Matthias Matussek

Matthias Matussek (* 9. März 1954 in Münster) ist ein deutscher Journalist und Publizist.
Leben
Nach seinem Abitur am jesuitischen Aloisiuskolleg in Bad Godesberg studierte Matthias Matussek an der Freien Universität in Berlin Amerikanistik und Germanistik sowie Vergleichende Literaturwissenschaften, brachte sein Studium jedoch nicht zum Abschluss.[1] Nach dem Zwischendiplom und einer Arbeit über die Literatur des Dandysmus wechselte er auf die Deutsche Journalistenschule, die er 1977 mit dem Diplom abschloss. Danach begann er als Kulturredakteur beim Berliner Abend. Nach seinen Tätigkeiten für den Berliner Abend[2] und für den Stern ging er 1987 zum Spiegel.
Während der Zeit des Mauerfalls bis zum Tag der Deutschen Einheit berichtete er als Sonderkorrespondent aus Ost-Berlin, wofür er 1991 mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet wurde. Danach leitete Matussek die Büros des Spiegel in New York (1992), Rio de Janeiro (1999) und London (2003). Von 2005 bis zu seinem Entlassung im Jahr 2008 leitete er das Kulturressort des Spiegel.[3]
Seit dem 16. Oktober 2006 veröffentlicht Matussek wöchentlich ein Vlog namens Matusseks Kulturtipp auf Spiegel Online. 2007 wurde er Ehrenmitglied im Verein deutsche Sprache.[4] 2008 wurde er vom Medienmagazin V.i.S.d.P. mit dem Goldenen Prometheus als „Onlinejournalist des Jahres“ ausgezeichnet.[5]
Positionen
Durch Artikel und Bücher wie Die vaterlose Gesellschaft („überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf“) und Wir Deutschen (über „das neue nationale Selbstbewusstsein“ der Deutschen) griff Matussek, dessen aus dem Tschechischen stammender Familienname „Sohn des Matouš“ bedeutet, wiederholt kontroverse Themen auf. 2009 kritisierte er den gegenwärtigen deutschen Konservatismus, der seiner Ansicht nach einen Klassenkampf von oben führe, und bezeichnet sich als einen „versehentlichen Linken“. Als „unzuverlässiger Konservativer“ betrachtet er ihn als „verspäteten Kulturkampf, in dem die bürgerliche Mitte die 68er ein weiteres Mal besiegt wie in einer ständigen Sedanfeier aus Alt- und Jungkonservativen.“ Das konservative juste milieu, „welches die allerschwersten ökonomischen Panikattacken hinter sich hat“, sei lediglich beschäftigt, „sich auf die Schulter zu klopfen, mit geradezu unerträglicher Selbstzufriedenheit.“ [6]
Nach eigener Aussage ist Matussek ein praktizierender Katholik, der regelmäßig beichtet, da es „entlastender“ sei, „als auf die ganz große Schlussabrechnung durch einen gnädigen Gott zu warten, wie es Protestanten tun“.[7] Er unterzeichnete ein Gegenmemorandum zu Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch unter dem Titel „Petition pro Ecclesia“ und tritt für den Erhalt des Zölibats ein[8], kritisiert aber in seinem Buch Das katholische Abenteuer die Kirchensteuer als „moderne Form von Ablasshandel“.[9]
Rezeption
Matussek diente als Vorlage für die Figur des Reporters „Leo Lattke“ in Thomas Brussigs Wenderoman Wie es leuchtet. Brussig hatte ihn nach dem Mauerfall im Berliner Palasthotel beobachten können, von dem aus Matussek für den Spiegel über die DDR berichtete und in dem Brussig als Portier gearbeitet hatte. Er beschreibt den Journalisten Lattke als unangenehmen und reizbaren Menschen, aber auch als genialischen Reporter – eine Beschreibung, die von Journalistenkollegen Matusseks für „ziemlich lebensnah“ gehalten wird.[10]
Nach Meinung der Tageszeitung Die Welt musste Matussek die Leitung des Kulturressorts beim Spiegel wegen seiner „unangemessenen Umgangsformen“ und seinem „Hang zur Cholerik“ abgeben.[11]
Werke
- Der Traum vom Sieg, Gruner & Jahr, Hamburg 1985.
- Palais Abgrund, edition Tiamat, Berlin 1990.
- Palasthotel oder Wie die Einheit über Deutschland hereinbrach, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1991, ISBN 3-10-048923-3.
- Palasthotel Zimmer 6101. Reporter im rasenden Deutschland, Rasch und Röhring, Hamburg 1991, ISBN 3-499-19339-6.
- Das Selbstmord-Tabu, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-13177-3.
- Bill Clinton (Co-Autor), Droemersche Verlagsanstalt, München 1993.
- Showdown, Diogenes, Zürich 1994.
- Fifth Avenue, Diogenes, Zürich 1995, ISBN 3-257-06036-X.
- Long Flight Into Art, in: ICARUS, New York University, New York 1997.
