Zum Inhalt springen

Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. Mai 2011 um 16:09 Uhr durch Zitronenpresse (Diskussion | Beiträge) (Gründung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UFJ) war eine im Oktober 1949 in West-Berlin gegründete, und von der CIA subventionierte und gesteuerte[1] deutsche Menschenrechtsorganisation, die sich der Aufdeckung rechtsstaatswidriger Verhältnisse in der DDR widmete. Dieser wurde am 25. Juni 1969 ins Gesamtdeutsche Institut / Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben integriert.[2]

Geschichte

Ursprünglich wurde der UFJ formal als Bestandteil der Vereinigung Freiheitlicher Juristen der Sowjetzone e.V. in Berlin-Lichterfelde gegründet. Diese Vereinigung wurde eigens ins Leben gerufen, weil die amerikanische Besatzungsmacht keinen "Untersuchungsausschuss" lizensieren wollte.[3]

Es existieren gegensätzliche Auffassungen über die ursprüngliche Initiative zur Bildung des UFJ. David Murphy, der ehemalige Chef der Berliner Operationsbasis der CIA, schreibt die Idee zur Gründung des UFJ dem CIA-Offizier Henry Hecksher zu. Demnach hat Henry Hecksher zum Aufbau der Organisation den als Rechtsanwalt in Belzig arbeitenden Horst Erdmann angeworben, der unter dem Pseudonym Dr. Theo Friedenau in einer Westberliner Zeitschrift Aufsätze über die SBZ veröffentlichte.[4] Demgegenüber wird von dem späteren stellvertretenden Leiter des UFJ, Siegfried Mampel, die Überzeugung vertreten, dass Horst Erdmann als Initiator zur Gründung des UFJ gesehen werden muss.[5]

Unstrittig ist dagegen, dass der Leiter des UFJ in enger Verbindung zum CIA stand und die Finanzierung in den ersten Jahren ausschließlich durch den amerikanischen Geheimdienst erfolgte.[6][4][7] Ein solche Verbindung wurde von Horst Erdmann stets abgestritten,[8] um dem Ansehen des UFJ in der Öffentlichkeit nicht zu schaden.

Der UFJ sammelte systematisch Zeugenaussagen zu Menschenrechtsverletzungen in der DDR und erteilte davon Betroffenen rechtliche Unterstützung. Unter anderem wurden Gewerbetreibende aus der DDR in Enteignungsfragen beraten. Der UFJ betrieb eine Erfassungsstelle im Notaufnahmelager Marienfelde. In Frankfurt am Main verfügte er über eine Außenstelle. Im Radiosender RIAS wurden in regelmäßigen Abständen vom UFJ zusammengestellte Listen mutmaßlicher Stasi-Spitzel verlesen.

Ab 1950 gab der UFJ Informationsbriefe, ab 1952 Dokumentationen und ab 1953 regelmäßige Berichte über Menschenrechtsverletzungen heraus. Seit 1961 veröffentlichte er das Lexikon SBZ-Biografie. Der UFJ führte eine Belastetendatei über DDR-Funktionäre. Die Datei umfasste nach zehn Jahren UFJ-Tätigkeit 1959 rund 115.000 Personen. Der UFJ und hier besonders das Hilfskomitee politischer Häftlinge in der Sowjetzone, eine Unterorganisation der Freiheitlichen Juristen, unterhielt seit 1960 Kontakte zur Menschenrechtsorganisation amnesty international. Der erste Menschenrechtsbericht von ai 1966 über "Politische Gefangene in der DDR" war durch die Unterstützung des UFJ und anderer Opferverbände entstanden.[9]

Für DDR-Bürger erschienen Rechtsratschläge, DDR-Anwalts- und Rechtsbeistandsverzeichnisse und Zeitungen, die heimlich in die DDR geschmuggelt wurden. Auch durch Ballonaktionen, Plakate und Graffiti machte der UFJ in der DDR auf sich aufmerksam. Die SED sollte sich "auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen und wissen, dass das Recht nicht tot ist", so ein UfJ-Mitarbeiter. In den 1950er Jahren wurden auch Kindesentführungen aus der DDR vom UfJ organisiert.

Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit denunzierte den UFJ als Diversions- und Spionage-Organisation, reagierte mit Infiltration, Menschenraub und Schauprozessen. Großes Aufsehen erregte der Fall des UFJ-Mitarbeiters Walter Linse aus Berlin-Lichterfelde. Er wurde im Juli 1952 nach Ost-Berlin entführt und 1953 im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen.

Der UFJ wurde zunächst vom US-amerikanischen Nachrichtendienst CIA finanziert, dann aber zunehmend und ab 1960 ausschließlich aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen. 1969 wurde die Eigenständigkeit des UFJ beendet und die Organisation in das Gesamtdeutsche Institut des Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen überführt.

Leiter des UFJ war ab 1949 der Rechtsanwalt Horst Erdmann, der den Decknamen „Dr. Theo Friedenau“ führte. Er musste im Juli 1958 wegen unberechtigter Titelführung und verschwiegener HJ-Verstrickungen zurücktreten. Sein Nachfolger wurde das frühere NSDAP-Mitglied Walther Rosenthal.

Publikationen des UFJ

Der UFJ gab einen Pressedienst heraus sowie zwei Periodika:

  • Monatlich erschien ab 1957 die Zeitschrift „Deutsche Fragen“ (die vorher „Aus der Zone des Unrechts“ hieß).
  • Ebenfalls ab 1957 erschien die rechtswissenschaftliche Zeitschrift „Recht in Ost und West, Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme“ (später „für innerdeutsche Rechtsprobleme“) die von Götz Schlicht herausgegeben wurde.

Literatur

  • Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann; »Konzentrierte Schläge«, Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956, Schriftenreihe des BStU, Ch Links, Berlin 1998, ISBN 978-3-86153-147-0, S. 89-97.
  • Frank Hagemann: Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen 1949 bis 1969. Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1994, ISBN 3-631-47716-3
  • Siegfried Mampel: Der Untergrundkampf des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen in Berlin (West). Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Berlin 1999, ISBN 3-934085-06-7, (Online, PDF, 4,7 MB)
  • Friedrich-Wilhelm Schlomann: Mit Flugblättern und Anklageschriften gegen das SED-System : die Tätigkeit der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) und des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen der Sowjetzone (UfJ). Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Schwerin 1998

Einzelnachweise

  1. "Affäre Nollau: Angriff aus dem Hinterhalt". Der Spiegel, 27. Mai 1974, abgerufen am 29. Dezember 2010.
  2. Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann; Konzentrierte Schläge, 1998, S. 89-97, online
  3. Frank Hagemann: Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen 1949-1969, Dissertation, Universität Kiel, 1994, S. 24
  4. a b G. Bailey, S. Kondratschow, D. Murphy: Die Unsichtbare Front, 1997, ISBN 3-549-05603-6, S. 159
  5. Siegfried Mampel: Der Untergrundkampf des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen in Berlin (West). 1999, S. 9, online
  6. Frank Hagemann: Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen 1949-1969. Dissertation, Universität Kiel, 1994, S. 36
  7. Karl Wilhelm Fricke, Roger Engelmann: Konzentrierte Schläge, 1998, S. 90, online
  8. „Drohung mit Recht“, Spiegel, 16. April 1952, online
  9. Anja Mihr, Amnesty International in der DDR; Der Einsatz für Menschenrechte im Visier der Stasi, Ch Links, Berlin 2002, ISBN 978-3-86153-263-7, S. 47ff.