng/ml sind in hohem Maße mit einer Sepsis assoziiert. Nach erfolgreicher therapeutischer Intervention nehmen die PCT-Spiegel mit einer Halbwertszeit von etwa 24 Stunden wieder ab und zeigen damit eine positive Prognose an. Anhaltend hohe oder gar weiter ansteigende Konzentrationen sind ein Indikator für eine schlechte Prognose.

PCT-Protein und Messmethoden

Unter normalen Stoffwechselbedingungen wird das hormonell aktive Calcitonin in den C-Zellen der Schilddrüse durch spezifische intrazelluläre proteolytische Spaltung aus dem Prohormon PCT synthetisiert und sezerniert. Bei bakteriellen Infektionen und Sepsis wird jedoch intaktes PCT im Blut gefunden. Als Syntheseort bei bakterieller Infektion gelten alle Organe. In vivo ist PCT sehr stabil und hat eine Halbwertzeit von etwa 24 Stunden. Auch in vitro ist PCT sehr stabil, so dass keine speziellen Anforderungen hinsichtlich der Präanalytik oder der Probenaufbewahrung zu beachten sind. Zur in vitro Bestimmung von PCT existieren mehrere Immunassays. Mit allen Methoden kann PCT in Serum und Plasma bestimmt werden. Die Zeit bis zum Ergebnis beträgt je nach Methode 19 bis 90 Minuten.

PCT im Vergleich zum crP

Im Vergleich zum C-reaktiven Protein, einem häufig verwendeten Biomarker ermöglicht eine PCT-Bestimmung möglicherweise eine bessere Unterscheidung. [7][3]

Einzelnachweise

  1. Bruhn H. D., e.a.: Labormedizin: Indikationen, Methodik und Laborwerte. Pathophysiologie und Klinik, Schattauer Verlag, 2008, S.339, ISBN 3794525507, hier online
  2. a b AWMF-Leitlinie "Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis", Registernummer 079 - 001, pdf
  3. a b Christ-Crain, M, Stolz, D, Bingisser, R, et al Procalcitonin guidance of antibiotic therapy in community-acquired pneumonia: a randomized trial. Am J Respir Crit Care Med 2006;174,84-93
  4. Christ-Crain M, Jaccard-Stolz D, Bingisser R, Gencay M, Huber P, Tamm M, Muller B. Effect of procalcitonin-guided treatment on antibiotic use and outcome in lower respiratory tract infections: cluster-randomised, single-blinded interventional trial. Lancet 2004;363:600–607
  5. Christ-Crain M, Stolz D, Bingisser R, Muller C, Miedinger D, Huber P, Zimmerli W, Harbath S, Tamm M, Muller B. Procalcitonin guidance of antibiotic therapy in community-acquired pneumonia: a randomized trial. Am J Respir Crit Care Med 2006;174:84–93
  6. Ärzte Zeitung vom 7. April 2008: Atemwegsinfekt - Bakterien oder Viren?
  7. Simon, L, Gauvin, F, Amre, DK, et al Serum procalcitonin and C-reactive protein levles as markers of bacterial infection: a systematic review and meta-analysis. Clin Infect Dis 2004;39,206-217

Literatur