- Markus im Central Park (Märchen), Serie in der Berliner Zeitung, Februar bis April 1997.
- Die vaterlose Gesellschaft. Briefe, Berichte, Essays, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-60816-2.
- Rupert oder Die Kunst des Verlierens, Diogenes, Zürich 2000, ISBN 3-257-23150-4.
- Der Prinz der Westend Avenue (Dramatisierung des Romans von Isler), Pegasus-Theaterverlag, 2001.
- Götzendämmerung. Porträts am Ende des Jahrtausends, Patmos Verlag, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-72415-5.
- Eintracht Deutschland. Reportagen und Glossen aus der neuen Republik, Patmos Verlag, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-72421-X.
- Geliebte zwischen Strand und Dschungel. Hitzeschübe aus Rio de Janeiro, Picus Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85452-792-6.
- Im magischen Dickicht des Regenwaldes. Reise durch den Amazonas, Picus Verlag, Wien 2005, ISBN 3-85452-799-3.
- Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können, S. Fischer, Frankfurt a.M. 2006, ISBN 3-10-048922-5.
- Als wir jung und schön waren, S. Fischer, Frankfurt a.M. 2008, ISBN 978-3-10-048924-1
- Das katholische Abenteuer. Eine Provokation, Deutsche Verlagsanstalt, München 2011 ISBN 978-3-421-04514-0
Literatur
- Erhard Schütz: Dichter der Gesellschaft. Neuer deutscher Journalismus oder Für eine erneuerte Asphaltliteratur, in: text + kritik Nr. 113 (1992).
- Maik Großekathöfer: Reportageschreiben: Handwerk oder Kunst? Eine qualitative Untersuchung am Beispiel der SPIEGEL-Autoren Leinemann, Schnibben und Matussek, Philosophische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster 1997.
- Ariel Stefan Hauptmeier: Wirklichkeitssplitter im Bildersturm – Literarische Reportage als Möglichkeit realistischen Schreibens in der entwickelten Mediengesellschaft?, Freie Universität, Berlin 1997.
Einzelnachweise
- ↑ Matthias Matussek: Deutsches Theater I, Netzeitung, 28. Juni 2006
- ↑ Matthias Matussek: Deutsches Theater I, Netzeitung, 28. Juni 2006
- ↑ „Spiegel“: Matussek geht als Kulturchef, Morgenpost, 10. Juni 2008
- ↑ http://www.vds-ev.de/bekanntemitglieder
- ↑ Verleihung des Goldenen Prometheus – Berlinig und erwartbar, taz, 29. Januar 2008
- ↑ Wie ich aus Versehen ein Linker wurde, Spiegel Online, 11. September 2009
- ↑ Editorial, Der Spiegel, 13. Februar 2010, S. 3
- ↑ Rückenstärkung für Bischöfe Domradio vom 9. Februar 2011
- ↑ Weg mit der Kirchensteuer! Spiegel Online vom 11. Mai 2011
- ↑ Friedrich Siering: Unruhe beim „Spiegel“, Kölner Stadt-Anzeiger, 5. Dezember 2007, S. 22
- ↑ Wie der „Spiegel“ seinen Kulturchef verliert, Die Welt, 4. Dezember 2007
Weblinks
- Offizielle Homepage von Matthias Matussek
- Rezensionen zu Büchern von Matthias Matussek im Perlentaucher
- Beiträge von Matussek (Auswahl)
- Die Gegenwut – Sarrazin-Debatte auf seiner Homepage, 4. September 2010
- Reaktionen zur Sarrazin-Debatte auf Spiegel Online, 7. September 2010
- Videoblog-Kolumne Matusseks Kulturtipp auf Spiegel Online (Episodenführer bei umblaetterer.de)
- „Der entsorgte Vater. Über feministische Muttermacht und Kinder als Trümpfe im Geschlechterkampf“, Der Spiegel, 17. November 1997
- „Berlin – schwierige Stadt: Anmerkungen zur neuen Bürgerlichkeit“, Deutschlandradio, 25. Januar 2006
- „Wie ich aus Versehen ein Linker wurde“, Spiegel Online, 11. September 2009
- Interviews mit Matussek (Auswahl)
- „Matthias Matussek: Deutsches Theater I“, Netzeitung, 28. Juni 2006
- „Jedes Jahr eine Tortenschlacht!“, Cicero, Mai 2007
- „Aussichten!“, Theo. Das katholische Magazin 2/2008
- Porträts über Matussek (Auswahl)
- „Fast niemand mag ihn“, die tageszeitung, 27. Dezember 2005
- „Feuerkopf und Choleriker“, Die Presse, 5. Dezember 2007
- „Matthias Matussek. Rock’n’Roll im Laden“, die tageszeitung, 6. Dezember 2007
Personendaten | |
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NAME | Matussek, Matthias |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Essayist, Reporter und Redakteur |
GEBURTSDATUM | 9. März 1954 |
GEBURTSORT | Münster |