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Ehegattensplitting

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Das Ehegattensplitting beschreibt das Verfahren, wie bei zusammen veranlagten Ehegatten die tarifliche Einkommensteuer berechnet wird:

  1. Das gemeinsam zu versteuernde Einkommen (zvE) der Ehegatten wird halbiert (gesplittet),
    Beschreibung
  2. für das halbierte zvE wird die Einkommensteuer nach dem geltenden Einkommensteuertarif berechnet (früher: aus der Grundtabelle abgelesen),
  3. die so errechnete Einkommensteuer wird verdoppelt.

Dieses Splittingverfahren bewirkt,

  • dass für jeden Ehegatten ein Grundfreibetrag berücksichtigt wird (im Einkommensteuertarif eingearbeitet)
  • dass der Steuersatz mit zunehmendem Einkommen langsamer steigt.

Beispiele

  • Beispiel 1: Die Ehegatten A+E haben ein zvE von 80.000 Euro. Ehegatte A hat dazu 60.000 Euro, Ehegatte E 20.000 Euro beigetragen. Die tarifliche Einkommensteuer für die Ehegatten beträgt 18.446 Euro.
  • Beispiel 2: Wenn jeder der Ehegatten aus dem Beispiel 1 sein Einkommen selbst versteuern müsste, ergäbe sich folgende Rechnung:
    • zvE von A = 60.000 Euro, tarifliche Einkommensteuer 17.286 Euro
    • zvE von E = 20.000 Euro, tarifliche Einkommensteuer 2.850 Euro
    • Einkommensteuer von A+E 20.136 Euro
    • Unterschied 1.690 Euro
  • Beispiel 3: Wie Beispiel 1, jedoch hat jeder Ehegatte jeweils 40.000 Euro zu versteuern. Einkommensteuer: insgesamt 20.136 Euro, Unterschied zum Beispiel 1: 0 Euro

Ergebnis:

Das Ehegattensplitting verschafft den Ehegatten A+E also einen fiktiven Splittingvorteil von 1.690 Euro, wenn man als Vergleichsbasis zwei Ledige heranzieht.

Vergleicht man mit einem anderen Ehepaar, das ebenfalls ein Gesamteinkommen von 80.000 Euro, hier aber jeder Ehepartner zu diesem Einkommen hälftig beiträgt, ist der Steuervorteil 0 Euro.

Das Splitting stellt sicher, dass alle Ehepaare mit dem Gesamteinkommen von 80.000 Euro gleich besteuert werden, weil sie ja auch die gleiche Leistungsfähigkeit haben.

Der fiktive Splittingvorteil ist abhängig

  • a) von der Verteilung des zvE zwischen den Ehegatten
  • b) von der Höhe des zvE insgesamt.

Der höchstmögliche Splittingvorteil beträgt 4.695 Euro im Jahr 2005 und wird bei einem zvE von rd. 102.800 Euro erreicht (siehe auch Grafik), vorausgesetzt, dass nur ein Ehegatte das gesamte zvE allein erwirtschaftet. Haben beide Ehegatten gleich viel zum zvE beigetragen, ist der Splittingvorteil gleich null.

Historisches

1958 hat der Deutsche Bundestag die aus der Weimarer Republik stammende sog. Haushaltsbesteuerung durch das Ehegattensplitting ersetzt. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte in der Kombination von Zusammenveranlagung und Steuerprogression eine gegen Artikel 6 des Grundgesetzes (Schutz der Ehe) verstoßende Benachteiligung von Ehepaaren gesehen. Das Bundesverfassungsgericht regte eine Individualbesteuerung an, also eine komplette Abschaffung der Zusammenveranlagung. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch für das Ehegattensplitting.

Politisches

Die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP wollen weiterhin (wenn auch bei CDU und FDP im Rahmen einer Einkommensteuerreform leicht modifiziert) daran festhalten. Die Grünen sind für eine Einschränkung des Ehegattensplittings: Ab einen Jahreseinkommen von 45 000 Euro soll der so genannte Splittingvorteil gekappt werden.

Rechtfertigung des Ehegattensplitting

  • Das Ehegattensplitting stellt eigentlich gar keinen Steuervorteil dar, sondern beseitigt lediglich den Nachteil, der entstünde, wenn die Einkommensverteilung von Ehepaar zu Ehepaar unterschiedlich ist. Somit unterliegen alle Ehepaare mit gleichem Gesamteinkommen der gleichen Besteuerung. Da die Leistungsfähigkeit dieser Ehepaare auch gleich ist, ist dies die gerechteste Lösung
  • Ein Ehepaar kann sich also ohne steuerlichen Nachteil die Erwerbstätigkeit beliebig untereinander aufteilen.
  • Die Regelung wird oft mit der Unterhaltsverpflichtung begründet, die zwischen Eheleuten besteht. Dies ist aber eine Begründung, die nicht die wirtschaftliche Einheit der Ehe als eines ihrer zentralen Elemente berücksichtigt und somit problematisch ist.
  • Die Befürworter führen auch den im Artikel 6 I Grundgesetz proklamierten besonderen Schutz von Ehe und Familie an. Richtig daran ist, dass Eheleuten aus ihrer Ehe keine wirtschaftlichen Nachteile erwachsen dürfen. Dies ist dann der Fall, wenn Eheleute bewusst eine Arbeitsteilung vornehmen, die eine ungleiche Einkommensverteilung zur Folge hat, denn dann sind sie gegenüber einem unverheirateten Paar benachteiligt, das eine homogene Einkommensverteilung aufweist. Diese von steuerlichen Nachteilen freie Aufteilung des Einkommens in einer Ehe hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen explizit bekräftigt.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts entspricht das Ehegattensplitting "dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es geht davon aus, dass zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zu Hälfte teil hat. [...] Damit knüpft das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet" (Urteil vom 3. November 1982).

Kritik am Ehegattensplitting

Das Ehegattensplitting ist seit vielen Jahren umstritten.

  • Vom Splitting profitiert nur die Ehe (egal ob kinderlos oder mit Kindern), aber nicht andere Formen des Zusammenlebens mit Kindern.
  • Der Vorteil des Splittings ist bei Beziehern hoher Einkommen größer als bei Beziehern von niedrigen bzw. durchschnittlichen Einkommen.
  • Der Vorteil aus dem Splitting ist umso größer, je weiter die beiden Einkommen auseinander liegen. Er ist am größten, wenn einer der Partner (meist die Frau) überhaupt kein Einkommen bezieht. Daraus ergibt sich ein politischer Vorwurf: Das Ehegattensplitting ist nicht mehr zeitgemäß, weil es die traditionelle Einverdiener-Ehe ("Hausfrauenehe") bevorzugt.
  • Das Ehegattensplitting ist nicht mehr zeitgemäß, weil es die vielfältigen Formen von nichtehelichem Zusammenleben in der heutigen Zeit nicht gleichermaßen berücksichtigt. Bspw. gibt es keine gleichartige Unterstützung von nichtehelichen Versorgungsgemeinschaften (z.B. auch gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften).
  • Das Ehegattensplitting führt dazu, dass sich wegen der hohen Besteuerung eine Arbeitsaufnahme, insb. ein Teilzeitjob, für einen der Ehepartner kaum lohnt, wenn der andere gut verdient. Das führt in der Realität zur Nichtteilhabe am Arbeittsmarkt und zu einem immer größeren Qualifikationsverlust des (einkommens-)schwächeren Partners, somit mit zunehmender Zeit zu dauerhaftem Ausgrenzen des (einkommens-)schwächeren Partners der Ehe aus der Berufstätigkeit, ohne Rückkehrmöglichkeit, also letztendlich zu völliger Abhängigkeit vom besserverdienenden Partner.
  • In der Realität betrifft die negative Anreizwirkung des Ehegattensplittings auf die Erwerbstätigkeit fast ausschließlich Frauen. Es ist deshalb in seiner gesellschaftlichen Wirkung unter gleichstellungsrelevanten Aspekten zu analysieren: Faktisch hat es komplementäre Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit von Männer und Frauen und wirkt der gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter entgegen. Unter Beachtung der "Gender Mainstreaming"-Gesetzgebung der EU der letzten Jahre ist das Ehegattensplitting demzufolge nicht akzeptabel. Deutschland wurde durch Organe der EU mehrfach angemahnt, das Steuersystem auf Benachteiligungen zu Lasten von Frauen zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern.


Zitat
"... Ein Richter des Bundesfinanzhofs machte darauf aufmerksam, dass das Ehegattensplitting immer wieder zum Wahlkampfthema gemacht wird und die politischen Parteien lautstark für eine Reform plädieren und nach den Wahlen dann doch nichts umsetzen. Immerhin gehören auch die Politiker zu den Spitzenverdienern und zählen zu dem Kreis, die am meisten von dem Ehegattensplitting profitieren. ..." Quelle: (ARD "Ratgeber Recht").

Literatur

  • Franziska Vollmer: Das Ehegattensplitting: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung der Einkommensbesteuerung von Eheleuten. Nomos Verlagsgeselschaft, Baden-Baden, 1998, ISBN 3789056820

Zur Erfordernis des Gender Mainstreaming vgl. auch